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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.08.2021, RV/7200020/2019

Beförderung von Mineralöl unter Steueraussetzung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200020/2019-RS1
Bei Beförderungen von Mineralöl unter Steueraussetzung an registrierte Empfänger stellen die einschlägigen unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften für die Beendigung des Verfahrens ausschließlich darauf ab, ob das Mineralöl vom berechtigten Empfänger übernommen wird, und nicht, an welchem Ort das Mineralöl übernommen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***SenV***, den Richter ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Zollamtes Wien (nunmehr Zollamt Österreich) vom 24. und , Zahlen: ***1***, ***2*** und ***3***, betreffend Mineralölsteuer für die Jahre 2015, 2016 und 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***S*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zahl: ***1***, und mit den Bescheiden vom , Zahlen: ***2*** und ***3***, wurde für die Beschwerdeführerin die gemäß § 21 Abs. 1 Z 3a Mineralölsteuergesetz 1995 (MinStG) entstandene Mineralölsteuerschuld für die Jahre 2015, 2016 und 2017 gemäß § 201 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 3 BAO festgesetzt und der Säumniszuschlag vorgeschrieben.

In den Begründungen wurde nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften ausgeführt, die Beschwerdeführerin mit Sitz in ***4*** sei Inhaberin einer Bewilligung als registrierter Empfänger für Mineralöl sowie Inhaberin von Bewilligungen zur steuerfreien Verwendung von Gasölen in ***5*** und ***6***. Im Zusammenhang mit diesen Bewilligungen habe die Beschwerdeführerin Gasöl "direkt in die Verwendungsbetriebe" bezogen. Im Zuge einer amtlichen Aufsicht sei durch das Zollamt Graz festgestellt worden, dass Lieferungen direkt an den Verwendungsbetrieb in ***6*** erfolgt seien, jedoch in den elektronischen Verwaltungsdokumenten weder die Bestimmung "Direktlieferung" (sondern Bestimmung Registrierter Empfänger), noch der Ort der Lieferung oder ein Direktlieferungscode angeführt gewesen seien. Die Lieferungen unterlägen somit nicht der amtlichen Aufsicht, das Mineralöl sei daher dem Verfahren der Steueraussetzung entzogen worden. Die elektronischen Verwaltungsdokumente seien konform (Empfangsergebnis: Empfang der Waren erfolgt, keine Beanstandung) erledigt worden, diese Mineralöllieferungen in den monatlichen Steueranmeldungen angemeldet und aufgrund der Freischeine mit dem Steuerbetrag Null abgegeben worden. Die Mineralölsteuer sei somit nicht entrichtet worden.

Aufgrund dieser Feststellungen seien die Verwaltungsdokumente und Steueranmeldungen der Beschwerdeführerin durch das Zollamt Wien überprüft worden. Dabei konnten Unstimmigkeiten festgestellt werden. Es sei mit dem Empfang des Mineralöls am Ort der Direktlieferung eine Unregelmäßigkeit bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung vorgelegen und die Steuerschuld sei gemäß § 21 Abs. 1 Z 3a MinStG für den registrierten Empfänger entstanden.

