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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.03.2022, RV/3100529/2007

Wissen-Müssen von einem Umsatzsteuerbetrug in der Lieferkette

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0042. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3100529/2007-RS1
Bei mehrjähriger Geschäftsbeziehung und Angabe eines nachvollziehbaren Grundes für die Zwischenschaltung eines Unternehmens sind zusätzliche Anhaltspunkte notwendig, um ein Wissen-Müssen, dass ein Umsatzsteuerbetrug vorliegt, feststellen zu können. Es obliegt der Abgabenbehörde, die mangelnde Gutgläubigkeit nachzuweisen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Woisetschläger & Dr. Mutschlechner Wirtschaftstreuhand - Steuerberatungsgesellschaft mbH., Wopfnerstraße 5, 6130 Schwaz, über die Beschwerde (damals Berufung) vom gegen die Bescheide des FA Kufstein Schwaz (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2002 und 2003, Steuernummer, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Abgaben sind betreffend Umsatzsteuer 2002 dem Erstbescheid vom und betreffend Umsatzsteuer 2003 dem Erstbescheid vom zu entnehmen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und betreibt einen Kfz-Handel und eine Reparaturwerkstätte der Marke Toyota.

2. Mit Bescheid vom wurde die Umsatzsteuer 2002, mit Bescheid vom die Umsatzsteuer 2003 erklärungsgemäß veranlagt. Im Jahr 2002 wurde ein Betrag in Höhe von 1.737.046,33 Euro, im Jahr 2003 ein Betrag in Höhe von 3.493.633,63 Euro unter (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferungen erfasst.

3. Im Februar 2005 wurde aufgrund eines Auskunftsersuchens des "CLO Nederland" durch das Finanzamt eine Nachschau bei der Beschwerdeführerin betreffend ihren niederländischen Geschäftspartner "***A***, UID-Nr. ***1***" durchgeführt. Die genannte Firma habe Lieferungen der Beschwerdeführerin in den Niederlanden nicht als Erwerbe erklärt, weshalb nach Ansicht des CLO Nederland der Verdacht auf Steuerhinterziehung bestehe.

Im Zuge der Nachschau wurde von der Abgabenbehörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin seit Mai 1997 geschäftlichen Kontakt zur Firma ***B*** pflege. Unternehmensgegenstand dieses niederländischen Unternehmens sei (ebenfalls) der Handel mit Fahrzeugen der Marke Toyota, Geschäftsführer sei ***X***.

Aufgrund einer Anfrage von ***X*** und seinem Bruder ***Y*** (ebenfalls Inhaber einer Autohandelsfirma in Holland), ob die Beschwerdeführerin Autolieferungen über ein anderes Unternehmen vornehmen würde, seien die Lieferungen in den Jahren 2002 und 2003 über die holländische UID-Nummer ***1*** erfolgt. Im Zeitraum vom bis hätten die Ausgangsrechnungen ursprünglich auf ***Z*** gelautet und seien im August 2003 von der Beschwerdeführerin auf die Firma ***A***, z.H. ***Z***, ***Adr*** umgeschrieben worden, da bis einschließlich Ende Juni 2003 die Stufe 2-Abfrage betreffend die Gültigkeit der UID-Nummer ***1*** ein negatives Ergebnis gebracht habe.

Die Bestellung der Autos sei telefonisch durch einen der Brüder ***X/Y*** erfolgt. Die von der Beschwerdeführerin ausgefertigten Unterlagen über die Bestellungen seien an die Firma ***B*** gefaxt, von ***X*** oder ***Y*** sowie in 4 Fällen von ***Z*** unterfertigt und an die Beschwerdeführerin zurückgefaxt worden. Sodann hätten holländische Speditionen die Fahrzeuge bei der Beschwerdeführerin abgeholt. Auf den Frachtdokumenten sei teilweise als Bestimmungsort ***T*** und als Empfänger ***Z*** angegeben gewesen. Es sei jedoch aus den Frachtdokumenten nicht ersichtlich gewesen, wer tatsächlicher Empfänger der Autos gewesen sei und wohin die Autos tatsächlich transportiert worden seien. In manchen Fällen sei die ordnungsgemäße Übernahme der Autos durch die Unterschrift der Speditionsfahrer bestätigt worden. Die Überstellungskosten habe nicht die Beschwerdeführerin getragen.

Im Jahr 2002 seien Fahrzeuge im Wert von 939.744,- Euro, im Jahr 2003 Fahrzeuge im Wert von 1.894.740,- Euro an die Firma ***A*** bzw. an ***Z*** geliefert worden.

5. Im Dezember 2005 wurde im Rechtshilfeweg für die Staatsanwaltschaft Hertogenbosch bei der Beschwerdeführerin eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Im Zuge dieser sollten schriftliche Unterlagen betreffend den Einkauf und den Verkauf von Fahrzeugen an diverse holländische Firmen, u.a. an die Firma ***A***, an die Firma ***B***, an die Firma ***C*** und an die Firma ***D***, beschlagnahmt werden.

