Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.12.2021, RV/7200016/2017

Entstehung der Verbrauchsteuer für den Verbringer, der die Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame hält

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/16/0005. Mit Erkenntnis v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7200002/2024 erledigt.


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/7200016/2017-RS1
wie RV/7200075/2016-RS1
Die in § 7 Abs. 1 der Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung normierte Befreiung von den Verbrauchsteuern für Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, im grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf der Donau dem Verbrauch an Bord von zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Beförderungsmitteln durch Reisende oder die Besatzung zu dienen, kommt dann nicht zur Anwendung, wenn es sich beim Abgabenschuldner, der die Waren ohne Einhaltung des dafür vorgeschriebenen Verfahrens ins Steuergebiet verbracht hat, weder um den Bezieher noch um den Begünstigten gem. § 7 Abs. 4 leg. cit. handelt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Naue Steuerberatungsgesellschaft mbH, Wipplingerstraße 25/31a, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien (nun Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***100000/00000/2016***, betreffend Alkoholsteuer und Säumniszuschlag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beisein der Schriftführerin ***MH*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Rahmen einer amtlichen Verbrauchsteueraufsichtsmaßnahme am beim ***1*** in Wien wurde vom Zollamt Wien festgestellt, dass Belieferungen von Donauschiffen mit Waren aus dem verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr Deutschlands erfolgten. Die Firma ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) belieferte verschiedene Donauschiffe, die im Personenverkehr auf der Donau eingesetzt wurden. Bei diesen Lieferungen handelte es sich üblicherweise um zollhängige Waren, die aus einem deutschen Zolllager stammten bzw um verbrauchsteuerpflichtige Waren aus einem deutschen Steuerlager, die sich im Steueraussetzungsverfahren befanden. Für die Verbringungen dieser Waren wurde je nach Lage des Falles ein Zollverfahren bzw ein Steueraussetzungsverfahren in Anspruch genommen. Zusätzlich wurde die Vorlage eines "Lieferzettels für Schiffs- und Reisebedarf' verlangt, auf dem die Empfangsbestätigung durch den Schiffsführer angebracht werden musste. Der jeweilige Schiffsführer bestätigte die Übernahme der verbrauchsteuerpflichtigen Waren auf das Schiff sowie die Zuführung der Waren zum befreiten Zweck (Abgabe an Reisende und Bordpersonal).
Im Rahmen der Administrativen Kooperation mit der deutschen Zollbehörde wurde in der Folge festgestellt, dass die Bf auch laufend verbrauchsteuerpflichtige Waren aus dem verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr Deutschlands angeliefert hat.
Da die von der deutschen Zollbehörde übermittelte Aufstellung der Schiffsbelieferungen lediglich die Bezieher (Schiffsnamen), die Warenkategorie, die für die Waren gezahlten Gesamtbeträge und Kundenauftragsnummern, jedoch keine Auskunft über die Art und Menge an verbrauchsteuerpflichtigen Waren beinhaltete, ist die Bf mit Schreiben vom vom Zollamt aufgefordert worden, eine genaue Aufstellung über die Art und Menge der verbrauchsteuerpflichtigen Waren für die Schiffsbelieferungen im betreffenden Zeitraum beizubringen. Sollte eine derartige Aufstellung nicht erstellt werden können, möge die Bf die Lieferscheine für die betreffenden Belieferungen beibringen. Die Bf kam der Aufforderung innerhalb der ihr auferlegten Frist nicht nach. Mangels Vorliegen der tatsächlichen Daten (Art und Menge der verbrauchsteuerpflichtigen Waren) waren die Bemessungsgrundlagen für die Vorschreibung der Verbrauchsteuern vom Zollamt daher gemäß § 184 Abs 1 BAO zu schätzen.

Mit Bescheid vom , Zahl: ***100000/00000/2016***, hat das Zollamt Wien die für die Bf gemäß § 49 Abs 2 Alkoholsteuergesetz (AlkStG) entstandene Alkoholsteuer für die Verbringungen von März bis Juli 2015 sowie einen Säumniszuschlag festgesetzt.
Die Bf habe die Erzeugnisse aus dem freien Verkehr Deutschlands erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet, jedoch keine entsprechende Anzeige an das Zollamt erstattet und auch keine Steueranmeldung abgegeben. Auch ein vereinfachtes Verwaltungsdokument sei bei der Beförderung der Erzeugnisse nicht mitgeführt worden.
Durch die Unterlassung des Verfahrens gemäß § 49 Abs 3 und § 50 AlkStG iVm § 7 Abs 1 und 4 Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung (VStBefrV) sei die Alkoholsteuerschuld entstanden und gemäß § 201 Abs 1 und Abs 2 Z 3 BAO festzusetzen.
Zusätzlich sei ein Säumniszuschlag in Höhe von 2% festzusetzen, weil die wegen Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens sofort fällige Abgabe bisher nicht entrichtet worden sei.
Ob Selbstberechnungsabgaben von Amts wegen festgesetzt werden, liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Festsetzung erfolgte unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten amtlichen Aufsicht und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung wäre dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteressen an der Beibehaltung der Nichtversteuerung) einzuräumen gewesen. Im Rahmen des Auswahlermessens erfolge die Vorschreibung der Alkoholsteuer und des Säumniszuschlages an die primäre Abgabenschuldnerin.

