Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2022, RV/1100148/2021

Änderung der Verhältnisse beim Umlaufvermögen - Vorsteuerberichtigung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0017. Mit Erkenntnis v. infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss zur Zahl RV/1100276/2023 erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/1100148/2021-RS1
Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse löst eine Vorsteuerberichtigung unabhängig davon aus, wer die Änderung bewirkt und aus welchem Grund sie eintritt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für Juni 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt erließ am den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 06/2020 gegenüber der Beschwerdeführerin und setzte die Umsatzsteuer für den Zeitraum 06/2020 (Juni 2020) mit EUR 1.312.974,60 wie folgt fest:

Die Begründung dazu lautet: "A war Eigentümer der Liegenschaft X, in Ort_1. Mit Vertrag vom wurde zwischen A und der ***Bf1*** die gemeinsame Errichtung von 4 Einfamilienhäuser auf diesem Grundstück zur anschließenden gemeinsamen Veräußerung vereinbart. A bringt zu diesem Zweck die Liegenschaft als Beitragsleistung ein. Die Firma ***Bf1*** trägt zum gemeinsamen Projekt durch die Errichtung der geplanten Wohnanlage bei. Aus den jeweiligen Verkaufserlösen soll zunächst Herr A den Grundanteil im Ausmaß von Euro 6.650,- pro Quadratmeter vom Käufer erhalten, der Rest des Verkaufserlöses wird der ***Bf1*** zur Abdeckung der Baukosten zur Verfügung gestellt werden. Aus den Errichtungskosten der Gebäude wurden von der Firma ***Bf1*** Vorsteuern geltend gemacht.

Verkauf Chalet 2: Mit Kaufvertrag vom wurde das Chalet 2 veräußert. Die Fertigstellung und Abrechnung erfolgte im Jahre 2015. Entsprechend der Vereinbarung vom wurde der Gesamtkaufpreis wie folgt aufgeteilt: Umsatzerlös GmbH (brutto) - Euro 3.848.505,00 - 56,19%; Umsatzerlös A - Euro 3.000.000,00 - 43,81%.

Die Herstellungskosten für die verbliebenen drei Chalets stehen mit Euro 6.566.800,97 zu Buche.

Zwangsversteigerung 2020: Auf Betreiben der L Bank AG fand am die Zwangsversteigerung der verbliebenen Apartmenthäuser (Chalet 1, 3 und 4) statt. Als verpflichtete Partei ist der grundbücherliche Eigentümer A angeführt. Dem Versteigerungsedikt ist zu entnehmen, dass der Verpflichtete dem Exekutionsgericht innerhalb der gesetzten Frist nicht mitgeteilt hat, dass auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit a UStG 1994 verzichtet wird. Der Versteigerungserlös betrug Euro 12.300.000,-.

Steuerrechtliche Würdigung: Nach Ansicht der Finanzbehörde ist das Meistbot im Sinne der Vereinbarung vom aufzuteilen in einen Anteil für Grund und Boden (A) sowie in einen Anteil für den Verkauf der Gebäude, welcher der ***Bf1*** zuzurechnen ist. In Anlehnung an die im Jahr 2014/15 erfolgte Veräußerung des Chalet 2 ist das Meistbot mangels Vorliegen eines anderen Aufteilungsschlüssels im gleichen Verhältnis mit 43,81% auf Grund und Boden sowie mit 56,19% auf die Gebäude aufzuteilen.

Anteil Grund und Boden - Euro 5.388.037,24

Anteil Gebäude - Euro 6.911.962,76

Meistbot Euro 12.300.000,00

Die ***Bf1*** bewirkte mangels Vorliegen einer Optionserklärung eine steuerfreie Grundstücksveräußerung gern. § 6 Abs. 1 Z 9 lit a UStG 1994 in Höhe von Euro 6.911.962,76. Diese steuerfreie Grundstücksveräußerung bewirkt gern. § 12 Abs. 11 UStG 1994 gegenüber der ursprünglich geplanten steuerpflichtigen Veräußerung eine Änderung der Verhältnisse, welche für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Es ist daher für jenen Veranlagungszeitraum, in welchem die Änderung eingetreten ist (Versteigerung im Voranmeldungszeitraum Juni 2020), eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges aus den Errichtungskosten vorzunehmen."