6. In der Folge wurde durch die Großbetriebsprüfung eine Außenprüfung, u.a. die Umsatzsteuer der Jahre 2002 bis 2004 betreffend, vorgenommen.

Im Wesentlichen wurden die bereits im Zuge der Nachschau getroffenen Feststellungen übernommen. Zudem wurde angeführt, dass Ermittlungen der niederländischen Finanzverwaltung ergeben hätten, dass in den Geschäftsunterlagen der Fima ***A*** keine Einkäufe aus Österreich aufscheinen würden. Das Unternehmen hätte auch die innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht beim Finanzamt angegeben. Weitere Ermittlungen der holländischen Finanz würden bestätigen, dass die tatsächlichen Empfänger der Fahrzeuge die ***B*** bzw. ***C*** gewesen seien.

Da es sich um einen Versendungsfall gehandelt habe, sei der Nachweis gemäß § 3 der Verordnung des BMF, BGBl. 401/1996, zu führen. Dabei sei einerseits eine Rechnung gemäß § 11 UStG 1994 bzw. Art. 11 UStG 1994, andererseits ein ordnungsgemäßer Versendungsnachweis erforderlich. Im vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sowohl auf den Rechnungen als auch auf den Versendungsbelegen nicht der eigentliche Warenempfänger aufscheine.

Eine nachträgliche Korrektur oder Ergänzung des Buchnachweises sei aufgrund des fehlenden Versendungsnachweises ausgeschlossen.

Die durchgeführten Lieferungen könnten nicht steuerfrei belassen werden. Aus den getätigten Lieferungen an ***Z*** bzw. die Firma ***A*** in Höhe von 939.744,- Euro im Jahr 2002 und 1.894.740,- Euro im Jahr 2003 sei die Umsatzsteuer herauszurechnen, sodass 783.120,- Euro im Jahr 2002 und 1.578.950,- Euro im Jahr 2003 dem Normalsteuersatz von 20 % zu unterwerfen seien. Dementsprechend sei Umsatzsteuer in Höhe von 156.624,- Euro für 2002 und in Höhe von 315.790,- Euro für 2003 vorzuschreiben.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wurde ergänzend handschriftlich festgehalten: "Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Fahrzeuge von ***Bf1*** tatsächlich an die Firma ***B*** gegangen sind."

7. Das Finanzamt schloss sich den Feststellungen der Betriebsprüfung an und erließ am nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003, mit denen die Lieferungen an die Firma ***A*** bzw. ***Z*** der Umsatzsteuer unterzogen wurden.

8. Gegen die Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003 wurde mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , Beschwerde (damals Berufung) erhoben.

Die Beschwerdeführerin liefere seit Mai 1997 Autos der Marke Toyota an die Firma ***B***. Deren Inhaber, ***X***, habe den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin Ende des Jahres 2001 darüber informiert, dass der holländische Generalimporteur der Marke Toyota Druck auf ihn ausübe, weil er so viele Autos aus Österreich importiere. Um diesem Druck zu entgehen, sei die Einschaltung eines holländischen Zwischenhändlers notwendig.

Die Beschwerdeführerin sei mit der Lieferung an einen Zwischenhändler einverstanden gewesen, um die bestehende Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten.

Die Rechnungen seien auf ***Z***, den Geschäftsführer des Unternehmens, das als Zwischenhändler aufgetreten sei, ausgestellt worden und nicht auf das Unternehmen, ***A***, selbst. Im Juli 2003 habe sich dann herausgestellt, dass die auf den Rechnungen angeführte UID-Nr. ***1*** der ***A*** zuzuordnen sei, weshalb die Rechnungen des Zeitraumes bis auf das Unternehmen umgeschrieben worden seien.

Festgehalten werde ausdrücklich, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin von eventuellen Umsatzsteuerbetrügereien in Holland nichts gewusst habe. Davon habe er erst im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Finanzbehörden erfahren. Der von Herrn ***X/Y*** genannte Grund für die Lieferungen über den Zwischenhändler sei glaubhaft gewesen.

Dem Standpunkt der Finanzbehörde werde entgegengehalten, dass es außer Streit stehe, dass die Fahrzeuge im Auftrag des Empfängers tatsächlich von Österreich nach Holland geliefert worden seien. Bei einem Reihengeschäft sei es üblich, dass die tatsächliche Warenbewegung vom ersten Unternehmer in der Reihe an den letzten Unternehmer in der Reihe stattfinden würden und sich der Rechnungsempfänger und der tatsächliche Empfänger der Warenlieferung voneinander unterscheiden würden. Zudem scheine, entgegen der Ansicht des Finanzamtes, in den vorliegenden Versendungsbelegen nicht immer Herr ***Z*** bzw. als Bestimmungsort ***T*** auf, was mit der beigelegten Kopie eines Frachtbriefes mit dem Empfänger "Herr ***X/Y***" nachgewiesen werde. In diesem Fall müsse eine nachträgliche Rechnungskorrektur möglich sein.