Mit Schreiben vom hat die Bf durch ihren Vertreter Beschwerde gegen den Abgabenbescheid erhoben und dessen ersatzlose Aufhebung beantragt.
Gemäß § 7 Abs 1 VStBefrV seien verbrauchsteuerpflichtige Waren, die im grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf der Donau zum Verbrauch an Bord eines zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Beförderungsmittels bestimmt sind, von den Verbrauchsteuern befreit. Obwohl im vorliegenden Fall das hierfür erforderliche Verfahren nicht eingehalten worden sei, wäre auch von Seiten des Zollamtes unstrittig, dass die eingeführten verbrauchsteuerpflichtigen Waren für einen verbrauchsteuerbefreiten Zweck bestimmt waren. Aufgrund der Verbrauchsteuer als Objektsteuer, stehe hier nicht der Steuerpflichtige bzw dessen Verhalten im Fokus der Steuer, sondern rein die verbrauchsteuerpflichtigen Waren. Gemäß dem Wortlaut der Verordnung seien die Waren von der Verbrauchsteuer zu befreien, da diese unzweifelhaft für einen befreiten Zweck bestimmt seien. Hier wären aber gerade diese Waren einer Verbrauchsteuer unterworfen worden. Dies entspreche nicht dem Wortlaut der Verordnung. Bestimmte Formalvoraussetzungen zum Ausschluss von Missbräuchen und Steuerverkürzungen vorzuschreiben sei zulässig, könne jedoch keine materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung sein, wenn der Sachverhalt unstrittig sei.
Einwände gegen die Schätzung der Bemessungsgrundlagen wurden von der Bf nicht vorgebracht.

Die Beschwerde wurde vom Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***100000/00000/2016-1***, als unbegründet abgewiesen.
Anlässlich der Lieferungen der verfahrensgegenständlichen verbrauchsteuerpflichten Waren sei weder eine vorherige Anzeige iSd § 49 Abs 3 AlkStG erfolgt noch sei die Abgabenbehörde in anderer Weise über die Lieferungen informiert worden (zB durch Vorlage von vereinfachten Begleitdokumenten zur Bestätigung der ordnungsgemäßen steuerlichen Erfassung im Steuergebiet im Anschluss an die Lieferungen). Somit sei zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise der Versuch unternommen worden, die Gelegenheit für einen unversteuerten Bezug iSd § 4 Abs 4 Z 7 AlkStG zu erwirken, indem eine steuerbefreiende Zweckbestimmung glaubhaft gemacht worden wäre. Da die Glaubhaftmachung der Zweckbestimmung als Voraussetzung für einen unversteuerten Bezug der verfahrensgegenständlichen Lieferungen daher nicht erfolgte, sei die Steuerschuld dadurch entstanden, dass die Waren aus diesen Lieferungen im Steuergebiet erstmalig durch die Bf zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet wurden.

Mit Schreiben vom hat die Bf durch ihren Vertreter die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Bf bringt im Wesentlichen vor, § 7 Abs 4 VStBefrV sehe kein bestimmtes Verfahren vor, sondern es reiche aus, das Vorliegen des Befreiungsgrundes glaubhaft zu machen. Selbst die Behörde gehe davon aus, dass die Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren der Bf an Donauschiffahrtsunternehmen erfolgt seien, weshalb der Beweis hierüber eindeutig erbracht sei.
Der Zweck von § 49 AlkStG sei eine Rückerstattungsmöglichkeit von bereits bezahlter Verbrauchsteuer im Ursprungsland und nicht der Beweis einer Steuerbefreiung gemäß § 7 Abs 4 VStBefrV.
Für Steuerbefreiungen sei jeweils der verwirklichte Sachverhalt maßgeblich und nicht die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens.
Zuletzt könne sich die Bf außerdem auf Vertrauensschutz berufen, weil man sich vorab beim Zollamt Wien erkundigt habe und zwei namentlich genannte Beamte, die man gegebenenfalls als Zeugen benenne, formlos mitgeteilt hätten, das vereinfachte Begleitdokument sei in dieser Konstellation nicht anwendbar.
Auch die jahrelange Praxis, dass die belangte Behörde die EMCS-Meldungen über Waren aus Steuerlagern ohne Vorschreibung einer Steuer oder auch nur einen informellen Hinweis stets zur Kenntnis genommen habe, habe bei der Bf zur berechtigten Annahme geführt, dieses Vorgehen sei aus Sicht des Zollamtes richtig.

Die beantragte mündliche Verhandlung hat am am Sitz des Bundesfinanzgerichtet stattgefunden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Systemrichtlinie) idmF lautet auszugsweise:

"Artikel 33

(1) Unbeschadet des Artikels 36 Absatz 1 unterliegen verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, sofern sie zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten und dort zur Lieferung oder Verwendung vorgesehen sind, der Verbrauchsteuer, die in diesem anderen Mitgliedstaat erhoben wird.
Als "Besitz zu gewerblichen Zwecken" im Sinne dieses Artikels gilt der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch eine Person, die keine Privatperson ist, oder durch eine Privatperson, sofern diese die Waren nicht für den Eigenbedarf erworben und, im Einklang mit Artikel 32, selbst befördert hat.

(2) Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in diesem anderen Mitgliedstaat gelten.

(3) Steuerschuldner der zu entrichtenden Verbrauchsteuer ist entsprechend der in Absatz 1 genannten Fälle entweder die Person, die die Lieferung vornimmt oder in deren Besitz sich die zur Lieferung vorgesehenen Waren befinden oder an die die Waren im anderen Mitgliedstaat geliefert werden.

(4) Unbeschadet des Artikels 38 gilt der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden und anschließend innerhalb der Gemeinschaft zu gewerblichen Zwecken befördert werden, vor ihrer Ankunft im Bestimmungsmitgliedstaat nicht als solchen Zwecken dienend, wenn die Waren unter Einhaltung der in Artikel 34 festgelegten Formalitäten befördert werden.