In ihrer Beschwerde vom wendete die Beschwerdeführerin ein, es sei A aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der Beschwerdeführerin aus dem Versteigerungserlös zunächst ein Betrag von EUR 6.650,- je m² Grundanteil der versteigerten Chalets, sohin ein Vorabanspruch von EUR 14.402.165,- (bezogen auf 2.150 m²) zugestanden. Da der Versteigerungserlös lediglich EUR 12.300.000,- betragen habe, verbleibe kein Entgeltanspruch und damit keine Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für die Beschwerdeführerin. Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse sei nicht eingetreten, da die Übertragung des Grundanteils durch A gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG umsatzsteuerfrei bzw. mangels Unternehmereigenschaft nicht umsatzsteuerbar gewesen sei. Die Werkleistung der Beschwerdeführerin sei umsatzsteuerbar und grundsätzlich auch umsatzsteuerpflichtig gewesen, aber es ergäbe sich mangels Entgeltsanspruches der Beschwerdeführerin keine Umsatzsteuerbemessungsgrundlage. Der bloße Umstand, dass die Bemühungen eines Unternehmers zu keinem Erfolg geführt hätten, begründe keine Änderung der Verhältnisse.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin und A mit Vereinbarung vom eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als reine Innengesellschaft gegründet hätten, dies zum Zweck der Errichtung und des nachfolgenden Verkaufs von vier Wohnhäusern auf einem Grundstück. Während der Bauphase sei die Beschwerdeführerin unternehmerisch tätig gewesen. A sei in dieser Phase "durch die Bereitstellung des Grundstückes zum Zwecke der Bebauung" unternehmerisch aufgetreten. Am sei das Chalet Nr. 2 von der Beschwerdeführerin und A gemeinsam an die P GmbH verkauft worden. Die Beschwerdeführerin habe während der Bauphase den Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnhäuser beansprucht. Der (mangels Abgabe einer Optionserklärung) unecht steuerbefreite Grundstücksumsatz im Rahmen der Zwangsversteigerung habe zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geführt. Eine Berichtigung des gesamten für die restlichen drei Chalets beanspruchten Vorsteuerabzuges sei in jenem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der Zuschlag zum Meistbot erfolgt sei.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte zusammengefasst weiter vor, dass ihr die gesamte organisatorische und kommerzielle Abwicklung der Bauvorhaben einschließlich Finanzierung und Verkauf der Chalets oblegen sei. Im Veräußerungsfall sollte A zunächst einen Betrag von EUR 6.650,-/m² Grundstücksfläche bekommen, der Rest des Veräußerungserlöses diene der Beschwerdeführerin zur Abdeckung der Baukosten. Falls der Veräußerungserlös dafür nicht ausreiche, bestehe für sie kein Anspruch auf Werklohn bzw. Kostenersatz. Es sei "geradezu grotesk", die Vereinbarung dahin auszulegen, dass A im Fall einer von der Beschwerdeführerin verschuldeten Zwangsversteigerung der Liegenschaft auf seinen Anteil am Veräußerungserlös (teilweise) verzichten müsse. Die Funktion von A sei eine rein passive gewesen, Unternehmereigenschaft komme ihm nicht zu. A habe durch die Versteigerung der drei Chalets einen umsatzsteuerfreien Umsatz bewirkt, der nicht bei einer dritten Person - der Beschwerdeführerin - zu einer Änderung der Verhältnisse führen könne. Auch habe die Beschwerdeführerin im Zuge der Versteigerung keinen Eigenverbrauch bewirkt, zumal ihr kein Entgelt für ihre Bauleistungen zugestanden sei.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und brachte weiter vor: "Wesentlich erscheint die Rechtsfrage, ob es zulässig ist, einen Grundstücksumsatz im Zuge einer Zwangsversteigerung einer durch zwei miteinander verbundene Gesellschafter (InnengesBR zwischen der natürlichen Person als Grundeigentümer und der von diesem kontrollierten GmbH als Gebäudeerrichterin) bebauten Liegenschaft auch nach der neuen Rechtslage (Einheitlichkeit des Grundstücksumsatzes) in einen Grundanteil und einen Gebäudeanteil dergestalt aufzuspalten, dass der Grundanteil des Exekutions- bzw Hypothekarschuldners steuerfrei bzw mangels Unternehmereigenschaft nicht steuerbar bleiben kann, welchem dem Vorbringen folgend (mehr als) 100% des Versteigerungserlöses zuzurechnen seien, während der Gebäudeanteil, für den die andere Gesellschafterin laufend Vorsteuern aus empfangenen Bauleistungen geltend gemacht hat und welche zu berichtigen wären, 0% betrage. Zudem (in eventu einer anders lautenden Aufteilung) wolle in einer Zwangsversteigerung kein Anlass für eine Vorsteuerkorrektur gesehen werden.