Aufgrund der Tatsache, dass der Abnehmer für die Versendung der Lieferungen gesorgt habe, sei zudem der erleichterte Nachweis gemäß § 2 der Verordnung BGBl. 401/1996 maßgeblich.

Es lägen auch sämtliche Voraussetzungen des Art. 7 UStG vor und sei die von der Finanzverwaltung vertretene Konsequenz, dass bei formellen Mängeln betreffend den Buchnachweis die Steuerfreiheit der ig Lieferung wegfalle, weder im Gesetz noch in der dazu ergangenen Verordnung geregelt.

Nach der Entscheidung des , verstoße die Versagung der Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nur wegen des Fehlens des Buchnachweises - bei Vorliegen aller materiellen Voraussetzungen - gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Verhältnismäßigkeitsgebot. Dieses Erkenntnis sei in der Entscheidung des RV/0347-G/04, auch auf die Steuerfreiheit von ig Lieferungen umgelegt worden.

Dass sämtliche materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im streitgegenständlichen Fall vorliegen würden, stehe außer Streit. In der Niederschrift zur Schlussbesprechung vom sei von der Abgabenbehörde ausdrücklich festgehalten worden, dass alle Fahrzeuge tatsächlich an den holländischen Unternehmer ***B*** (***X/Y***) geliefert worden seien. Somit müssten die ig Lieferungen steuerfrei behandelt werden.

Zudem würde durch die Besteuerung dieser Lieferungen das gemeinschaftsrechtliche Prinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer in der Unternehmerkette verletzt und die Beschwerdeführerin zum Opfer von etwaigen Umsatzsteuerbetrügereien in Holland gemacht.

Es werde daher beantragt, die in Streit stehenden ig Lieferungen entsprechend den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen umsatzsteuerfrei zu behandeln und für den Fall der Vorlage an den UFS die Entscheidung durch den Berufungssenat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

9. Die Beschwerde (damals Berufung) wurde dem Unabhängigen Finanzsenat ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (damals Berufungsvorentscheidung) am zur Entscheidung vorgelegt.

10. Von Seiten des Unabhängigen Finanzsenates wurde die Abgabenbehörde um ergänzende Ermittlungen im Rechtshilfeweg ersucht. Dabei sollten die niederländischen Behörden Auskünfte erteilen, welche Verfahren (Abgaben- und Strafverfahren) in Zusammenhang mit der umsatzsteuerlichen Behandlung der gelieferten Fahrzeuge anhängig seien bzw. gewesen seien und welche Ergebnisse diese gebracht hätten.

Das Auskunftsersuchen betreffend die ***A*** an die niederländische Steuerverwaltung wurde dahingehend beantwortet, dass die Fahrzeuge tatsächlich an die Firma ***C*** (***2***) verkauft und geliefert worden seien und die ***A*** (***Z***) zwischen das österreichische Unternehmen und ***X/Y*** zwischengeschaltet worden sei. ***A*** sei ein Missing Trader und habe keine Steuererklärungen abgegeben. Letztlich seien ***X/Y*** Umsatzsteuern in Höhe von 835.910,- Euro vorgeschrieben worden, auch ***A*** (***Z***) habe einen Steuerbescheid erhalten, jedoch sei der Betrag nicht bekannt und sei (vermutlich) uneinbringlich gewesen. Unterlagen seien nicht (mehr) verfügbar.

Im Zuge des Auskunftsersuchens betreffend die ***B*** wurde von der niederländischen Steuerbehörde ein mit ***X***, ***3***, ***4*** und ***B*** getroffenes "Feststellungsübereinkommen" vom übermittelt. Mit diesem Übereinkommen wurden (u.a.) drei Umsatzsteuernachforderungen den Zeitraum - betreffend um 40 % reduziert.

Zugleich wurde eine E-Mail vom beigelegt, in der der für das Übereinkommen zuständige Beamte der niederländischen Steuerbehörde mitteilte, dass nach Abschluss des Übereinkommens der durch den Karusselbetrug verursachte Steuerausfall 144.790,- Euro betrage.

11. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd. Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

12. Aufgrund der Pensionierung des bisher zuständigen Richters wurde das Verfahren vom nunmehr zuständigen Richter weitergeführt.

13. Mit Vorhalt vom wurde das Finanzamt darauf aufmerksam gemacht, dass die aus den Niederlanden vorliegenden Unterlagen keinen Hinweis auf die Durchführung eines Strafverfahrens enthalten würden und das Vorliegen eines Betrugsfalles nicht gesichert sei.

Zudem wurde unter Verweis auf die EuGH-Judikatur (Rs Collée und Rs Mecsek-Gabona) vom Bundesfinanzgericht darauf hingewiesen, dass im Beschwerdefall die materiellen Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung als erfüllt anzusehen seien. Dementsprechend sei die Steuerfreiheit nur dann zu versagen, wenn der Lieferer von einer Steuerhinterziehung wusste oder wissen hätte müssen.