(5) Der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren, die sich an Bord eines zwischen zwei Mitgliedstaaten verkehrenden Wasser- oder Luftfahrzeugs befinden, aber nicht zum Verkauf stehen, solange sich das betreffende Fahrzeug im Gebiet eines Mitgliedstaats befindet, gilt in diesem Mitgliedstaat nicht als gewerblichen Zwecken dienend.

(6) Die Verbrauchsteuer wird im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr auf Antrag erstattet oder erlassen, wenn die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaats feststellen, dass der Steueranspruch in diesem Mitgliedstaat entstanden ist und die Steuerschuld dort auch erhoben wurde.

Artikel 34

(1) In den in Artikel 33 Absatz 1 genannten Fällen werden verbrauchsteuerpflichtige Waren zwischen den Gebieten der verschiedenen Mitgliedstaten unter Mitführung eines Begleitdokuments befördert, das die wichtigsten Angaben des Dokuments nach Artikel 21 Absatz 1 enthält.
Die Kommission legt nach dem in Artikel 43 Absatz 2 genannten Verfahren Bestimmungen zu Form und Inhalt dieses Dokuments fest.

(2) Die in Artikel 33 Absatz 3 genannten Personen sind verpflichtet:
a) vor dem Versand der Waren bei den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats eine Anmeldung abzugeben und eine Sicherheit für die Entrichtung der Verbrauchsteuern zu leisten;
b) nach dem vom Bestimmungsmitgliedstaats festgelegten Verfahren die Verbrauchsteuer des Bestimmungsmitgliedstaats zu entrichten;
c) alle Kontrollen zu dulden, die es den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats ermöglichen, sich vom tatsächlichen Eingang der verbrauchsteuerpflichtigen Waren und der Entrichtung der dafür geschuldeten Verbrauchsteuern zu überzeugen.
Der Bestimmungsmitgliedstaat kann in den Fällen und nach den Modalitäten, die er festlegt, die Vorschriften unter Buchstabe a vereinfachen oder eine Abweichung von diesen Vorschriften gestatten. In diesem Fall setzt er die Kommission hiervon in Kenntnis, die ihrerseits die übrigen Mitgliedstaaten informiert.

Artikel 35

(1) Für verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden und die durch das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu einem Bestimmungsort im erstgenannten Mitgliedstaat befördert werden, gilt Folgendes:
a) bei einer solchen Beförderung ist das Begleitdokument nach Artikel 34 Absatz 1 mitzuführen, und es ist ein geeigneter Transportweg zu wählen;
b) der Versender gibt vor dem Versand der verbrauchsteuerpflichtigen Waren bei den zuständigen Behörden des Abgangsortes eine Anmeldung ab;
c) der Empfänger bescheinigt den Empfang der Waren nach den Vorschriften der zuständigen Behörden des Bestimmungsortes;
d) Versender und Empfänger dulden alle Kontrollen, die es ihren jeweiligen zuständigen Behörden ermöglichen, sich vom tatsächlichen Eingang der Waren zu überzeugen.

(2) Werden verbrauchsteuerpflichtige Waren häufig und regelmäßig unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen befördert, so können die betreffenden Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen nach den von ihnen festzulegenden Modalitäten die Vorschriften nach Absatz 1 vereinfachen.

Artikel 38

1) Wurde während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren gemäß Artikel 33 Absatz 1 oder Artikel 36 Absatz 1 in einem Mitgliedstaat, der nicht der Mitgliedstaat ist, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, eine Unregelmäßigkeit begangen, so unterliegen diese Waren der Verbrauchsteuer, die in dem Mitgliedstaat anfällt, in dem die Unregelmäßigkeit eingetreten ist.

(2) Wurde während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren gemäß Artikel 33 Absatz 1 oder Artikel 36 Absatz 1 in einem Mitgliedstaat, der nicht der Mitgliedstaat ist, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, eine Unregelmäßigkeit festgestellt und lässt sich der Ort, an dem sie begangen wurde, nicht feststellen, so gilt die Unregelmäßigkeit als in dem Mitgliedstaat begangen, in dem sie entdeckt wurde, und die Verbrauchsteuer ist in diesem Mitgliedstaat zu entrichten.
Lässt sich jedoch vor Ablauf einer Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Erwerbs der verbrauchsteuerpflichtigen Waren bestimmen, in welchem Mitgliedstaat die Unregelmäßigkeit tatsächlich begangen wurde, so findet Absatz 1 Anwendung.

(3) Steuerschuldner ist die Person, die nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe a oder Artikel 36 Absatz 4 Buchstabe a die Sicherheit für die Entrichtung der Steuer geleistet hat, und jede Person, die an der Unregelmäßigkeit beteiligt war.
Die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, erstatten oder erlassen auf Antrag die Verbrauchsteuer, wenn diese in dem Mitgliedstaat erhoben wurde, in dem die Unregelmäßigkeit begangen oder entdeckt wurde. Die zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats geben die Sicherheitsleistung nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe a oder Artikel 36 Absatz 4 Buchstabe a frei.

(4) Als "Unregelmäßigkeit" im Sinne des vorliegenden Artikels gilt ein während einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach Artikel 33 Absatz 1 oder Artikel 36 Absatz 1 eintretender Fall, der nicht durch Artikel 37 abgedeckt ist, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht ordnungsgemäß beendet wurde."