Die Zulässigkeit einer solchen Konstruktion würde im Ergebnis bedeuten, dass die Beschwerdeführerin den "Stein der Weisen" gefunden hätte, sozusagen das Pendant zur ertragsverschiebenden Lizenzgebühr im Umsatzsteuerrecht. Jeder Umsatz könnte durch eine Ergebnisverteilungsregelung im Rahmen einer Innengesellschaft mit Verbundenheit - at arms' length käme eine derartige Regelung zu Gunsten eines Gesellschafters nämlich nicht zustande - wirksam auf Null ausgehebelt werden, zudem könnte der Gesellschafter, dem die Umsätze zuzurechnen wären, mithilfe einer Lizenzgebührenzahlung in eine "Steueroase" in der Folge auch die Ertragsteuern aushebeln.".

Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin weiter vor, die Bemühungen um die Rückerlangung der Liegenschaft gingen von A aus. Vorgelegt wurde ein Schreiben des A vom , in dem er O auffordert, "gemeinsam die Versteigerung bzw. ihren diesbezüglichen Liegenschaftserwerb rückgängig zu machen". Mit weiterem Schreiben vom zog die Beschwerdeführerin ihre Anträge auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück und legte eine mit datierte Impugnationsklage des A gegen die L Bank AG als erstbeklagte und O als zweitbeklagte Partei mit dem Klagebegehren auf Unzulässigerklärung des beim Bezirksgericht Ort_2 zu GZ_1 geführten Exekutionsverfahrens vor. Weiter legte die Beschwerdeführerin ein in ihrem und A's Auftrag angefertigtes Gutachten des Rechtsanwaltes Dr. M vom vor. Darin sollte folgende Rechtsfrage beantwortet werden: "…3. Rechtsfrage: Das Gutachten soll sich auftragsgemäß zum Einen mit der Rechtsfrage befassen, ob diese Vereinbarung vom rechtsgültig ist und zum Anderen, ob es sich um einen üblichen Vorgang gehandelt hat."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine im Firmenbuch zu FN_1 eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die alleinige Geschäftsführerin und Hauptgesellschafterin (mit einer Stammeinlage von EUR 26.250,-, entsprechend 75 % des Kapitals) ist seit B. B ist die Ehegattin des A. Weitere Gesellschafterin mit einer Stammeinlage von EUR 8.750,- ist die Schwester von B, C.

A war Eigentümer der Liegenschaft X (im Folgenden: "Liegenschaft"). Mit Wohnungseigentumsvertrag vom wurde auf dieser Liegenschaft Wohnungseigentum begründet.

Am schlossen A und die Beschwerdeführerin eine Vereinbarung, welche auszugsweise lautet:

"I. Präambel. … Die Vereinbarungspartner beabsichtigen, auf der .. Liegenschaft gemäß der bereits vorliegenden Baugenehmigung die vier selbständigen Wohnhäuser samt jeweiligem Zubehör … zu errichten, an den Wohnhäusern samt jeweiligem Zubehör Wohnungseigentum zu begründen und diese selbständigen Einheiten bestmöglich zu verkaufen. Die Vereinbarungspartner schließen sich zu diesem Zweck zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, welche jedoch als reine Innengesellschaft nicht am geschäftlichen Verkehr teilnimmt. …

II. Herr A bringt … die Liegenschaft X in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein… Herr A verpflichtet sich als grundbücherlicher Eigentümer, alle Erklärungen abzugeben, Rechtshandlungen zu setzen und Unterschriften zu leisten, welche notwendig sind, um das gegenständliche Projekt zu verwirklichen. … [Die Beschwerdeführerin] trägt zum gemeinsamen Projekt … durch die schlüsselfertige Errichtung des Neubaus der geplanten Wohnanlage bei. … [Die Beschwerdeführerin] übernimmt sohin die organisatorische und kommerzielle Abwicklung des Bauvorhabens. …