Die Abgabenbehörde wurde um Stellungnahme gebeten, aufgrund welcher Anhaltspunkte ein Wissen oder Wissen-Müssen der Beschwerdeführerin festgestellt wurde bzw. festgestellt wird.

14. In der Stellungnahme vom wurde vom Finanzamt erwidert, dass ein Strafverfahren in den Niederlanden eingeleitet worden und die niederländische Steuerbehörde auch nach Abschluss des Übereinkommens von einem Betrugsfall ausgegangen sei. Ob es zu einer Verurteilung gekommen sei, könne "von Seiten der Abgabenbehörde nicht mit Bestimmtheit gesagt werden."

Dass die Fahrzeuge in die Niederlande verbracht wurden, werde zugestanden. Allerdings sei ein Wissen-Müssen der Beschwerdeführerin, dass eine Steuerhinterziehung vorliege, daraus abzuleiten, dass die UID-Abfragen zum Zeitpunkt der Lieferungen kein gültiges Ergebnis gebracht hätten, die Identität des tatsächlichen Abnehmers nicht geprüft worden sei und die Bestellungen durch andere Personen (***X/Y***) erfolgt wären. Auch auf den Frachtdokumenten sei nicht ersichtlich gewesen, wer Empfänger der Fahrzeuge sei.

Diese "Indizien" würden ein Wissen-Müssen der Beschwerdeführerin, dass ein Steuerbetrug vorliegt, ergeben. Die EuGH-Rechtsprechung in der Rs Italmoda würde genau jenen Fall behandeln, dass der Umsatzsteuerbetrug in einem anderen Mitgliedstaat bewirkt wurde und der Liefernde davon hätte wissen müssen.

Eine Steuerneutralität der Umsatzsteuer sei nicht bewirkt worden, weil es durch den mit der niederländischen Steuerverwaltung abgeschlossenen Vergleich zu einem Steuerausfall gekommen sei.

15. In der Replik des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin wurde der in den Niederlanden abgeschlossene Vergleich als Beweis dafür gesehen, dass der Vorwurf des Mehrwertsteuerbetruges fallengelassen worden sei.

Zum Nachweis der Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin wurde auf die langjährige Geschäftsbeziehung mit ***X*** hingewiesen. Die Art, wie Generalimporteure auf Händler Druck ausübten, sei der Beschwerdeführerin bekannt. Die Beschwerdeführerin sei an der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung interessiert gewesen, eine plötzlich auftretende betrügerische Absicht von Seiten des langjährigen Geschäftspartners sei nicht vorhersehbar gewesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und betreibt einen Kfz-Handel und eine Reparaturwerkstätte der Marke Toyota. Die GmbH wurde unter dem Namen "***Bf1***" im Jahr 1995 gegründet und im Jahr 2016 nach Spaltung in "***Bf1***" umbenannt (vgl. Firmenbuchauszug).

2. Die Beschwerdeführerin unterhielt seit 1997 eine Geschäftsbeziehung zu der ***B***, einer Toyota-Händlerin in den Niederlanden, und deren Geschäftsführer ***X***. Von der Beschwerdeführerin wurden bis Ende 2001 zahlreiche Fahrzeuge der Marke Toyota an die ***B*** geliefert.

3. Ab November 2002 bestand auch Kontakt zu ***Y***, dem Bruder von ***X***. Dieser war Geschäftsführer des holländischen Unternehmens ***C*** (Automarke Alfa).

4. Ende des Jahres 2001 wurde die Beschwerdeführerin von ***X*** informiert, dass der holländische Generalimporteur der Marke Toyota Druck auf ihn ausübe, weil er viele Fahrzeuge aus Österreich importiere. Es sei erforderlich, die Lieferungen an einen holländischen Zwischenhändler zu tätigen. Um die bestehende Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten, wurde diese Vorgangsweise von der Beschwerdeführerin akzeptiert.

5. Die Lieferungen der Fahrzeuge sollten an das holländische Unternehmen "***A***" (UID-Nummer ***1***) erfolgen. Der Betriebsgegenstand dieses Unternehmens war das Mieten, Vermieten und der Betrieb von Schiffen, vertretungsbefugt war ***Z*** (vgl. Auszug aus dem "Handelsregister ***5***" vom ).

Von ***Z*** wurden der Beschwerdeführerin mittels Fax vom der o.a. Handelsregisterauszug vom und mit weiterer Faxnachricht vom Firmenkontaktdaten mit der o.a. UID-Nummer übermittelt. Zudem wurde am noch einmal der Handelsregisterauszug vom an die Beschwerdeführerin gefaxt. Darüber hinaus bestand nur (minimaler) telefonischer Kontakt mit ***Z***.

Dem Handelsregisterauszug ist zu entnehmen, dass als weiterer Handelsname der ***A*** auch der Name "***7***" eingetragen war.