Gegen diese Bescheide richtete sich nach Verlängerung der Beschwerdefrist die Beschwerde vom . Die Beschwerdeführerin, vertreten durch die ***V***, brachte vor (auszugsweise sowie Fußnoten nicht wiedergegeben):
"II. Beschwerdebegründung
1. Vorbemerkung
Dem beschwerdegegenständlichen Verfahren liegt ein bemerkenswerter Sachverhalt zugrunde, welcher der Beschwerde in der gebotenen Kürze vorangestellt sei:
Die (…) erzeugt seit Jahrzehnten an den Standorten in
***6*** und ***5*** Leistungs- und Verteiltransformatoren. Für diese Zwecke werden seit jeher große Mengen mineralölsteuerpflichtige Stoffe von ausschließlich zwei Lieferanten im Ausland importiert. Die damit verbundenen Lieferungen in die ordnungsgemäß registrierten Verwendungsbetriebe in ***5*** und ***6*** laufen seit vielen Jahren ident ab: Die mineralölsteuerpflichtigen Stoffe werden direkt in die Verwendungsbetriebe geliefert und die verbrauchsteuerlichen Dokumente und Meldungen werden an das zuständige Zollamt übermittelt. Da die mineralölsteuerpflichtigen Substanzen für steuerbefreite Zwecke verwendet werden, wurden die Lieferungen niemals einer Versteuerung unterzogen.
Dieser Sachverhalt wurde durchgehend im Zuge unzähliger abgabenbehördlicher Aufsichtsmaßnahmen vollständig geprüft. Alle Prüfungen kamen zum selben Ergebnis: Es gab diesbezüglich keinerlei mineralölsteuerliche Beanstandungen. Es ist den Zollbehörden überdies bekannt, dass von der (…) mineralölsteuerlich relevante Stoffe ausschließlich an den Standorten in
***5*** und ***6*** verwendet werden und dass sämtliche Mineralölsteuermeldungen unserer Gesellschaft somit ausschließlich diese beiden Standorte betreffen. Schließlich wurde die (…) für ihre zollrechtliche Gebarung stets von den zuständigen Zollämtern gelobt. Zwischen der (…) und den Zollbehörden bestand daher seit jeher bestes Einvernehmen bezüglich der mineralölsteuerlichen Abwicklung der Verpflichtungen der (…)
Dies änderte sich zur Überraschung aller Beteiligten in Folge der aktuellsten Prüfung. Diese führte selbst zwar - wie alle vorangehenden Prüfungen - zu keinerlei Feststellungen. Dennoch sahen sich die Zollbehörden nach positivem Abschluss der Prüfung - entgegen den Prüfungsfeststellungen - dazu veranlasst, eine in der Erstellung der Lieferdokumente bestehende Ausweispraxis als Formalfehler zu qualifizieren, um für alle noch nicht verjährten Zeiträume eine Abgabennachforderung von insgesamt fast EUR 500.000 festzusetzen.
Diese Festsetzung erfolgte
(i) trotz Kenntnis des vollständigen abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts,
(ii) trotz wiederholter abgabenbehördlicher Bestätigung der bisherigen formellen Dokumentationspraxis hinsichtlich der mineralölsteuerlichen Gebarung, die seit jeher als einwandfrei qualifiziert wurde,
(iii) trotz zweifelsfreier und unstrittiger Verwendung der mineralölsteuerpflichtigen Substanzen für ausschließlich steuerbefreite Zwecke,
(iv) trotz jüngster einschlägiger EuGH-Judikatur, die derartigen Abgabenerhebungen aufgrund Formalfehlern bei gleichzeitig nachweislicher Verwendung für steuerfreie Zwecke eine eindeutige Absage erteilt.
Dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren liegen daher sowohl aus verfahrensrechtlicher als auch aus materiell-rechtlicher Sicht folgende Rechtsfragen zugrunde:
- Kamen für die Abgabenbehörde neue Tatsachen hervor, die bei Vornahme der gegenständlichen Selbstberechnung durch die (…) nicht bereits bekannt waren (§ 201 Abs 1 iVm Abs 2 Z 3 iV § 303 BAO)?
- Falls dies zutrifft, war die Ermessensübung der Abgabenbehörde, die für die Abgabenfestsetzung ausschlaggebend war, rechtsrichtig, oder hätte aus Billigkeitsgründen eine Abgabenfestsetzung unterbleiben müssen?
- Falls man die Ermessensübung der Abgabenbehörde für zutreffend erachtet, ist weiters zu erörtern, ob die Abgabenfestsetzung im Rahmen des aus der Rsp des EuGHs abgeleiteten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgte, zumal eine Steuerbefreiung bloß aufgrund eines Formfehlers versagt wird, obwohl klar erkennbar war, dass die Erzeugnisse entsprechend den Bewilligungen zur steuerfreien Behandlung verwendet wurden.
Sämtliche dieser Rechtsfragen sind - entgegen der Ansicht der Abgabenbehörde - zu verneinen, weshalb die angefochtenen Bescheide rechtswidrig ergingen, wie in der Folge dargelegt wird.
2. Sachverhalt
2.1. Transformatorenbetriebe in
***5*** und ***6***
Die (…) ist ein führendes Technologieunternehmen Österreichs mit Sitz in der (…)
***4***. Die Gesellschaft hat ihre Geschäftstätigkeit auf die Gebiete Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung konzentriert. Im Jahr 2012 wurde die (…) in die (…) hineinverschmolzen. Seither betreibt die (…), die (…) beiden Transformatorenwerke an den Standorten ***6*** und ***5***.
Zum Schutz vor elektrischem Überschlag bzw zu Kühlzwecken der in
***6*** und ***5*** betriebenen Transformatorenwerke werden Mineralöle (sog Transformatorenöle) in großen Mengen benötigt, welche von der (…) ausschließlich von den Lieferanten (…) bezogen werden. Die von der Gesellschaft bezogenen Transformatorenöle (…) fallen unter die Positionen 2710 1943 und 2710 1947 der Kombinierten Nomenklatur (KN) und sind daher als Mineralöle iSd § 2 Abs 1 Z 1 Mineralölsteuergesetz (MinStG) zu qualifizieren. Die Transformatorenöle werden vom Lieferanten (…) (Hamburg) bzw vom Lieferanten (…) (Belgien) versendet und nach Österreich transportiert.
2.2. Registrierung von Verwendungsbetrieben in den Transformatorenbetrieben in
***5*** und ***6*** für Zwecke der steuerfreien Verwendung
Die (…) stellte im Zuge der Integration der (…) am beim zuständigen Zollamt in Wien einen Antrag zum Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung. Antragsgemäß erlangte die Gesellschaft den Status als registrierter Empfänger von Mineralöl iSd § 32 Mineralölsteuergesetz (MinStG). Das Zollamt Wien erließ am eine Bewilligung (…) zum Bezug von Mineralöl - Testbenzin der Nomenklatur 2710 1221 sowie Gasöl, nicht gekennzeichnet der Nomenklatur 2710 1943, 2710 1946, 2710 1947 und 2710 1948 unter Steueraussetzung zu gewerblichen Zwecken aus anderen Mitgliedstaaten.
Diese Bewilligung ermächtigt die (…) - unter strengen Aufzeichnungspflichten - steuerfrei Mineralöle aus dem Gemeinschaftsgebiet nicht nur gelegentlich zu beziehen. Wie eingangs erwähnt, werden allerdings die bezogenen Mineralöle nicht am Sitz der Gesellschaft in
***4*** benötigt, sondern ausschließlich zu Kühlzwecken der Transformatorenwerke an den Standorten ***6*** und ***5***.
In diesem Zusammenhang besteht für registrierte Empfänger nach § 31 Abs 1 Z 1 lit c iVm § 32 Abs 1 Z 1 MinStG die Möglichkeit, Direktlieferungsorte bekannt zu geben. Damit kann gewährleistet werden, dass das Mineralöl unter Steueraussetzung direkt an deren - im Voraus der Zollbehörde mitgeteilte - Bestimmungsorte befördert wird und weiterhin im Verwendungsbetrieb steuerfrei verwendet werden kann. Die (…) hat daher im Antrag auf Bewilligung als registrierter Empfänger (§ 32 Abs 3 MinStG) die Verwendungsbetriebe (…)
***6*** und die (…) ***5*** als Direktlieferungsorte angeführt. Überdies wurde dem Antrag eine Ablaufbeschreibung (siehe …) beigelegt, aus welcher hervorgeht, dass die zugelassenen Verwendungsbetriebe in ***6*** und ***5*** die mineralölsteuerpflichtigen Produkte im Rahmen der Transformatorenproduktion verwenden.
Die (…) stellte am für den Standort
***5*** (OÖ) und am für den Standort ***6*** (Stmk) jeweils einen Antrag zur steuerfreien Verwendung von Mineralöl. Antragsgemäß erteilte die jeweils zuständige Zollbehörde am nachfolgende Bewilligungen (Freischeine) zur steuerbefreiten Verwendung von Mineralölen:
(…)
2.3. Dokumentation des Ablaufs des Steueraussetzungsverfahrens
In Nutzung oben genannter Freischeine erfolgten die Lieferungen des unter die Bewilligungen fallenden Mineralöls direkt von den Lieferanten aus Deutschland bzw Belgien in die Verwendungsbetriebe der (…) nach
***6*** und ***5***. Das gesamte Verfahren verbrauchersteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung bis zur Anmeldung der Verbrauchsteuer lässt sich im Detail wie folgt darstellen:
- Werden Mineralöle aus anderen Mitgliedstaaten im Steueraussetzungsverfahren eingeführt, übermittelt zuerst der Versender den Behörden des Abgangsmitgliedstaats bei Beginn der Beförderung ein elektronisches Verwaltungsdokument (e-VD).
- Die ausländische Behörde überprüft die Angaben und vergibt, wenn sie korrekt sind, einen administrativen Referenzcode (ARC).
- Bei Direktlieferungen an Verwendungsbetriebe übermittelt die ausländische Behörde das elektronische Verwaltungsdokument direkt an die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaates, die es ihrerseits an den registrierten Empfänger weiterleitet.
- Bei der Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung sind Direktlieferungsorte im Voraus der Abgabenbehörde mitzuteilen. Von der (…) wurden die Bestimmungsorte, an welchen die Mineralöle benötigt werden, rechtzeitig, im Vorhinein im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung der Behörde bekanntgegeben.
- Sodann übermittelt der Empfänger beim Empfang der verbrauchersteuerpflichtigen Waren am Bestimmungsort den zuständigen Behörden desBestimmungsmitgliedstaates über das EMCS Excise Movement and Control System) unverzüglich, spätestens jedoch fünf Werktage nach Beendigung der Beförderung, eine Meldung über den Eingang der Waren (sog Eingangsmeldung).
- Beim EMCS handelt es sich um ein EDV-gestütztes Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren unter Steueraussetzung. In weiterer Folge überprüft die zuständige Zollbehörde automatisiert die Angaben in der Eingangsmeldung. Hat die Behörde etwas zu beanstanden oder stimmt sie den Angaben zu (keine Beanstandungen), so wird dies dem registrierten Empfänger unter Verwendung des EMCS mitgeteilt.
- Gelangt die Behörde zum Ergebnis, dass alle Angaben korrekt sind, dann bestätigt sie dem registrierten Empfänger den Erhalt der Eingangsmeldung und übermittelt diese auch an die zuständige Behörde des Abgangsmitgliedstaats.
- Sobald von der österreichischen Zollbehörde auch die Eingangsmeldung überprüft und bestätigt wurde, ging die (…) davon aus, dass sämtliche Voraussetzungen für die Beförderung von Mineralöl unter Steueraussetzung erfüllt sind.
Entsprechend ihrer steuerlichen Verpflichtungen gab die (…) die monatlichen Verbrauchsteueranmeldungen (EVA) über elektronischen Weg im System der Elektronischen Verbrauchsteueranmeldung (EVA System), auf Grundlage der firmeninternen Aufzeichnungen und bestätigten elektronischen Verwaltungsdokumenten über die Zukäufe des Transformatorenöls der zugelassenen Verwendungsbetriebe
***6*** und ***5***, an das Hauptzollamt Wien ab. Die monatlichen Verbrauchsteuermeldungen enthalten uA die exakte Menge an geliefertem Mineralöl sowie die Angabe, dass eine steuerfreie Verwendung aufgrund eines Freischeins erfolgte. Aufgrund dieser Angaben ist erkennbar, dass die Mineralölmenge in einen der beiden Verwendungsbetriebe in ***6*** oder ***5*** geliefert wurde. In der nachfolgenden Abbildung ist beispielhaft ein entsprechender Auszug einer Monatsmeldung für den Zeitraum 1/2016 angeführt, welche der Beschwerde auch als Anlage (…) beigefügt ist.
(…)
Zum Zeitpunkt der Erstattung der Monatsmeldung liegt der Finanzverwaltung auch bereits das entsprechende e-VD vor. Anhand der Mengenangaben (… Liter) ist erkennbar, welches e-VD zur entsprechenden in der Monatsmeldung gemeldeten Lieferung gehört. Aufgrund der Angaben zur steuerfreien Verwendung aufgrund eines Freischeins in der Monatsmeldung ist nachweisbar, dass der Abgabenbehörde bereits bei Erstattung der Monatsmeldung erkennbar war, dass die im jeweiligen e-VD abgebildete Lieferung in einen Verwendungsbetrieb erging. In der nachfolgenden Abbildung ist etwa das e-VD der oben angeführten Lieferung aus 1/2016 dargestellt (Mengenangaben gelb markiert):
(…)
Auf Basis der Daten dieser Monatsmeldungen ist daher jede Lieferung von Mineralöl an einen Verwendungsbetrieb und dessen Abbildung im jeweiligen e-VD lückenlos nachzuvollziehen.
2.4. Abwicklung der monatlichen und jährlichen mineralölsteuerlichen Meldeverpflichtungen und deren Prüfung durch die Abgabenbehörden
Überdies übermittelt die (…) einmal pro Jahr eine "Jahresmeldung der Mineralölbezüge" an das Zollamt Wien. Diese Jahresmeldung enthält Kopien aller für die steuerfreie Verwendung des Mineralöls relevanten Unterlagen: Lieferantenrechnungen, e- VDs, EMCS-Empfangsbestätigungen, Wareneingangsscheine der Verwendungsbetriebe
***6*** und ***5***, betriebsinterne Berechnungsblätter zur Verbrauchsteueranmeldung der Verwendungsbetriebe, betriebsinterne Aufstellungen der Verwendungsbetriebe ***6*** und ***5*** zu den e-VDs (siehe …).
Aufgrund eines Prüfungsauftrages des Zollamtes Linz Wels vom (…) wurde bei unserem Verwendungsbetrieb in
***5*** eine Betriebsprüfung betreffend Mineralölsteuer für das Jahr 2015 durchgeführt. Der Außenprüfung unterlag die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Abwicklung der Bescheidauflagen unseres Mineralöl-Freischeines für den Verwendungsbetrieb in ***5*** (…). Die Behörde nahm daher sämtliche Warenbewegungen für den Verwendungsbetrieb in ***5*** aus dem Jahr 2015 in den Fokus und prüfte, ob die im Mineralöl-Freischein genannten Kriterien eingehalten wurden. Im Ergebnis wurde in der Niederschrift vom (…) folgende Feststellungen getroffen:
- Es wurden für das Jahr 2015 keine Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit sämtlichen Wareneingängen festgestellt.
- Die bezogenen Ölmengen wurden bestimmungsgemäß verwendet.
- Sämtliche Steueranmeldungen für den Verwendungsbetrieb in
***5*** für das Jahr 2015 wurden für richtig befunden.
Am wurde vom Zollamt Graz eine amtliche Aufsichtsmaßnahme gemäß §§ 47 und 48 ff MinStG iVm § 145 BAO am Standort in
***6*** vorgenommen. Der Prüfung wurden sämtliche Anlieferungen von Mineralöl unter Steueraussetzung im Zeitraum 1. Jänner bis betreffend den Verwendungsbetrieb in ***6*** unterzogen. Sämtliche Lieferungen unter Steueraussetzung sowie die abgegebenen Steueranmeldungen wurden im Zuge der Aufsichtsmaßnahme nicht beanstandet ("Es wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt'', Niederschrift vom …).
2.5. Rechtsansicht des Zollamt Wien in den angefochtenen Bescheide
Die oben dargestellten positiven Prüfungsergebnisse der Zollämter Linz und Graz wurden vom Zollamt Wien mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden verworfen. So führte das Zollamt Wien in den angefochtenen Bescheiden aus, dass in den elektronischen Verwaltungsdokumenten statt der Bestimmung "Direktlieferung", die Bestimmung "Registrierter Empfänger" angeführt wurde. Darüber hinaus sei weder der Ort der Lieferung noch ein Direktlieferungscode angegeben.
Zwischenbemerkung: Um zu veranschaulichen, worauf die formalistische Beanstandung der Abgabenbehörde hinausläuft, ist in der nachfolgenden Abbildung ein Ausschnitt eines e-VD abgebildet. Im Ergebnis stützt die Abgabenbehörde ihre Abgabenfestsetzung darauf, dass im Empfänger-Feld ausschließlich die Wiener Adresse der (…) angeführt ist und nicht auch im gelb markierten Feld darunter die Adresse des Standortes des jeweiligen Verwendungsbetriebs in
***5*** oder ***6***, sodass dadurch eine Direktlieferung in diese Standorte nicht ordnungsgemäß angemeldet wurde, was für das Steueraussetzungsverfahren schädlich sei. Dies wohlbemerkt vor dem Hintergrund, dass der Abgabenbehörde in unseren Mineralölsteuer-Monatsmeldungen, in denen die auf den e-VDs ausgewiesenen Lieferungen einzeln abgebildet sind, mitgeteilt wurde, dass die Lieferungen in dem jeweiligen Verwendungsbetrieb in ***5*** oder ***6*** (!) erfolgten. Der Lieferort ist aufgrund der Zuordnung der jeweiligen Lieferung zur Steuernummer des jeweiligen Verwendungsbetriebs nachgewiesen. Die für die Direktlieferung erforderlichen Informationen waren daher allesamt spätestens bei Durchführung der Monatsmeldung der Abgabenbehörde vollständig bekannt. So dass der Abgabenbehörde auch die - nunmehr als fehlerhaft qualifizierten - e-VD zum Zeitpunkt der Monatsmeldungen schon längst Vorlagen.
(…)
Aufgrund dieser Sichtweise, die im Widerspruch zu den Feststellungen der vorherigen Aufsichtsmaßnahmen steht, nahm das Zollamt Wien eine Überprüfung sämtlicher elektronischer Verwaltungsdokumente und Steueranmeldungen für die Jahre 2015 bis 2017 vor (alle noch nicht verjährten Zeiträume). In weiterer Folge versagte das Zollamt den Schutz des Steueraussetzungsverfahrens mangels ordnungsgemäßer Dokumentation der Direktlieferungen für alle betroffenen Fälle (derselbe "Fehler" hatte sich über Jahre in den Dokumenten eingeschlichen, zumal dieser bei Prüfungen niemals beanstandet wurde; vielmehr wurde die Dokumentationslage durch das durchgehend positive Feedback der Zollämter bestätigt und bekräftigt). Das Zollamt Wien stellt also fest, dass mit dem Empfang des Mineralöls durch unsere Gesellschaft am Ort der Direktlieferung eine Unregelmäßigkeit bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung vorgelegen habe. Deshalb sei die Steuerschuld gemäß § 21 Abs 1 Z 3a MinStG für uns als registrierten Empfänger entstanden.
Nach § 21 Abs 1 Z 3a MinStG entsteht die Steuerschuld dadurch, dass bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit nach § 38 MinStG auftritt. Für jene Lieferungen bei denen die Bestimmung "Registrierter Empfänger" in den elektronischen Verwaltungsdokumenten angeführt wurde, allerdings eine Direktlieferung an den Verwendungsbetrieb in
***6*** erfolgte, setzte das Zollamt Wien Mineralölsteuer gemäß § 21 Abs 1 Z 3a MinStG fest und erließ nachfolgende Festsetzungsbescheide (angefochtene Bescheide) gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO:
(…)
Die Vorgangsweise der Abgabenbehörde bei der festgesetzten Mineralölsteuer ist aus vielerlei Gründen unzulässig, wie in der Folge dargelegt wird.