§ 49 AlkStG idmF lautet:

"(1) Wird ein Erzeugnis aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuerschuld dadurch, daß der Bezieher
1. das Erzeugnis im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
2. das außerhalb des Steuergebietes in Empfang genommene Erzeugnis in das Steuergebiet verbringt oder verbringen läßt.
Der Steuerschuldner ist der Bezieher und jede Person, in deren Gewahrsame sich das Erzeugnis befindet. Der Bezug durch ehe Einrichtung des öffentlichen Rechts steht dem Bezug zu gewerblichen Zwecken gleich.

(2) Wird ein Erzeugnis aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates in anderen als den in Abs. 1 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuerschuld dadurch, dass es erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet wird. Steuerschuldner ist, wer das Erzeugnis in Gewahrsame hält oder verwendet. Die Steuerschuld entsteht nicht, wenn der im Steuergebiet in Gewahrsame gehaltene Alkohol
1. für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt ist und unter zulässiger Verwendung eines Begleitdokuments nach § 50 durch das Steuergebiet befördert wird oder
2. sich an Bord eines zwischen dem Steuergebiet und einem anderen Mitgliedstaat verkehrenden Wasser- oder Luftfahrzeugs befindet, aber nicht im Steuergebiet zum Verkauf steht.

(2a) § 8 Abs. 3 gilt sinngemäß.

(3) Wer ein Erzeugnis nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 erster Satz beziehen, in Gewahrsame halten oder verwenden will, hat dies dem Zollamt, in dessen Bereich er seinen Geschäfts- oder Wohnsitz hat, vorher anzuzeigen und für die Steuer Sicherheit zu leisten. Hat der Anzeigepflichtige keinen Geschäfts- oder Wohnsitz im Steuergebiet, ist die Anzeige beim Zollamt Innsbruck zu erstatten.

(4) In der Anzeige sind die Art des Erzeugnisses, die voraussichtlich benötigte Menge und der Zweck anzugeben, für den das Erzeugnis bezogen, in Gewahrsame gehalten oder verwendet werden soll; dabei ist auch anzugeben, ob gleichartige Erzeugnisse des freien Verkehrs gehandelt, gelagert oder verwendet werden.

(5) Der Steuerschuldner hat für das Erzeugnis, für das die Steuerschuld entstanden ist, unverzüglich bei dem Zollamt, in dessen Bereich der Steuerschuldner seinen Geschäfts- oder Wohnsitz hat, in Ermangelung dessen beim Zollamt Innsbruck, eine Steueranmeldung abzugeben, die Steuer zu berechnen und diese spätestens am 25. des auf das Entstehen der Steuerschuld folgenden Kalendermonats zu entrichten. Wird das Verfahren nach Abs. 3 nicht eingehalten, ist die Steuer unverzüglich zu entrichten. Hat in diesen Fällen der Steuerschuldner keinen Geschäfts- oder Wohnsitz im Steuergebiet, ist das als erstes befasste Zollamt zuständig.

(6) Für die Anmeldung und Entrichtung gilt § 10 Abs. 4 und 6 sinngemäß."

§ 50 AlkStG lautet:

"(1) Wird ein Erzeugnis des freien Verkehrs aus anderen Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht, hat der Beförderer bei der Beförderung die zweite und dritte Ausfertigung des vereinfachten Verwaltungsdokuments oder des entsprechenden Handelsdokuments nach Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3649/92 der Kommission vom über ein vereinfachtes Begleitdokument für die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die sich bereits im steuerrechtlich freien Verkehr des Abgangsmitgliedstaates befinden (ABl. EG Nr. L 369 S. 17), mitzuführen.

(2) Ist bei der Beförderung eine Empfangsbestätigung nach Artikel 4 der im Abs. 1 angeführten Verordnung erforderlich, hat der Anzeigepflichtige (§ 49 Abs. 3) die für den Lieferer bestimmte Ausfertigung des vereinfachten Begleitdokuments mit der vom Abgangsmitgliedstaat vorgesehenen Empfangsbestätigung unverzüglich an den Lieferer zurückzusenden. Das Zollamt hat auf Antrag die Anmeldung oder Entrichtung der Steuer zu bestätigen."

§ 7 VStBefrV lautet:

"(1) Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die im grenzüberschreitenden Luftverkehr oder im grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf der Donau zum Verbrauch an Bord eines zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Beförderungsmittels durch Reisende oder die Besatzung bestimmt sind, sind von den Verbrauchsteuern befreit.

(2) Verbrauchsteuerpflichtige Waren, die während einer Beförderung, die im Steuergebiet beginnt und in einem Drittland endet,
1. an Bord von Luftfahrzeugen oder Donauschiffen an Reisende abgegeben werden oder abgegeben werden sollen und
2. vom Reisenden, vom Luftfahrtunternehmen oder vom Schifffahrtunternehmen unmittelbar in das Drittland ausgeführt werden,
sind von den Verbrauchsteuern befreit. Die Steuerbefreiung gilt auch für Waren, die von Verkaufsstellen abgegeben und im persönlichen Gepäck von Reisenden mitgeführt werden, die sich im Luftverkehr unmittelbar in ein Drittland begeben.

(3) Verkaufsstellen im Sinne des Abs. 2 sind auf Flughäfen gelegene Geschäfte, deren Inhabern vom Hauptzollamt, in dessen Bereich sich das jeweilige Verkaufslokal befindet, die steuerfreie Abgabe von verbrauchsteuerpflichtigen Waren bewilligt wurde. Die Bewilligung ist nur Betriebsinhabern zu erteilen, die ordnungsgemäß kaufmännische Bücher führen, rechtzeitig Jahresabschlüsse aufstellen und gegen deren steuerliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen. Bewilligte Verkaufsstellen gelten beim Bezug verbrauchsteuerpflichtiger Waren als Steuerlager. Sie haben insbesondere die für Steuerlager geltenden Aufzeichnungs- und Anmeldepflichten zu erfüllen.