III. …Weiters wird festgehalten, dass Herr A für die Beistellung des Grundstückes jedenfalls einen Betrag in Höhe von Euro 6.650,- pro Quadratmeter erhält. Dieser Grundanteil wird bereits in den Kaufverträgen entsprechend gesondert ausgewiesen. Die Vereinbarungsparteien kommen überein, dass aus den jeweiligen Verkaufserlösen zunächst Herr A den Grundanteil im Ausmaß von Euro 6.650,- pro Quadratmeter erhält. Der Rest des jeweils vereinbarten Kaufpreises dient vorerst zur Abdeckung der Baukosten und werden daher der [Beschwerdeführerin] zur Verfügung gestellt. … Im übrigen wird die Abwicklung der beabsichtigten Verkäufe selbständiger Einheiten durch Begründung von Wohnungseigentum in der Weise erfolgen, dass Herr A dem jeweiligen Käufer als Grundeigentümer die entsprechenden Liegenschaftsanteile verkauft, welche zum Erwerb des Wohnungseigentums am kaufgegenständlichen Wohnhaus samt dessen Zubehör erforderlich sind, während die [Beschwerdeführerin], welcher die schlüsselfertige Errichtung des jeweiligen Wohnhauses samt dessen Zubehör obliegt, am jeweiligen Veräußerungsgeschäft mitwirkt. …"

Zum Stichtag war A Alleingeschäftsführer der Beschwerdeführerin. Die Gesellschafter waren D (der Sohn des A) mit einer Stammeinlage von EUR 17.500,-, B (die Ehegattin des A) mit einer Stammeinlage von EUR 8.750,- und C (die Schwester der B) mit einer Stammeinlage von EUR 8.750,-.

Mit Kaufvertrag vom veräußerte A 432/2158 Anteile an der Liegenschaft, damit verbunden Wohnungseigentum an Top Chalet 2 samt Zubehör, an die P GmbH um einen Gesamtpreis von EUR 5.440.000,-. Als weitere Partei des Kaufvertrages auf Verkäuferseite wird die Beschwerdeführerin angeführt, die im Kaufvertrag als hauptverantwortliche Wohnungseigentumsorganisatorin und Bauträgerin genannt wird. Zum Kaufpreis enthält der Kaufvertrag folgende Bestimmung:

"Der Kaufpreis für den gesamten Kaufgegenstand beträgt:


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Grundanteil
€ 3.000.000,00
(ohne Umsatzsteuer)
Gebäudeanteil
€ 2.033.333,33
20 % Umsatzsteuer
€ 406.666,67
Gesamtkaufpreis
€ 5.440.000,00

Die Verkäufer optieren gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 betreffend den ausgewiesenen Gebäudeanteil zur Umsatzsteuer und wird der Käuferin eine Rechnung gem. § 11 UStG übergeben. …".

Im Verfahren zur Zwangsversteigerung einer Liegenschaft beim Bezirksgericht Ort_2 zu GZ_1 wurden am die im Eigentum des A verbliebenen Anteile an der Liegenschaft, und zwar BLNr 7 Anteil 445/2158 (Wohnungseigentum an Top Chalet 1 samt Zubehör), BLNr 8 Anteil 673/2158 (Wohnungseigentum an Top Chalet 3 samt Zubehör), BLNr 9 Anteil 568/2158 (Wohnungseigentum an Top Chalet 4 samt Zubehör), BLNr 10 Anteil 12/2158 (Wohnungseigentum an Top KFZ-TP1), BLNr 11 Anteil 11/2158 (Wohnungseigentum an Top KFZ-TP2), BLNr 12 Anteil 5/2158 (Wohnungseigentum an Top KFZ-FP1), BLNr 13 Anteil 5/2158 (Wohnungseigentum an Top KFZ-FP2) und BLNr 14 Anteil 7/2158 (Wohnungseigentum an Top KFZ-FP3 (Anteil 7/2158) der Meistbietenden im Zwangsversteigerungsverfahren, O, um das Meistbot von EUR 12.300.000,- zugeschlagen. Ausweislich des Versteigerungsediktes hat der Verpflichtete A dem Exekutionsgericht binnen der gesetzten Frist nicht mitgeteilt, dass auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit a UStG 1998 verzichtet wird.