3. Rechtliche Würdigung
Mit der amtswegigen Festsetzung der Mineralölsteuer verletzt das Zollamt Wien gegen grundlegende Verfahrensvorschriften. Die Verletzung maßgeblicher Verfahrensvorschriften müsste für sich allein zu einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen. Welche verfahrensrechtlichen Vorschriften, aus unserer Sicht, von der Abgabenbehörde verletzt wurden, wird unter Punkt 3.1. dargelegt.
Doch selbst wenn man zum Ergebnis kommen würde, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Bescheidaufhebung führen würde, muss es auch aus materiell-rechtlicher Sicht zu einer Aufhebung der Bescheide kommen. Dies wollen wir unter Punkt 3.2. im Detail darlegen.
3.1 Verletzung von Verfahrensvorschriften
Bei der Mineralölsteuer handelt es sich um eine Selbstberechnungsabgabe (§ 23 Abs 3 MinStG). Der Steuerschuldner hat grundsätzlich für jeden Kalendermonat beim zuständigen Zollamt steuerpflichtige Mineralölmengen zu melden. Nach § 23 Abs 3 MinStG sind auch Mineralölmengen, die dem Steueraussetzungsverfahren unterliegen, sowie nach § 4 MinStG von der Mineralölsteuer befreit sind, anzuzeigen. Steuerschuldner ist in der Regel der Inhaber des Steuerlagers oder Inhaber eines Freischeins (siehe § 22 MinStG).
In der Regel ergeht daher seitens der Abgabenbehörde kein Bescheid. Allerdings kann die Abgabenbehörde von Amts wegen eine bescheidmäßige Festsetzung bei Selbstberechnungsabgaben dann vornehmen, wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wurde oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist (§ 201 Abs 1 BAO). Die verfahrensgegenständliche Mineralölsteuer wurde gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO festgesetzt.
Nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann unter sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens eine Selbstberechnungsabgabe bescheidmäßig festgesetzt werden. Dies bedeutet im Ergebnis, dass ein Wiederaufnahmegrund (im gegenständlichen Fall der Neuerungstatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO) vorliegen muss.
Der Gesetzeswortlaut "unter sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO bei Vorliegen der Voraussetzung für eine Wiederaufnahme" bringt zum Ausdruck, dass es für eine bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO des Hervorkommens neuer Tatsachen bedarf, die bei Selbstberechnung durch den Abgabepflichtigen noch nicht bekannt waren und die Kenntnis darüber zu einem anderen (als dem vom Abgabepflichtigen selbst berechneten) Abgabenbetrag geführt hätte. Grundvoraussetzung ist daher, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen.
Wenn neue Tatsachen hervorgekommen sind, die zu einer bescheidmäßigen Festsetzung berechtigen, bleibt es letztlich aufgrund der Textierung des § 201 Abs 2 BAO {"Die Festsetzung kann erfolgen") im Ermessen der Abgabenbehörde, ob sie von Amts wegen Selbstberechnungsabgaben tatsächlich mit Bescheid festsetzt. Trotz berechtigter Wiederaufnahmegründe hat eine amtswegige Festsetzung daher keineswegs zwingend zu erfolgen, sondern die Ermessensübung ist darüber hinaus zu begründen.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig ergangen, da
• aus der Sicht der Abgabenbehörde keine neuen Tatsachen hervorgekommen sind, die (sinngemäß) zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen, und
• die Abgabenbehörde bei rechtsrichtiger Ermessensübung zum Ergebnis kommen hätte müssen, dass eine Abgabenfestsetzung zu unterbleiben hat.
Dies wird nachfolgend im Detail dargelegt.
3.1.3 Fehlen von Wiederaufnahmegründen
Wie oben dargelegt, bedingt eine bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe (§ 201 Abs 2 Z 3 BAO) das sinngemäße Vorliegen von Wiederaufnahmegründen (§ 303 BAO). Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid (Selbstberechnung) abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht wurden (Neuerungstatbestand). Maßgebend ist hierbei, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können.
Nach der Rechtsprechung des VwGH dient eine Wiederaufnahme aufgrund des Neuerungstatbestands ausschließlich dazu sicherzustellen, dass die Entscheidung der Abgabenbehörde auf Basis des vollständigen entscheidungswesentlichen Sachverhalts gefällt wurde. Sie dient hingegen keinesfalls dazu, eine unrichtige abgabenrechtliche Beurteilung, die auf Basis eines vollständig offengelegten Sachverhalts getroffen wurde, zu korrigieren. In diesem Zusammenhang hielt der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 96/13/0185, fest (Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhalts zu beseitigen (Hinweis E , 94/15/0003). Die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nach Wiederaufnahme erlassenen Sachentscheidung hätte gelangen können."
Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens (Abgabenart für einen konkreten Veranlagungszeitraum) zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen bezieht sich damit auf den Wissensstand der Abgabenbehörde (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) im Zeitpunkt des jeweiligen Veranlagungsjahres. Geht aus Umständen, die der Abgabenbehörde offengelegt werden, jedoch hervor, dass diese auch für spätere Zeiträume relevant sind, ist dieser Wissensstand auch für spätere Veranlagungszeiträume relevant (, Hervorhebungen erfolgten durch uns):
Wenn auch grundsätzlich gilt, dass das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln dabei aus der Sicht des von der zuständigen Behörde geführten jeweiligen Verfahrens zu beurteilen ist, wobei der Wissenstand durch Abgabenerklärungen und Beilagen im jeweiligen Veranlagungsverfahren und jeweiligen Veranlagungsjahr maßgebend ist (), so ist zu berücksichtigen, dass dabei die Kenntnis von Tatsachen nicht immer bloß auf den Inhalt von Akten jener Steuerart und jenes Jahres beschränkt werden kann, die gerade veranlagt wird.
So gelten etwa Ergebnisse von Rechtsauskunftsersuchen oder Betriebsprüfungen auch in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen als der Abgabenbehörde bekannte Sachverhalte.
Ebenso sind nach Ansicht des VwGH dann keine neuen Tatsachen hervorgekommen, wenn neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage gewonnen werden (, Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0108). Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0016)."
Wie oben dargelegt, wird in den angefochtenen Bescheiden vom Zollamt Wien in der Begründung festgehalten, dass in den elektronischen Verwaltungsdokumenten und in den Steueranmeldungen für die Jahre 2015 bis 2017 Unstimmigkeiten vorlagen. Auf den elektronischen Verwaltungsdokumenten sei nicht die "Bestimmung - Direktlieferung", sondern die "Bestimmung - Registrierter Empfänger" angeben. Ebenso sei auf den e-VDs weder der Ort der Lieferung noch ein Direktlieferungscode angeführt. Somit unterlagen nach Ansicht der Behörde die Mineralöllieferungen an die Verwendungsbetriebe nicht der amtlichen Aufsicht. Es lag daher mit dem Empfang des Mineralöls am Ort der Direktlieferung eine Unregelmäßigkeit bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung vor, weshalb die Steuerschuld gemäß § 21 Abs 1 Z 3a MinStG für die (…) als registrierten Empfänger entstanden sei.
In den Prüfungsfokus gelangten die e-VDs sowie die Steueranmeldungen allerdings erst aufgrund der Feststellungen des Zollamtes Graz, welche im Rahmen einer Nachschau getroffen wurden. Die nach Ansicht des Zollamtes Wien festgestellten Formmängel in den elektronischen Verwaltungsdokumenten seien im Zeitpunkt der monatlichen Mineralölsteuermeldungen nicht bekannt gewesen und erst aufgrund einer näheren Betrachtung hervorgekommen. Im gegenständlichen Fall ist allerdings vor dem Hintergrund des Wiederaufnahmetatbestands der neu hervorgekommenen Tatsachen zu berücksichtigen, dass der Zollbehörde all diese rechtserheblichen Sachverhaltselemente bereits im Zeitpunkt der Selbstberechnungen, also bei Übermittlung der monatlichen Steueranmeldungen, bekannt waren und sie von einer amtswegigen Festsetzung der Mineralölsteuer hätte Abstand nehmen müssen, wie in der Folge dargestellt wird:
Die Mineralölsteuer ist eine Selbstberechnungsabgabe, welche monatlich anzumelden und zu entrichten ist. Im Hinblick auf das Hervorkommen neuer Tatsachen ist daher auf den Wissensstand abzustellen, welchen die Behörde im Zeitpunkt der Abgabe der monatlichen Mineralölsteuermeldungen hat. Hierzu ist ins Treffen zu führen, dass die (…) für jeden Monat Mineralölsteueranmeldungen beim Zollamt Wien eingereicht hat. In der Monatsmeldung ist die bezogene Mineralölart sowie die bezogene Mineralölmenge angeführt. Zusätzlich ist ersichtlich, dass auf Basis eines Mineralöl-Freischeins eine Weitergabe in einen Verwendungsbetrieb erfolgte. Dem Zollamt wird daher im Rahmen der Monatsmeldungen offengelegt, welches Mineralöl in welchen Mengen bezogen wurde und dass dieses in einen Verwendungsbetrieb dieses gelangte. Anhand dieser Daten ist auch ersichtlich, auf welches konkrete eVD sich die jeweilige Lieferung bezieht.
In Folge der ordnungsgemäß erstatteten Monatsmeldungen übermittelt die (…) auch einmal pro Jahr eine umfangreiche "Jahresmeldung der Mineralölbezüge" an das Zollamt Wien. Dieser Jahresmeldung werden sämtliche relevanten Unterlagen (Lieferantenrechnungen, elektronische Verwaltungsdokumente, EMCS-Empfangsbestätigungen, Wareneingangsscheine der Verwendungsbetriebe
***6*** und ***5***, betriebsinterne Berechnungsblätter zur Verbrauchsteuermeldung der Verwendungsbetriebe, betriebsinterne Aufstellungen der Verwendungsbetriebe ***6*** und ***5*** zu den elektronischen Verwaltungsdokumenten) zur steuerfreien Verwendung von Mineralöl beigelegt (siehe beispielsweise …).
Bereits bei Beginn der Beförderung wird das elektronische Verwaltungsdokument (nachfolgend kurz "e-VD") unter Verwendung von EMCS an die zuständige Zollbehörde übermittelt. Aufgrund des e-VD war der Behörde bekannt, dass im Feld 1.a "Bestimmung - Registrierter Empfänger" und nicht "Bestimmung - Direktlieferung" angegeben war. Ebenso war der Behörde bekannt, dass es auf den e-VDs keinen Hinweis zu den tatsächlichen Empfängern (Verwendungsbetriebe), in Form einer Adresse oder Direktlieferungscode, des Mineralöls gab, zumal das Feld für Direktlieferungen nicht ausgefüllt war, sondern lediglich die (…) mit ihrer Wiener Anschrift (wo kein Verwendungsbetrieb liegt) angeführt war. Die Behörde hat diesen Formalfehler nie beanstandet.
Sämtliche e-VDs liegen der Abgabenbehörde bereits zu jenem Zeitpunkt vor, zu dem die jeweiligen Mineralölsteuer-Monatsmeldungen abgegeben werden. Die Behörde verfügt daher bei Erstattung der Monatsmeldungen über all jene Informationen, die für die gegenständliche Abgabenvorschreibung relevant waren. Anhand dieser ist erkennbar, dass der gegenständliche Formalfehler vorliegt: In den mit den Monatsmeldungen verknüpften e-VDs fehlen die für die Inanspruchnahme einer Direktlieferung erforderlichen Angaben, während anhand der Monatsmeldungen aufgrund der Angaben zum Freischein erkennbar ist, dass eine Lieferung in einen Verwendungsbetrieb erfolgte.
Der Umstand, dass die Abgabenbehörde über sämtliche relevanten Sachverhaltselemente (Formalitäten der Lieferdokumente und Lieferbewegungen) in voller Kenntnis war, wird durch die Erstattung von Jahresmeldungen bestätigt. Sämtliche Eingangsmeldungen werden der Behörde nochmals im Rahmen dieser Jahresmeldung mit weiteren umfangreichen Begleitdokumenten übermittelt. Doch selbst nach Übermittlung aller im Zusammenhang mit der Beförderung von Mineralöl unter Steueraussetzung stehenden Unterlagen vermochte die Behörde bei völlig identen und amtsbekannten Sachverhalten über Jahre hinweg (!) keine Unstimmigkeiten feststellen.
An dieser Stelle erlauben wir uns ins Treffen zu führen, dass nach der Rechtsprechung des VwGH bestimmte Umstände, die der Behörde bekannt waren und welche diese für unwesentlich hielt, keine Wiederaufnahmegründe darstellen. Der Umstand, dass dieser Formmangel bei zahlreichen Prüfungen nicht beanstandet wurde, vermag darauf zurückzuführen sein, dass die Dokumente lückenlos belegen, welche Mineralölmengen im Steueraussetzungsverfahren auf Basis der vorliegenden Freischeine direkt an die zugelassenen Verwendungsbetriebe geliefert wurden. Trotz des Vorliegens von Formmängeln bestand daher seit jeher eine wasserdichte Beweislage, wonach die von der (…) bezogenen Mineralöle für steuerbefreite Zwecke verwendet wurden.
Selbst wenn die Abgabenbehörde im Zuge neuerlicher Überprüfungsmaßnahmen zur Ansicht gekommen ist, dass die gegenständlichen Formmängel aus mineralölsteuerlicher Sicht wesentlich sind, rechtfertigt dies keineswegs eine bescheidmäßige Festsetzung. Für eine solche kommt es einzig und alleine darauf an, ob aus der Sicht der Abgabenbehörde neue Tatsachen hervorgekommen sind. Dass solche Tatsachen hervorgekommen wären, wird von der Abgabenbehörde nicht einmal explizit behauptet. Vielmehr erschöpfen sich die Darstellungen zum Vorliegen von Wiederaufnahmegründen in den angefochtenen Bescheiden in allgemeinen Ausführungen, wonach solche vorlägen. Die in den Bescheiden dargestellten Umstände waren der Abgabenbehörde jedoch im Zeitpunkt der Einreichung der monatlichen Mineralölsteuermeldungen allesamt bekannt.
Fazit: Im gegenständlichen Fall sind aus Sicht der Abgabenbehörde keine neuen Tatsachen hervorgekommen, zumal ihr zum Zeitpunkt der jeweiligen Selbstberechnungen sämtliche rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Mangels Wiederaufnahmegründe war die bescheidmäßige Festsetzung von Mineralölsteuer für die Zeiträume 2015 bis 2017 nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO rechtswidrig. Die angefochtenen Bescheide sind daher aufzuheben.
3.1.4 Rechtswidrige Ermessensübung
Selbst wenn man den Umstand, dass keine Wiederaufnahmegründe vorliegen, ausblendet, hätte die Abgabenbehörde bei gesetzeskonformer Ermessensübung von einer amtswegigen Festsetzung der Mineralölsteuer Abstand nehmen müssen. Dies möchten wir wie folgt darlegen:
Eine bescheidmäßige Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO ist (wie auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO, auf die die Bestimmung verweist) keineswegs zwingend durchzuführen. Geht die Abgabenbehörde von neu hervorgekommenen Tatsachen aus, dann hat die Behörde in Ausübung ihres Ermessens zu entscheiden, ob die Wiederaufnahme zu verfügen ist. Dabei sind der Abgabenbehörde durch gesetzliche Regelungen Grenzen gesetzt, die sie zu beachten hat (vgl Art 133 Abs 3 B-VG und § 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen hat die Behörde nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu entscheiden (§ 20 BAO).
Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist auch der Zweck des § 303 BAO, nämlich eine neuerliche Bescheiderlassung nur dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Die Wiederaufnahme verfolgt daher das Ziel insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis herbeizuführen. Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde. Eine (amtswegige) Wiederaufnahme darf überdies nur ausnahmsweise unterbleiben (insbesondere bei absoluter und relativer Geringfügigkeit der Auswirkungen, bei Vortäuschung von Aktiva in Gläubigerschädigungsabsicht, wiederholte vorsätzliche Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, als Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben oder bei Uneinbringlichkeit der aus ihr resultierenden Nachforderung).
Von der Grundregel "Vorrang der Rechtsrichtigkeit" stellt der Grundsatz von Treu und Glauben eine Ausnahme dar und kann daher dazu führen, dass eine Wiederaufnahme zugunsten der Rechtsbeständigkeit zu unterbleiben hat.
Der Grundsatz von Treu und Glauben setzt zunächst eine Vertrauensgrundlage voraus. Diese kann in einer behördlichen Auskunft oder auch in einem sonstigen behördlichen Verhalten liegen. Allerdings besteht eine Vertrauensgrundlage nur dann, wenn die Auskunft oder das sonstige behördliche Verhalten nicht offensichtlich unrichtig ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben entfaltet seine Rechtswirkung dann, wenn der Abgabepflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft oder das behördliche Verhalten disponiert hat und ein Abgehen von der Auskunft oder dem behördlichen Verhalten zu einem Vertrauensschaden führt. Voraussetzung für das Vorliegen eines Vertrauensschadens ist, dass der Abgabepflichtige nachweisen kann, dass er die auf Grundlage der Auskunft (des behördlichen Verhaltens) getroffene Dispositionen nicht gesetzt hätte, wenn er die Auskunft nicht erhalten hätte oder das behördliche Verhalten nicht gesetzt worden wäre.
Eine Bindung an den Grundsatz von Treu und Glauben wird nach der Rsp insbesondere dann angenommen, wenn die Abgabenbehörde ein Verhalten setzt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigterweise auf ein gleichbleibendes Verhalten der Abgabenbehörde schließen durfte. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Behörde einen ihr wiederholt ausführlich vorgetragenen Sachverhalt immer wieder in derselben Weise beurteilt hat.
Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis vom , B 29/27 aus, dass der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt werde, wenn die Behörde ein bestimmtes geschäftliches Verhalten durch Jahre hindurch in Übereinstimmung mit dem Steuerpflichtigen in vertretbarer Weise beurteilt hat und nachfolgend ein und derselbe Vorgang, wenn auch in vertretbarer Weise, anders beurteilt wird.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom , 94/13/0070 zur Ermessensübung bei der Verfahrenswiederaufnahme entschieden, dass der Umstand einer "seinerzeitigen'' ausdrücklichen Anerkennung der geltend gemachten Umsatzsteuerbefreiung des Abgabepflichtigen in der Ermessensübung nicht außer Betracht gelassen werden dürfe (bzw in der Begründung der Ermessensentscheidung inhaltlich einzubeziehen sei). Im Detail begründete der VwGH dies wie folgt (Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"Dieser Umstand musste nämlich in den anzustellenden Billigkeitserwägungen den von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer gemachten Vorwurf, die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Umstände nicht entsprechend offengelegt zu haben, in seinem Gewicht stark reduzieren. Wurde der Beschwerdeführer im Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung nämlich in seiner Ansicht von der Berechtigung der geltend gemachten Umsatzsteuerbefreiung bestärkt, dann musste bei gleichbleibender Tätigkeit deren jährlich wiederkehrende eingehende Darstellung zur neuerlichen Rechtfertigung der Umsatzsteuerbefreiung der Tätigkeit nicht in einer Weise als erforderlich und sinnhaft erscheinen, die es rechtfertigen konnte, von einer Verletzung seiner Offenlegungspflicht in einem mehr als vernachlässigbarem, weil bloß theoretischen Ausmaß zu sprechen."
