Zurückweisung einer Beschwerde aufgrund des Vorliegens eines Nichtbescheides
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***2***, ***3***, als Insolvenzverwalter der ***Bf1***, ***4***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***5*** vom betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer je für die Jahre 2014 und 2015 beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Begründung
Verfahrensablauf
Mit Beschluss des LG St. Pölten vom wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin der Konkurs eröffnet und ***2*** zum Masseverwalter bestellt.
Mit Beschluss vom wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.
Die gegenständlichen Bescheide vom wurden folgendermaßen adressiert und zugestellt:
"***2*** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren ***Bf1***
z.H. ***6***
***7***
***8***"
Eine Zustellvollmacht für die ***6*** lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.
Mit Schreiben an die Amtspartei vom wurde durch den Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass die ***6***, Herr ***9***, mit einzelnen Arbeiten beauftragt worden sei.
Eine allgemeine Zustellvollmacht ist aus diesem Schreiben - entgegen dem Vorbringen der Amtspartei - nicht abzuleiten.
Zudem kann nicht - wie von der Amtspartei eingewendet - in einer Zusammenschau einer vor Konkurseröffnung aufrechten Zustellvollmacht für die ***6*** und einer Beauftragung dieser für einzelne Arbeiten nach Konkurseröffnung eine Zustellvollmacht abgeleitet werden.
Der Masseverwalter hat nach seinen Angaben die Bescheide am von der ***6*** eingescannt per Mail erhalten.
Von der Amtspartei wurde dies nicht bestritten. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass keine diese Behauptung stützenden Schriftstücke eingereicht worden wären.
Der Senat geht laut Aktenlage davon aus, dass keine Gründe vorliegen, die Angaben des Masseverwalters in Zweifel zu ziehen. Es erscheint nachvollziehbar, dass ein kurzer Weg der Übermittlung gewählt worden ist.
Es wird daher davon ausgegangen, dass die gegenständlichen Bescheide gescannt per Mail an den Masseverwalter übermittelt wurden.
Rechtliche Begründung
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen.
Nach der Rechtsprechung ist der Insolvenzverwalter hinsichtlich des Insolvenzvermögens gesetzlicher Vertreter des Schuldners und somit gesetzlicher Vertreter im obigen Sinn (siehe Ritz, BAO7, § 80 Rz 3 und die dort angeführte Judikatur).
Vollmachten erlöschen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Machtgebers oder Machthabers (Ritz, BAO7, § 83 Rz 21; Ritz, BAO7, ZustG, § 9, Rz 22).
Unabhängig vom Kenntnisstand der Behörde wirkt das Erlöschen von Vollmachten bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Nach § 2 Abs. 1 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Kundmachung des Inhalts des Insolvenzdeliktes folgt (Ritz, BAO7, § 83 Rz 24).
§ 7 ZustG lautet wie folgt:
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel. So gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Laut Ritz, BAO7, ZustG, § 7, Rz 4, und der dort zitierten Judikatur (siehe etwa ; , 95/10/0052) ist § 7 ZustG anwendbar, wenn die Zustellverfügung an X zu Handen Y lautet, dem Y zugestellt wurde und der nicht zustellungsbevollmächtige Y das Schriftstück an X weiterleitet, weil es nach der Zustellverfügung auch für X bestimmt sei.
Ein tatsächliches Zukommen setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt.
Maßgeblich ist, dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (; ).
Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes etwa durch Weiterleitung des eingescannten Schriftstückes per E-Mail (Ritz, BAO7, ZustG, § 7, Rz 7).
Die vorliegenden Bescheide hätten an den Masseverwalter zugestellt werden müssen. Die Zustellung an eine nicht zustellbevollmächtigte Steuerberatungskanzlei kann allenfalls nach § 7 ZustG geheilt werden. Da die Bescheide nicht im Original an den Masseverwalter weitergegeben wurden, sondern lediglich gescannt per Mail, ist nicht von einem tatsächlichen Zukommen im oben angeführten Sinn auszugehen.
Die beschwerdegegenständlichen Bescheide sind folglich nicht rechtswirksam zugestellt worden und somit rechtlich nicht existent geworden.
Die Beschwerde war demnach gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob eine Zustellvollmacht erteilt worden ist und ob die Bescheide tatsächlich zugekommen sind, sind auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfragen, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führen.
Die Zurückweisung aufgrund fehlender Zustellung der gegenständlichen Bescheide ergibt sich zwingend aus § 260 Abs. 1 lit. a BAO.
Die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist daher nicht zu erwarten.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101462.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at