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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.12.2021, RV/3100590/2021

Zurückweisung des Vorlageantrages wegen Nichtzustellung der Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., X-Straße, X-Ort, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner Rechtsanwälte, Maria-Theresien-Straße 24, 6020 Innsbruck, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachsicht einer Abgabenschuld gemäß § 236 BAO beschlossen:

1. Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt:

Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom hat das Finanzamt FA (nunmehr: Finanzamt Österreich) dem Beschwerdeführer eine Nachforderung an Einkommensteuer für 2014 in Höhe von € 1.300,00 vorgeschrieben.

Am brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers unter Berufung auf die erteilte Vollmacht gegen diesen Bescheid eine Beschwerde ein, stellte in eventu einen Nachsichtsantrag gemäß § 236 BAO und weiters Anträge auf Aussetzung gemäß § 271 BAO und auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO. Zum Nachsichtsantrag wurden begründend nähere Ausführungen dazu erstattet, dass hier eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO gegeben sei.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt FA die beantragte Aussetzung der Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 271 Abs. 1 BAO verfügt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Österreich die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem hier gegenständlichen Bescheid ebenfalls vom hat das Finanzamt Österreich den (Eventual)Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von € 1.300,00 (Einkommensteuer 2014) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der rechtsfreundliche Vertreter unter Berufung auf die erteilte Vollmacht am eine Beschwerde ein.

Mit "Beschwerdevorentscheidung" vom hat das Finanzamt Österreich diese Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Vorlageantrag vom beantragte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers - abermals unter Berufung auf die erteilte Vollmacht - die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Das Finanzamt Österreich legte diese Beschwerde unter Anschluss der relevanten Aktenteile dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht führte das Finanzamt Österreich unter anderem aus, dass in Bezug auf die Beschwerde vom [betreffend Einkommensteuer 2014] kein Vorlageantrag eingebracht worden sei.

Mit Schreiben vom teilte der rechtsfreundliche Vertreter dem Bundesfinanzgericht mit, die Ausführungen im Vorlagebericht, dass betreffend Einkommensteuer 2014 kein Vorlageantrag eingebracht worden sei, seien unrichtig. Auch an das Finanzamt Österreich habe der rechtsfreundliche Vertreter am ein diesbezügliches Schreiben gerichtet, wonach mit eingeschriebenem Brief vom ein (dem Schreiben beigelegter) Vorlageantrag betreffend Beschwerdevorentscheidung vom eingebracht worden sei. Dem Schreiben an das Bundesfinanzgericht waren eine Ausfertigung des Schreibens an das Finanzamt sowie eines derartigen Vorlageantrages angeschlossen.

Feststellungen und rechtliche Würdigung:

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 264 Abs. 4 lit e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.

Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen durch Zustellung.

Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den hier nicht relevanten 3. Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung).

Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 RAO erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.

Aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten ergibt sich, dass das Finanzamt FA bzw. seit das Finanzamt Österreich sämtliche oben angeführte Erledigungen unmittelbar dem Beschwerdeführer unter seiner Wohnanschrift X-Straße, X-Ort, zugestellt hat.

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung umfasst eine gemäß § 8 Abs. 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht auch eine Zustellvollmacht im Sinn des § 9 Zustellgesetz (vgl. z.B. , mit Hinweis auf ). Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers, der sich auf seine Bevollmächtigung berufen hat, ist daher Zustellungsbevollmächtigter.

Die belangte Behörde hätte somit nach § 9 Abs. 3 Zustellgesetz den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers als Empfänger bezeichnen müssen. Sowohl im Bescheid vom betreffend Abweisung des Antrags um Bewilligung einer Nachsicht als auch in der "Beschwerdevorentscheidung" vom wurden jedoch nicht der Zustellungsbevollmächtigte, sondern der Beschwerdeführer selbst als Empfänger bezeichnet. Beide genannten Erledigungen wurden dem Beschwerdeführer selbst zugestellt.

Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist (vgl. ; ). Eine Sanierung ist jedoch nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz möglich, wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt.

Ein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 9 Abs. 3 Zustellgesetz setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung per E-Mail (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 7 Zustellgesetz Tz 7).

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den rechtsfreundlichen Vertreter unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 1 RAO und § 9 Abs. 3 Zustellgesetz um schriftliche Auskunft unter Anschluss entsprechender Nachweise oder Belege, ob dem Zustellbevollmächtigten der Bescheid vom und/oder die Beschwerdevorentscheidung vom tatsächlich zugekommen ist und wann und auf welche Weise ein solches Zukommen des Bescheides und/oder der Beschwerdevorentscheidung erfolgt ist.

