Ausscheiden eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CSG Wirtschaftstreuhand- u. Steuerberatungs GmbH, Münchner Bundesstraße 105, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (kurz Bf) ist eine GmbH & Co KG, die im Bereich der Kunststoffverarbeitung tätig ist.
Mit Bescheid vom über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2011 setzte das Finanzamt für den Kommanditisten V einen Veräußerungsgewinn in der Höhe von € 16.955,03 an, da dieser seinen Gesellschaftsanteil im Beteiligungsausmaß von 15% mit an seine Tochter übertragen habe. Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen fänden im Steuerrecht nur dann Anerkennung, wenn sie fremdüblich seien. Die Formulierung im vorliegenden Vertrag, dass der verbleibende negative Saldo über jederzeit mögliche Aufforderung seitens der Gesellschaft abzudecken sei, entspreche nicht der Fremdüblichkeit. Es sei daher der Betrag des negativen Kapitalkontos als Veräußerungsgewinn anzusetzen. Der Aufgabegewinn sei folgendermaßen berechnet worden: Negatives Kapitalkonto in der Höhe von € 18.050,03 abzüglich € 1.095 (15 % des Freibetrages von € 7.300) ergebe einen Veräußerungsgewinn in der Höhe von € 16.955,03.
Dagegen brachte die Bf in verlängerter Rechtsmittelfrist mit Schriftsatz vom fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) ein. Zur Begründung führte sie an, gemäß der Rz 5987 der EStR komme zum Ausdruck, dass eine spätere Entlassung aus der Auffüllungsverpflichtung erst zu diesem Zeitpunkt zu nachträglichen Einkünften führe. Außerdem sei laut Gesellschaftsvertrag über jederzeit mögliche Aufforderung der Gesellschaft der Negativsaldo abzudecken. Dies entspreche einer "Muss-Verpflichtung" und somit auch der Fremdüblichkeit. Im Übrigen unterbleibe eine Versteuerung nach Rz 5988 EStR auch dann, wenn die stillen Reserven samt Firmenwert das negative Kapitalkonto übersteigen würden und somit eine unentgeltliche Übertragung vorliege. Auch dies sei gegeben, zumal bereits im Jahr 2011 das anteilige negative Kapital durch die adäquate Gewinntangente aufgefüllt worden sei.
In der Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde vom führte das Finanzamt aus, dass der Ansatz des Veräußerungsgewinns erfolgt sei, da die Formulierung im vorliegenden Abtretungsvertrag nicht fremdüblich sei. Die entsprechende Formulierung unter Punkt 3.2. des Vertrages laute: "Sofern … die Kapitalkonten der Kommanditisten einen negativen Saldo aufweisen, belieben diese …, diesen Negativsaldo über jederzeit mögliche Aufforderung seitens der Gesellschaft abzudecken." Diese Formulierung lasse unklar, ob - und wenn ja, wann - tatsächlich eine Auffüllungsverpflichtung schlagend werde. Die behauptete Muss-Verpflichtung könne nicht vorliegen, da es laut Vertragsvereinbarungen genauso möglich wäre, dass der übernehmende Gesellschafter auf Dauer auf die Auffüllung verzichte ("jederzeit mögliche Aufforderung"). Ein Veräußerungsgewinn sei nicht zu versteuern, wenn die stillen Reserven samt Firmenwert das negative Kapitalkonto übersteigen würden. Dem Argument, dass 2011 das Negativkapital durch die adäquate Gewinntangente aufgefüllt worden sei, könne nicht gefolgt werden, da der Gesellschafter bereits zum aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Das Kapitalkonto könne nach diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Gewinnen aus dem Jahr 2011 aufgefüllt werden. Die Tatsache, dass im Wirtschaftsjahr 2011 ein Gewinn erzielt worden sei, stelle keinen Nachweis für das Vorliegen eines Firmenwerts oder stille Reserven dar. Beides sei nur durch Gutachten oder schlüssige Berechnungen zu beweisen.
Das Finanzamt legte am die Beschwerde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
Gemäß § 323 Abs. 38 1. Satz BAO idF FVwGG 2012, BGBl I Nr. 14/2013, sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht (BFG) als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Am versandte das BFG einen Vorhalt, in dem die Bf dazu aufgefordert wurde, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass das negative Kapitalkonto durch anteilige stille Reserven und/oder den anteiligen Firmenwert gedeckt sei. Ein Verweis auf den Gewinn im Jahr 2011, wie in der Beschwerde angeführt, reiche dazu nicht aus.
Dieser Vorhalt blieb seitens der Bf unbeantwortet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf ist eine Kommanditgesellschaft, die mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet wurde. Als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert die G GmbH. Die Gesellschaftsanteile standen im Eigentum von drei Kommanditisten (V und M zu je 15% und S zu 70%).
Mit Abtretungsvertrag vom vereinbarten M und V die Abtretung ihrer Kommanditanteile an ihre Tochter T rückwirkend zum Stichtag . Dem Abtretungsvertrag ist dazu auszugsweise Folgendes zu entnehmen:
"…2.1. Die abtretenden Gesellschafter M und V treten hiermit ihre unter Punkt 1 näher beschriebenen Kommanditanteile unentgeltlich an Frau T, geb. , ab und nimmt diese die Abtretungen der Anteile an.
…
3.2. Sofern die Kapitalkonten der Kommanditisten einen negativen Saldo aufweisen, belieben diese ungeachtet der gegenständlichen Abtretung verpflichtet, diesen Negativsaldo über jederzeit mögliche Aufforderung seitens der Gesellschaft abzudecken.