(4) Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine steuerfreie Abgabe der Waren nach Abs. 1 und Abs. 2 muss von dem Unternehmen, das die Begünstigung in Anspruch nimmt, nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. "

Die Bf bekämpft den angefochtenen Bescheid insbesondere mit dem Einwand, dass alle in Rede stehenden Erzeugnisse für den Verbrauch auf grenzüberschreitenden Donauschiffen bestimmt gewesen seien. Aus diesem Umstand leitet sie das Recht auf Befreiung von den Verbrauchsteuern gemäß § 7 Abs 1 VStBefrV ab. Ihrer Ansicht nach sollte der (außer Streit stehende) Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften (Pflicht zur vorherigen Anzeige, Verwendung eines vereinfachten Begleitdokumentes) einer Befreiung nach der genannten Norm nicht entgegenstehen.

Die belangte Behörde geht in dem angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Verbrauchsteuer für die Bf nicht durch einen Bezug zu gewerblichen Zwecken, sondern durch deren Verbringung in das Steuergebiet entstanden ist. Das Zollamt hat daher den § 49 Abs 2 AlkStG zur Anwendung gebracht (Steuerschuldentstehung wegen eines Verbringens in anderen als den in Abs 1 genannten Fällen) und die Bf nicht als Bezieherin nach Abs 1 herangezogen.

Zur Verwirklichung dieses Abgabentatbestands wird im Gesetz gefordert, dass die betreffenden Waren erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer diese Ware in Gewahrsame hält oder verwendet.

Es ist zunächst zu prüfen, ob die Bf die Waren in Gewahrsame gehalten hat. Bei der Gewahrsame einer Person über verbrauchsteuerpflichtige Ware reicht es aus, dass sich die Erzeugnisse in der Macht dieser Person, ihres Inhabers, befinden (§ 309 erster Satz ABGB). Die Innehabung ist ein tatsächlicher Zustand ohne Rücksicht auf das Recht zum Gebrauch und die Art des Erwerbs; sie ist nicht bloß räumlich-körperlich zu verstehen, sondern als äußere Erscheinung der Herrschaft über den Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung (Klicka, in Schwimmann ABGB 3, II, § 309, Rz. 2). Die Innehabung kann auch durch abhängige Gehilfen ausgeübt werden (aaO, Rz. 3).

Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu besitzen, so ist er ihr Besitzer (§ 309 zweiter Satz ABGB). Der Besitz setzt also die äußere Innehabung ("corpus") voraus, verlangt aber zusätzlich den Willen des Inhabers, die Sache für sich zu haben ("animus").

Die Wirtschaftsgüter standen im Eigentum der Bf, die auch als Verfügungsberechtigte anzusehen ist. Die Verbringung ins Steuergebiet erfolgte zum Zweck der Lieferung der Waren an ihre Kunden (diverse Donauschifffahrtsunternehmen, die als "Bezieher" der Waren iSd verbrauchsteuerrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen sind) durch einen von ihr beauftragten Warenführer. Für das Bundesfinanzgericht steht auf Grund dieser Umstände außer Zweifel, dass es sich bei der Bf zum Zeitpunkt der Verbringung der in Rede stehenden verbrauchsteuerpflichtigen Waren ins Steuergebiet um deren Besitzerin gehandelt hat. Das Tatbestandsmerkmal der Gewahrsame ist somit jedenfalls erfüllt. Gegenteiliges behauptet auch die Bf nicht.

Die Bf bestreitet auch nicht, dass sie die Waren "zu gewerblichen Zwecken" in Gewahrsame gehalten hat. Als "Besitz zu gewerblichen Zwecken" gilt gemäß der Legaldefinition in Art. 33 Abs. 1 letzter Satz der Systemrichtlinie ua der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch eine Person, die keine Privatperson ist. Da die Bf mit den verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsgütern im Rahmen ihres Unternehmens Handel betrieb, ist das Zollamt zu Recht vom Vorliegen gewerblicher Zwecke ausgegangen. Auch die Bf selbst spricht im gegebenem Zusammenhang von der "Einfuhr zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet".

In einem Erkenntnis aus dem Jahr 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof zur Entstehung der Abgabenschuld bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren (damals: Zigaretten) folgendes Beispiel aufgestellt ():

"Die Person, welche Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbringt, hat zum Zeitpunkt des Verbringens auch die (im Steuergebiet) erstmalige Gewahrsame an den verbrachten Tabakwaren und wird daher zum Steuerschuldner nach Abs. 2. Ist sie allerdings gleichzeitig auch Bezieher der Tabakwaren, so wird sie Steuerschuldner nach § 27 Abs. 1 TabStG)."

Umgelegt auf den Streitfall folgt aus dieser Rechtsprechung, dass auch hier die Steuerschuld gemäß den vom Zollamt herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen zum Zeitpunkt des Verbringens entstanden ist. Die Bf, bei der es sich zweifellos nicht um die Bezieherin handelte, hat nämlich dadurch, dass sie die verfahrensgegenständlichen aus dem aus dem freien Verkehr Deutschlands stammenden verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu gewerblichen Zwecken per LKW von Deutschland nach Österreich verbringen hat lassen, die genannten Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten.
Sie hat damit hinsichtlich der alkoholsteuerpflichtigen Erzeugnisse den Tatbestand des § 49 Abs 2 AlkStG verwirklicht. Die Bf kann daher mit ihrem Einwand, die Bestimmungen des § 49 Abs 3 und 4 AlkStG setzten keinen Steuertatbestand, nichts gewinnen.