Nach jüngster BFG-Rechtsprechung kann die Abgabenbehörde nicht ohne weiteres eine Wiederaufnahme verfügen, wenn durch vorangegangene Betriebsprüfungen derselbe Sachverhalt gleich beurteilt wird und damit eine "bestätigte" Rechtsansicht vorliegt. Vielmehr stellt das Abweichen von einer im Zuge vorangegangener Betriebsprüfungen "bestätigten" Rechtsansicht durch eine spätere Betriebsprüfung, einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und somit eine unbillige Ermessensentscheidung dar. (, Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"Im Beschwerdefall geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren aus den von der Abgabenbehörde herangezogenen Umständen unbillig war bzw. ist, weil die Abgabenbehörde die Gemeinnützigkeit der Beschwerdeführerin in den vorangegangenen drei Außenprüfungen ausdrücklich (ausgedrückt durch Belassung des ermäßigten Steuersatzes) anerkannt hat, wobei ihr der Inhalt des Gesellschaftsvertrages zumindest in der unmittelbar vorangegangenen Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 bekannt war und "für in Ordnung befunden" wurde (siehe die Aussage des Prüfers im Erörterungstermin vom ). Zwar hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich zur Vorgangsweise der Verrechnung des ermäßigten Steuersatzes für ihre "gemeinnützigen" Umsätze aufgefordert, jedoch konnte sich die Beschwerdeführerin gerade im Beschwerdefall aufgrund der vorangegangenen Außenprüfungen, bei denen die Gemeinnützigkeit als solche bzw. die diesbezüglichen Tätigkeiten der Gegenstand der Prüfung waren, im besonderen Maß in der Annahme bestärkt fühlen, dass sie mit dem Gesellschaftsvertrag die Voraussetzungen einer Begünstigung auf abgabenrechtlichem Gebiet erfüllt."
An dieser Stelle erlauben wir uns festzuhalten, dass die Zollbehörde im gegenständlichen Fall einen ihr wiederholt
- im Rahmen monatlicher Selbstbemessungserklärungen,
- im Zuge von Jahresmeldungen mit ausführlichen Beilagen und
- aufgrund amtlicher Aufsichtsmaßnahmen (Auskunftsverfahren, Nachschau, Außenprüfungen)
dargestellten Sachverhalt immer wieder in derselben Weise beurteilt - und dessen abgabenrechtliche Richtigkeit bestätigt - hat und wir daher berechtigterweise auf die Richtigkeit unserer mineralölsteuerlichen Dokumentationslage vertrauen durften. Die Behörde hat daher eine Vertrauenslage geschaffen, an welche die Behörde im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben gebunden ist. Wäre uns bewusst gewesen, dass die Dokumentationslage zu beanstanden ist, hätte die (…) bereits viel früher sichergestellt, dass die Darstellung der durchgeführten Direktlieferungen auch auf den Dokumenten ordnungsgemäß abgebildet wird. Durch die wiederholte Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit der Dokumente durch die Finanzverwaltung wurde der Formalfehler in den Dokumenten perpetuiert. Dies hätte sich vermeiden lassen, wenn die Finanzverwaltung bereits früher auf die Unrichtigkeit der Dokumente hingewiesen hätte.
Im gegenständlichen Verfahren sprechen viele Gründe dafür, dass im Rahmen der Ermessensübung der Rechtsbeständigkeit Vorrang zu geben gewesen wäre:
• Der gegenständliche Sachverhalt wurde bereits lange Zeit vor Eingliederung der (…) in die (…) wiederkehrend verwirklicht (die … bereits in den 1990er Jahren errichtet). In all den Jahren kam es zu einer Vielzahl abgabenbehördlicher Prüfungen, die zu keinerlei Beanstandungen führten. Diese wurden vorwiegend von Herr (…), seit 15 Jahren der zuständige Zollbeamte für die (…) bzw davor für die (…), durchgeführt. Stets wurde die (…) von Herrn (…) für die zollrechtliche Gebarung gelobt.
• Seit der Eingliederung der (…) in die (…) im Jahr 2012, werden die beiden zwei Transformatorenwerke an den Standorten
***5*** und ***6*** von der beschwerdeführenden Gesellschaft betrieben. Auch gegenüber der (…) hat die Finanzverwaltung den über Jahre hinweg gleichgebliebenen Sachverhalt in derselben Weise bestätigt und niemals Formalfehler beanstandet (wir verweisen diesbezüglich auf unsere obigen Ausführungen). Dies wird auch darauf zurückzuführen sein, dass einerseits tatsächlich sämtliche Lieferungen an Mineralöl immer direkt in die Verwendungsbetriebe befördert wurden. Die Beförderungen waren auch nie der amtlichen Aufsicht unterzogen, zumal die Behörde jederzeit den konkreten Verlauf nachverfolgen konnte und aufgrund sämtlicher, der Behörde durchgehend übermittelter Unterlagen nachzuvollziehen war, dass die Mineralöle direkt in die Verwendungsbetriebe transportiert wurden.
• Hat nun, wie im gegenständlichen Fall, die Abgabenbehörde einen ihr wiederholt ausführlich vorgetragenen Sachverhalt immer wieder in derselben Weise beurteilt, durften wir als Abgabepflichtige berechtigterweise auf dessen Richtigkeit vertrauen. Die Abgabenbehörde verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie nunmehr denselben Vorgang anders beurteilt und basierend auf dieser Beurteilung Abgaben festsetzt.
• Zuletzt wurden Prüfungen der Zollämter sowohl für
***5*** als auch für ***6*** im Jahr 2017 durchgeführt, in denen wiederum die mineralölsteuerliche Gebarung bestätigt wurde.
• Das Abweichen von einer im Zuge vorangegangener Aufsichtsmaßnahmen "bestätigten" Rechtsansicht verstößt nach stRsp gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und stellt somit eine unbillige Ermessensentscheidung dar.
Zum Nachweis der behördlichen Bestätigung der bisherigen mineralölsteuerlichen Gebarung und der Prüfung der damit verbundenen Dokumentationslage bei vorherigen abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahmen (Beweisthema)
regen
wir eine Einvernahme von (…) als Zeuge im Beschwerdeverfahren an (§ 169 BAO).
Fazit: Im gegenständlichen Fall hat die Abgabenbehörde einen gleichbleibenden abgabenrechtlichen Sachverhalt stets in derselben Weise beurteilt. Der Umstand, dass die e-VDs einen Formalfehler aufweisen, wurde nie beanstandet. Vielmehr wurde der steuerfreie Bezug von Mineralöl aufgrund unserer monatlichen Mineralölsteueranmeldungen anerkannt, zumal auch zu diesem Zeitpunkt keine amtswegige Festsetzung erfolgte. Diese abgabenrechtliche Gebarung und Dokumentationslage wurde durch zahlreiche behördliche Aufsichtsmaßnahmen bestätigt. Es wurde daher offenkundig von der Behörde eine Vertrauenslage geschaffen an welche die Abgabenbehörde im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben gebunden ist. Die angefochtenen Bescheide beruhen daher auf einer gesetzeswidrigen Ermessensübung und sind somit aufzuheben.
3.2 Materiell-rechtliche Würdigung
Wie oben dargelegt, sind die angefochtenen Bescheide bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Darüber hinausgehend sind die Abgabenbescheide auch aus materiell-rechtlicher Sicht rechtswidrig, wie in der Folge dargelegt wird.
Die Einfuhr von Mineralölen in das Steuergebiet (§ 1 Abs 2 MinStG) verwirklicht den Verbrauchsteuertatbestand des § 1 Abs 1 MinStG und löst daher in der Regel Mineralölsteuer (MinSt) aus. Der Gesetzgeber hat in den §§ 25 ff MinStG Maßnahmen getroffen, um unter bestimmten Bedingungen Mineralöle von der Mineralölsteuer auszusetzen (sog Steueraussetzungsverfahren). So können beispielsweise nach § 25 Abs 1 Z 1 iVm § 31 Abs 1 Z 1 lit b MinStG Mineralöle unter Steueraussetzung aus anderen Mitgliedstaaten bezogen werden, wenn eine Beförderung in den Betrieb eines registrierten Empfängers iSd § 32 MinStG erfolgt.
Nach § 31 Abs 4 MinStG entsteht die Steuerschuld mit der Aufnahme des Mineralöls in den Betrieb des registrierten Empfängers, es sei denn, es ist im Rahmen einer Bewilligung zur steuerfreien Verwendung bezogen worden. In den Fällen von Direktlieferungen entsteht die Steuerschuld mit dem Empfang des Mineralöls am Ort der Direktlieferung. Steuerschuldner bleibt aber der registrierte Empfänger. Gemäß § 4 Abs 1 Z 9 MinStG sind allerdings Mineralöle von der Mineralölsteuer befreit, wenn sie auf Grund eines Freischeins (§ 12 Abs 1 MinStG) eingeführt, abgegeben oder in einem Steuerlager zu einem solchen Zweck oder in einem Verwendungsbetrieb (§ 12 Abs 2 MinStG) zu dem bewilligten Zweck verwendet werden.
Im gegenständlichen Fall ist die Verwendung der betreffenden Mineralöle zu bewilligten Zwecken völlig unstrittig. Strittig ist alleine die Rechtsfrage, ob ein Formalfehler in den e- VDs, in denen eine Direktlieferung nicht explizit ausgewiesen wurde, zu einer Versagung der Mineralölsteuerbefreiung des § 4 Abs 1 Z 9 MinStG führen kann.
Das österreichische MinStG beruht auf der Verbrauchsteuersystemrichtlinie der EU. Ziel der Verbrauchsteuersystemrichtlinie ist es, für bestimmte Aspekte der Verbrauchsteuern gemeinsame Regelungen zu schaffen, da dies auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und wegen seines Umfangs und seiner Auswirkungen besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist. Die Verbrauchsteuersystemrichtlinie verweist darauf, dass die Mitgliedstaaten in Anwendung der Verbrauchsteuersystemrichtlinie den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten müssen.
Die Verbrauchsteuerrichtlinie regelt ua, dass Energieerzeugnisse gemäß der Richtlinie 2003/96/EG (Energiesteuerrichtlinie) als verbrauchsteuerpflichtige Waren gelten und somit grundsätzlich der Verbrauchsteuer unterliegen. Sofern es dem Ziel der Verbrauchsteuersystemrichtlinie nicht widerspricht, können Mitgliedstaaten die Verbrauchsteuer erlassen oder erstatten, hierbei ist auf Artikel 11 der Verbrauchsteuersystemrichtlinie zu verweisen, welcher besagt, "dass in den von den Mitgliedstaaten festgelegten Situationen und zu den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, die Verbrauchsteuer erstattet oder erlassen werden kann."
Im Einklang mit dem Ziel der Verbrauchsteuersystemrichtlinie legen die Mitgliedstaaten Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Energieerzeugnissen fest, um die korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und um Steuerhinterziehung und -Vermeidung oder Missbrauch zu verhindern.
Formalvorschriften dienen unstrittig der Vermeidung von Steuerhinterziehung und Missbrauch. Für den gegenständlichen Fall ist jedoch fraglich, ob das bloße Abstellen auf Formalvorschriften bei unstrittigerweise nicht gegebenem Missbrauch dem unionsrechtlich garantierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegensteht. Für die Beurteilung dieser Rechtsfrage ist die Rechtsprechung des EuGH heranzuziehen:
Der EuGH hatte in seinem Urteil vom in der Rechtssache C-418/14 (ROZ- SWIT) darüber abzusprechen, ob die Steuerbegünstigung von verbrauchsteuerpflichtigen Kraftstoffen aufgrund von Formalfehlern selbst dann zu versagen sind, wenn die tatsächliche begünstigte Verwendung der Kraftstoffe nachgewiesen werden konnte und damit außer Zweifel steht. Diesbezüglich hielt der EuGH fest, dass eine Versteuerung nach ihrer tatsächlichen Verwendung zu erfolgen hat. Formalfehler, wie das verspätete einreichen von Abgabenerklärungen, dürfen demgegenüber nicht dazu führen, dass eine Steuerbegünstigung versagt wird. Hierbei spricht der EuGH aus, dass es dem unionsrechtlich gesicherten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde, wenn ein bloßer Formalfehler der Anwendung einer Steuerbegünstigung - bei nachweislicher steuerbegünstigter Verwendung des Kraftstoffs - entgegenstehen würde (, ROZ-SWIT, Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"33 Daraus folgt, dass sowohl die Systematik als auch der Zweck der Richtlinie 2003/96 auf dem Grundsatz beruhen, wonach die Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteuert werden.
34 Folglich läuft eine nationale Rechtsvorschrift wie Art 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes, der zufolge bei nicht fristgerechter Vorlegung einer Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber auf Heizstoffe automatisch der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe angewandt wird, selbst wenn, wie im Ausgangsverfahren festgestellt wurde, die Heizstoffe als solche verwendet werden, der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 2003/96 zuwider.
35 Zweitens verstößt eine solche automatische Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe im Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Vorlegung dieser Zusammenstellung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
36 Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass im Ausgangsverfahren festgestellt wurde, dass die von ROZ-SWIT durchgeführten Verkäufe von Heizstoff überprüft wurden und außer Zweifel steht, dass die Erwerber den Erwerb und den Verbrauch dieses Heizstoffs für Heizzwecke bestätigt hatten."
In einem weiteren Urteil - ebenso vom - in der Rechtssache C-355/14 (POLIHIM-SS) hatte der EuGH über die Festsetzung von Energiesteuern bei Streckengeschäften zu entscheiden. Auch in dieser Entscheidung vertrat der EuGH die Rechtsansicht, dass Formalfehler in Steuerdokumenten, die nicht den richtigen Empfänger verbrauchsteuerbarer Waren aufweisen, für sich alleine nicht zur gänzlichen Versagung einer Steuerbefreiung führen dürfen (Hervorhebungen erfolgten durch uns):
"58 Es ist davon auszugehen, dass eine sich aus dem nationalen Recht ergebende Anforderung, die die Befreiung von der Verbrauchsteuer davon abhängig macht, dass in den Steuerdokumenten ein Empfänger ausgewiesen wird, der die im nationalen Recht für den Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, das in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 genannte Ziel erreichen kann, da sie, wie die bulgarische Regierung zutreffend hervorhebt, geeignet ist, die Kontrolle der Anwendung der Verbrauchsteuerbefreiungen zu erleichtern und dabei das Risiko einer Verwendung der Waren, die keinen Anspruch auf Befreiung begründet, verringert.
59 Nichtsdestotrotz müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnis, über die sie zur Festlegung der Voraussetzungen verfügen, denen die Befreiung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 unterliegt, die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen u. a. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zählt (vgl. entsprechend Urteil vom , Traum, C-492/13, EU:C:2014:2267, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Im vorliegenden Fall steht zum einen fest, dass TETS Bobov dol die Anforderungen des nationalen Rechts für den Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse in ihrer Eigenschaft als Endverbraucherin erfüllte, und zum anderen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren von dieser Gesellschaft zur Stromerzeugung verwendet wurden, d. h. zu Zwecken, die einen Anspruch auf Befreiung von der Verbrauchsteuer gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst, a der Richtlinie 2003/96 begründen.
61 Außerdem hat das vorlegende Gericht keinen Umstand aufgeführt, der vermuten lassen könnte, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Handelsgeschäfte, die zu Sukzessivverkäufen von schweren Heizölen und deren Direktlieferung an einen von der Verbrauchsteuer befreiten Empfänger führten, mit dem Ziel vorgenommen wurden, in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise in den Genuss einer Verbrauchsteuerbefreiung zu gelangen.
62 Unter diesen Umständen geht in einem Fall wie dem vorliegenden die Versagung der Verbrauchsteuerbefreiung für schwere Heizöle durch die nationalen Behörden allein aufgrund des Umstands, dass die vom zugelassenen Lagerinhaber als deren Empfänger ausgewiesene Person nicht die Eigenschaft eines Endverbrauchers hat, der nach nationalem Recht zum Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse berechtigt ist, ohne dass auf der Grundlage der vorgelegten Beweise überprüft wird, ob die verlangten materiellen Anforderungen für die Verwendung dieser schweren Heizöle zu Zwecken, die einen Anspruch auf Befreiung begründen, erfüllt sind, über das hinaus, was erforderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und -Vermeidung oder Missbrauch zu verhindern (vgl. entsprechend Urteil vom , Collie, C-146/05, EU:C:2007:549, Rn. 29).
Die oben dargestellte Rechtsprechungslinie des EuGH trifft 1:1 auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt zu. Die Verwendung des gegenständlichen Mineralöls für steuerbegünstigte Zwecke ist völlig unstrittig. Da die Versteuerung - wie vom Unionsrecht vorgegeben - nach der tatsächlichen Verwendung von Mineralöl zu erfolgen hat, ist eine Steuerpflicht, die alleine an Formalfehler in Dokumenten anknüpft, unionsrechtlich nicht zulässig. Eine derartige Besteuerung widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Abgabenbehörde unterstellt daher dem österreichischen MinStG einen unionsrechtswidrigen Inhalt, wenn die gegenständlichen Formalfehler zur Grundlage des Besteuerungsanspruchs erhoben werden.
Fazit: Die angefochtenen Bescheide lassen die tatsächliche Verwendung des gegenständlichen Mineralöls, welche aus unionsrechtlicher Sicht für eine Besteuerung entscheidend ist, außer Acht. Das alleinige Abstellen auf einen Formalfehler widerspricht dem unionsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die angefochtenen Bescheide sind daher aufzuheben.