6. Im Zeitraum Januar 2002 bis April 2003 wurden gesamt 70 Fahrzeuge telefonisch von einem der Brüder ***X/Y*** bestellt. Die Kaufanträge wurden von ***X*** (38 Autos), von ***Y*** (10 Autos) oder von ***Z*** (4 Autos) unterfertigt, die restlichen 18 Kaufanträge blieben ohne Unterschrift (siehe Aufstellung in der Beilage zur Niederschrift über die Nachschau vom ).

7. Von der Beschwerdeführerin wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2002 betreffend die UID-Nummer ***1*** gesamt 8 Abfragen der Stufe 2 des Bestätigungsverfahrens (Gültigkeit einer UID-Nummer im Zusammenhang mit einem bestimmten Namen und einer bestimmten Anschrift in einem anderen Mitgliedstaat) durchgeführt. Diese haben ein negatives Ergebnis gebracht, weil nicht mit dem Namen und der Anschrift der ***A***, sondern mit dem Namen und der Anschrift von ***Z*** abgefragt wurde. Die am von der Beschwerdeführerin durchgeführte Abfrage der Stufe 1 (Gültigkeit der UID-Nummer) war dagegen erfolgreich (siehe Abfrage des Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystems durch den Prüfer der Nachschau vom ). Die erste gültige Abfrage der Stufe 2 erfolgte am .

8. Ursprünglich wurden die Rechnungen an den Rechnungsempfänger "Herrn ***Z***" ausgestellt (siehe Rechnungen im Arbeitsbogen der Nachschau vom ).

Im August 2003 wurde der Rechnungsempfänger der zwischen und ausgestellten Rechnungen auf "Firma ***A***, z.H. ***Z***, ***Adr***" korrigiert (siehe korrigierte Rechnungen im Arbeitsbogen der Nachschau vom ) und dem Unternehmen mit dem Ersuchen um Austausch in der Buchhaltung zugesendet.

9. Die im Jahr 2002 fakturierten Fahrzeuge wurden überwiegend von der ***A*** bezahlt (siehe entsprechende Zahlungsbelege im Arbeitsbogen der Nachschau), eine Zahlung erfolgte von der ***6*** (siehe Bankbeleg vom ) und vier weitere von der ***7*** (siehe Bankbelege vom , , und ).

Im Jahr 2003 wurden die Fahrzeuge überwiegend von der ***C*** bezahlt (9 Überweisungen). Eine Zahlung erfolgte von der ***7*** (kein Beleg aktenkundig, aus dem Kontoauszug der Speicherbuchhaltung 2003 betreffend die ***B*** ersichtlich) und zwei Zahlungen erfolgten durch die ***B*** (siehe Bankbelege vom und ).

Im Jahr 2002 wurden Fahrzeuge im Gesamtbetrag von 939.744,- Euro und im Jahr 2003 im Gesamtbetrag von 1.894.740,- Euro von der Beschwerdeführerin an die ***A*** verkauft.

10. Die Fahrzeuglieferungen wurden von der Beschwerdeführerin in den Zusammenfassenden Meldungen unter Angabe der UID-Nummer der ***A*** vollständig erfasst.

11. Die an ***Z*** bzw. ***A*** fakturierten Fahrzeuge haben das Inland verlassen, sie wurden von zwei holländischen Transportunternehmen in die Niederlande verbracht. Als Empfänger sind auf den Frachtbriefen in 37 Fällen "***Z***" bzw. "***X/Y***/***Z***" angeführt, in 2 Fällen "***X/Y***", in 2 Fällen "***B***" und in den restlichen 29 Fällen kein Empfänger oder nur "NL" (siehe Auflistung im Arbeitsbogen der Nachschau vom ).

Unstrittig ist, dass der letztendliche Empfänger in den Niederlanden nicht die ***A*** bzw. ***Z*** war.

Die letztendlichen Empfänger waren teilweise die ***B*** (siehe handschriftlicher Vermerk am Ende der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ) und teilweise die ***C*** (siehe Antwort des Central Liaision Office Nederland vom ).

12. Die in den Niederlanden beteiligten Unternehmen bzw. Personen waren in einen Umsatzsteuerbetrug verwickelt, wobei die ***A*** als Missing Trader diente. Ob der holländischen Steuerverwaltung dadurch (letztendlich) Abgaben entgangen sind bzw. wie hoch der in diesem Zusammenhang entstandene Schaden war, kann nicht festgestellt werden.

13. Die Beschwerdeführerin bzw. ihr organschaftlicher Vertreter haben von den (geplanten) Umsatzsteuerbetrügereien in den Niederlanden zum Zeitpunkt der Lieferungen der Fahrzeuge nichts gewusst. Erst im Zuge der durch das Auskunftsersuchen der holländischen Steuerbehörde ausgelösten Ermittlungen hat die Beschwerdeführerin davon Kenntnis erlangt.

Zudem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr organschaftlicher Vertreter von in den Niederlanden durch die Geschäftspartner (allenfalls) vorgenommenen Steuerhinterziehungen hätte wissen müssen.

2. Beweiswürdigung

1. Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, insbesondere dem Arbeitsakt der Nachschau und dem Arbeitsakt der Außenprüfung, und ist insoweit unstrittig.