Die Bf ist Abgabenschuldnerin, weil sie die angeführten Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame hielt. Die Zuständigkeit der österreichischen Abgabenbehörden ergibt sich aus Art. 33 Abs. 1 erster Satz der Systemrichtlinie.

Diese Ansicht findet ihre Bestätigung auch in der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat in seinem (noch zur Vorgängerregelung der nunmehr gültigen Systemrichtlinie ergangenen) Urteil C-175/14 vom unter Rn. 21 zur Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Besteuerung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die nach Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaates in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, ausgeführt:

"Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/12 die allgemeine Regel aufstellt, dass eine verbrauchsteuerpflichtige Ware, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist und sich zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat befindet, im letztgenannten Staat besteuert wird. Der Steueranspruch entsteht somit im Bestimmungsmitgliedstaat der Ware und nicht im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr (Urteil Meiland Azewijn, C - 292/02, EU:C:2004:499, Rn. 35)"

In einem weiteren Urteil hatte der EuGH zu prüfen, ob die Verbrauchsteuer im betreffenden Mitgliedstaat selbst dann entsteht, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nachweislich nicht in diesem Mitgliedstaat verbraucht worden sind. In jenem Verfahren hat die Griechische Republik geltend gemacht, dass der Verkauf von Mineralölerzeugnissen an den Tankstellen an den Grenzübergangsstellen Kipoi Evrou, Kakavia und Euzonoi nicht zur Entstehung eines Verbrauchsteueranspruchs führe, da der Kraftstoff zwar aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen, aber unmittelbar in ein "Ausfuhrzollverfahren" übergeführt werde ().
Der EuGH hat diese Rechtsansicht nicht geteilt und unter Rn. 49 ausgesprochen:
"Da folglich das Betanken der Kraftstofftanks der Fahrzeuge wie der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden als "Entnahme" und damit als "Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr" im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 2008/118 zu beurteilen ist, ist der Umstand, dass der Kraftstoff später oder sogar gleichzeitig in ein "Ausfuhrzollverfahren" übergeführt wird, ohne Bedeutung für das Entstehen des Verbrauchsteueranspruchs…"
Zur Verhältnismäßigkeit hat der EuGH in diesem Urteil unter Rn. 56 festgestellt:
"Das Vorbringen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Auslegung der Richtlinie 2008/118 erfordere, die den Verkauf von steuerfreien Mineralölerzeugnissen unter den Umständen des vorliegenden Falles erlaube, ist als unbegründet zurückzuweisen. Diese Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, dass praeter legem eine Abweichung von Art. 7 der Richtlinie 2008/118 zugelassen würde, und dem Ziel der Harmonisierung der Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs schaden, auf deren Bedeutung für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde."

Angesichts dieser Rechtsprechung ist auch im Streitfall zu betonen, dass nichts für eine Abweichung von den in Art. 33 der Systemrichtlinie festgelegten Bestimmungen spricht, zu deren Umsetzung die im vorliegenden Fall herangezogenen nationalen Abgabenentstehungstatbestände ergangen sind.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass zur Gewährleistung der Steuererhebung ein System der Überwachung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren geschaffen wurde, um die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, die Beförderungen dieser Waren zu verfolgen (siehe 20. Erwägungsgrund der Systemrichtlinie).
Dieses Überwachungssystem ist in § 50 AlkStG geregelt und entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben (siehe Art. 34 Abs. 1 der Systemrichtlinie). Die Bf hat dieses Verfahren über Jahre missachtet und den zuständigen Behörden Österreichs damit die Möglichkeit genommen, eine Überprüfung der in Rede stehenden Erzeugnisse (hinsichtlich der Art und Menge und hinsichtlich anderer abgabenrelevanter Parameter, wie zB des Alkoholgehalts) vorzunehmen. Auch bei der Klärung der Frage, ob und wie viele der beförderten Waren tatsächlich an ein begünstigtes Unternehmen iSd § 7 Abs 4 VStBefrV geliefert wurden, kann sich das Zollamt nicht auf das Ergebnis eigener Überwachungsmaßnahmen stützen, sondern ist ausschließlich auf die Angaben der Bf angewiesen, deren Richtigkeit sie nur mehr buchmäßig überprüfen kann.

Der Gesetzgeber hat an die Missachtung der erwähnten gesetzlichen Bestimmungen unmissverständlich das Entstehen des Verbrauchsteueranspruches geknüpft. Regelungen dahingehend, dass die Steuer ausnahmsweise nicht entsteht, wenn die betreffenden Waren an Donauschifffahrtsunternehmen geliefert werden, bestehen nicht.

Eine Auslegung im Sinne des Beschwerdevorbringens, die darauf hinausläuft, dass das gesetzlich festgelegte Überwachungssystem für bestimmte verbrauchsteuerpflichtige Waren überhaupt nicht gelten soll, wäre nicht nur contra legem sondern stünde auch im Widerspruch mit den oben erwähnten Intentionen der Systemrichtlinie, die ua auf die Herstellung eines derartigen Kontrollmechanismus abstellt.

Damit ist auch die Argumentation der Bf widerlegt, die meint, die Verwendung von verbrauchsteuerrechtlichen Begleitdokumenten bezwecke (nur) die Schaffung einer Rückerstattungsmöglichkeit von bereits bezahlten Verbrauchsteuern im "Ursprungsland".