Die Beschwerdeführerin hat insgesamt EUR 6.566.800,97 für die Errichtung der Baulichkeiten auf den im Eigentum des A verbliebenen Anteilen an der Liegenschaft X aufgewendet und insgesamt EUR 1.313.360,19 an Vorsteuer abgezogen. Die Beschwerdeführerin hat die Baulichkeiten in den bei den Akten befindlichen Bilanzen der Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 jeweils als Vorräte (Umlaufvermögen) ausgewiesen.

Diese Umstände sind zwischen den Parteien unstrittig.

2. Rechtliche Beurteilung

3. Zu Spruchpunkt I. (Festsetzung der Umsatzsteuer)

Strittig ist zunächst, ob und in welcher Höhe die Beschwerdeführerin durch die Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile Umsätze erzielt hat.

Der Umsatzsteuer unterliegen unter anderem Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994). Nach § 4 Abs. 1 UStG 1994 wird der Umsatz in diesem Fall nach dem Entgelt bemessen.

Die Beschwerdeführerin führt dazu ins Treffen, sie habe mit A am vereinbart, dass letzterem aus Veräußerungserlösen vorab ein Betrag von EUR 6.650,- je Quadratmeter Grundanteil zustehen soll. Ein diesen Betrag übersteigendes Entgelt soll der Beschwerdeführerin zustehen. Da im Versteigerungserlös der entsprechend der Vereinbarung vom ermittelte Vorabbezug des A keine Deckung finde, stehe der Beschwerdeführerin keinerlei Entgelt aus dem Erlös der Zwangsversteigerung zu, zumal die Zwangsversteigerung von der Beschwerdeführerin "allein verschuldet" worden sei, die Beschwerdeführerin dadurch "einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gesetzt" habe und die Vereinbarung vom für diesen Fall eine Schadenersatzverpflichtung enthalte (Vorbringen im Vorlageantrag).

Das Finanzamt hält dem entgegen, dass die Beschwerdeführerin und A anlässlich der Veräußerung von 432/2158 Anteilen an der Liegenschaft von der in der Vereinbarung vom vorgesehenen Aufteilung des Kaufpreises abgewichen sind und im Kaufvertrag vom den Gesamtkaufpreis im Verhältnis 56,19 % für die Beschwerdeführerin zu 43,81 % für A aufgeteilt haben. Diesem in Prozent ausgedrückten Aufteilungsschlüssel folgend gelangt das Finanzamt zu einer Aufteilung des Versteigerungserlöses in EUR 5.388.037,24 für Grund und Boden und EUR 6.911.962,76 für den Gebäudeanteil.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr habe aufgrund der Vereinbarung vom und aufgrund ihres Verschuldens an der Zwangsversteigerung kein Anteil am Versteigerungserlös zugestanden, überzeugt aus folgenden Erwägungen nicht:

Zunächst erschließt sich aus dem Vorbringen nicht, worin ihr Verschulden an der Zwangsversteigerung bestanden haben soll. Dazu kommt, dass Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bis zum A war. Von bis war neben seiner Ehegattin B auch sein Sohn D Geschäftsführer. Zwischen der Beschwerdeführerin und A besteht ein offensichtliches Naheverhältnis. Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nicht nur bei familiären, sondern auch bei gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen wegen der gegebenen besonderen Einflussmöglichkeiten auf die Vertragsgestaltung die Anwendung der "Angehörigenjudikatur" geboten ist ().

Eine Vereinbarung des Inhaltes, im Fall einer Zwangsversteigerung der (mittlerweile auf wirtschaftliches Risiko der Beschwerdeführerin bebauten) Liegenschaft solle A denselben Vorabbezug aus dem Erlös erhalten wie im Fall eines Verkaufes am Immobilienmarkt, wäre unter fremden Dritten nicht getroffen worden, zumal die Beschwerdeführerin nur im Fall eines Verkaufes aufgrund ihrer zivilrechtlich gesicherten Stellung (vgl. Vereinbarung vom , Punkt IV.) Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen konnte. Dazu kommt, dass aufgrund der Vereinbarung vom allein die Beschwerdeführerin das wirtschaftliche Risiko der Bebauung der Liegenschaft zu tragen hatte. Es wäre keinesfalls fremdüblich, die Beschwerdeführerin für den Fall der Zwangsversteigerung der Liegenschaft von der (zumindest anteiligen) Abdeckung dieses wirtschaftlichen Risikos aus dem Zwangsversteigerungserlös auszuschließen.