2. Dass die Geschäftspartner der Beschwerdeführerin in den Niederlanden in einen Umsatzsteuerbetrugsfall verwickelt waren, steht für das Bundesfinanzgericht außer Zweifel. Dies ergibt sich einerseits aus dem auf dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Hertogenbosch basierenden Sachverhalt des Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehls des Landesgerichtes Innsbruck vom und andererseits aus den von der niederländischen Steuerverwaltung übermittelten Auskünften. Demnach wurde die Firma ***A*** als Missing Trader verwendet und die von diesem Unternehmen aus Österreich bezogenen Lieferungen nicht in deren Buchhaltung erfasst sowie keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt.

3. Zwischen den Verfahrensparteien bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, ob die Beschwerdeführerin - aufgrund der Umstände der im Beschwerdezeitraum mit den Geschäftspartnern in den Niederlanden abgeschlossen Rechtsgeschäfte - vom Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen oder nicht.

Ob die Beschwerdeführerin bzw. der organschaftliche Vertreter gutgläubig, also mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes, gehandelt hat, ist in freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Dabei hat nicht der Abgabepflichtige seine Gutgläubigkeit nachzuweisen, sondern die Abgabenbehörde hat "substantiiert jene Tatsachen und Umstände vorzutragen, die aus ihrer Sicht die Gutgläubigkeit des Abnehmers ausschließen und das Vorliegen der objektiven Umstände festzustellen" (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 95).

Bei der Beurteilung des Sorgfältigkeitsmaßstabes ist auf die Umstände des Einzelfalls und den jeweiligen Geschäftszweig abzustellen. Je ungewöhnlicher der Sachverhalt im Vergleich zu den in der betreffenden Branche üblichen Geschäftsabläufen ist, desto höher ist die Sorgfaltspflicht des Unternehmers (vgl. Ruppe/Achatz, a.a.O.).

Dem Finanzamt wurde - insbesondere aufgrund der Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH - im Rahmen der Beantwortung des Vorhalts vom die Möglichkeit eingeräumt, dem Bundesfinanzgericht die maßgeblichen Tatsachen und Umstände darzulegen bzw. auch den Sachverhalt entsprechend zu ergänzen.

Dass der Beschwerdeführerin der (geplante) Umsatzsteuerbetrug ihrer Geschäftspartner nicht bekannt war, wurde von der Abgabenbehörde nicht in Abrede gestellt. Allerdings wurden von der Abgabenbehörde in der Vorhaltsbeantwortung vom als "Indizien" für das Wissen-Müssen, dass ein Steuerbetrug vorliegt, vorgebracht, dass die UID-Abfragen zum Zeitpunkt der Lieferungen kein gültiges Ergebnis gebracht hätten, die Identität des tatsächlichen Abnehmers nicht geprüft worden sei und die Bestellungen durch andere Personen (***X/Y***) erfolgt wären. Auch auf den Frachtdokumenten sei nicht ersichtlich gewesen, wer Empfänger der Fahrzeuge sei.

Bezüglich der Abfrage der UID-Nummer der ***A*** übersieht die Abgabenbehörde dabei, dass diese zum Zeitpunkt der Lieferungen sehr wohl gültig war. Die Abfrage der Stufe 2 war zum Zeitpunkt der Lieferungen nur deshalb nicht erfolgreich, weil von der Beschwerdeführerin die UID-Nummer mit dem Namen des Geschäftsführers ***Z*** und nicht mit dem Namen des Unternehmens, verknüpft wurde. Dieser Fehler wurde von der Beschwerdeführerin schon (lange) vor Beginn der Nachschau des Finanzamtes durch eine neuerliche Abfrage mit dem korrekten Namen behoben und in der Folge die Ausgangsrechnungen korrigiert.

Nach der Entscheidung des , ist von einer Gutgläubigkeit selbst dann auszugehen, wenn sich (erst) infolge abgabenbehördlicher Ermittlungen herausstellt, dass die UID-Nummer im Zeitraum der Lieferungen gültig war. Umso mehr muss dies für jenen Fall zutreffen, in dem die Gültigkeit der UID-Nummer noch vor Tätigwerden der Abgabenbehörde von der Beschwerdeführerin durch eine neuerliche Abfrage mit einem korrigierten Namen festgestellt wurde.

Insoweit das Finanzamt vorbringt, dass die Identität des "tatsächlichen" (Anm.: gemeint wohl des auf den Ausgangsrechnungen angeführten) Abnehmers nicht geprüft worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Handelsregisterauszug und eine (gültige) UID-Nummer übermittelt wurden und zumindest minimaler telefonischer Kontakt mit dem Geschäftsführer ***Z*** bestanden hat.

Dass die Fahrzeuge letztendlich bei der ***B*** landen sollten, war der Beschwerdeführerin bekannt. Aufgrund der langjährigen, von keinen Auffälligkeiten begleiteten, Geschäftsbeziehung zu ***X*** bestand für die Beschwerdeführerin kein Anlass, dabei betrügerische Absichten zu vermuten.