Der einmal entstandene Abgabenanspruch erlischt vor allem durch einen gesetzlichen Tilgungstatbestand wie zB durch die Entrichtung gemäß § 211 BAO (), durch Löschung gemäß § 235 BAO sowie durch Nachsicht gemäß § 236 BAO (). Der Bf kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie das Bestehen des Abgabenanspruches mit der Begründung verneint, die in Rede stehenden Erzeugnisse seien auf Grund der Erfüllung der Voraussetzungen der Bestimmungen des § 7 Abs 1 der VStBefrV von der Steuer befreit.
Die durch die oben dargestellten Handlungen der Bf bereits unmittelbar nach der Überschreitung der Grenze zum Steuergebiet erfolgte Verwirklichung des Abgabenanspruches kann daher durch die spätere Lieferung an Donauschifffahrtsunternehmen nicht ungeschehen gemacht werden.

Der Bf ist zuzustimmen, wenn sie darauf hinweist, dass die von ihr mehrmals angesprochene VStBefrV auf Grund der in § 4 Abs 4 Z 7 AlkStG normierten Verordnungsermächtigung ergangen ist. Die betreffende Bestimmung lautet:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung zur Durchführung insbesondere von Art. 14 und 41 der Systemrichtlinie Unternehmen auf Flughäfen oder an Bord von Flugzeugen oder Schiffen zu gestatten, Erzeugnisse unversteuert zu beziehen und im grenzüberschreitenden Reiseverkehr steuerfrei zum Verbrauch an Bord oder im Rahmen bestimmter Mengen als Reisebedarf an Reisende abzugeben sowie die dazu notwendigen Verfahrensvorschriften zu erlassen".

Die zitierte Norm zielt somit unmissverständlich darauf ab, den unversteuerten Bezug durch bestimmte (begünstigte) Unternehmen zu ermöglichen. Der vorliegende Fall betrifft aber - wie erwähnt - nicht den Bezug zu gewerblichen Zwecken (Tatbestand des § 49 Abs 1 AlkStG), sondern eine Verbringung gemäß § 49 Abs 2 AlkStG (siehe dazu die obigen Feststellungen, wonach die Bf nicht als Bezieherin anzusehen ist).

Darüber hinaus steht außer Streit, dass die Bf weder über die Berechtigung zum unversteuerten Bezug auf Flughäfen oder an Bord von Flugzeugen oder Schiffen noch zur steuerfreien Abgabe der genannten Waren verfügt.
Da somit nur ein unversteuerter Bezug und nicht etwa eine steuerschuldbegründende Verbringung iSd zitierten Bestimmung vom Regelungsumfang der genannten Verordnung erfasst ist, kann die Bf, bei der es sich nicht um ein begünstigtes Unternehmen iSd vorstehenden Ausführungen handelt, die begehrte Befreiung gemäß § 7 Abs 1 VStBefrV nicht für sich in Anspruch nehmen (vgl ).

Weder auf nationaler noch auf Unionsebene haben die Normsetzer für derartige Fälle einen Erlöschungstatbestand vorgesehen, der den Intentionen der Bf entspricht. Es fehlen auch die gesetzlichen Grundlagen für diesbezügliche Heilungs- bzw Erstattungs- oder Erlassmaßnahmen, die über das oben erwähnte Nachsichtsverfahren der BAO hinausgehen.

Die Bf weist darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wirtschaftlich gleiche Vorgänge auch gleich zu besteuern sind und baut auf diesen Überlegungen ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abgabenfestsetzung auf. Den daraus abgeleiteten Folgerungen der Bf vermag sich das Bundesfinanzgericht allerdings nicht anzuschließen.
Es trifft zwar zu, dass der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber insofern bindet, als er ihm verbietet, Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich zu behandeln. Er muss an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen, wesentlich ungleiche Tatbestände müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen. Der Gesetzgeber ist bei Erlassung einer Regelung, die eine rechtliche Ungleichbehandlung bewirkt, darüber hinaus an das aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot gebunden. Nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen sind daher verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe oder , G167/85 ua).
Solange keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegt, ist es dem einfachen Gesetzgeber bzw Verordnungsgeber aber auch erlaubt, im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums zu entscheiden, welche Regelung er bevorzugt und seine rechtspolitischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002).
Dem Gesetz(Verordnungs)geber kann daher nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn er an unterschiedliche Sachverhalte (hier: einerseits Bezug und andererseits Verbringung) unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft.

Die Bf kann auch mit dem geltend gemachten Umstand, seitens des Bundesministeriums für Finanzen sei bislang kein konkreter Erlass zur Lieferung derartiger Waren ergangen, nicht durchdringen. Gleiches gilt mit der unterschiedlichen Handhabung derartiger Sachverhalte durch die verschiedenen Mitgliedstaaten. Das Vorbringen, die richtige Vorgehensweise sei nicht ganz geklärt, kann jedenfalls nicht als Begründung für die Missachtung der eindeutig und unmissverständlich formulierten gesetzlich angeordneten verfahrensrechtlichen Bestimmungen dienen.

Auch der Einwand, die Bf sei der Überzeugung gewesen, in den konkreten Fällen sei auf Grund der Tatsache, dass alle betroffenen Erzeugnisse für Donauschifffahrtsunternehmen bestimmt waren, die Ausstellung eines verbrauchsteuerrechtlichen Begleitdokumentes nicht vorgeschrieben, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die vom Zollamt zu Recht herangezogenen oa Abgabentatbestände sind frei von subjektiven Tatbestandsmerkmalen.