III. Anträge
Nachfolgend stellen wir folgende Anträge:
1. Antrag auf Rückerstattung der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Mineralölsteuer für die Jahre 2015, 2016 und 2017
Nach § 5 Abs 6 MinStG sind Erstattungs- und Vergütungsanträge bei sonstigem Verlust des Anspruchs bis zum Ablauf des auf die Aufnahme oder die Verwendung des Mineralöls, Kraftstoffs oder Heizstoffs folgenden Kalenderjahres zu stellen.
In der Praxis führt diese Rechtslage zu dem paradoxen Umstand, dass Wirtschaftsbeteiligte, welche Mineralöle zweifelsfrei und nachweislich zu begünstigten Zwecke verwendeten, bei nachträglichen Mineralölsteuervorschreibungen seitens der Zollbehörde keine Erstattungsanträge stellen können, wenn die nachträglichen Mineralölvorschreibungen erst nach Ablauf des auf die Aufnahme oder die Verwendung des Mineralöls folgenden Kalenderjahres den Wirtschaftsbeteiligten zugestellt werden. Dies führt konsequenter Weise zu dem Ergebnis, dass, je später die Zollbehörde die Mineralölsteuer nachträglich festsetzt, umso weniger Möglichkeiten für Steuerpflichtige bestehen, die Mineralölsteuer nachträglich erstatten zu lassen.
Durch die nachträgliche Festsetzung der Mineralölsteuer werden der (…) somit die rechtlichen Möglichkeiten verwehrt, eine Erstattung der Mineralölsteuer für die Jahre 2015 und 2016 aufgrund § 5 Abs 6 MinStG zu beantragen.
Sollte die Abgabenbehörde nicht bereits die Versagung der Mineralölsteuerbefreiung aufgrund der Ausführungen unter Punkt 3.2. für unionsrechtswidrig erachten, so stellt die Befristung des § 5 Abs 6 MinStG jedenfalls eine Unionsrechtswidrigkeit dar. Die Vorschreibung von Steuerrückerstattungsverfahren zur Anwendung von Steuerbefreiungen für Zwecke der Bekämpfung von Missbrauch und Steuerhinterziehung stellt grundsätzlich ein geeignetes Mittel dar. Dieses kommt auch in verschiedenen Steuerrechtsgebieten zur Anwendung und steht mit Unionsrecht im Einklang (vgl. etwa § 94 Z 2 EStG und die VO zu § 94a Abs EStG, BGBl 1995/56, im Zusammenhang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie).
Die gegenständliche Befristung von Rückerstattungsanträgen mit nur einem Jahr ist jedoch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach der Verbrauchsteuerrichtlinie (siehe oben angeführte EuGH-Judikatur) mit Unionsrecht nicht vereinbar. Vielmehr hat für diese Zwecke die Befristung des § 5 Abs 6 MinStG, also die Wortfolge "bis zum Ablauf des auf die Aufnahme oder die Verwendung des Mineralöls, Kraftstoffs oder Heizstoffs folgenden Kalenderjahres" unangewendet zu bleiben, sodass ein Rückerstattungsantrag auch in Fällen der Vorschreibung von Mineralölsteuer nach Ablauf dieser Frist noch möglich ist.
Nach Maßgabe des § 5 Abs 6 MinStrG
beantragen
wir daher die Rückerstattung der mit den angefochtenen Bescheiden vorgeschriebenen Mineralölsteuern, wobei die gesetzlich vorgegebene Befristung aus unionsrechtlichen Gründen unangewendet zu bleiben hat. Der Antrag erweist sich daher als rechtzeitig.
2. (Eventual-)Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens für die Rückerstattung der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Mineralölsteuer für die Jahre 2015, 2016
Sollte die Abgabenbehörde die Ansicht vertreten, dass die Befristung des § 5 Abs 6 MinStG nicht unionsrechtswidrig ist,
beantragen
wir gemäß § 308 BAO die Wiedereinsetzung der Mineralölsteuerrückerstattungsfrist für die Jahre 2015 und 2016 gemäß § 5 Abs 6 MinStrG.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Ablauf der Mineralölsteuerrückerstattungsfrist sind aus folgenden Gründen gegeben (§ 309a BAO):
- Versäumte Frist: Die versäumte Frist zur Rückerstattung der mit den angefochtenen Bescheiden vorgeschriebenen Mineralölsteuer für die Jahre 2015 und 2016 stellt eine gesetzliche Frist dar. Gesetzliche Fristen sind wiedereinsetzungsfähig.
- Unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis: Aufgrund des abgabenbehördlichen Verhaltens der vergangenen Jahrzehnte war es für unsere Gesellschaft nicht erkennbar, dass überhaupt eine Mineralölsteuerpflicht aufgrund der Versagung der entsprechenden Befreiungsbestimmung bestehen könnte. Die durch abgabenbehördliches Verhalten hervorgerufene Unkenntnis der Mineralölsteuerpflicht stellt daher ein unvorhersehbares und zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld auch unabwendbares Ereignis dar. Ein behördlich verursachter Rechtsirrtum stellt einen Wiedereinsetzungsgrund dar.
- Fehlendes grobes Verschulden: Im Lichte der Veranlassung des Nicht- Erkennens der Mineralölsteuerschuld aufgrund der gegenständlichen Formmängel durch abgabenbehördliches Verhalten kann nicht von grobem Verschulden beim Abgabepflichtigen ausgegangen werden. Seitens unserer Gesellschaft wurde der abgabenrelevante Sachverhalt - inklusive sämtlicher von der Behörde nachträglich beanstandeter Dokumente (!) - lückenlos offengelegt. Mehrfache Prüfungen bestätigten wiederholt unsere Rechtsansicht, wonach die Voraussetzungen für die Mineralölsteuerbefreiung gegeben wären. Es liegt daher kein grobes Verschulden an der Fristversäumnis in der Sphäre unserer Gesellschaft vor.
- Rechtzeitigkeit des Antrags: Das Versäumnis der gegenständlichen Frist stand erst mit Zustellung der angefochtenen Abgabenbescheide () fest. Die Frist von drei Monaten gemäß § 308 Abs 3 BAO ist daher noch nicht abgelaufen, weshalb der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
3. Sonstige Anträge
Aufgrund den oben angeführten Gründe beantragen wir
- die Aufhebung der angefochtenen Bescheide,
- die Aussetzung der Einhebung der gesamten beschwerdegegenständlichen Abgabennachforderungen aus den Festsetzungsbescheiden betreffend Mineralölsteuer für das Veranlagungsjahr 2015 iHv EUR 301.625,97, für das Veranlagungsjahr 2016 iHv EUR 85.284,76 sowie für das Veranlagungsjahr 2017 iHv EUR 92.535,26 sowie hinsichtlich der Anspruchszinsen für 2015 iHv EUR 6.032,58, für 2016 iHv EUR 1.705,70 sowie für 2017 iHv EUR 1.850,71, wobei wir darauf hinweisen, dass unsere Beschwerde keineswegs wenig erfolgsversprechend erscheint und auch nicht auf die Gefährdung der Eindringlichkeit der Abgaben gerichtet ist,
- eine Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 BAO sowie
- die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 BAO, wobei wir im Falle einer vollinhaltlichen Stattgabe der Beschwerde anbieten, die Anträge auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurückzuziehen.
Für Fragen steht Ihnen unser steuerlicher Vertreter, die
***V*** (Mag. …), gerne zur Verfügung."

Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom , Zahlen: ***11***, ***12*** und ***13***, wurde die Beschwerde jeweils als unbegründet abgewiesen. In den gleichlautenden Begründungen wurde nach der Wiedergabe von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, bei den verfahrensgegenständlichen Sendungen sei bei der Erstellung der elektronischen Verwaltungsdokumente die Variante "Bestimmung Registrierter Empfänger" gewählt worden, die Lieferung jedoch direkt in die Niederlassung der Verwendungsbetriebe erfolgt. Bei der Wahl der "Bestimmung Registrierter Empfänger" habe die Lieferung jedoch an den Standort des registrierten Empfängers in ***4*** zu gehen. Wenn die Lieferungen wie in den vorliegenden Fällen direkt an die Standorte der Verwendungsbetriebe erfolgen würden, müssten in den elektronischen Verwaltungsdokumenten die für eine Direktlieferung notwendigen Angaben enthalten sein.

Nach Art. 21 Abs. 8 der Systemrichtlinie habe während der Beförderung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren eine Änderung des Bestimmungsortes durch den Versender erfolgen können, sei jedoch nicht durchgeführt worden. Die elektronischen Verwaltungsdokumente seien jeweils mit dem Vermerk "Empfang der Waren erfolgt, keine Beanstandung" erledigt worden, obwohl die Sendungen nicht am Sitz des Unternehmens in ***4***, sondern am jeweiligen Standort in ***5*** bzw. ***6*** eingelangt seien. Die Lieferungen seien dementsprechend dem Verfahren der Steueraussetzung sowie der amtlichen Aufsicht entzogen worden.

