Vorsteuererstattungsverfahren statt Veranlagungsverfahren
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/2100293/2021-RS1 | wie RV/0213-G/10-RS1 Liegen die Voraussetzungen der Vorsteuererstattungsverordnung (BGBl. Nr. 279/1995 idgF) vor, so sind die Vorsteuern nach diesem Verfahren geltend zu machen (insbesondere ist ein rechtzeitiger Erstattungsantrag erforderlich). Dies auch dann, wenn aufgrund von Vorjahresumsätzen das Unternehmen zur Umsatzsteuerveranlagung erfasst ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ecovis Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Schmalzhofgasse 4, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang / Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat für das Jahr 2018 eine Umsatzsteuererklärung vorgelegt mit null Umsätzen aber Vorsteuern.
Das Finanzamt erließ einen Umsatzsteuernullbescheid.
Nach Fristverlängerung wurde eine rechtzeitige Beschwerde eingebracht mit der Begründung, dass aufgrund eines EDV-Fehlers ursprünglich versehentlich eine falsche Umsatzsteuererklärung übermittelt worden sei, die Vorsteuern wurden in verminderter Höhe ausgewiesen, Umsätze nach wie vor mit null Euro.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde abgewiesen: "Gem. § 1 Abs.1 der Verordnung des BMF, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird (BGBl 1995/279 idgF), ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. bis UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 Z 1 UStG 1994 ausgeführt hat."
Im Vorlageantrag wurde die erklärungsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer 2018 beantragt: "Auch Unternehmen, die in Österreich im Zeitpunkt der Leistung weder Sitz noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte haben, jedoch in Österreich zu versteuernde Umsätze tätigen, sind grundsätzlich verpflichtet, sich registrieren zu lassen und Umsatzsteuervoranmeldungen sowie Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben. Das Unternehmen (siehe Umsatzsteuererklärung bzw. -bescheid 2019 führt auch Umsätze in Österreich aus; es wurden nur zufällig keine Umsätze in 2018 erzielt).
Ausländische Unternehmen haben die Möglichkeit, ausdrücklich eine Veranlagung zu beantragen, um Vorsteuern geltend zu machen.
Es ist daher- wie schon in den Vorjahren und wie 2019 - auch 2019 [Anmerkung: gemeint wohl 2018] die Umsatzsteuer zu veranlagen."
Eine mündliche Verhandlung wurde beantragt und später mit Schriftsatz zurückgenommen.
An die BF erging folgender Vorhalt vom :
"1. Bitte legen Sie die Beschwerde vor. Ist diese gleichzeitig auch als berichtigte (?) Umsatzsteuererklärung 2018 zu sehen?
Was wird laut Beschwerde überhaupt genau begehrt?
Mit Voranmeldungen für 2018 wurde Vorsteuer idHv 1.082,61 Euro gemeldet; in der jetzigen USt-Erklärung nur 407,73 Euro.
Welcher Betrag ist überhaupt richtig/strittig?
Bitte legen Sie die Rechnungen zu den noch begehrten Vorsteuern vor.
2. Nach der Aktenlage wurden auch in den Vorjahren 2016 und 2017 keine Umsätze, sondern nur Vorsteuern, erklärt.
2019 gab es Umsätze von 2.281,31 Euro.
Um welche Umsätze handelt es sich hier? Bitte um Vorlage der Ausgangsrechnung(en).
3. Welche Umsätze erzielt das Unternehmen in Österreich, wie ist der Geschäftsgegenstand?
4. Es werden Lohnabgaben gemeldet, gibt es eine Betriebsstätte in Österreich?
5. Nachdem Sie hier ausreichend Gelegenheit haben, sich zu äußern und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, wird angefragt, ob der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen werden kann, da aufgrund der aktuellen COVID-Situation ohnehin - wenn überhaupt - Verhandlungen nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar sind."
Im Zuge des Vorhalteverfahrens wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, die Beschwerde vorgelegt, welche gleichzeitig die berichtigte Umsatzsteuererklärung war.
Strittig sind € 407,73, eine Aufstellung der verfahrensgegenständlichen Vorsteuern wurde vorgelegt, weiters eine Aufstellung der Umsätze 2019.
Das Unternehmen plant und montiert hochwertige Arbeitsflächen in Küchen und Bädern.
Ein Vertriebsmitarbeiter im Außendienst ist seit 2016 beschäftigt, es liegt eine lohnsteuerliche Betriebsstätte, aber keine feste Einrichtung im Sinne der umsatzsteuerlichen Bestimmungen in Österreich vor.
Das Unternehmen tätigt B2B- aber keine RCS-Umsätze.
Umsätze wurden 2019 erklärt.
An die steuerliche Vertretung ging folgende Zusammenfassung am :
"Die BF hat keine ustliche Betriebsstätte in Ö und nur B2B-Umsätze, aber keine RCS-Umsätze:
Diese sonstigen Leistungen sind demnach am Empfängerort steuerbar und werden an ***EU*** (nichtösterreichische) Unternehmer erbracht; sonstige Leistung B2B an dt.U., Leistungsort ist Deutschland, kein RCS in Österreich bzw. eventuell auch steuerfreie igL, sofern nicht sonstige Leistungen vorliegen.
