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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.01.2022, RV/7100846/2021

Geschäftsführerhaftung nach einem Sanierungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Stephan Duschel & Mag. Klaus Hanten, St Wendelinpl 6, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftungsbescheid gem. §§ 9, 80 BAO nach der am am Bundesfinanzgericht in Wien über Antrag der Partei (§ 78 BAO i.V.m. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und von RA Mag. Klaus Hanten sowie von HR Mag. Werner Hoffmann für das Finanzamt Österreich abgehaltenen mündlichen Verhandlung zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

    Die Beschwerdeführerin wird im Ausmaß von € 3.933,32 zur Haftung herangezogen. Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Abgaben, die einen Bestandteil des Spruches bildet, findet sich am Ende der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Vorhalt

Mit Schreiben vom richtete das Finanzamt Wien 4/5/10 (Vorgänger des Finanzamtes Österreich; belangte Behörde) folgenden Vorhalt an die Beschwerdeführerin:
"Betreff: Abgabenrückstände der ***CD***, in ***CD_Ort***, ***CD_Adr***, deren Geschäftsführerin Sie im Zeitraum ab waren

Auf dem Abgabenkonto der o.a. GmbH haften aus dem Zeitraum Ihrer Geschäftsführertätigkeit Abgabenrückstände in Höhe von € 71.297,99 (siehe beiliegende Rückstandsaufgliederung) aus, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden ist.

Sie werden ersucht bekanntzugeben, ob Mittel zur Verfügung standen, die die Entrichtung des oben angeführten Abgabenrückstandes ermöglichten. Sie können als ehemaliger Geschäftsführer(in) gem. § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden, es sei denn Sie können beweisen, dass Sie ohne Ihr Verschulden daran gehindert waren, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Dazu werden Sie ersucht, anzugeben, ob in dem Zeitraum, in dem Sie als Geschäftsführer(in) für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich waren, andere anfallende Zahlungen (z.B. Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen, Krankenkassenzahlungen etc.) geleistet worden sind.
Zur Erbringung dieses Beweises wird Ihnen eine Frist von vier Wochen ab Zustellung gewährt. Weiters werden Sie ersucht, beiliegenden Fragebogen betreffend Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb obiger Frist ausgefüllt zu retournieren. Die Angaben sind nach Möglichkeit zu belegen. Falsche oder unvollständige Angaben sind gerichtlich strafbar.

Sollten die entsprechenden Unterlagen bzw. Auskünfte ungerechtfertigt nicht binnen obiger Frist erteilt werden, wird die Abgabenbehörde über die Heranziehung zur Haftung aufgrund der Aktenlage entscheiden."

Die Beschwerdeführerin beantwortete das Vorhaltsschreiben vom wie folgt:
"Sehr geehrter Herr ***AB***!

Sie teilen mir mit, dass ich Abgabenrückstände in der Höhe von € 71.297,99 beim Finanzamt habe und fügen dazu eine Aufstellung sämtlicher offenen Beiträge an.

Gegen diese Feststellung, möchte ich nun Beschwerde erheben, weil die Beiträge von Beginn der Seite bis Beitrag Säumniszuschlag 1 2011 in der Höhe von € 1.005,80 bereits im Sanierungsverfahren mit Aktenzahl ***GZ_SanierungsV***-34 ordnungsgemäß entschuldet wurden. Der Sanierungsplan wurde ordnungsgemäß bezahlt und aufgehoben und daher kann das Finanzamt diese Beträge nicht noch einmal von mir fordern.

Das Finanzamt hat auch nun ordnungsgemäß nur die € 13.677,55 angemeldet, die auch offen sind. Weil der Rest wurde im Sanierungsverfahren bezahlt.

Auf dem Massekonto der ***CD*** FN ***CD_FN*** liegen derzeit rund € 40.000,-- die zur Gläubigerbezahlung zur Verfügung stehen, jedoch ist das Verfahren noch am Laufen. Daher ist auch heute noch nicht abschätzbar, wieviel das Finanzamt Quotenzahlung erhält, das natürlich den Rückstand mindern wird und die Haftungssumme für mich ebenso kleiner wird.

Daher wir nun der Antrag gestellt den Rückstand bis zur Beendigung des Sanierungsverfahrens der ***CD*** zu stunden."

Bescheid

Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für folgende Abgaben der ***CD*** (Primärschuldnerin) zur Haftung heran:

Die Begründung dazu lautet:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Sind die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und die Vertreterstellung gegeben, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Vertreters, im Rahmen der ihm obliegenden qualifizierten Mitwirkungspflicht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war.

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Geschäftsführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen.

Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass Fr. ***Bf1*** seit als selbständig vertretende Geschäftsführerin der gegenständlichen GmbH fungierte. Die ***CD*** wurde am im Firmenbuch amtswegig gelöscht. Die Uneinbringlichkeit der noch offenen Abgabenschuldigkeiten steht somit fest. Zur Beantwortung vom des Haftungsvorhalts ist folgendes auszuführen:
Das Wesen der Haftung nach § 9 BAO besteht in einer Ausfallshaftung. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich, dass die durch den erfüllten Sanierungsplan bewirkte Befreiung der Primärschuldnerin von den Abgabenverbindlichkeiten nicht vom haftenden Vertreter in Anspruch genommen werden kann.
"

Beigelegt waren dem Haftungsbescheid diverse Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuerbescheide, Bescheide über die Festsetzung von Stundungszinsen, Bescheide über Säumniszuschläge, Haftungsbescheide für Lohnsteuern, Bescheide über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag, Bescheide über Körperschaftsteuervorauszahlungen, Anspruchszinsen und Verspätungszuschläge sowie ein Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom betreffend lohnabhängiger Abgaben sowie die Niederschrift über die Schlussbesprechung zu dieser Außenprüfung.

Beschwerde

Gegen diesen Haftungsbescheid wurde am Beschwerde erhoben. Die Beschwerde lautet:
"In der umseits näher bezeichneten Abgabensache erhebe ich gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 4/5/10, vom , Abgabenkontonummer ***CD_StNr***, binnen offener Frist durch meine ausgewiesenen Vertreter das Rechtsmittel der

BESCHWERDE

an das Bundesfinanzgericht und führe diese aus wie folgt:

Der oben bezeichnete Bescheid wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten. Mit dem angefochtenen Bescheid werde ich als Haftungspflichtige gem. § 9 iVm §§ 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***CD***, und zwar Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag, Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Anspruchszinsen für den Zeitraum 2009 bis 2016 im Betrag von gesamt € 57.837,19 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gem § 224 BAO binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheids zu entrichten.

Begründet wird die Entscheidung damit, dass ich ab als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der ***CD*** fungiert hätte. Die ***CD*** wäre am amtswegig gelöscht worden und stehe die Uneinbringlichkeit daher fest.

Vorab ist festzuhalten, dass über die ***CD*** am ***GZ1_Datum*** zu ***GZ1*** des Handelsgerichts Wien das Sanierungsverfahren eröffnet wurde. Die belangte Behörde hat in diesem Verfahren Abgabenrückstände im Betrag von € 112.543,62 angemeldet, welche zur Gänze anerkannt wurden. Am wurde ein Sanierungsplan mit einer Quote von 30 % angenommen und dieser Sanierungsplan vollständig erfüllt. Trotz Bezahlung einer 30 %-igen Quote durch die ***CD*** wurden sämtliche Forderungen für den Zeitraum bis Ende 2011, welche allesamt im Sanierungsverfahren berücksichtigt wurden, zur Gänze mir gegenüber (neuerlich) geltend gemacht.

Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters ist die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner ist. Erst wenn sie fest steht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen. Die Uneinbringlichkeit von 70 % der Forderungen stand jedenfalls bereits am fest. Nichtsdestotrotz hat die belangte Behörde bis zur Erlassung gegenständlichen Haftungsbescheids keinerlei Betreibungsschritte gegen mich gesetzt, solche auch nicht behauptet.

Gemäß § 207 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt im Allgemeinen 5 Jahre, so eine Abgabe nicht hinterzogen wurde. Eine Hinterziehung wurde nicht behauptet und liegt auch nicht vor, dass auf gegenständliche Forderungen die 5-jährige Verjährungsfrist anzuwenden ist.

Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Dem Bescheid ist zu entnehmen, dass gegenständlich Forderungen sind, welche im Wesentlichen im Zeitraum bis Ende 2011 entstanden sind. Diese Forderungen sind jedenfalls mit verjährt. Die belangte Behörde hat daher Forderungen im Gesamtbetrag von € 55.387,95 zu Unrecht festgesetzt. Auch wenn man beim Beginn der Verjährung vom Zeitpunkt des Feststehens der Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner ausgehen wollte, käme man zum selben Ergebnis.

Hinzu kommt, dass mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***GZ2_Datum***, GZ ***GZ2***, das Konkursverfahren über die ***CD*** eröffnet wurde. Auch in diesem Verfahren hat die belangte Behörde deren Forderungen angemeldet und wurden diese zur Gänze anerkannt. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom mit einer Verteilungsquote von 76,810919 % (!), welche vom Masseverwalter ausgeschüttet wurde, aufgehoben. Auch diese Zahlung wurde von der belangten Behörde in keinster Weise berücksichtigt und ich hinsichtlich bereits beglichener Forderungen von € 2.350,79 neuerlich und zu Unrecht in Anspruch genommen.

Hinzu kommt, dass auch die Forderungen für das Jahr 2014 verjährt sind, da, wie ausgeführt, die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in der der Abgabenanspruch entstanden ist, beginnt. Dies war der , sodass die Forderung für das Jahr 2014 sohin am verjährt ist. Auch hinsichtlich dieser Forderungen hat die belangte Behörde mir gegenüber keinerlei Betreibungsschritte gesetzt, sodass eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht eingetreten ist.

Mich kann daher, sofern eine Gläubigerungleichbehandlung vorgelegen sein sollte, welche ausdrücklich bestritten wird, lediglich eine Haftung für den Dienstgeberbeitrag 2015 in Höhe von € 77,80, den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015 von € 6,92 und den Verspätungszuschlag 02/16 in Höhe von € 13,73 treffen.

Hierzu ist auszuführen, dass sich die Gesellschaft bei der Berechnung der Abgabenbeträge einer Steuerberatungskanzlei bedient hatte, welche die Beträge regelmäßig korrekt berechnet hatte und ich für die fristgerechte Überweisung dieser Beträge Sorge getragen habe. Die gegenständlichen geringen Beträge können daher lediglich auf einer Nachverrechnung im Rahmen einer nach Abschluss des Konkursverfahrens vorgenommenen Prüfung entstanden sein. Eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich dieser Beträge liegt daher keinesfalls vor.

Ich stelle daher die

A N T R Ä G E:

das Bundesfinanzgericht möge

1) gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung anberaumen und
2) gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen und

sodann in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dieser ersatzlos behoben werde

in eventu.

3) den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

[…]"

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dies wie folgt begründet:
"Grundsätzlich wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen. Zur Begründung der vorliegenden Beschwerde ist folgendes auszuführen:
Es ist unbestritten, dass der Sanierungsplan aus der Insolvenz
***GZ1*** durch die GmbH erfüllt wurde. Wie bereits in der Begründung des Haftungsbescheides angeführt wurde, besteht das Wesen der Haftung nach § 9 BAO in einer Ausfallshaftung. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich, dass die durch den erfüllten Sanierungsplan bewirkte Befreiung der Primärschuldnerin von den Abgabenverbindlichkeiten nicht vom haftenden Vertreter in Anspruch genommen werden kann.

Quotenüberzahlungen kommen der Primärschuldnerin zu Gute. Von den ursprünglich angemeldeten Konkursforderungen verblieb nach Anrechnung der Quotenzahlungen und nachträglichen Konkursgutschriften der im Haftungsbescheid beanspruchte Betrag.

Der vorliegende Haftungsbescheid stellt keinen Festsetzungsbescheid dar. Die angeführten §§ 207 und 208 BAO kommen daher nicht zum Tragen. Gem. § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Gem. Abs. 2 leg. cit. wird die Verjährung durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Gemäß § 9 Abs. 1 IO wird durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Die älteste angemeldete Forderung war der Dienstgeberbeitrag 12/2009 mit Fälligkeitstag .
1. Insolvenzeröffnung GZ
***GZ1*** am ***GZ1_Datum***, Anmeldung v. . Aufhebung: .

2. Insolvenzeröffnung GZ ***GZ2*** am ***GZ2_Datum***, Anmeldung Aufhebung: .

Alleine auf Grund der Insolvenzverfahren ist ersichtlich, dass keine Einhebungsverjährung eingetreten ist. Lt. Rechtsprechung stellt die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid eine Einhebungsmaßnahme dar, die zulässig ist, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist.

Die Geltendmachung einer Verjährung in der vorliegenden Beschwerde geht daher ins Leere. Die vom Masseverwalter im Zuge der zweiten Insolvenz ausgeschüttete Verteilungsquote wurde auf folgende angemeldete Abgaben verrechnet:

Hinsichtlich dem Rest der Beschwerdebegründung wird auf die Begründung des Haftungsbescheides verwiesen. Aus den genannten Gründen war die gegenständliche Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung abzuweisen."

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Beschwerde abgewiesen wurde und daher die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantrage.

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Erfüllung des Sanierungsplanes und die Quotenzahlungen im Rahmen des Konkurses nur der Primärschuldnerin zu Gute kommen. Mangels Vorliegen eines Festsetzungsbescheides komme die in der Beschwerde genannten §§ 207 und 208 BAO nicht zur Anwendung. Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen verjähre nach § 238 Abs. 1 BAO binnen 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Durch jede nach außen erkennbare Amtshandlung zur Durchsetzung des Abgabenanspruches (Mahnung, Zahlungserleichterung, Haftungsbescheid etc.) werde die Verjährung nach § 238 Abs. 2 BAO unterbrochen und die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres der Unterbrechungshandlung neu zu laufen. Im gegenständlichen Fall wurde die Verjährung der Restforderungen bereits durch die Anmeldungen im Insolvenzverfahren unterbrochen, § 9 Abs. 1 IO - zu GZ. ***GZ1*** am , zu GZ. ***GZ2*** am . Mit Rechtskraft der Aufhebungen dazu (vom bzw. vom ) begann die Verjährungsfrist jeweils neu zu laufen.

Schließlich beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

Beschluss vom und vom jeweils an das Finanzamt

Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht wie folgt an die belangte Behörde:
"I. Das Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des Finanzamtes Wien 4/5/10 wird gemäß § 266 Abs 4 BAO aufgefordert, insbesondere jene Aktenteile vorzulegen, aus den ersichtlich ist,
-) wie das Sanierungsverfahren zu GZ
***GZ1*** (siehe Seite 2 der Beschwerde),
-) wie das Konkursverfahren zu GZ
***GZ2*** (siehe Seite 3 der Beschwerde)
abgelaufen ist.

Sofern zu den Aktenteilen des Finanzamtes auch Berechnungen gehören, wird ersucht, die entsprechenden Excel-Dateien vorzulegen.

II. Weder aus dem Haftungsbescheid vom noch aus der Beschwerdevorentscheidung vom ist nicht ersichtlich, ob Quotenzahlungen aus den beiden Insolvenzverfahren auf die einzelnen Abgabenschulden aufgeteilt wurden, zumal für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich ist, welche Abgabenforderungen überhaupt in den Insolvenzverfahren angemeldet und anerkannt wurden.

>> Das Finanzamt Österreich wird ersucht, dazu Stellung zu nehmen, entsprechende Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen. Sofern dazu auch Berechnungen gehören, wird ersucht, die entsprechenden Excel-Dateien vorzulegen.

III. Aus dem Gewerbeinformationssystem ist ersichtlich, dass die Primärschuldnerin (***CD***) im Bau- bzw. Baunebengewerbe tätig war.

>> Wie wurden die Auftraggeberhaftungszahlungen (AGH-Beträge) berücksichtigt?

Wurden diese Zahlungen ausschließlich mit Lohnsteuerbeträgen verrechnet?

IV. Im angefochtenen Haftungsbescheid werden einige Abgaben, für die die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen wurde, wie folgt angeführt:

a) Das Konkursverfahren zur GZ ***GZ2*** wurde bereits am ***GZ2_Datum*** eröffnet. Es wurde eine Masseverwalterin bestellt. Die Bescheide vom - somit nach Konkurseröffnung - sind auch an die Masseverwalterin gerichtet.