Mit Schreiben vom führte der rechtsfreundliche Vertreter unter Anschluss von Beilagen dazu aus wie folgt:

"Trotz der mir erteilten umfassenden Vollmacht, die auch eine Zustellvollmacht beinhaltet, wurde der Bescheid vom direkt an Herrn Bf. zugestellt. Der Bescheid wurde in der Folge von unserem Mandanten am in unserer Kanzlei persönlich übergeben.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde ebenfalls unserem Mandanten direkt zugestellt. Diese Beschwerdevorentscheidung wurde über einen Nachbarn unseres Mandanten per E-Mail vom unserer Kanzlei übermittelt.
Kopien des Bescheides sowie der E-Mail vom mit der angeschlossenen Beschwerdevorentscheidung übermittle ich in der Beilage. Die handschriftlichen Vermerke "Am erhalten" sowie "Erhalten am " stammen von Herrn
Bf.."

Daraus ergibt sich, dass der Zustellmangel hinsichtlich des angefochtenen Bescheides vom saniert wurde. Der Bescheid ist dem Zustellungsbevollmächtigten am tatsächlich zugekommen (§ 9 Abs. 3 Zustellgesetz), an diesem Tag gilt daher die Zustellung als bewirkt (§ 7 Zustellgesetz).

Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der "Beschwerdevorentscheidung" vom : nach dem Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters ist diesem dieses Schriftstück nicht tatsächlich zugekommen. Die Übermittlung per E-Mail führte nicht dazu, dass der Zustellungsbevollmächtigte die Gewahrsame über das Schriftstück erlangt hätte. Somit konnte die in § 9 Abs. 3 Zustellgesetz vorgesehene Heilungswirkung nicht eintreten. Die "Beschwerdevorentscheidung" vom 1.7.7021 konnte daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Beschwerdeführer entfalten.

Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrages ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (vgl. Ritz/Koran, aaO, § 264 Tz 6 mwN). Wurde ein Vorlageantrag eingebracht, obwohl keine Beschwerdevorentscheidung zugestellt wurde, so ist er gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Da die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung des Finanzamtes vom nicht rechtswirksam zugestellt wurde, war der Vorlageantrag vom gemäß § 260 Abs. 1 BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf folgende Umstände hingewiesen:

Das Finanzamt Österreich ging im gegenständlichen Beschwerdeverfahren offenkundig davon aus, dass die dem Nachsichtsansuchen zugrundeliegende Abgabe (Einkommensteuer 2014) rechtskräftig festgesetzt worden bzw. fällig (§ 236 BAO) sei (Beschwerdevorentscheidung vom ) bzw. dass diesbezüglich kein Vorlageantrag eingebracht worden sei (vgl. Vorlagebericht vom ). Bei der weiteren Bearbeitung der Beschwerde betreffend Nachsicht - welche, da die "Beschwerdevorentscheidung" vom nicht rechtswirksam ergangen ist, nach wie vor unerledigt ist - ist dies jedoch einer Überprüfung zu unterziehen:

1. Sowohl der Einkommensteuerbescheid 2014 vom als auch die aufgrund der vom rechtsfreundlichen Vertreter erhobenen Beschwerde ergangene Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2014 wurden direkt dem Beschwerdeführer zugestellt. Es wäre daher zu prüfen, ob diese Bescheide rechtswirksam ergangen sind (§ 9 Abs. 3 Zustellgesetz).

2. Mit Schreiben sowohl an das Finanzamt Österreich als auch an das Bundesfinanzgericht vom teilte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter unter Anschluss von Beilagen mit, er habe betreffend Einkommensteuer 2014 am beim Finanzamt Österreich einen Vorlageantrag eingebracht. Auch dieses Vorbringen wäre - unter Bedachtnahme auf die Prüfung der Rechtswirksamkeit der o.a. Zustellungen - seitens des Finanzamtes einer Überprüfung zu unterziehen.

Klarstellend wird bemerkt, dass die in Beilage zu einem Informationsschreiben erfolgte Übermittlung einer Ausfertigung eines Vorlageantrages durch den Beschwerdeführer keine Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht im Sinne des § 265 BAO darstellt.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Rechtsfolgen bei Vorliegen einer Zustellungsvollmacht folgt das Bundesfinanzgericht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Rechtsfolge der Zurückweisung eines unzulässigen Vorlageantrages ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es war daher die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Zustellvollmacht
Beschwerdevorentscheidung
Zustellung
Vorlageantrag
Verweise




Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., § 7 Zustellgesetz Tz 7
Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., § 264 Tz. 6
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100590.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at