Die Bf weist darauf hin, dass ca 80 - 90 % der Lieferungen nicht aus dem "deutschen freien Verkehr" sondern aus Steuerlagern geleistet worden seien. Daher sei im Großteil der Fälle das österreichische Zollamt über das Excise Movement and Control System (EMCS) ohnehin in genauer Kenntnis der Lieferungstermine und -mengen gewesen. Ein allfälliges Argument, das aus Sicht des Zollamts notwendige Procedere sei erforderlich, um einen Überblick über die ins Steuergebiet eingeführten verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu erhalten, gehe also im Großteil der Fälle ins Leere.
Dem ist zu entgegnen, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich solche Verbringungen sind, die dem Zollamt widerrechtlich nicht gemeldet und ohne Inanspruchnahme des EMCS befördert worden sind. Dass das Zollamt über die im EMCS ins Steuergebiet verbrachten Wirtschaftsgüter Bescheid wusste, ändert nichts an der Tatsache, dass es von den hier in Rede stehenden Verbringungen keine Kenntnis hatte.

Die Bf möchte Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen. Ihr sei als internationale Spedition die Ausstellung von vereinfachten Begleitdokumenten bekannt und alltägliche Praxis gewesen. Da es sich hier aber um einen ungewöhnlichen Fall gehandelt habe - anderes als im Regelfall, dass die Verbrauchsteuern nur ausgesetzt seien und später anfallen, sei hier davon auszugehen gewesen, dass die Steuern überhaupt nicht anfallen - sei Rücksprache mit dem Zollamt gesucht worden. Insbesondere zwei seinerzeit dort tätige namentlich genannte Herren, die sie gegebenenfalls als Zeugen benennt, hätten der Bf mitgeteilt, dass in dieser Konstellation das vereinfachte Begleitdokument nicht anwendbar sei. Da diese Praxis nicht offensichtlich rechtswidrig sei, könne sich die Bf - auch wenn diese Äußerungen nicht in Bescheidform erfolgt seien - auf den Vertrauensschutz berufen. Selbstverständlich hätte die Bf die Dokumente mitgeführt, wenn das Zollamt eine anderslautende Information erteilt hätte.
Die vom Bundesfinanzgericht dazu in einem gleich gelagerten Verfahren (RV/7200075/2018) befragten betreffenden Beamten des Zollamtes Wien gaben übereinstimmen bekannt, dass sie sich nicht an eine solche Auskunft erinnern können, bei der es um die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren des freien Verkehrs Deutschlands von Deutschland nach Österreich gegangen sei. Außerdem kam hervor, dass einer der Beamten schon seit 2006 nicht mehr beim Zollamt Wien tätig ist; der andere Beamte hat von 2009 bis 2017 beim Zollamt Wien keinen Dienst verrichtet.
Im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Bf sich damit einverstanden erklärt, dass diese Aussagen auch für das gegenständliche Verfahren Gültigkeit haben, und auf weitere Zeugeneinvernahmen verzichtet.
Dem erwähnten Vorbringen der Bf kommt daher bloß der Charakter einer Schutzbehauptung zu, die nicht geeignet ist, als Grundlage für die Anwendung des Vertrauensschutzes zu dienen. Dieser Eindruck wird durch die Tatsache bestärkt, dass der Vertreter der Bf nicht einmal ungefähr das Jahr der behaupteten Anfragen nennen konnten.

Die Argumentation der Bf, die jahrelange Praxis, dass das Zollamt die EMCS-Meldungen über Waren aus Steuerlagern ohne Vorschreibung einer Steuer und auch nur einen informellen Hinweis stets zur Kenntnis genommen habe, hätte bei ihr zur berechtigten Annahme führen müssen, dieses Vorgehen sei auch Sicht des Zollamtes richtig, ist nicht nachvollziehbar. Die Bf scheint dabei zu verkennen, dass es für die im EMCS beförderten Erzeugnisse keine Abgabenvorschreibung gegeben hat. Gegenstand des vorliegenden Steuerbescheides sind ausschließlich solche Mengen, die eben nicht mit vereinfachten Begleitdokumenten (also ohne Anwendung des EMCS) ins Steuergebiet verbracht worden sind.

Zur Vorschreibung des Säumniszuschlages, der von der Bf nicht ausdrücklich bekämpft wird, genügt die Feststellung, dass die betreffende Festsetzung nach der Aktenlage im Einklang mit den zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen zu Recht erfolgt ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, im grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf der Donau dem Verbrauch an Bord von zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Beförderungsmitteln durch Reisende oder die Besatzung zu dienen, selbst dann von den Verbrauchsteuern befreit sind, wenn die Verbringung in das Steuergebiet unter Nichteinhaltung des dafür vorgeschriebenen Verfahrens erfolgt, liegt - soweit ersichtlich - noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Die Revision war daher zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 50 AlkStG, Alkoholsteuergesetz, BGBl. Nr. 703/1994
§ 7 Abs. 1 und 4 VStBefrV, Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung, BGBl. Nr. 3/1995
§ 201 Abs. 1 und 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 49 Abs. 3 AlkStG, Alkoholsteuergesetz, BGBl. Nr. 703/1994
§ 4 Abs. 4 Z 7 AlkStG, Alkoholsteuergesetz, BGBl. Nr. 703/1994
§ 7 Abs. 4 VStBefrV, Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung, BGBl. Nr. 3/1995
§ 49 Abs. 2 AlkStG, Alkoholsteuergesetz, BGBl. Nr. 703/1994
RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom S. 12
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7200016.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at