>> Die belangte Behörde wird aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.

b) Die belangte Behörde wird aufgefordert, den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag auf die einzelnen Monatsbeträge aufzugliedern.

VI. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben. Dabei gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, soweit sie im Verfahren der belangten Behörde gelten (§ 2a BAO). Gemäß § 269 Abs 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind.

Gemäß § 115 BAO sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zur erforschen. Dem Haftungsbescheid - und auch der Beschwerdevorentscheidung (vgl. , mwN) - kommt die Wirkung eines Vorhaltes zu.

Aus den bislang vorgelegten Unterlagen ist nicht ersichtlich, welche Forderungen in den beiden Insolvenzverfahren angemeldet wurden und welche Quotenzahlungen darauf geleistet wurden.

Die Rechtsprechung () geht davon aus, dass Insolvenzforderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind und die Zahlung(en) des Masseverwalters anlässlich der Verteilung der Konkursmasse anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen wären.

Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2017/15/0027 geht hervor, dass AGH-Zahlungen ausschließlich der bevorzugten Befriedigung der aushaftenden Lohnabgaben dienen.

Wird Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nur in Jahresbeträgen bekannt gegeben und ergibt sich aus dem Haftungsbescheid nicht, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten, wurde die Beschwerdeführerin damit nicht in die Lage versetzt, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen."

Darauf hat die belangte Behörde wie folgt geantwortet und diverse Dateien als Beilagen angefügt:
"In Beantwortung Ihrer Fragen teilen wir Ihnen mit:

Hinsichtlich des 1. Insolvenzverfahrens (HG Wien ***GZ1***) ist folgendes festzuhalten:

Angemeldet wurden Abgabenschulden iHv 112.543,62 Euro (Forderungsanmeldung v .pdf). Die Sanierungsplanquote von 30% wurde erfüllt. (3285196 (Neuberechnung).xlsx). Die Quotenzahlungen sind mit den ältesten angemeldeten Rückständen verrechnet worden (Berechnung Haftungsbetrag 1. Insolvenz.xlsx). Quotenüberzahlungen sind der Primärschuldnerin zu Gute gekommen.

Beim 2. Insolvenzverfahren (HG Wien ***GZ2***) wurden 30.547,73 Euro angemeldet, die danach auf 13.489,06 Euro eingeschränkt wurden (Forderungsanmeldung v .pdf, Nachreichung Rückstandsausweis .pdf, Nachreichung Rückstandsausweis .pdf, Einschränkung Forderungsanmeldung 24-03-2017.pdf, Forderungseinschränkung v .pdf). Die Aufstellung des Abgabenkontos und die Aufteilung der Verteilungsquote auf die einzelnen Abgaben kann in der Datei 3285196-2.xlsx (in den Arbeitsblättern "Aufstellung" und "Aufteilung Teilquote") eingesehen werden.

Die AGH-Zahlungen wurden, soweit Lohnsteuerbeträge offen waren, mit diesen verrechnet, ansonsten mit dem ältesten Rückstand.

Da die Masseverwalterin ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gesetzliche Vertreterin der Firma war, wurden die Bescheide der GPLA-Prüfung an diese zugestellt. Eine monatliche Aufgliederung der Dienstgeberbeiträge und den Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag ist aufgrund der pauschalen Nachverrechnung nicht möglich.

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung."

Am wandte sich das Bundesfinanzgericht mit weiteren Fragen an die belangte Behörde:
"I. Aus der Beschwerdevorentscheidung vom ist ersichtlich, dass aus dem Konkursverfahren insgesamt € 10.761,82 als Quote an die Abgabenbehörde ausbezahlt wurde. Aus der Insolvenzdatei geht hervor, dass die Verteilungsquote 76,810919 % beträgt.

  • Das Finanzamt hat im Konkursverfahren der ***CD*** zunächst € 30.547,73 als Abgabenforderungen angemeldet und dazu zwei Rückstandsausweise (: € 29.916,43; : € 631,30) vorgelegt. In weiterer Folge erfolgte zunächst eine Einschränkung der angemeldeten Forderungen auf € 13.677,55 und sodann auf 13.489,06.

    >> Wie setzt sich der zuletzt angemeldete Forderungsbetrag von € 13.489,06 zusammen - welche Abgabenforderungen wurden letztlich im Konkursverfahren angemeldet und auch anerkannt?

  • Bei einer Verteilungsquote von 76,810919 % im Konkursverfahren und zuletzt angemeldeten Forderungen in Höhe von € 13.489,06 müsste dies eine Quotenzahlung von € 10.361,07 ergeben. Tatsächlich hat das Finanzamt € 10.761,82 erhalten, was einer Forderungsanmeldung von € 14.010,79 entsprechen würde.

    >> Das Finanzamt wird um Stellungnahme ersucht.

II. In der Beschwerde vom wird auf Seite drei hinsichtlich der Verjährung von der Beschwerdeführerin eingewendet, dass die Uneinbringlichkeit von 70 % aus dem Sanierungsverfahren, das bereits 2011 wieder aufgehoben wurde, im Dezember 2011 fest stand. Hinsichtlich jener Abgabenforderungen, die von diesem Sanierungsverfahren betroffen sind (laut Haftungsbescheid sind das alle Abgaben mit einem Fälligkeitstag im Jahr 2011) wären - laut Beschwerdevorbringen - vom Finanzamt bis zum Vorhalt vom keine Beitreibungsschritte gesetzt worden.

Geht man davon aus, dass die Einhebungsverjährung nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens im Dezember 2011 neu zu laufen begonnen hatte, wäre im April 2017 wohl die Verjährung schon eingetreten gewesen.

In der Beschwerdevorentscheidung wird - soweit ersichtlich - die Insolvenzeröffnung im Jahr 2016 als Unterbrechungshandlung angeführt. Nach § 238 Abs 2 BAO wird die Einhebungsverjährung durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene Amtshandlung […] unterbrochen.

Nach - derzeitiger - Ansicht des Bundesfinanzgerichts kann sich das Konkursverfahren 2016 und die diesbezüglichen Handlungen des Finanzamtes jedoch nicht auf jene Abgabenansprüche beziehen, die bereits vom Sanierungsverfahren betroffen waren, weil durch die Entrichtung der Sanierungsquote die Abgabenverbindlichkeiten für die Primärschuldnerin wohl weggefallen sind.

>> Das Finanzamt wird um Stellungnahme ersucht und aufgefordert, jene Unterlagen (zB Unterbrechungshandlungen hinsichtlich der im Jahr 2011 fällig gewordenen Abgaben) vorzulegen, die den Rechtsstandpunkt des Finanzamtes stützen.

III. Das Sanierungsverfahren (GZ 6S 83/11i) wurde bereits im Jahr 2011 beendet. Sämtliche Quoten wurden bis Mitte 2013 bezahlt. Erst im Jahr 2017 wurde ein Vorhalt an die Beschwerdeführerin verfasst. Der Haftungsbescheid stammt aus dem Jahr 2020.

>> Das Finanzamt wird ersucht, dazu Stellung zu nehmen.

IV. Für das Einlangen der Unterlagen/Stellungnahme/Beantwortung wird eine Frist bis vorgemerkt.

V. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben. Dabei gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, soweit sie im Verfahren der belangten Behörde gelten (§ 2a BAO). Gemäß § 115 BAO sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zur erforschen.

Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan wird der Schuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.

Unterbrechungshandlungen im Sinn des § 238 Abs. 2 BAO wirken anspruchsbezogen und somit entfalten solche Unterbrechungshandlungen nicht nur gegenüber etwa dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen Wirkungen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet war und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte. Ein Schreiben, mit welchem die Behörde dem zur Haftung für Abgabenschulden Herangezogenen detailliert die den einzelnen Jahre zugeordneten Beträge an aushaftender Steuer samt Säumniszuschlag mit der Aufforderung mitteilt, im Falle des Anerkenntnisses den Rückstand zu begleichen, ist als Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zu werten.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf."