Gemäß Art. 10 Abs. 6 der Systemrichtlinie gelte als Unregelmäßigkeit ein während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzungen eintretender Fall, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil der Beförderung nicht nach Art. 20 Abs. 2 beendet werde. Mineralöl gelte als dem Verfahren der Steueraussetzung entzogen, wenn während der Beförderung von Mineralöl nach den §§ 30, 31 oder 37 im Steuergebiet Unregelmäßigkeiten einträten. Im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 3a MinStG entstehe die Steuerschuld dadurch, dass bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit nach § 38 auftrete. Im konkreten Fall sei die Unregelmäßigkeit bei der Beförderung im Verkehr unter Steueraussetzung durch den Sachverhalt bedingt, wonach keine Korrektur der elektronischen Verwaltungsdokumente mit Angabe des jeweiligen Lieferortes erfolgt sei.

Für den Erhebungszeitraum der Jahre 2015, 2016 und 2017 sei vom Zollamt Wien, welches für allfällige Kontrollen im Rahmen der Bewilligung des registrierten Empfängers zuständig sei, keine Prüfung der elektronischen Verwaltungsdokumente durchgeführt worden. Die Einwände betreffend das Fehlen von Wiederaufnahmegründen gingen daher ins Leere. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben werde entgegengehalten, dass in Ermangelung einer aktiven Prüfung der einzelnen elektronischen Verwaltungsdokumente die Beschwerdeführerin auch nicht darauf vertrauen habe können, dass diese korrekt ausgestellt worden seien. Der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit stelle keinen tauglichen Beschwerdegrund dar, da es sich in der gegenständlichen Causa nicht bloß um einen Formalfehler bei der Ausstellung der elektronischen Verwaltungsdokumente handle, sondern um ein Entziehen der Waren aus der amtlichen Aufsicht, zumal diese an andere Orte verbracht worden seien, "als in den Anmeldungen scheinbar vorgegeben" worden sei.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend und replizierend wurde vorgebracht, im Hinblick auf das Hervorkommen neuer Tatsachen könne nicht bloß auf den erlangten Kenntnisstand durch behördliche Prüfungsmaßnahmen abgestellt werden, in diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob die der Behörde aufliegenden Informationen im Detail geprüft worden seien. Weiters habe die Behörde das ihr nach § 201 Abs. 2 BAO eingeräumte Ermessen gänzlich außer Acht gelassen. Es bleibe dem Abgabepflichtigen während einer Abgabenprüfung verborgen, welche Unterlagen die Behörde "aktiv" prüfe und welche ohne Detailanalyse zu den Akten gelegt würden. Die Abgabenbehörde habe einen ihr wiederholt ausführlich vorgetragenen Sachverhalt immer wieder in derselben Weise beurteilt. Die Beschwerdeführerin als Abgabepflichtige habe "berechtigterweise auf dessen Richtigkeit vertrauen" können.

Den Ausführungen der Behörde sei weiters entgegenzuhalten, dass Mineralöl nach seiner tatsächlichen Verwendung zu besteuern sei, und eine (nachträgliche) Besteuerung aufgrund eines Formalfehlers in Dokumenten dem in Anwendung der Systemrichtlinie zu beachtenden Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspreche. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin unter anderen eine Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In der mündlichen Verhandlung bekräftigten die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ihre bisherigen Standpunkte. Die Beschwerdeführerin verwies darauf, dass dem Zollamt aufgrund der diesem vorgelegten Unterlagen (Lieferscheine, Rechnungen und Steueranmeldungen) schon vor der Festsetzung der Abgaben der Umstand der Lieferung an die Standorte in ***5*** und in ***6*** bekannt gewesen sein musste. Es seien keine neuen Tatsachen hervorgekommen, eine Festsetzung der Abgaben sei daher unzulässig. Das Mineralöl sei bestimmungsgemäß verwendet worden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dürfe es in solchen Fällen zu keiner Vorschreibung kommen.

Das Zollamt bestätigte die bestimmungsgemäße Verwendung des Mineralöls, jedoch sei es im vorgelagerten Steueraussetzungsverfahren zu Unregelmäßigkeiten gekommen, dadurch sei die Mineralölsteuerschuld entstanden. Erst im Zuge einer amtlichen Aufsicht sei festgestellt worden, dass das Mineralöl direkt zu den Standorten in ***5*** und in ***6*** verbracht worden sei und dies in den Verwaltungsdokumenten nicht dokumentiert worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 323b Abs 1 zweiter Satz BAO tritt das Zollamt Österreich am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

Aufgrund der dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Verwaltungsakten, der Ausführungen und Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, aufgrund der Feststellungen der (damaligen) Zollämter Linz Wels und Graz und aufgrund der Angaben der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der mündlichen Verhandlung stand unstrittig fest, dass der Beschwerdeführerin, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in ***4***, mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zahl: ***7***, gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 MinStG die Bewilligung zum Bezug von Mineralöl (Testbenzin sowie nicht gekennzeichnetes Gasöl) unter Steueraussetzung zu gewerblichen Zwecken aus anderen Mitgliedstaaten erteilt worden ist (registrierter Empfänger). Mit Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl: ***8***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Z 9 MinStG die Bewilligung zur steuerfreien Verwendung von Gasöl der Position 2710 19 der Kombinierten Nomenklatur erteilt (Freischein); als Ort der Verwendung weist die Bewilligung den Standort in ***5*** aus. Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: ***9***, wurde der Beschwerdeführerin ein Freischein für die steuerfreie Verwendung von Gasöl näher genannter Positionen erteilt; als Verwendungsbetrieb ist der Standort in ***6*** ausgewiesen. Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: ***10***, wurde der zuletzt genannte Freischein ersetzt.

Ebenso war unstrittig, dass die Beschwerdeführerin als registrierte Empfängerin in den verfahrensgegenständlichen Jahren im Verkehr unter Steueraussetzung Mineralöl von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Lieferanten erhalten hat und dass das bezogene Mineralöl an den Standorten in ***5*** und ***6*** (Verwendungsbetriebe) von der Beschwerdeführerin übernommen worden ist. Alle Lieferungen von Mineralöl erfolgten mit elektronischen Verwaltungsdokumenten. In den elektronischen Verwaltungsdokumenten waren in Feld 1a (Bestimmung) "Bestimmung - Registrierter Empfänger", in Feld 5 (Empfänger) Name und Anschrift der Beschwerdeführerin, in Feld 5a (Verbrauchsteuernummer) die Verbrauchsteuernummer der Beschwerdeführerin (in ihrer Eigenschaft als registrierte Empfängerin) und in Feld 9d (Ausgangspunkt) "Steuerlager" angegeben. Die an den Standorten in ***5*** oder ***6*** entgegengenommenen Mineralöllieferungen wurden dort geprüft und in den elektronischen Verwaltungsdokumenten der Empfang der Ware (ohne Beanstandungen) bestätigt. Die von der Beschwerdeführerin bezogenen Mineralöle wurden nach den Feststellungen des Zollamtes bestimmungsgemäß verwendet. Im Rahmen der Selbstbemessung hat die Beschwerdeführerin für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume Steueranmeldungen abgegeben und nach Abzug der steuerbefreiten Mengen die Mineralölsteuer mit jeweils Null selbst berechnet.

Aufgrund der dem Antrag auf Erteilung der Bewilligung als registrierter Empfänger angeschlossenen Ablaufbeschreibung und aufgrund der Begleitschreiben zu den abgegebenen Steueranmeldungen stand für das Bundesfinanzgericht fest, dass dem Zollamt die Tatsache, dass das Mineralöl direkt nach ***5*** oder nach ***6*** befördert worden ist, zumindest bei Abgabe der Steuererklärungen bekannt gewesen ist.

Im verfahrensgegenständlichen Fall war die Frage zu beantworten, ob das von der Beschwerdeführerin bezogene Mineralöl dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden ist.

Die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Systemrichtlinie genannt) normiert (auszugsweise) Folgendes:

"Art. 4 Im Sinne dieser Richtlinie und ihrer Durchführungsbestimmungen gelten folgende Definitionen:
1. (…)
9. Ein "registrierter Empfänger" ist eine natürliche oder juristische Person, die von den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats ermächtigt wurde, in Ausübung ihres Berufs und gemäß den von diesen Behörden festgesetzten Voraussetzungen, in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderte verbrauchsteuerpflichtige Waren aus einem anderen Mitgliedstaat zu empfangen.
10. (…).
11. Ein "Steuerlager" ist jeder Ort, an dem unter bestimmten von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem sich das Steuerlager befindet, festgelegten Voraussetzungen verbrauchsteuerpflichtige Waren im Rahmen eines Verfahrens der Steueraussetzung vom zugelassenen Lagerinhaber in Ausübung seines Berufs herstellt, verarbeitet, gelagert, empfangen oder versandt werden.

Art. 10 (1) Wurde bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eine Unregelmäßigkeit begangen, die eine Überführung dieser Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a zur Folge hatte, so findet die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in dem Mitgliedstaat statt, in dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde.
(…)
(6) Als Unregelmäßigkeit im Sinne dieses Artikels gilt ein während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eintretender Fall -(…) -, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht nach Artikel 20 Absatz 2 beendet wurde.

Art. 17 (1) Verbrauchsteuerpflichtige Waren können in einem Verfahren der Steueraussetzung wie folgt innerhalb des Gebiets der Gemeinschaft befördert werden, und zwar auch dann, wenn die Waren über ein Drittland oder ein Drittgebiet befördert werden:
a) aus einem Steuerlager zu
i) einem anderen Steuerlager,
ii) einem registrierten Empfänger,
(…).
(2) Abweichend von Absatz 1 Buchstabe a Ziffern i und ii und (…) dieses Artikels und außer in dem in Artikel 19 Absatz 3 genannten Fall kann der Bestimmungsmitgliedstaat nach von ihm festzusetzenden Bedingungen die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung an einen in seinem Gebiet befindlichen Bestimmungsort für eine Direktlieferung zulassen, wenn dieser Ort vom zugelassenen Lagerinhaber im Bestimmungsmitgliedstaat oder vom registrierten Empfänger angegeben wurde.
Dieser zugelassene Lagerinhaber oder dieser registrierter Empfänger bleiben für die Übermittlung der Eingangsmeldung nach Artikel 24 Absatz 1 verantwortlich.
(…)

Art. 20 (1) Die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung beginnt in den in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a dieser Richtlinie genannten Fällen, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren das Abgangssteuerlager verlassen, und in den in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b (…)
(2) Die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung endet in den in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern i, ii und (…) genannten Fällen, wenn der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat, (…).