Zudem war der vom Endabnehmer angegebene Grund für die Zwischenschaltung eines anderen niederländischen Unternehmens unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Automobilbranche durchaus lebensnah und nachvollziehbar. Dass die Bestellungen weiterhin von ***X*** bzw. seinem Bruder ***Y*** erfolgten, erscheint in diesem Zusammenhang nur schlüssig.

Auch die unterschiedlichen Angaben in den Frachtpapieren den Abnehmer betreffend waren in diesem Zusammenhang für die Beschwerdeführerin nicht auffällig.

Es würde das Ausmaß der der Beschwerdeführerin aufzulegenden Verpflichtungen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts erheblich überschreiten, wenn diese den Transport der Fahrzeuge bis in das Bestimmungsland verfolgen müsste, um festzustellen, an welchen Abnehmer die Fahrzeuge (tatsächlich) geliefert werden.

Die vom Finanzamt angeführten "Indizien" reichen auch in ihrer Gesamtheit (bei weitem) nicht aus, um die der Abgabenbehörde auferlegte Beweispflicht, dass die Beschwerdeführerin der Sorgfaltspflicht eines Kaufmannes nicht nachgekommen ist, zu entsprechen.

Dem Finanzamt ist insoweit Recht zu geben, dass die Beschwerdeführerin nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um zusätzliche Erkundigungen über den zwischengeschalteten Vertragspartner und dessen Vertreter einzuholen. Dazu war die Beschwerdeführerin beim vorliegenden Sachverhalt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts allerdings auch nicht verpflichtet und hätte dies (auch) keine Anhaltspunkte auf das Vorliegen eines Umsatzsteuerbetruges ergeben.

4. Zusammenfassend kommt das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass ein Wissen-Müssen der Beschwerdeführerin, dass ihre Lieferungen Teil eines Umsatzsteuerbetruges sein sollten, nicht unterstellt werden kann, weshalb von einer Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtsgrundlagen

1. Gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl 1996/756 liegt eine innergemeinschaftlichen Lieferung vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein."

Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, ist die Lieferung steuerfrei zu belassen (Art. 6 Abs. 1 UStG 1994).

2. Wie der Nachweis der Warenbewegung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu erfolgen hat, ist in der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 geregelt:

"§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 2. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, daß er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird.

§ 3. (1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994) und

2. durch einen Versendungsbeleg im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG 1994, insbesondere durch Frachtbriefe, Postaufgabebescheinigungen, Konnossemente und dergleichen oder deren Doppelstücke.

(2) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Absatz 1 zu führen, kann er den Nachweis auch nach § 2 führen."

Ebenso ist in der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 geregelt, wie der Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auszusehen hat:

"§ 5. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen muß der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssen leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein.

§ 6. Der Unternehmer hat folgendes aufzuzeichnen:

1. den Namen, die Anschrift und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers,

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers in Abholfällen,

3. die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des Gegenstandes der Lieferung,

4. den Tag der Lieferung,

5. das vereinbarte Entgelt oder bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten das vereinnahmte Entgelt und den Tag der Vereinnahmung,

6. die Art und den Umfang einer Bearbeitung oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (Art. 7 Abs. 1 letzter Unterabsatz UStG 1994),

7. die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet und

8. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

3. Die Rechtsprechung des EuGH (, Rs Collée) behandelte den Sachverhalt, dass von einer deutschen GmbH aus Gebietsschutzgründen ein deutscher Zwischenhändler formal zwischengeschaltet wurde, um 20 Pkw an einen belgischen Kfz-Händler zu verkaufen. Nach einer Finanzamtsprüfung wurden die Rechnungen an den deutschen Zwischenhändler storniert und die Erlöse auf steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen umgebucht.

In seiner Entscheidung kommt der EuGH zum Ergebnis, dass "eine nationale Maßnahme, die das Recht auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig macht, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind, über das hinausgeht, was erforderlich ist, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen" (Rn 29).

Dies sei nur dann anders zu beurteilen "wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt waren" (Rn 31).

4. Die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist jedoch dann nicht gegeben, wenn anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass die betreffende Lieferung in Zusammenhang mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung steht und der Unternehmer davon wusste oder wissen musste (, Rs Italmoda Rn 62).

Erwägungen

1. Vom Finanzamt wurde in den Umsatzsteuerbescheiden die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen mit der Begründung verwehrt, dass die Versendungsnachweise deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen seien, weil auf diesen nicht der eigentliche Empfänger der Warenlieferungen aufscheine.

Dem wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde (damals Berufung) entgegengehalten, dass dies mit der Judikatur des VfGH nicht in Einklang stehe, weil bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen formelle Erfordernisse keine Rolle spielen würden.

2. Im Bericht über die Außenprüfung wurde festgestellt, dass der eigentliche Abnehmer und Geschäftspartner der von der Beschwerdeführerin durchgeführten Lieferungen die Firma ***B*** war.