Darauf hat die belangte Behörde wie folgt geantwortet:
"In Beantwortung Ihrer Fragen teilen wir Ihnen mit:

I. a) Die zuletzt angemeldeten und anerkannten Konkursforderungen in Höhe

von 13.489,06 Euro bestehen aus:

Abgabenart Zeitraum Fälligkeitstag Betrag

Körperschaftsteuer 2014 9.067,25
Anspruchzinsen 2014 136,39
Verspätungszuschlag 02/16 27.06.2016 86,46
Stundungszinsen 2016 631,30
Lohnsteuer 2014 130,09
Dienstgeberbeitrag 2014 2.391,23
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 212,55
Dienstgeberbeitrag 2015 490,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015 43,56
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-09/16 17.10.2016 24,51
Dienstgeberbeitrag 01-09/16 17.10.2016 275,71

b) Hinsichtlich der in der Insolvenzdatei im November 2017 bekanntgegeben Verteilungsquote von 76,810919 % ist zu vermerken, dass sich diese bis zur Verteilungstagsatzung im Dezember 2017 bzw. bis zur Überweisung im Jänner 2018 geringfügig ändern können. Ein Prozentsatz ist jedoch aus den der Behörde vorliegenden Unterlagen (Aufhebung des Insolvenzverfahrens, Überweisungsbeleg Verteilungsquote) nicht ersichtlich. Es war daher davon auszugehen, dass die Insolvenzverwalterin die Verteilungsquote in richtiger Höhe überwiesen hat.

II. Nach Aufhebung und Rechtskraft des Sanierungsverfahrens im Dezember 2011 wurden die im September 2014 wieder vorgeschriebenen offenen Insolvenzforderungen der 1. Insolvenz im Oktober 2016 zwecks eventueller Haftung wieder ausgesetzt.

Am wurde von der steuerlichen Vertreterin der GmbH ein Ratenansuchen über den Gesamtrückstand eingebracht (inklusive Restschuld aus der 1. Insolvenz), das am bewilligt wurde. Nach Ansicht des Finanzamtes unterbrechen diese Handlungen sehr wohl die Einhebungsverjährung. Die Einhebungsverjährung wäre dann erst 2019 bzw 2021 eingetreten."

Beschluss vom an die Beschwerdeführerin

Das Bundesfinanzgericht übermittelte der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs die Beantwortungen durch die belangte Behörde und gab die monatlichen Bemessungsgrundlagen für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2014 und 2015 wie folgt bekannt:

"I. Die Beschlüsse vom sowie vom sowie deren Beantwortung durch die belangte Behörde werden zur Kenntnisnahme und der Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben, übermittelt.

II. Im angefochtenen Haftungsbescheid vom sind Abgaben enthalten, die eine monatliche Fälligkeit aufweisen, wobei die monatlichen Abgabenbeträge von der Abgabenbehörde nicht bekannt gegeben wurden.
Die Abgabenbehörde hat gegenüber dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass eine monatliche Aufschlüsselung nicht möglich ist. Im Zuge einer Schätzung werden die monatlichen Abgabenbeträge für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag wie folgt bekannt gegeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2014
gesamt (laut Bescheid)
pro Monat (Schätzung)
DB
6.003,09
500,26
DZ
533,60
44,47
2015
gesamt (laut Bescheid)
pro Monat (Schätzung)
DB
2.794,81
232,90
DZ
248,43
20,70

Um den zur Haftung herangezogenen Vertreter in die Lage zu versetzen, einen Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten, ist es erforderlich, eine nach der jeweiligen Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung zu übermitteln.

III. Für das Einlangen einer allfälligen Stellungnahme zu den Punkten I. und II. wird eine Frist bis vorgemerkt.

IV. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben. Dabei gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, soweit sie im Verfahren der belangten Behörde gelten (§ 2a BAO). Gemäß § 115 BAO sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zu erforschen.

Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. , mwN).

Um den zur Haftung herangezogenen Vertreter in die Lage zu versetzen, einen Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten, ist es erforderlich, dass ihm die Behörde eine nach der jeweiligen Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung übermittelt, zumal der Vertreter auch nur verpflichtet ist, fällige Abgaben zu begleichen. Da der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils monatliche Fälligkeiten aufweist, war von der Abgabenbehörde eine monatlich gegliederte Aufstellung zu übermitteln. Dies ist im vorliegenden Fall unterblieben. Kann aber die Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung und damit auch für die Heranziehung zur Haftung (sowie für die Erstellung einer monatlich gegliederten Aufstellung der Abgaben) nicht ermittelt oder berechnet werden, sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen ()."

Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , hat die Beschwerdeführerin dazu wie folgt Stellung genommen:
"Ich halte mein bisheriges Vorbringen vollinhaltlich aufrecht. Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschlüssen vom und die belangte Behörde aufgefordert, insbesondere jene Aktenteile vorzulegen, aus denen ersichtlich ist, wie das Konkurs- und das Sanierungsverfahren abgelaufen sind und die entsprechenden Excel-Dateien vorzulegen, darzustellen, wie die Quotenzahlungen aufgeteilt wurden, bekannt zu geben, wie die AGH-Beträge berücksichtigt wurden, bekannt zu geben, welche Forderungen im Konkurs angemeldet wurden und welche Beträge anerkannt wurden, Stellung zum überwiesenen Betrag von € 10.761,82 zu nehmen, und Stellung zu dem von mir vorgebrachten Verjährungseinwand zu nehmen.

All diesen Aufträgen ist die belangte Behörde nicht, jedenfalls nicht zur Gänze, nachgekommen. Vorab ist festzuhalten, dass am zu ***GZ1*** des Handelsgerichts Wien ein Sanierungsplan mit einer Quote von 30 % angenommen und dieser nach Bezahlung der Masseforderungen auch bestätigt wurde. Vorgesehen waren 10 % Sparquote binnen 14 nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, je 5 % am und sowie restliche 10 % bis . Dieser Zahlungsplan wurde unbestritten pünktlich zur Gänze erfüllt. Die belangte Behörde hatte in diesem Verfahren eine Forderung von € 112.543,62 angemeldet.

Hinsichtlich der Wirkungen des Sanierungsplans wird auf § 156 Abs 1 IO verwiesen. Diesem zufolge bestehen die Rechtswirkungen des Sanierungsplans darin, dass der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.

Wie das Bundesfinanzgericht diesbezüglich richtig ausführt, sind durch die Entrichtung der Sanierungsquote die Abgabenverbindlichkeiten für den Primärschuldner, ***CD***, weggefallen. Ob die Primärschuldnerin, vertreten durch deren Steuerberaterin, offensichtlich in völliger Rechtsunkenntnis der Wirkungen des Sanierungsplans, am ein Ratenansuchen eingebracht hat, welches bewilligt wurde, ist unerheblich, da sich eine allfällige Unterbrechungswirkung jedenfalls nicht auf die Beträge beziehen kann, von deren Bezahlung die Primärschuldnerin bereits drei Jahre vor Bewilligung der Zahlungserleichterung durch Erfüllung des Sanierungsplans befreit war, sondern lediglich solche Verbindlichkeiten betreffen kann, welche nach Abschluss des Sanierungsplans entstanden sind. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nicht nachvollzogen werden kann, aus welchen Gründen die belangte Behörde Beträge, welche mangels Schuld auszubuchen gewesen wären, wieder vorschreibt.

Weiters stand die Uneinbringlichkeit von 70 % der Forderungen jedenfalls bereits bei Annahme des Sanierungsplans im November 2011 fest und hat die belangte Behörde bis zur Erlassung gegenständlichen Haftungsbescheids, sohin knapp 9 Jahre (!), keinerlei Betreibungsschritte gegen mich gesetzt und solche auch nicht nachgewiesen. Die belangte Behörde hat daher Forderungen im Gesamtbetrag von € 55.387,95 zu Unrecht festgesetzt, für welche mich keine Haftung treffen kann.

Gegenstand ein Haftung könnten daher lediglich die Dienstgeberbeiträge für die Jahre 2014 und 2015 samt Zuschlägen zur Dienstgeberbeitrag, die Körperschaftsteuer 2014, Anspruchszinsen für das Jahr 2014 und der Verspätungszuschlag 02/16 im Gesamtbetrag von € 2.449,24 sein.