An dieser Beurteilung ändert auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Gutachten vom nichts. Dieses beantwortet die Rechtsfrage laut Gutachtensauftrag wie folgt: "…Grundlage des Bauvorhabens der [Beschwerdeführerin] ist das Grundstück, welches von Herrn A in die Projektentwicklung einzubringen war und in der Folge auch verkauft werden sollte. Deswegen hat er auch bevorzugt den Kaufpreis aus den Erlösen der Gesellschaft bzw. Projektentwicklung zu bekommen. … Die allseitige Verbindlichkeit gibt doch verbindlich vor, wie die wechselseitigen Rechte und Pflichten genau definiert sind, deswegen hat auch Herr A einen verbindlichen Rechtsanspruch den Betrag von EUR 6.650,00 pro m² zu erhalten. Und zwar bevorzugt, vor einer Zuzahlung oder Auszahlung an den Bauträger, die [Beschwerdeführerin]. Vor allem hat er auch schon deshalb den Rechtsanspruch auf diesen Kaufpreis und die primäre Erlöszuteilung an ihn, weil schon die Willenseinigung über dem Erwerb eines Grundstückes oder einer Liegenschaft der Kaufvertrag sind. Dieser Kaufvertrag kann auch mündlich abgeschlossen werden. Und infolge müssen dann nur grundbuchsfähige Urkunden erstellt werden, um diesen mündlichen Kaufvertrag auch umzusetzen. Im vorliegenden Fall gilt auch diese Vereinbarung als solche vertraglich vereinbarte Eigentumsübertragung an die jeweiligen Käufer und Erwerber der einzelnen Wohnungseigentumseinheiten. …". Abgesehen von sprachlichen Unklarheiten ist diese Begründung schlichtweg unschlüssig.

Beim Verkauf von 432/2158 Anteilen an der Liegenschaft mit Kaufvertrag vom traten die Beschwerdeführerin (vertreten durch A als Geschäftsführer) und A gemeinsam als Verkäufer auf. Sie taten damit nach außen erkennbar ihre Willensübereinstimmung dahin kund, dass der Erlös aus dieser Veräußerung in jenem Verhältnis aufgeteilt werden sollte, wie es im Kaufvertrag festgehalten wurde. Im Kaufvertrag vom wird dem "Chalet 2" eine Grundstücksfläche von 467,62 m² zugeordnet. Bezogen auf den Grundanteil von EUR 3.000.000,- am Kaufpreis ergibt sich rechnerisch ein Quadratmeterpreis von EUR 6.415,46. Die Beschwerdeführerin und A sind augenscheinlich schon ein halbes Jahr nach Abschluss der Vereinbarung vom dort abgebildeten Aufteilungsverhältnis abgewichen.

Der vom Finanzamt gewählte Aufteilungsschlüssel erscheint einerseits angesichts der von der Beschwerdeführerin und A vorgenommenen Kaufpreisaufteilung anlässlich des Verkaufs des "Chalet 2" sachgerecht. Andererseits finden die tatsächlichen Herstellungskosten für die von der Beschwerdeführerin errichteten Baulichkeiten auf der Liegenschaft darin Deckung, was einer fremdüblichen Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos viel näher kommt als die von der Beschwerdeführerin angestrebte Zuweisung des gesamten Versteigerungserlöses an A.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit a UStG 1994 ist die Lieferung von Grundstücken steuerfrei, es sei denn, der Unternehmer würde diesen Umsatz als steuerpflichtig behandeln (Abs. 2 leg. cit.). Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist im Fall der Lieferung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren nur zulässig, wenn er spätestens bis 14 Tage nach Bekanntgabe des Schätzwerts dem Exekutionsgericht mitgeteilt wird. Eine solche Mitteilung ist unstrittig im konkreten Fall unterblieben. Daher hat die Beschwerdeführerin im Zeitraum Juni 2020 einen steuerfreien Grundstücksumsatz von EUR 6.911.962,74 erzielt.

Strittig ist weiter, ob in der Unternehmenssphäre der Beschwerdeführerin eine Änderung jener Verhältnisse eingetreten ist, welche für den von ihr vorgenommenen Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten der Baulichkeiten auf dem Grundstück maßgeblich waren.

§ 12 Abs. 11 UStG 1994 lautet: "Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer für sein Unternehmen hergestellt oder erworben hat oder bei sonstigen Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, die Voraussetzungen, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist, sofern nicht Abs. 10 zur Anwendung gelangt, eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung eingetreten ist."

