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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.02.2022, RV/7100237/2022

Zurückweisung eines Vorlageantrags, da die Beschwerdevorentscheidung nicht ordnungsgemäß erlassen wurde

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7100237/2022-RS1
wie RV/7102328/2015-RS1
Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevor­entscheidung erlassen hat. § 260 Abs. 2 BAO, wonach Bescheidbeschwerden auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden dürfen, ist zufolge § 264 Abs. 4 lit. e BAO ausdrücklich nicht auf Vorlageanträge anzuwenden. Ein verfrühter, weil vor Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gestellter, Vorlageantrag ist zurückzuweisen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache von ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom - Eingangsstempel - gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom über die Abweisung eines Ansuchens um Nachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO i.V.m. § 260 BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde der Antrag vom auf Nachsicht der Abgabenschuld von € 40.079,23 abgewiesen.

Dagegen wurde fristgerecht mit Eingabe vom - Eingangsstempel - Beschwerde eingebracht.

Mit einem als Beschwerdevorentscheidung bezeichneten Schreiben des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde inhaltlich die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen hat der Nachsichtswerber am (Datum Poststempel) einen Vorlageantrag eingebracht, der dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Diesem Vorlagebericht des nunmehr zuständigen Finanzamtes Österreich ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:

"Mit einer als Beschwerdevorentscheidung intendierten Enunziation vom sollte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden. Mangels Unterfertigung oder Anbringung einer Amtssignatur konnte diese Enunziation jedoch nicht wirksam werden, weshalb die Beschwerde bis Dato unerledigt verblieb. […]

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die zwingende Zurückweisung von verfrüht eingebrachten Vorlageanträgen durch das Bundesfinanzgericht.

Der verfahrensgegenständliche Vorlageantrag vom wurde bereits vor Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung eingebracht.

Das Finanzamt Österreich beantragt daher die Zurückweisung des Vorlageantrags."

Rechtslage:

§ 260 Abs. 1 BAO: Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 260 Abs. 2 BAO: Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 264 Abs. 4 lit. e BAO: Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden: § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung).

§ 264 Abs. 5 BAO: Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

§ 96 Abs. 1 BAO: Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

§ 96 Abs. 2 BAO: Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, wozu jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen.

§ 19 Abs. 1 E-GovG: Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.

§ 19 Abs. 2 E-GovG: Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihm erzeugten Dokumente verwendet werden

§ 19 Abs. 3 E-GovG: Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.

Judikatur:

Voraussetzung für die Zurechnung einer Erledigung an eine monokratisch organisierte Behörde () ist die Genehmigung der Erledigung entweder durch den Leiter der Behörde selbst oder durch einen zumindest abstrakt approbationsbefugten Organwalter ().

Die Zurechnung einer Erledigung zum Staat setzt nach allgemeinem Verständnis (vgl. nur Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Rz 10 zu § 56) voraus, dass diese entweder von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat selbst oder von einem zumindest abstrakt approbationsbefugten Organwalter genehmigt wurde. Zu den formalen Mindesterfordernissen der schriftlichen Ausfertigung eines Bescheides gehört auch die Erkennbarkeit des Namens des Genehmigenden sowie die ordnungsgemäße Fertigung. Insgesamt ist die Frage, ob eine behördliche Enunziation ein Bescheid ist, nach objektiven Gesichtspunkten (nach dem äußeren Tatbestand) zu beurteilen (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO Rz 11). Folglich hängt die Erkennbarkeit der Behörde nicht von der subjektiven Kenntnis des Adressaten ab ().

Mit der Verwendung der Amtssignatur wird auch die für den Bescheidempfänger aus Rechtsschutzgründen erforderliche Erkennbarkeit der automationsunterstützten Herstellung der Ausfertigung sichergestellt (AB 687 BlgNR 26. GP, 38). Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 96, II. ADV-Bescheide [Rz 15]).

Zum Vorlageantrag:

Die im Steuerakt der belangten Behörde aufliegende Urschrift der Erledigung ist nicht mit einer Amtssignatur versehen und die an den Nachsichtswerber übermittelte Ausfertigung der "Beschwerdevorentscheidung vom " enthält demgemäß weder einen Hinweis darauf, dass das elektronische Original des Dokuments amtssigniert worden sei noch eine Bildmarke. Bei der gegenständlichen Ausfertigung handelt es sich somit um eine Ausfertigung, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen ist (vgl. , mwN). Die dem Nachsichtswerber zugegangene Ausfertigung der "Beschwerdevorentscheidung vom " der belangten Behörde weist jedoch weder eine Unterschrift noch eine Kanzleibeglaubigung auf. Vielmehr ist hier nur der Name der Sachbearbeiterin und eine "persönliche Signatur der Sachbearbeiterin" angebracht, die jedoch keine Amtssignatur im Sinne des E-Government-Gesetzes war.

Wurde daher dem Nachsichtswerber eine dem § 96 BAO entsprechende Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung nicht zugestellt, dann ist der von der belangten Behörde intendierte Bescheid - nämlich die "Beschwerdevorentscheidung vom " - als noch nicht erlassen anzusehen (vgl. ).

Nach § 264 Abs. 1 BAO kann "gegen eine Beschwerdevorentscheidung" ein Vorlageantrag gestellt werden. Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (vgl. Ritz, BAO 6. A., § 264 Rz 6, unter Hinweis auf und ; ferner ; ; ).

§ 260 Abs. 2 BAO, wonach Bescheidbeschwerden auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden dürfen, ist zufolge § 264 Abs. 4 lit. e BAO ausdrücklich nicht auf Vorlageanträge anzuwenden (vgl. ; ; ; ; ).

Verfrühte Vorlageanträge sind zurückzuweisen (vgl. Ritz, Verfrühte Anträge - Anträge zur Fristwahrung, SWK 27/2015, 1254).

Mangels Erlassung einer korrekten Beschwerdevorentscheidung ist daher der Vorlageantrag vom gemäß § 260 Abs. 1 BAO i. V. m. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Das Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 wird daher zunächst mit Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde des Nachsichtswerbers vom - Eingangsstempel - zu entscheiden haben, bevor es dem Nachsichtswerber freisteht, dagegen innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe gemäß § 264 Abs. 1 BAO einen Vorlageantrag beim Finanzamt einzubringen, der dann elektronisch an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen sein wird.

Eine inhaltliche Befassung mit dem Nachsichtsbegehren war daher obsolet.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Auf die oben zitierte höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100237.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at