Hinsichtlich dieser Beträge ist jedoch aufgrund der Tatsache, dass aus den vorgelegten Unterlagen nach wie vor nicht ersichtlich, wie die Quotenzahlungen aus beiden Insolvenzverfahren aufgeteilt wurden, nicht nachvollziehbar, in welcher Höhe dies Abgaben tatsächlich aushalten.

Geht man im 2. Insolvenzverfahren von einer angemeldeten Konkursforderung von € 13.489,06 und einer Quotenzahlung von € 10.761,82 aus, so betrug die Quote tatsächlich nicht 76,81 %, sondern 79,78 %. Auch dies hätte bei der Berechnung der Restforderungen berücksichtigt werden müssen. Tatsächlich ergibt sich bei Vergleich der Beträge in der Forderungsanmeldung und den Beträgen im Haftungsbescheid eine berücksichtigte Quote von weder 76,81 % noch 79,78 %.

Weiters sind auch in der Excel-Aufstellung, erstellt am , nicht nachvollziehbare Beträge angeführt. So wird beispielsweise von einem in keinster Weise nachvollziehbaren Stand von € 83.107,37 ausgegangen und hievon eine ebenfalls nicht nachvollziehbare Forderung aus der ersten Insolvenz in Höhe von € 57.620,44 in Abzug gebracht. Weiters sind in den Excel-Aufstellungen offensichtlich Masseforderungen (MFord/GH) enthalten, welche nicht nachvollziehbar sind, da der belangten Behörde lediglich Konkursforderungen zustanden. Ebenfalls ist der Zeitraum der Excel-Aufstellungen nicht nachvollziehbar, da der Sanierungsplan 2011 angenommen und am erfüllt wurde. Die Forderung müsste daher nach dem bei Null liegen.

Es wird daher an der belangten Behörde liegen, die Beträge schlüssig darzulegen. Hinzu kommt, dass auch die Forderungen für das Jahr 2014 verjährt sind, da, wie ausgeführt, die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in den der Abgabenanspruch entstanden ist, beginnt. Dies war der , sodass die Forderung für das Jahr 2014 sohin am verjährt ist. Auch hinsichtlich dieser Forderungen hat die belangte Behörde mir gegenüber keinerlei Betreibungsschritte gesetzt, sodass eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht eingetreten ist. Mich kann daher, sofern eine Gläubigerungleichbehandlung vorgelegen sein sollte, welche ausdrücklich bestritten wird, lediglich eine Haftung für den Dienstgeberbeitrag 2015 in Höhe von € 77,80, den Zuschlag zum Dienstgeberbei trag 2015 von € 6,92 und den Verspätungszuschlag 02/16 in Höhe von € 13,73 treffen.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sich die Primärschuldnerin bei der Berechnung der Abgabenbeträge laufend einer Steuerberatungskanzlei bedient hatte und ich für die Abfuhr dieser Beträge Sorge getragen habe. Die gegenständlichen geringen Beträge basieren lediglich auf einer Nachverrechnung im Rahmen einer nach Abschluss des Konkursverfahrens vorgenommenen Prüfung. Eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich dieser Beträge kann daher jedenfalls nicht vorliegen."

Mündliche Verhandlung

Hinsichtlich der Verjährungsproblematik haben beide Verfahrensparteien auf ihre bisherigen schriftlichen Ausführungen verweisen. Der Vertreter der Abgabenbehörde bekräftigte, dass keine Abgaben doppelt vorgeschrieben wurden. Hinsichtlich einer möglichen Gläubigerungleichbehandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie stets im Gespräch mit dem Sanierungsberater war und nicht einmal die Krankenkasse hinsichtlich des ersten Insolvenzverfahren an sie herangetreten wäre. Der Vertreter der Beschwerdeführerin ergänzte, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet hatte, sobald sich die Zahlungsunfähigkeit abgezeichnet hatte, wobei das Einstellen sämtlicher Zahlungen auch auf seinen Rat hin erfolgte. Etwa ein bis zwei Monate vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens wurden keine Zahlungen mehr geleistet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war seit alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der ***CD***.

Über das Vermögen der ***CD*** (Primärschuldnerin) wurde am ***GZ1_Datum*** zu GZ ***GZ1*** des Handelsgerichts Wien das Sanierungsverfahren eröffnet. Die belangte Behörde hat in diesem Verfahren Abgabenrückstände im Betrag von € 112.543,62 angemeldet. Die Forderungen wurden anerkannt und die Abgabenbehörde hat eine 30 %-Quote in vier Teilzahlungen in Höhe von insgesamt € 33.763,09 erhalten. Das Sanierungsverfahren wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom aufgehoben. Die Quotenzahlungen wurden ordnungsgemäß in den Jahren 2011, 2012 und 2013 geleistet.
Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht somit im Ausmaß von 70% fest.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***GZ2_Datum***, zu GZ ***GZ2*** wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der ***CD*** eröffnet. Die belangte Behörde hat in diesem Konkursverfahren Abgabenrückstände in Höhe von € 13.489,06 (nach Forderungseinschränkung) angemeldet. Die Forderungen der Abgabenbehörde wurden anerkannt und die Abgabenbehörde hat insgesamt € 10.761,82 als Quote erhalten. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss des Handelsgerichts vom mit einer Verteilungsquote von 79,78 % aufgehoben.
Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht somit im Ausmaß von 20,22 % fest.

Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben waren zu folgenden Terminen in folgender Höhe fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Abgabenhöhe
Haftungsbetrag
Fälligkeit
Sanierungsverfahren
K 2009
3.527,19
1.321,16
U 2010
3.016,54
3.016,54
U 12/10
460,94
460,94
L 1/11
2.031,10
146,29
DB 1/11
1.182,67
1.182,76
DZ 1/11
105,12
105,12
Stundung
522,40
522,40
U 1/11
24.151,50
547,16
L2/11
1.507,34
1.507,34
DB 2/11
840,46
840,46
DZ 2/11
74,71
74,71
SZ
91,96
91,96
U 2/11
1.572,53
1.572,53
L3/11
1.232,87
1.232,87
DB 3/11
810,58
810,58
DZ 3/11
72,05
72,05
U 3/11
4.868,77
4.868,77
L4/11
1.291,02
1.232,87
K 4-6/2011
1.184,00
643,00
DB 4/11
788,35
788,35
DZ 4/11
70,07
70,07
SZ
70,54
70,54
SZ
483,03
483,03
U 4/11
10.128,19
10.128,19
L5/11
1.352,66
1.352,66
DB 5/11
836,23
836,23
DZ 5/11
74,33
74,33
U 5/11
16.735,71
16.793,86
SZ
97,38
97,38
K 2010
4.181,00
4.181,00
SZ
60,33
60,33
SZ
202,56
202,56
Summe
83.624,13
55.388, 04
Konkursverfahren
DB 2014
2.391,23
379,67
DZ 2014
212,55
33,75
DB 2015
490,01
77,80
DZ 2015
43,56
6,92
K 2014
12.527,00
1.915,71
Anspruchsz
136,39
21,66
Verspätungsz
86,46
13,73
Summe
15.887,20
2.449,24
Gesamt
99.511,33
57.837,28

Eine Reduktion der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden um die Insolvenzquote, die bereits Gegenstand des Sanierungsverfahrens waren, fand - abgesehen von der Körperschaftsteuer 2009, der Lohnsteuer 1/2011 und der Körperschaftsteuer 4-6/2011 - nicht statt.

Dienstgeberbeiträge 2014 und 2015 (DB) sowie die Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen (DZ) wurden der Beschwerdeführerin als Jahressumme bekannt gegeben. Eine monatliche Aufgliederung existiert nicht.