(wären es sonstige Leistungen an ö.U. wäre der Leistungsort Österreich, aber mit RCS § 19 Abs. 1 UStG 1995.
Ausnahmen wären auch Grundstücksleistungen der BF B2B, an dU oder öU, Leistungsort in Ö, generell RCS).
Im Ergebnis: die BF hatte (2016 bis 2018) keine Umsätze in Ö, die das Vorsteuererstatttungsverfahren ausschließen.
Auf die Vorlage der Rechnungen kann verzichtet werden."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die BF ist ein ***EU*** Unternehmen und plant und montiert hochwertige Arbeitsflächen in Küchen und Bädern.
In Österreich ist ein Vertriebsmitarbeiter im Außendienst seit 2016 beschäftigt, es liegt eine lohnsteuerliche Betriebsstätte, aber keine feste Einrichtung im Sinne der umsatzsteuerlichen Bestimmungen in Österreich vor. In Österreich fielen im beschwerdegegenständlichen Jahr 2018 Vorsteuern an, die im Umsatzsteuerveranlagungsverfahren begehrt wurden.
Das Unternehmen tätigt B2B- aber keine RCS-Umsätze.
Umsätze wurden 2019 erklärt.
Im Jahr 2018 wurden in Österreich keine umsatzsteuerbaren Umsätze erzielt oder erklärt, wie auch in den Vorjahren 2017 und 2016 nicht.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und dem Vorbringen der Parteien.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.
In der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 ("Erstattungsverordnung"), wurde "ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen". Schon aus dem Titel dieser Verordnung ergibt sich, dass mit dieser aufgrund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren als die im § 21 Abs. 1 UStG 1994 normierte Veranlagung der Umsatzsteuer vorgesehen ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) …. …. ausgeführt hat. ....
(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.
§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer)
Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren, ob die von der BF beantragten Vorsteuern trotz Nichtvorliegens von Inlandsumsätzen im Jahr 2018 im Veranlagungsverfahren gewährt werden können oder das Vorsteuererstattungsverfahren zur Anwendung kommen muss.
Da die BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine Umsätze in Österreich erzielte, ist die Vorsteuer zwingend in einem eigenen Verfahren, dem Erstattungsverfahren (unter Beachtung der Frist des § 3 Abs. 1 2. Satz der VO BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 - 30. September des Folgejahres - und der übrigen Voraussetzungen der Verordnung) zu beantragen. Das Umsatzsteuerveranlagungsverfahren kommt hier nicht zur Anwendung (§ 21 Abs. 9 UStG 1994), vgl. und ; ; vgl. Menheere in SWK 13-14/2021, 766.
Lägen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 der Erstattungsverordnung, BGBl. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, lediglich Umsätze vor, bei denen die Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht - sogenannte RCS-Umsätze, wäre ebenso zwingend das Erstattungsverfahren anzuwenden, vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 19 Tz 40.
Seit können somit in allen Fällen, in denen ausländische Unternehmer (lediglich) sonstige Leistungen oder Werklieferungen (einschließlich Bauleistungen) im Inland erbringen, die Vorsteuern nur im Wege des Erstattungsverfahrens (unter Einhaltung der dort vorgesehenen Fristen und formalen Antragsvoraussetzungen) geltend gemacht werden (Ruppe/Achatz, UStG5, § 19 Tz 40).
Spätestens mit Ende des Jahres 2018 war der BF bekannt, dass in Österreich keine sonstigen Umsätze erzielt worden sind, und sie hätte neun Monate Zeit für die rechtzeitige Beantragung der Vorsteuerbeträge im Erstattungsverfahren gehabt.
Auch die Tatsache, dass in den Vorjahren Veranlagungen ohne Umsatzerzielung (aufgrund von § 16 UStG Berichtigungen) durchgeführt wurden, vermag die durch die Erstattungsverordnung vorgegebenen Voraussetzungen nicht zu beseitigen und das Erstattungsverfahren durch das Veranlagungsverfahren zu verdrängen.
Selbst wenn die BF in den Vorjahren die Voraussetzungen für die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens erfüllt hat, ist dies für das beschwerdegegenständliche Jahr 2018 nicht relevant, da für die Umsatzsteuerveranlagung gemäß § 20 Abs. 1 UStG 1994 der Veranlagungszeitraum, und das ist grundsätzlich das jeweilige Kalenderjahr, maßgebend ist.
Die Rechtslage zur Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ist insofern eindeutig und unmissverständlich und beruhen die in der Erstattungsverordnung festgelegten Voraussetzungen im Übrigen auf der Richtlinie des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige und ist diese innerhalb des Gemeinschaftsgebietes für alle Unternehmen in gleicher Weise umgesetzt.
Ein Wahlrecht auf das Veranlagungsverfahren ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, die Verordnungsbestimmung verdrängt als lex specialis die allgemeinen Bestimmungen zur Veranlagung.
Da Vorsteuerbeträge bei Vorliegen der Voraussetzungen der Erstattungsverordnung nicht im Zuge des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens gewährt werden können, war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im beschwerdegegenständlichen Fall nicht vor, die zwingende Anwendung des Erstattungsverfahrens ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 3 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100293.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at