Art. 21 (1) Eine Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren gilt nur dann als in einem Verfahren der Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument erfolgt, das nach den Absätzen 2 und 3 erstellt wurde.
(…)"

Die Bestimmungen des MinStG lauten (auszugsweise):
"§ 31. (1) Mineralöl darf unter Steueraussetzung, auch über Drittländer oder Drittgebiete befördert werden
1. aus Steuerlagern in anderen Mitgliedstaaten oder von registrierten Versendern vom Ort der Einfuhr in anderen Mitgliedstaaten
a) in Steuerlager oder
b) in Betriebe von registrierten Empfängern ( § 32) oder
c) an vom registrierten Empfänger nach § 32 Abs. 1 Z 1 im Voraus dem Zollamt mitgeteilte Bestimmungsorte (Direktlieferung) oder
d) (…);
2. aus Steuerlagern im Steuergebiet oder von registrierten Versendern vom Ort der Einfuhr im Steuergebiet
a) (…)
(…).
(2) Das Mineralöl ist unverzüglich
1. vom Inhaber des abgehenden Steuerlagers (…),
2. vom Inhaber des beziehenden Steuerlagers in sein Steuerlager oder vom registrierten Empfänger in seinen Betrieb im Steuergebiet aufzunehmen, sofern Abs. 1 Z 1 lit. c (Direktlieferung) keine Anwendung findet,
3. (…).
(3) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 beginnt die Beförderung unter Steueraussetzung, wenn (…). In den Fällen des Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 endet die Beförderung unter Steueraussetzung mit der Aufnahme des Mineralöls in das Steuerlager oder mit der Übernahme des Mineralöles durch den registrierten Empfänger, durch den Empfänger einer Direktlieferung oder durch (…).

§ 32. (1) Registrierte Empfänger im Sinne dieses Bundesgesetzes sind natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, denen von einem anderen Mitgliedstaat oder nach Abs. 2 die Bewilligung erteilt worden ist, Mineralöl, das aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat oder von einem registrierten Versender von einem Ort der Einfuhr in einem anderen Mitgliedstaat versandt wird, unter Steueraussetzung zu gewerblichen Zwecken
1. nicht nur gelegentlich oder
2. im Einzelfall
zu beziehen. (…)
(2) Die Bewilligung nach Abs. 1 Z 1 wird auf Antrag Personen oder Personenvereinigungen erteilt, die (…).

§ 38 (1) Als Unregelmäßigkeit gilt ein während der Beförderung von Mineralöl unter Steueraussetzung eintretender Fall, mit Ausnahme der in § 21 Abs. 3a geregelten Fälle, auf Grund dessen die Beförderung oder ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet werden kann.
(2) (…).
(3) Wird während der Beförderung unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager eines anderen Mitgliedstaates oder von einem Ort der Einfuhr in einem anderen Mitgliedstaat im Steuergebiet festgestellt, dass eine Unregelmäßigkeit eingetreten ist und kann nicht ermittelt werden, wo diese Unregelmäßigkeit eingetreten ist, so gilt sie als im Steuergebiet zum Zeitpunkt der Feststellung eingetreten.
(…)."

Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person mit Sitz in ***4***. Den Standorten in ***5*** und ***6*** kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Diese sind daher weder rechts- noch parteifähig und stellen einen Bestandteil des Unternehmens der Beschwerdeführerin dar ().

Nach den Legaldefinitionen des Art. 4 Nummer 9 der Systemrichtlinie und des § 32 Abs. 1 MinStG wird beim registrierten Empfänger nicht - so wie bei einem Steuerlager - an eine Örtlichkeit angeknüpft, sondern an eine (natürliche oder juristische) Person oder an eine Personenvereinigung. So sind nach den Bestimmungen des Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a der Systemrichtlinie und nach § 31 Abs. 1 Z 1 MinStG Beförderungen unter Steueraussetzungen aus Steuerlagern in einem anderen Mitgliedstaat zu einem anderen Steuerlager bzw. in ein Steuerlager möglich oder zu einem registrierten Empfänger bzw. in Betriebe von registrierten Empfängern. Während bei Beförderungen zu einem anderen bzw. in ein Steuerlager ein genau bestimmter Ort (argumentum: "Steuerlager ist jeder Ort") angesprochen wird, ist bei Beförderungen zu einem registrierten Empfänger bzw. in Betriebe von registrierten Empfängern entscheidend, zu welcher rechtsfähigen Person die Beförderung erfolgt. Das ergibt sich auch klar und deutlich aus der Bestimmung des Art. 20 Abs. 2 der Systemrichtlinie, wonach ein Verfahren der Steueraussetzung endet, wenn der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat. Als Empfänger kommen nach Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a der Systemrichtlinie unter anderen ein anderes Steuerlager (Z i), also ein bestimmter Ort, oder ein registrierter Empfänger (Z ii), also eine von den zuständigen Behörden ermächtigte Person in Betracht. Auch die nationale Reglung des § 31 Abs. 3 MinStG führt zum selben eindeutigen Ergebnis; eine Beförderung unter Steueraussetzung endet mit der Aufnahme des Mineralöls in ein Steuerlager oder mit der Übernahme des Mineralöls durch einen registrierten Empfänger. Bei Beförderungen unter Steueraussetzung an registrierte Empfänger stellen die einschlägigen unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften für die Beendigung des Verfahrens ausschließlich darauf ab, ob das Mineralöl vom berechtigten Empfänger übernommen worden ist, und nicht, an welchem Ort das Mineralöl übernommen worden ist.

Die verfahrensgegenständlichen Mineralöllieferungen wurden - wie bereits festgehalten - aus Steuerlagern in anderen Mitgliedstaaten im Verfahren der Steueraussetzung zu den Standorten in ***5*** und ***6***, denen keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, befördert und dort, also von der Beschwerdeführerin übernommen. Die Beförderungen unter Steueraussetzung wurden daher ordnungsgemäß beendet, denn die juristische Person, der die Bewilligung erteilt worden ist, im Verfahren der Steueraussetzung befördertes Mineralöl zu beziehen, hat das Mineralöl übernommen.

Stütze findet die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch in der Verordnung (EG) Nr. 684/2009 der Kommission vom zur Durchführung der Richtlinie 2008/118/EG des Rates in Bezug auf die EDV-gestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung. Nach § 29a Abs. 1 MinStG sind Beförderungen unter anderen nur dann unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn das elektronische Verwaltungsdokument den in Art. 2 und 3 der genannten Verordnung genannten Anforderungen entspricht. Nach Art. 2 dieser Verordnung haben Struktur und Inhalt des elektronischen Verwaltungsdokuments den Anforderungen des Anhangs I zu dieser Verordnung zu entsprechen. Nach Anhang I ist bei Beförderungen (wie bei den verfahrensgegenständlichen) an registrierte Empfänger im Unterschied zu Beförderungen zu einem Steuerlager die Angabe des Bestimmungsortes nicht zwingend vorgegeben, und dies mit der Begründung, dass in das hierfür vorgesehene Feld die Anschrift des registrierten Empfängers eingetragen werden kann. Auch aus dieser Anordnung lässt sich ableiten, dass es bei Beförderungen an registrierte Empfänger die Person des Empfängers und nicht der Ort der Aufnahme entscheidend ist.

Entgegen der Ansicht des Zollamtes (und auch der Beschwerdeführerin) handelte es sich bei den verfahrensgegenständlichen Beförderungen nicht um Fälle von Direktlieferungen. Solche kommen gemäß Art. 17 Abs. 2 der Systemrichtlinie und nach § 31 Abs. 1 Z 1 lit. c MinStG dann in Betracht, wenn das im Steueraussetzungsverfahren beförderte Mineralöl nicht zu einem registrierten Empfänger erfolgt (argumentum: "Abweichend von Absatz 1 Buchstabe a Ziffern i und ii …"). Das war in den verfahrensgegenständlichen Fällen nicht gegeben, denn die Beschwerdeführerin als registrierte Empfängerin hat selbst das Mineralöl übernommen, also die Beförderungen sind zu einem registrierten Empfänger erfolgt. Dem Begriff der Direktlieferung ist (auf die verfahrensgegenständlichen Beförderungen bezogen) immanent, dass die Beförderung vom Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat zu einer anderen Person als dem registrierten Empfänger erfolgt (vgl. Bieber/Summersberger, SWI 2017, 311 ff). Bei den verfahrensgegenständlichen Lieferungen war jedoch der Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a Z ii der Systemrichtlinie bzw. des § 31 Abs. 1 Z 1 lit. b MinStG gegeben, sodass die Ansicht, es seien Direktlieferungen vorgelegen, keine rechtliche Deckung findet. Die Angaben in den elektronischen Verwaltungsdokumenten entsprachen daher den einschlägigen Vorschriften.

Da bei den verfahrensgegenständlichen Beförderungen keine Unregelmäßigkeiten vorgelegen sind, lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung der Mineralölsteuer nicht vor. Daher konnte auch von Erwägungen zu den sonstigen Ausführungen der Beschwerdeführerin Abstand genommen werden.

Das Bundesfinanzgericht erlaubt sich weiter Folgendes festzuhalten:
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung von Amts wegen erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Im vorliegenden Beschwerdefall stützen sich die bekämpften Bescheide auf § 201 Abs. 2 Z 3 in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. b BAO, wonach die Voraussetzungen einer Festsetzung (Wiederaufnahme) dann erfüllt sind, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO ist, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den von der Abgabenbehörde gebrauchten Gründen "wieder aufgenommen werden durfte", nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme bzw. sinngemäß die amtswegige Festsetzung der Abgaben auch aus anderen Gründen zulässig gewesen wäre ().

Nach den, dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Verwaltungsunterlagen stand fest, dass dem Zollamt bereits mit den Unterlagen, die dem Antrag auf Erteilung der Bewilligung als registrierter Empfänger beigeschlossen waren, und aufgrund von Begleitschreiben zu den Mineralölsteueranmeldungen zur Kenntnis gebracht worden ist, dass die Übernahmen des Mineralöls an den Standorten in ***5*** oder ***6*** erfolgen. Dies wurde durch die Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dem Zollamt seien auch die Lieferscheine und Rechnungen zu den Lieferungen bekannt gewesen, bestärkt; das Zollamt hat die Kenntnis dieser zuletzt genannten Unterlagen nicht dementiert.

Wenn, wie im gegenständlichen Fall, die Berücksichtigung der entscheidenden Tatsachenlage ohne Einschränkung bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, diese jedoch erst später in ihrer Bedeutung erkannt wird, handelt es sich nicht um neu hervorgekommene Beweise bzw. Tatsachen (vgl. Stoll, Ermessen im Steuerrecht2 280 f; ; , 1667/66). Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme und somit für eine Festsetzung der Abgaben aus den vom Zollamt herangezogenen Gründen wäre daher auch deswegen ausgeschlossen gewesen und der Beschwerde wäre selbst bei Vorliegen der vom Zollamt behaupteten Unregelmäßigkeiten stattzugeben gewesen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung stützt sich zwar auf den nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Richtlinienbestimmungen und der einschlägigen nationalen Bestimmungen, jedoch gibt es zu der Frage, ob Beförderungen an registrierte Empfänger von diesem an verschiedenen Standorten seines Unternehmens übernommen werden können, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser Frage kommt somit grundsätzliche Bedeutung zu, eine Revision ist zulässig.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom S. 12
Art. 20 Abs. 2 RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom S. 12
§ 31 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994
§ 32 Abs. 1 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994
§ 31 Abs. 3 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994
Art. 4 Abs. 1 Nr. 9 RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom S. 12
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7200020.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at