Von Ende April 2011 bis Ende Juli 2011 wurden auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin keine Zahlungen geleistet. Im Mai 2011 und bis ***GZ1_Datum*** hat die Primärschuldnerin gar keine offenen Verbindlichkeiten beglichen.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur alleinigen Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf den Angaben im Firmenbuchauszug. Die Feststellungen zum Sanierungsverfahren gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch, aus denen hervorgeht, dass das Handelsgericht Wien am ***GZ1_Datum*** ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet und am , nachdem der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt wurde, das Sanierungsverfahren wieder aufgehoben hatte. Zusammen mit dem Antwortschreiben vom hat die Beschwerdeführerin zudem die erste Seite des Beschlusses des Handelsgerichts Wien vom vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die Insolvenzgläubiger eine Quote von 30 % ihrer Forderungen in vier Teilzahlungen bis erhalten. Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin, in das Einsicht genommen wurde, ist ersichtlich, dass am , am , am und am Quotenzahlungen in Höhe von insgesamt € 33.763,09 verbucht wurden. Aus der Forderungsanmeldung vom geht hervor, dass die belangte Behörde insgesamt € 112.543,62 an Abgabenforderungen angemeldet hatte. Die summierten Quotenzahlungen von € 33.763,09 entsprechen genau 30 % der angemeldeten Forderungen. Auch die belangte Behörde hat in Ihrer Beantwortung vom angegeben, dass die Sanierungsplanquoten erfüllt wurden und die Quotenzahlungen mit den ältesten angemeldeten Rückständen der Primärschuldnerin verrechnet wurden. Damit ist auch erwiesen, dass die Quotenzahlungen nicht auf die einzelnen angemeldeten Abgabenforderungen im Sanierungsverfahren verhältnismäßig verrechnet wurden, zumal die belangte Behörde angegeben hatte, dass die Quotenzahlungen mit den ältesten angemeldeten Rückständen verrechnet wurden.

Die Feststellungen zum Konkursverfahren gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch, aus denen hervorgeht, dass das Handelsgericht Wien am ***GZ2_Datum*** ein Konkursverfahren über das Vermögend er Primärschuldnerin eröffnet hatte und am nach Durchführung der Schlussverteilung den Konkurs wieder aufgehoben hatte. Dies ist auch aus einem Ausdruck der Insolvenzdatei, den die belangte Behörde vorgelegt hat, ersichtlich. Aus der Insolvenzdatei geht auch hervor, dass die Verteilungsquote 76,810919% betragen hätte. Am wurde die amtswegige Löschung der Primärschuldnerin gem. § 40 FBG im Firmenbuch eingetragen. Am wurde am Abgabenkonto der Primärschuldnerin die auf die Abgabenbehörde entfallende Konkursquote in Höhe von € 10.761,82 gutgeschrieben. Aus der Beschwerdevorentscheidung vom ist ersichtlich, dass diese Konkursquote auf die einzelnen Abgabenforderungen des Konkursverfahrens anteilsmäßig verrechnet wurde. Setzt man die Quotenzahlung in Höhe von € 10.761,83 ins Verhältnis zu den letztlich angemeldeten Abgabenforderungen in Höhe von € 13.489,06, ergibt sich eine Quote von 79,18%.

Die Feststellung, dass von Ende April bis Ende Juli 2011 auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin keine Zahlungen geleistet wurden, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Abgabenkonto der Primärschuldnerin. Daraus geht hervor, dass am ein Betrag von 2.000 Euro als Gutschrift verbucht wurde. Die nächste Gutschrift wurde erst wieder am verbucht. In der Zwischenzeit finden sich keine Zahlungen der Primärschuldnerin auf das Abgabenkonto. Insofern sind auch die Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dass auf seinen Rat hin durch die Primärschuldnerin überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet wurden, als sich die Zahlungsunfähigkeit abgezeichnet hatte, glaubwürdig. Geht man vom Datum der Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit ***GZ1_Datum*** aus, so folgt daraus, dass zumindest im Mai und bis ***GZ1_Datum*** generell keine Zahlungen geleistet wurden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (). Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtsgrundlagen

§ 9 BAO lautet:

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

§ 238 BAO lautet:

F. Verjährung fälliger Abgaben.

§ 238. (1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

§ 209a gilt sinngemäß.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

(3) Die Verjährung ist gehemmt, solange
a) die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist, oder
b) die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, oder
c) einer Revision gemäß § 30 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder einer Beschwerde gemäß § 85 des Verfassungsgerichtshofgesetzes - VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.

(4) Wenn fällige Abgaben durch Handpfand gesichert sind, findet § 1483 ABGB. sinngemäß Anwendung. Sind sie durch bücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von dreißig Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung der durch das Pfandrecht gesicherten Forderung die seither eingetretene Verjährung der Abgabe nicht eingewendet werden.

(5) Wird ein Bescheid, mit dem eine Abgabenschuldigkeit gelöscht (§ 235) oder nachgesehen (§ 236) wird, innerhalb von drei Jahren ab seiner Bekanntgabe (§ 97) abgeändert oder aufgehoben, so lebt dadurch der Abgabenanspruch wieder auf und beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides neu zu laufen.

(6) Die Abs. 1 bis 5 gelten auch für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der im § 207 Abs. 4 bezeichneten gegen Abgabepflichtige gerichteten Ansprüche.

§ 9 IO lautet:

Verjährung

§ 9. (1) Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

(2) Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung vom Tage der Anmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruches bestimmten Frist als gehemmt.

Rechtliche Beurteilung

Verjährung:

Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, (grundsätzlich) binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen. Einhebungsmaßnahmen sind nur auf Abgabenschuldigkeiten zulässig, die noch nicht "einhebungsverjährt" sind. Ergeht ein als Einhebungsmaßnahme zu qualifizierender Bescheid zu Unrecht nach Eintritt der Einhebungsverjährung, so ist er inhaltlich rechtswidrig (). Gemäß § 238 Abs 2 BAO wird die fünfjährige Einhebungsverjährung, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Ist eine solche Unterbrechung eingetreten, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen.

Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs 2 BAO wirken anspruchsbezogen und somit nicht nur gegenüber etwa dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfällig Haftungspflichtigen (). Eine "absolute" - also unabhängig von allfälligen Unterbrechungshandlungen eintretende - Verjährung der Einhebung kennt die BAO nicht (; zu § 12 BAO: ).

Da § 224 Abs 3 BAO und § 238 Abs 1 BAO eine Abhängigkeit der Einhebungsverjährung vom Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 207 BAO) normieren, kommt der Festsetzungsverjährung auch in Bezug auf die Einhebungsverjährung Bedeutung zu. Normieren § 224 Abs 3 und § 238 Abs 1 BAO die Maßgeblichkeit des Ablaufes der Festsetzungsverjährung für das Einhebungsverfahren, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder nicht.

Abgabenbescheide dienen der Geltendmachung eines Abgabenanspruchs. Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist zur Festsetzung einer Abgabe um ein Jahr, wenn innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen wurden. Schriftliche Erledigungen (zB Abgabenbescheide) verlängern die Verjährungsfrist dann, wenn sie zugestellt wurden. Wenn schon jede Amtshandlung nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbricht, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, gilt dies im Hinblick auf § 224 Abs. 3 und § 238 Abs. 1 BAO entsprechend auch für Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs. 1 BAO (); Die Einhebungsverjährungsfrist endet somit nicht früher als die Bemessungsverjährungsfrist (Ritz, BAO6, § 238 Tz 9).

Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen (Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung, Erlassung eines Haftungsbescheides) sind Unterbrechungshandlungen auch Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen (), Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide, Widerruf von Zahlungserleichterungen oder Zahlungsaufforderungen ().

Ein Schreiben, mit welchem die Behörde dem zur Haftung für Abgabenschulden Herangezogenen detailliert die den einzelnen Jahren zugeordneten Beträge an aushaftender Steuer mit der Aufforderung mitteilt, im Falle des Anerkenntnisses den Rückstand zu begleichen, ist als Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zu werten ().

Für die Körperschaftsteuer 2014 (und somit auch für die dazugehörigen Anspruchszinsen) und auch für Dienstgeberbeiträge bzw. Dienstgeberzuschläge begann die fünfjährige Verjährungsfrist (Bemessungsverjährung) mit Ablauf des Jahres 2014. Durch die Zustellung der Abgabenbescheide im Jahr 2016 verlängerte sich die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr, sodass die Bemessungsverjährung frühestens mit Ablauf des Jahres 2020 eintrat. Abgesehen davon hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin im Jahr 2017 (unter Beilage einer Rückstandsaufgliederung) auf die Abgabenrückstände, die aus ihrer Geschäftsführertätigkeit stammen, hingewiesen und die Haftungsinanspruchnahme in Aussicht gestellt. Verjährung ist für diese Abgaben somit noch nicht eingetreten.