Mit der Firma ***A*** wurden Scheingeschäfte abgeschlossen, um den Vorgaben des holländischen Toyota-Generalimporteurs zu entsprechen. Tatsächlich handelte es sich allerdings um Geschäfte der Beschwerdeführerin mit der Firma ***B***, mit der bis Ende des Jahres 2001 die Lieferungen direkt abgewickelt worden waren.

Dementsprechend liegen im Beschwerdefall keine Reihengeschäfte vor, weshalb diesbezügliche Überlegungen - insbesondere in Zusammenhang mit der Bestimmung der bewegten Lieferung - vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen waren.

3. Wie schon ausgeführt, besteht zwischen den Streitparteien Einigkeit darüber, dass die Lieferungen der Fahrzeuge in die Niederlande tatsächlich durchgeführt wurden (und wer der tatsächliche Empfänger war). Damit sind die materiellen Anforderungen an eine (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung gegeben. Die - in der Begründung des Finanzamtes angeführte - mangelnde Vollständigkeit der formellen Erfordernisse (Buchnachweis, Versendungsnachweis) sind dementsprechend zu vernachlässigen (vgl. , Rs Collée).

4. Damit war vom Bundesfinanzgericht im Beschwerdefall (lediglich) zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin ein Wissen-Müssen vom Abgabenbetrug in den Niederlanden, also mangelnde Gutgläubigkeit, vorgeworfen werden kann. Dies würde das Finanzamt dazu berechtigen, die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu versagen.

Nach der Judikatur des EuGH besteht die Verpflichtung, jene Maßnahmen zu ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass man sich nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt (, Rs Mecsek-Gabona Rn 48 mwN).

Dies gilt insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die "einen Verdacht hinsichtlich des Vorliegens von Unregelmäßigkeiten oder einer Steuerhinterziehung wecken müssen" (, Rs Litdana Rn 45).

Die diesbezüglichen vom Finanzamt angeführten Anhaltspunkte (UID-Nummer, tatsächlicher Abnehmer, Besteller) wurden bereits unter Punkt II.2. einer Prüfung unterzogen.

Das Bestätigungsverfahren nach Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 dient (lediglich) dazu, die Gültigkeit und die persönliche Zuordnung der ausländischen UID zu verifizieren. Es verschafft dem Abfragenden keine Gewissheit darüber, ob vom Abnehmer im Ausland eine Erwerbsbesteuerung durchgeführt wird (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 7 BMR Tz 33).

Zudem ist die Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung, da diese zwar die Steuerbarkeit in einem Mitgliedstaat voraussetzt, nicht aber die tatsächliche Besteuerung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 7 BMR Tz 18).

Die Beschwerdeführerin hat die Lieferungen an ein Unternehmen mit zu diesem Zeitpunkt gültiger niederländische UID-Nummer erbracht und Zusammenfassende Meldungen über die innergemeinschaftlichen Lieferungen erstattet. Der niederländischen Steuerverwaltung wurden damit alle Informationen zur Verfügung gestellt, um die Erwerbsbesteuerung zu überwachen. Es ist Sache der Steuerbehörden, die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken (vgl. , Rs Mahagében Kft Rn 62).

Die zwei zusätzlich angeführten Anhaltspunkte (tatsächlicher Abnehmer, Besteller) waren - wie schon unter Punkt II.2. ausgeführt - für die Beschwerdeführerin schon deshalb unauffällig, weil dies der mit ***X*** vereinbarten Vorgangsweise entsprochen hatte und dieser über mehrere Jahre als verlässlicher Geschäftspartner aufgetreten war. Zwischen ***X*** und der Beschwerdeführerin bestand bereits seit dem Jahr 1997 eine dauerhafte Geschäftsbeziehung. In diesen fünf Jahren sind keine Umstände aufgetreten, die der Beschwerdeführerin Anlass gegeben hätten, an der Vertrauenswürdigkeit des Vertragspartners zu zweifeln.

Die Tatsache, dass die Lieferungen von der ***A*** nicht in der Buchhaltung erfasst wurden, konnte nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden. Davon hatte die Beschwerdeführerin keine Kenntnis.

5. Die Berufung auf die Entscheidung des EuGH in der Rs Italmoda () in der Stellungnahme vom kann dem Finanzamt nicht zum Erfolg verhelfen, da in dieser vom EuGH in Rz 69 (lediglich) festgestellt wurde, dass dem bösgläubigen Steuerpflichtigen die Mehrwertsteuerbefreiung (auch dann) versagt werden kann, wenn die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurde. Für ein Wissen-Müssen von einem Umsatzsteuerbetrug fehlt es im vorliegenden Beschwerdefall - wie bereits festgestellt - an klaren Anhaltspunkten, weshalb diese Aussage des EuGH auf den Beschwerdefall nicht angewendet werden kann.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin ist eine Frage des Sachverhaltes und vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen sich im Beschwerdefall nicht, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise







RV/0347-G/04
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100529.2007

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at