§ 12 Abs. 3 UStG 1994 lautet auszugsweise: "Vom Vorsteuerabzug sind ausgeschlossen:
1. Die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet;
2. Die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt; …".

Ob Gegenstände oder sonstige Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden, ist an Hand des wirtschaftlichen Zusammenhanges im Zeitpunkt der Lieferung bzw Erbringung der Leistung an den Unternehmer zu beurteilen. Eine spätere Änderung des Zusammenhanges ist eine Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, sodass eine Korrektur nach Maßgabe des § 12 Abs. 10 oder 11 UStG 1994 vorzunehmen ist ().

Die Ursache der Änderung der Verhältnisse ist dabei unerheblich. Die Änderung der Verhältnisse kann einerseits in tatsächlichen Änderungen etwa hinsichtlich des Verwendungszwecks eines Gegenstandes bestehen. Sie kann aber auch in einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Rechtslage bestehen. (; Ruppe/Achatz, UStG, 5.A., Rz 296 zu § 12). § 12 Abs. 11 UStG 1994 verweist auf dessen Abs. 3 und zeigt damit auf, dass die Änderung der Verhältnisse in einer Änderung der Verwendung von Vorleistungen zur Ausführung der in § 12 Abs. 3 Z 1 bis 4 UStG 1994 genannten Umsätze gelegen sein muss ().

Wenn schon die Ursache der Änderung der Verhältnisse unerheblich ist, kann es auch nicht darauf ankommen, wer die Änderung der Verhältnisse herbeiführt. Aus dem Sinn der Bestimmung des § 12 Abs. 11 UStG 1994 ergibt sich zweifelsfrei, dass auch eine Disposition eines Dritten in Bezug auf den Gegenstand zu einer Änderung der Verhältnisse führen kann.

Im konkreten Fall war nach dem Grundsatz "superficies solo cedit" und mangels anderslautender zivilrechtlicher Dispositionen zwischen der Beschwerdeführerin und A allein A zivilrechtlicher Eigentümer der im Wege einer Zwangsversteigerung veräußerten Liegenschaftsanteile samt darauf befindlicher Baulichkeiten. Allein A hätte kraft seiner Parteistellung als verpflichtete Partei im Zwangsversteigerungsverfahren eine Optionserklärung nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 abgeben können. Da A keine derartige Optionserklärung abgegeben hat, erfolgte die Veräußerung der Liegenschaftsanteile (samt darauf befindlicher Baulichkeiten: vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 5.A., Rz 197 zu § 6) steuerfrei nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994. Dadurch trat eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 12 Abs. 11 UStG 1994 in der unternehmerischen Sphäre der Beschwerdeführerin ein (in diesem Sinn auch Ruppe/Achatz, UStG, 5.A., Rz 288 zu § 12; Kanduth-Kristen/Payerer in Berger et al, UStG-ON 3.00, Rz 450 zu § 12, Stand , rdb.at).

Die Beschwerdeführerin hat umfangreiches Vorbringen zu Bemühungen des A, die Liegenschaft "zurückzuerlangen", erstattet. Derartige Bemühungen sind nicht geeignet, die im Juni 2020 erfolgte Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 12 Abs. 11 UStG 1994 in der Unternehmenssphäre der Beschwerdeführerin nachträglich zu beeinflussen.

Zusammenfassend ist mit der Zwangsversteigerung der Liegenschaft ohne Verzicht auf die Steuerbefreiung eine Änderung jener Verhältnisse eingetreten, welche die Beschwerdeführerin zum Vorsteuerabzug aus den Kosten der Errichtung der Baulichkeiten auf dem Grundstück berechtigt hatten. Daher war der Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 11 UStG 1994 zu berichtigen. Die Bemessungsgrundlagen dafür sind zwischen den Parteien unstrittig.

4. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. In diesem Erkenntnis war einerseits die Würdigung von Sachverhaltselementen im Licht der Angehörigenjudikatur vorzunehmen. Andererseits ergeben die grammatikalische wie auch die teleologische Interpretation des § 12 Abs. 11 UStG 1994, dass eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse unabhängig davon zur Vorsteuerkorrektur führt, aus welchem Grund bzw. auf wessen Initiative die Änderung der Verhältnisse stattfindet. Insgesamt war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Innsbruck, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100148.2021

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