Einhebungsmaßnahmen der Abgabenbehörden setzen begrifflich voraus, dass die einzuhebende Abgabe aushaftet. Der Abgabenanspruch darf im Zeitpunkt der Setzung einer Einhebungsmaßnahme nicht schon erloschen sein oder nur mehr den Charakter einer Naturalobligation aufweisen (). Gemäß § 156 Abs. 1 IO bewirkt der rechtskräftig bestätigte Zwangsausgleich bzw. Sanierungsplan den Erlass, also das Erlöschen der Verbindlichkeit des Gemeinschuldners (vgl ). Tatbestandsvoraussetzung der Bewilligung einer Zahlungserleichterung nach § 212 Abs 1 BAO ist auch der Umstand, dass hinsichtlich der betroffenen Abgaben Einbringungsmaßnahmen in Betracht kommen. Für bereits entrichtete Abgaben kommt ein Hinausschieben der Entrichtung iSd § 212 Abs 1 BAO nicht mehr in Betracht.

Bereits aus der Überschrift zu § 1 IO ist ersichtlich, dass sowohl ein Konkurs- als auch ein Sanierungsverfahren ein Insolvenzverfahren ist. Gemäß § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen, wobei das Verfahren ausdrücklich entweder als Konkursverfahren oder als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist. Nach § 9 Abs 1 IO wird durch die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist. Gegenüber § 238 BAO ist § 9 Abs 1 IO die speziellere Bestimmung ().

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs 1 IO begann die Verjährung der Forderung gegenüber dem Schuldner (hier: ***CD***) mit Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist, von neuem zu laufen. Das Sanierungsverfahren wurde im Jahr 2011 wieder aufgehoben. Die Forderungsanmeldungen im Jahr 2016, die das im Jahr 2016 eröffnete Konkursverfahren betrafen, können nicht als Unterbrechungshandlung angesehen werden, weil gegenüber der Primärschuldnerin mit der Erfüllung des Sanierungsplanes (der tatsächlich erfüllt wurde) die restlichen Abgabenverbindlichkeiten weggefallen sind (§ 156 IO). Allerdings steht etwa die rechtskräftige Bestätigung eines Sanierungsplanes des Erstschuldners ungeachtet der nach § 156 IO eintretenden Schuldbefreiungen der Geltendmachung einer Haftung für die maßgebliche Quote übersteigende Abgabenschulden nicht entgegen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 224 Tz 11; mwN).
Hinsichtlich jener Insolvenzverfahren, denen ein Zahlungsplan oder Sanierungsplan folgt, beginnt die Einhebungsverjährung nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder zu laufen, sondern bewirkt dieser Zahlungsplan / Sanierungsplan bis zur Fälligkeit der Quotenzahlungen eine Fortlaufhemmung der Einhebungsverjährung, weil der Gläubiger in diesem Zeitraum seinen Anspruch nicht geltend machen kann (; Geroldinger in Konecny, Insolvenzgesetze, § 9 IO Tz 97 mwN; Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 238 BAO Tz 10). Somit ist auch für jene Abgaben, die im Sanierungsverfahren im Jahr 2011 als Forderungen angemeldet wurden, im Jahr 2020 noch keine Einhebungsverjährung eingetreten, weil bis Mitte 2013 (letzte Quotenzahlung) die Verjährung nicht von neuem zu laufen beginnen konnte und der Haftungsvorhalt samt Rückstandsaufgliederung im Jahr 2017 eine Unterbrechungshandlung nach § 238 BAO darstellt.

Tatbestand:

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Aus der Tatsache der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann nicht bereits zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Primärschuldnerin entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden; dies kann sich jedoch im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB , ) stellt eine Restschuldbefreiung der Primärschuldnerin im Rahmen eines Zwangsausgleiches (nunmehr Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar, weshalb die rechtskräftige Bestätigung eines Sanierungsplanes der Primärschuldnerin der Geltendmachung der Haftung des Vertreters für den die Quote übersteigenden Teil der Abgabenschuldigkeiten nicht entgegensteht.

Pflichtverletzung:

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Zu den Aufgaben eines Vertreters gehört auch die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten. Betraut der Vertreter andere Personen (Angestellte) mit den steuerlichen Agenden, so treffen ihn Auswahl- und Kontrollpflichten. Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden (Ressortverteilung), richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Die Beschwerdeführerin war seit alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin.

Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (). Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt.

Verschulden:

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten. Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ).

Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern oder Lohnabgaben jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().

Ausmaß der Haftung:

Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar ().
Auf Grund der Tatsache, dass im Zeitraum Mai bis ***GZ1_Datum*** von der Primärschuldnerin überhaupt keine Zahlungen geleistet wurden und demnach auch keine Löhne ausbezahlt wurden, ist ein Abgabenanspruch hinsichtlich folgender lohnabhängiger Abgaben gar nicht entstanden; der Beschwerde war diesbezüglich teilweise stattzugeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Abgabenhöhe
Haftungsbetrag
Fälligkeit
L 5/11
1.352,66
1.352,66
DB 5/11
836,23
836,23
DZ 5/11
74,33
74,33
2.263,22

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, hat die Konkursordnung Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO (z.B. ). In seinem Erkenntnis , (bestätigt durch ) hat der Unabhängige Finanzsenat darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 50 KO , wonach die Insolvenzforderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind, die Zahlung(en) des Masseverwalters anlässlich der Verteilung der Konkursmasse anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen wären. Diese Aussage hat auch für das Verhältnis zwischen § 50 IO und § 214 BAO Geltung (zB ).

In einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, wird die Identität der Sache durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (zB § 9 BAO).

Im angefochtenen Bescheid wurden Abgabenschuldigkeiten mit dem Fälligkeitsdatum aus dem Jahr 2011 meist in voller Höhe - also ohne Reduktion um die Sanierungsplanquote von 30% - in Ansatz gebracht.

Bezüglich des die Quote umfassenden Betrages liegt aber keine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor, da es eben durch die Zahlungen im Sanierungsverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse gekommen war. Die Verrechnung der Quotenzahlungen durch die belangte Behörde mit Abgabenschuldigkeiten, die nicht zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides gemacht wurden, obwohl es sich um Insolvenzverbindlichkeiten gehandelt hat und insofern die Beschwerdeführerin insgesamt "nur" in einem niedrigeren Ausmaß zur Haftung herangezogen wurde, bedeutet nicht, dass der Haftende auf Grund einer solchen Verrechnung für die anderen (übrigen) Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe zur Haftung herangezogen werden könnte. Aus diesem Grund ergeben sich folgende Einschränkungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Abgabenhöhe
Quote (30%)
maximaler Haftungsbetrag
tatsächlicher Haftungsbetrag
Einschränkung
K 2009
3.527,19
1.058,16
2.469,03
1.321,16
-
U 2010
3.016,54
904,96
2.111,58
3.016,54
904,96
U 12/10
460,94
138,28
322,66
460,94
138,28
L 1/11
2.031,10
609,33
1.421,77
146,29
--
DB 1/11
1.182,67
354,80
827,87
1.182,76
354,89
DZ 1/11
105,12
31,54
73,58
105,12
31,54
Stundung
522,4
156,72
365,68
522,40
156,72
U 1/11
24.151,50
7.245,45
16.906,05
547,16
-
L2/11
1.507,34
452,20
1.055,14
1.507,34
452,20
DB 2/11
840,46
252,14
588,32
840,46
252,14
DZ 2/11
74,71
22,41
52,30
74,71
22,41
SZ
91,96
27,59
64,37
91,96
27,59
U 2/11
1.572,53
471,76
1.100,77
1.572,53
471,76
L3/11
1.232,87
369,86
863,01
1.232,87
369,86
DB 3/11
810,58
243,17
567,41
810,58
243,17
DZ 3/11
72,05
21,62
50,44
72,05
21,62
L4/11
1.291,02
387,31
903,71
1.232,87
329,16
U 5/11
16.735,71
5.020,71
11.715,00
16.793,86
5.078,86
SZ
97,38
29,21
68,17
97,38
29,21
K 2010
4.181,00
1.254,30
2.926,70
4.181,00
1.254,30
SZ
60,33
18,10
42,23
60,33
18,10
SZ
202,56
60,77
141,79
202,56
60,77
63.767,96
36.072,87
10.217,54

Kausalität:

Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen ().