3.3 Die Verrechnungskonten der Kommanditisten werden durch diese Übertragung nicht berührt. Ein positiver Saldo steht Ihnen persönlich weiter zu, ein negativer Saldo ist von diesen über Aufforderung der Gesellschaft abzudecken…"
In den Bilanzen der Bf werden 2008 ein Bilanzverlust von € 1.195,59, 2009 ein Bilanzverlust von € 29.485,94, 2010 ein Bilanzgewinn von € 2.407,45 und 2011 ein Bilanzgewinn von € 45.519,10 ausgewiesen. Bilanzstichtag ist der 31. Dezember.
Das Kapitalkonto von V weist zum Abtretungsstichtag einen negativen Kapitalstand in der Höhe von € -18.050,03 aus. Im Jahr 2020 ist in der Bilanz der Gesellschaft immer noch eine Forderung gegenüber V in der Höhe von € 18.050,03 ausgewiesen.
Im Unternehmen waren zum Abtretungsstichtag keine nennenswerten stillen Reserven vorhanden. Der dem Gesellschaftsanteil von V entsprechende anteilige Firmenwert der Bf übersteigt ebenso nicht den Negativstand seines Kapitalkontos.
2. Beweiswürdigung
Die Bf hat im gesamten Verfahren keine Nachweise erbracht, dass die dem Kommanditanteil entsprechenden stillen Reserven oder ein anteiliger Firmenwert das negative Kapitalkonto übersteigen würden.
Das Vorhandensein stiller Reserven wurde seitens der Bf gar nicht vorgebracht und geht auch aus den vorliegenden Bilanzen nicht hervor.
Der Hinweis auf eine adäquate Gewinntangente im Jahr 2011 allein kann nicht aufzeigen, dass zum Abtretungsstichtag ein positiver anteiliger Firmenwert vorlag, zumal in den Jahren 2008 und 2009 Verluste und im Jahr 2010 lediglich ein geringer Gewinn erzielt wurden. Der diesbezügliche Vorhalt vom blieb unbeantwortet.
Kann nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe auf die ausgeschiedene Kommanditistin stille Reserven und ein Firmenwert entfallen ist, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde (vgl. BFG RV/7100317/2013, vgl. auch Ritz BAO6, § 115 Rz 12 mwN). Dieser Beweis ist der Bf nicht gelungen. Von einem das negative Kapitalkonto übersteigenden anteiligen Firmenwert kann daher ebenfalls nicht ausgegangen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Scheidet ein Mitunternehmer mit negativen Kapitalkonto aus einer Mitunternehmerschaft aus, ist gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.
Ein Veräußerungsgewinn in der Höhe des negativen Kapitalkontos entsteht daher dann nicht, wenn der ausscheidende Mitunternehmer vertraglich zu dessen Auffüllung verpflichtet ist (Fraberger/Pabst in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 24 Tz 196).
Ein Veräußerungsgewinn ist jedoch anzunehmen, wenn zwar für den ausscheidenden Mitunternehmer eine vertragliche Verpflichtung zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos besteht, die Gesellschaft aber von der Nachschusspflicht Abstand nimmt (vgl. ).
Zunächst ist daher zu prüfen, ob im vorliegenden Beschwerdefall die behauptete vertragliche Auffüllungsverpflichtung für den ausgeschiedenen Kommanditisten bestand.
Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen werden nach ständiger Rechtsprechung des VwGH, wie das Finanzamt bereits ausführte, nur dann als erwiesen angenommen und somit anerkannt, wenn sie
1. nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,
2. einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und
3. auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (vgl. zB. ).
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
In Punkt 3.2. des Abtretungsvertrages vom wurde vereinbart, dass ein Negativsaldo auf dem Kapitalkonto der Kommanditisten "über jederzeit mögliche Aufforderung seitens der Gesellschaft" abzudecken ist. Diese Vereinbarung hat keinen klaren und eindeutigen Inhalt, da nicht hervorgeht, unter welchen Voraussetzungen und wann diese Aufforderung getätigt werden kann. Es ist genauso möglich, dass eine Auffüllungspflicht nie zum Tragen kommt. Damit hält die Vereinbarung aber auch keinem Fremdvergleich stand. Zudem ist die Forderung gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter V zumindest im Jahr 2020 noch in derselben Höhe in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesen. Eine Verzinsung der Forderung wurde weder vereinbart noch ist eine solche erfolgt. Damit ist auch die Umsetzung der Vereinbarung nicht fremdüblich, sodass die gegenständliche vertragliche Vereinbarung steuerlich nicht anzuerkennen ist. Vom Bestehen der behaupteten "Muss-Verpflichtung" zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos kann nicht ausgegangen werden.
In den Fällen einer unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteiles sind allerdings grundsätzlich die Buchwerte fortzuführen, ohne dass es beim übertragenden Gesellschafter zu einer Besteuerung gem. § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 kommt (zB ).
Das Vorliegen einer Schenkung setzt voraus, dass der Rechtsnachfolger durch die Übertragung des Gesellschaftsanteiles tatsächlich bereichert wird, also der reale Wert des Gesellschaftsanteiles aufgrund anteiliger stillen Reserven samt anteiligem Firmenwert trotz Negativstands des Kapitalkontos positiv ist (vgl. zB ; ; ; Beiser, SWK 2014, 94). Dies wurde jedoch von der Bf nicht nachgewiesen (siehe Beweiswürdigung). Von einer unentgeltlichen Übertragung der Gesellschaftsanteile war daher ebenfalls nicht auszugehen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Das Bundesfinanzgericht folgt hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Veräußerungsgewinnes der im Erkenntnis dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Im Übrigen sind Tatfragen, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beantworten sind, einer (ordentlichen) Revision nicht zugänglich.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.
Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 24 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100276.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at