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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2022, RV/7101261/2014

Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101261/2014-RS1
Zur Berücksichtigung von Aufwendungen iSd. § 34 Abs. 6 EStG 1988 ohne Abzug eines Selbstbehaltes wie den Pauschbetrag für Diätverpflegung gem. § 2 Abs. 1 der Verordnung Außergewöhnliche Belastungen ist die gem. § 35 Abs. 2 EStG 1988 geforderte Bescheinigung des Grades der Behinderung, ausgestellt vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, vorzulegen.
RV/7101261/2014-RS2
Die Feststellung einer Behinderung und ihres Ausmaßes der Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. des Grades der Behinderung , ist nicht von der Abgabenbehörde, sondern bindend von der § 35 Abs. 2 EStG 1988 genannten Stelle, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu treffen. Der Gesetzgeber hat damit eine bindende Beweisregel geschaffen und insbesondere die Regel des § 166 BAO – wonach als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist – durchbrochen. Die Bescheinigung als gesetzlich ausdrücklich geforderter Nachweis kann durch die Vorlage von zB. haus- oder fachärztlichen Bestätigungen, Privatgutachten, Arztbriefen anlässlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes oder - wie im konkreten Fall vorgelegt – Blutbefunden, nicht ersetzt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senat in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***7***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich - Dienststelle 09) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 und 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte die Erklärungen zu den Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2011 und 2012 am elektronisch beim Finanzamt ein und beantragte die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen für Krankendiätverpflegung in Höhe von jeweils 840,00 Euro.

Mit Bescheiden vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012 erklärungsgemäß fest.

Mit Bescheiden vom hob das Finanzamt diese Bescheide gemäß § 299 BAO auf und erließ neue Sachbescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012. In Ermangelung einer vom Bundessozialamt bestätigten Behinderung wurden die vom Beschwerdeführer geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen für Krankendiätverpflegung in Höhe von jeweils 840,00 Euro lediglich unter Anrechnung des Selbstbehaltes (§ 34 Abs. 4 EStG 1988) berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer, steuerlich vertreten, erhob am fristgerecht Beschwerden gegen diese Einkommensteuerbescheide vom und begründete diese wie folgt: "In Vollmacht unseres Mandanten bringen wir hiermit innerhalb offener Monatsfrist (Zustellung der Neufestsetzung am ) das RM der Beschwerde gg. oben angeführten Bescheid ein und begründen diese damit, dass wir - wie für die Jahre 2007 bis 2010 (siehe Berufungen vom iVm dem Vorlageantrag vom , die die idente Beschwerdeargumentation enthalten) - nach wie vor der Meinung sind, dass für die Zuerkennung des Diätverpflegungspauschales das Vorhandensein einer Behinderungsbestätigung durch das Bundessozialamt KEINE Voraussetzung ist, sondern viel mehr die ärztliche Attestierung (bereits vorgelegt am ) relevant für die Zuerkennung sein müsste! Wie beantragen daher, die Einbeziehung dieser Beschwerde in die bereits laufende Entscheidung zu den Jahren 2007 bis 2010 durch das Bundesfinanzgericht im Rahmen einer Senatsentscheidung (Vorlagebericht vom ). Wir verzichten explizit auf die Ausfertigung einer Beschwerdevorentscheidung durch die 1. Instanz diese Beschwerde betreffend!"

Im angeführten Vorlageantrag vom betreffend die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 wurde von diesem bestätigt, dass keine Bescheinigung des Bundessozialamtes über den Grad einer Behinderung ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer leide jedoch seit Jahren unter der Krankheit Diabetes mellitus, worüber auch eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt worden sei. Entscheidend für die Berücksichtigung des beantragten Freibetrages für Diätverpflegung sei einzig der Grad der Behinderung und nicht das Vorhandensein der Bescheinigung des Bundessozialamtes. Eine attestierte chronische Erkrankung vom Typ Diabetes mellitus ziehe jedenfalls eine Behinderung von zumindest 20 % nach sich, weshalb kein Selbstbehalt zu berücksichtigen sei (vgl. zu den Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100687/2014).