Der Beschwerdeführerin wurden Dienstgeberbeiträge sowie Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2014 und 2015 in Jahresbeträgen bekannt gegeben. Auch aus dem Bericht über eine Außenprüfung betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag, der dem Haftungsbescheid beigelegt war, ist nicht ersichtlich, welcher Betrag auf welchen Kalendermonat entfällt. Dass einzelne Abgaben dieses Zeitraums dabei teilweise auch für einzelne Monate angeführt sind, ist unbeachtlich, weil sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht ergibt, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten.
Um den zur Haftung herangezogenen Vertreter in die Lage zu versetzen, den Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten, ist es erforderlich, dass ihm die Behörde eine nach der jeweiligen Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung übermittelt (vgl. ; , 2011/16/0188; , 2013/16/0199; , 2013/16/0208), zumal der Vertreter auch nur verpflichtet ist, fällige Abgaben zu begleichen (vgl. etwa ). Da die lohnabhängigen Abgaben jeweils monatliche Fälligkeiten aufweisen, war von der Abgabenbehörde eine monatlich gegliederte Aufstellung zu übermitteln. Ist dies unterblieben, handelt es sich um einen Verfahrensmangel, der zu beheben ist. Es dürfen vom Verwaltungsgericht zwar keine anderen Abgaben, keine anderen Zeiträume und auch kein höherer Gesamtbetrag zu Grunde gelegt werden; eine Aufgliederung auf die einzelnen Fälligkeiten des umfassten Zeitraums ist aber von der Abänderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes nach § 279 Abs. 1 BAO umfasst (vgl. ). Wenn auch nach § 201 Abs. 4 BAO innerhalb derselben Abgabenart die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen kann, so ist für das Haftungsverfahren - insbesondere zur Abgrenzung des Zeitraumes, für den eine Haftung besteht - eine Ermittlung der Abgabe für jeden Fälligkeitstag vorzunehmen. Kann aber die Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung und damit auch für die Heranziehung zur Haftung (sowie für die Erstellung einer monatlich gegliederten Aufstellung der Abgaben) nicht ermittelt oder berechnet werden, so führt dies nicht zum Unterbleiben der Abgabenfestsetzung oder zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung. Die Grundlagen für die Abgabenerhebung sind vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen (). Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführerin eine solche Schätzung bekannt gegeben.

Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).
Nachweise hinsichtlich einer Gläubigergleichbehandlung wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt, zumal diese in der Beschwerde vom eine Ungleichbehandlung von Gläubigern bestritten hatte.

Eine Gläubigerungleichbehandlung kann jedoch dann nicht vorliegen, wenn überhaupt keine Gläubiger befriedigt wurden. Da die Primärschuldnerin im Zeitraum Mai bis ***GZ1_Datum*** überhaupt keine Zahlungen geleistet hatte, kann diesbezüglich auch keine Gläubigerungleichbehandlung vorliegen. Der Beschwerde war diesbezüglich teilweise stattzugeben. Dies betrifft folgende haftungsgegenständliche Abgaben:


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Abgabenart
Abgabenhöhe
Haftungsbetrag
Fälligkeit
U 3/11
4.868,77
4.868,77
K 4-6/2011
1.184,00
643,00
DB 4/11
788,35
788,35
DZ 4/11
70,07
70,07
SZ
70,54
70,54
SZ
483,03
483,03
U 4/11
10.128,19
10.128,19
17.051,95

Lohnsteuer und Gleichbehandlungsgrundsatz:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht darstellt (zB Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 78 Anm 19). Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Eine Begrenzung der Haftung in Höhe des sogenannten Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht (). Aus diesem Grund hatte keine Einschränkung hinsichtlich der übrigen haftungsgegenständlichen Lohnsteuerbeträge zu erfolgen.

Aufbewahrungspflicht von Unterlagen:
Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Die siebenjährige Aufbewahrungsfrist für Bücher und Aufzeichnungen iSd § 132 BAO ist hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben für das Jahr 2011 auch noch nicht abgelaufen, zumal die belangte Behörde der Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2017 (also nach sechs Jahren) mitgeteilt hatte, dass sie zur Haftung als Geschäftsführerin für die Abgabenrückstände der Primärschuldnerin herangezogen werden könne. Noch innerhalb der in diesem Haftungsvorhalt gesetzten Frist hat die Beschwerdeführerin der Abgabenbehörde mitgeteilt, dass das Sanierungsverfahren zur GZ ***GZ1*** bereits längst abgeschlossen wäre. Hinsichtlich des Konkursverfahrens gab die Beschwerdeführerin an, dass die Verteilung der Konkursquote noch zu erfolgen habe. Tatsächlich wurde das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin im Jänner 2018 aufgehoben. Die belangte Behörde hatte eine Quotenzahlung erhalten. Im Februar 2019 wurde die Primärschuldnerin im Firmenbuch gelöscht.

Erst im September 2020, als mehr als dreieinhalb Jahre nach der Zustellung des Haftungsvorhaltes und mehr als eineinhalb Jahre nachdem die Primärschuldnerin im Firmenbuch - nach Abschluss des Konkursverfahrens - gelöscht wurde, erging der Haftungsbescheid. Eine Aufbewahrungspflicht von Unterlagen hatte im Jahr 2020 nicht mehr bestanden, zumal die Beschwerdeführerin nicht davon ausgehen konnte, dass ein mögliches Haftungsverfahren, das im Jahr 2017 in den Rahm gestellt wurde, im Jahr 2020 noch anhängig wäre.

Da von einem potentiell Haftungspflichtigen nach Ablauf der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht im Falle einer späteren Haftungsinanspruchnahme kein Nachweis für die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten gefordert werden kann (vgl. UFS Wien , RV/0310-W/07; ), war der Beschwerde hinsichtlich der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben des Jahres 2011 wie folgt teilweise stattzugeben:


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Abgabenart
Abgabenhöhe
tatsächlicher Haftungsbetrag
K 2009
3.527,19
1.321,16
U 2010
3.016,54
3.016,54
U 12/10
460,94
460,94
DB 1/11
1.182,67
1.182,76
DZ 1/11
105,12
105,12
Stundung
522,40
522,40
U 1/11
24.151,50
547,16
DB 2/11
840,46
840,46
DZ 2/11
74,71
74,71
SZ
91,96
91,96
U 2/11
1.572,53
1.572,53
DB 3/11
810,58
810,58
DZ 3/11
72,05
72,05
U 5/11
16.735,71
16.793,86
SZ
97,38
97,38
K 2010
4.181,00
4.181,00
SZ
60,33
60,33
SZ
202,56
202,56
31.953,50

Ermessen:

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Das Sanierungsverfahren der Primärschuldnerin wurde bereits Ende 2011 aufgehoben und die letzte Quotenzahlung ging im Jahr 2013 bei der belangten Behörde ein, wodurch das Ausmaß der Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin in Bezug auf jene Abgaben, die vom Sanierungsverfahren betroffen waren, seit diesem Zeitpunkt feststand. Der Haftungsbescheid erging erst im September 2020. Von jenen übrigen Haftungsbeträgen, deren Fälligkeit bereits 2011 entstand und deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin bereits im Jahr 2013 feststanden, war die lange Verfahrensdauer mit einem Abschlag von ca. 50 % im Ermessenswege zu berücksichtigen.

Ergebnis

Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:


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Abgabenart
Haftung
L1/11
146,29
L2/11
1.055,14
L3/11
863,01
L4/11
903,71
2.968,15
- Ermessen
- 1.484,08
1.484,08
DB 2014
379,67
DB 2015
77,8
DZ 2014
33,75
DZ 2015
6,92
K 2014
1.915,71
Anspruchsz
21,66
Verspätungsz
13,73
2.449,24
Gesamt
3.933,32

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Einhebungsverjährung unmittelbar nach der beschlussmäßigen Aufhebung des Sanierungsverfahrens (hier: im Jahr 2011) neu zu laufen beginnt oder zwischen der rechtskräftigen Bestätigung und der Fälligkeit der Quotenzahlungen eine Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist vorliegt (hier: bis ins Jahr 2013) existiert nicht. Dieser Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Die ordentliche Revision war daher zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 156 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100846.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at