Die belangte Behörde legte die Beschwerden vom am zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung als unbegründet.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom ergänzend vor, dass die Notwendigkeit einer Bestätigung durch das Bundessozialamt zum Beweis einer chronischen Erkrankung unlogisch und gesetzlich nicht gedeckt wäre. Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Erkrankung an Diabetes mellitus Blutbefunde aus den Jahren 2009 bis 2012 vor.

In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht erfolgte eine kontradiktorische Erörterung der Sach- und Rechtslage. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers brachte ergänzend vor, dass es unlogisch wäre zuerst einen Freibetrag aufgrund der Behinderung zu gewähren und diesen in weiterer Folge über den Selbstbehalt wieder wegzunehmen. Die Vertreterin des Finanzamtes beantragte die Berücksichtigung der Einkünfte aus der vom Beschwerdeführer gehaltenen Beteiligung an der ***6*** GmbH und Co KG gemäß § 295 Abs. 1 BAO in Höhe von 209,36 Euro im Jahr 2011 und in Höhe von 265,94 Euro im Jahr 2012.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer leidet unter Diabetes mellitus. Zum Nachweis dieser Krankheit legte der Beschwerdeführer ein ärztliches Attest sowie entsprechende Blutbefunde vor. Eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit dem Ausweis des Grades einer Behinderung durch diese Erkrankung liegt unbestritten nicht vor. Strittig ist, ob auf Grund der Krankheit des Beschwerdeführers der Pauschbetrag für Diätverpflegung in Höhe von jährlich 840,00 Euro unter Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012, sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss demnach folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist gemäß Abs. 2 leg. cit. außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro ...6%.
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ...8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro ...10%.
mehr als 36 400 Euro ...12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht bzw. für jedes Kind nach § 106.

Für außergewöhnliche Belastungen von behinderten Personen enthält § 35 EStG 1988 folgende entscheidungsrelevante Regelungen:
"§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung…

…und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen."

Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

Die aufgrund der §§ 34 und 35 EStG ergangene Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 2010/430, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, [...]
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach
§ 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2. (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei
- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids ... 70 Euro (...) pro Kalendermonat zu berücksichtigen. (…).
(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß
§ 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Rechtliche Würdigung:
Die Feststellung, ob, ab wann und in welchem Ausmaß eine Person behindert ist, ist nicht von der Abgabenbehörde, sondern bindend von den in § 35 Abs. 2 EStG 1988 genannten Stellen zu treffen (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2019, § 35 Rz 7). Die Abgabenbehörde hat ihrer Entscheidung die jeweils vorliegende amtliche Bescheinigung iSd § 35 Abs. 2 EStG 1988 zugrunde zu legen (vgl. ).

Entsprechend dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung kann der Nachweis der Behinderung nur durch ein Gutachten der im Gesetz genannten zuständigen Stelle (im Beschwerdefall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) geführt werden. Ein derartiges Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurden vom Beschwerdeführer unstrittig nicht vorgelegt. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Nachweise für die unstrittige Tatsache seiner offensichtlich bereits vor den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen bestehenden Diabeteserkrankung sind nicht geeignet, an die Stelle der normativ geforderten amtlichen Bescheinigung zu treten.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die o.a. Verordnung für die Zuerkennung des beantragten Pauschbetrages für krankendiätsbedingte Mehraufwendungen ohne Abzug eines Selbstbehaltes auf das Vorliegen einer Minderung der Erwerbstätigkeit bzw. eines Behindertengrades von mindestens 25 % abstellt. Vom Beschwerdeführer wurde ein Behinderungsgrad von lediglich (mindestens 20 %) vorgebracht. Das vorliegende ärztliche Attest weist keinen Grad der Behinderung aus.

Es kann daher für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum der für die Krankendiätverpflegung in § 2 Abs. 1 der vorzitierten Verordnung vorgesehene Pauschbetrag von jährlich 840,00 Euro mangels Vorlage einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nur unter Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 berücksichtigt werden.

Die von der belangten Behörde beantragte Berücksichtigung der Einkünfte aus der vom Beschwerdeführer in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2011 (209,36 Euro) und 2012 (254,94 Euro) erzielten Einkünfte aus der Beteiligung an der ***6*** GmbH und Co KG wirken sich aufgrund des Veranlagungsfreibetrages gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1988 steuerlich nicht aus.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die einkommensteuerrechtliche Rechtsfolge bei Nichtvorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101261.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at