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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2021, RV/6100367/2019

Schätzung mangels Vorlage von Unterlagen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuer 2011 nach der am über Antrag der Partei (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Salzburg abgehaltenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I)
Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 wird als unbegründet abgewiesen. Der Umsatzsteuerbescheid 2011 bleibt unverändert.

II)
Der Körperschaftsteuerbescheid 2011 wird abgeändert.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2011 betragen EUR 34.000,00. Daraus ergibt sich nach Berücksichtigung eines Verlustabzuges aus 2010 von EUR 25.500,00 ein Einkommen von EUR 8.500,00. Die errechnete Körperschaftsteuer beträgt EUR 2.125,00, wovon die Mindest-Körperschaftsteuer 2010 in Höhe von EUR 546,00 in Abzug zu bringen ist.
Die festgesetzte Körperschaftsteuer 2011 beträgt EUR 1.579,00.

III)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Diese Beschwerde fällt in die Zuständigkeit der Fachgebiete FU 5 und FK 7 und damit in die Zuteilungsgruppe 7001. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.

Gem. § 323b trat das Finanzamt Österreich am an die Stelle des Finanzamtes Salzburg-Stadt.

I. Verfahrensgang, Akteninhalt

Die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) ist eine 2010 gegründete österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (FN ####x), über die auf Antrag der Republik Österreich wegen rückständiger Abgabenschulden mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom ##.##.2013 der Konkurs eröffnet worden war, infolge dessen die Gesellschaft aufgelöst wurde.

Nachdem am die Schlussrechnung sowie der Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters mit einer Quote von 0% genehmigt worden waren, wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger mit Beschluss vom aufgehoben. Eine Löschung im Firmenbuch erfolgte nicht. Eingetragener Geschäftsführer ist ***FFF***.

Die Beschwerde der Bf. bekämpft Bescheide, die noch vor Konkurseröffnung erlassen wurden. Diese ergingen wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen im Schätzungswege unter Orientierung an den abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen (UVA) Jänner bis November 2011 (Umsatz EUR 485.432,00; Vorsteuern EUR 64.702,00).

Den Umsatz bzw. die Erlöse und die Vorsteuern für Dezember 2011 schätzte das Finanzamt (kurz FA) mit einem Zwölftel der bekannten Werte für die ersten elf Monate. Daraus leitete das FA Erlöse von EUR 525.885,00 ab. Aus der Vorsteuer von EUR 64.702,00 leitete das FA (indem es zur Gänze 20%-ige Vorleistungen unterstellte) Ausgaben von EUR 323.510,00 ab. Die Ausgaben ohne Vorsteuerabzug schätze es auf Basis eines "Journals 2010" mit EUR 79.727,00 und errechnete daraus einen Gesamtaufwand von EUR 403.237,00 und einen Gewinn von EUR 122.648,00.

Das FA setzte die Körperschaftsteuer 2011 in der Folge mit EUR 17.667,00 (Verlustabzug aus Vorjahren EUR 49.797,00; anrechenbare Mindestkörperschaftsteuer EUR 546,00) und die Umsatzsteuer 2011 mit EUR 40.475,00 fest.

Die Beschwerde vom bekämpft die Bescheide im Kern nur mit dem Argument, die Schätzung führe zu einer "nicht wirklichkeitsnahen" Forderung. Das Geschäftsjahr 2011 werde mit Verlust abgeschlossen, soviel stehe bereits fest.

Nach Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages durch die Abgabenbehörde beantragte die Bf. die Festsetzung der Körperschaftsteuer in Höhe der Mindestkörperschaftsteuer und der Umsatzsteuer mit maximal EUR 15.387,00. Dazu legte sie eine "vorläufige (Roh)Bilanz 2011" vor, die sie nicht weiter kommentierte. Diese weist für 2011 Umsatzerlöse (nach Abzug Kundenskonto) von EUR 471.181,90 und einen Jahresfehlbetrag (unter Abzug von Körperschaftsteuer von EUR 12.500,00) von EUR 33.820,25 aus.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Umsatzsteuer sei mangels Erklärungsabgabe auf Basis der eingereichten UVAs geschätzt worden, wogegen die Bf. keine konkreten Entgegnungen eingebracht habe. Es sei der Abgabenbehörde auch weiterhin unmöglich, die Körperschaftsteuer zu berechnen, weshalb an der Schätzung festgehalten werde.

Dies bekämpfte die Bf. mit einem nicht weiter begründeten Vorlageantrag () und beantragte eine mündliche Verhandlung. Das FA legte daraufhin die Beschwerde mit an das Bundesfinanzgericht vor, verwies auf die Beschwerdevorentscheidung und beantragte die Abweisung.

Beim Bundesfinanzgericht waren zu diesem Zeitpunkt schon auf § 248 BAO gestützte Beschwerden des zur persönlichen Haftung für die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2011 herangezogenen Geschäftsführers der Bf. anhängig. Die Entscheidungen über diese Beschwerden waren gem. § 267 BAO zu verbinden, wobei aber noch die ausständige Entscheidung über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid abzuwarten war.

Diese erfolgte im April 2021 () und führte zur Aufhebung des Haftungsbescheides. In der Folge wurden die Beschwerden des Geschäftsführers als unzulässig zurückgewiesen (; , RV/6100525/2017), womit der Weg für die Entscheidung über die nun offene Beschwerde geebnet war.

Das Bundesfinanzgericht lud daraufhin die Verfahrensparteien mit Ladung vom (übernommen am ) zur mündlichen Verhandlung am Dienstag, dem und forderte diese zur Vorlage aller Beweismittel auf, die zur Durchsetzung der jeweiligen Standpunkte zweckmäßig sind. Die Frist zwischen der Ladung und dem geplanten Verhandlungstermin betrug damit etwa 2 ½ Monate.

Die Beschwerdeführerin wurde zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung aufgefordert, dem Bundesfinanzgericht bis spätestens sämtliche Unterlagen zum gesamten Beschwerdezeitraum 2011 vorzulegen. Dazu zählte das Verwaltungsgericht insbesondere:

  • Die Abgabenerklärungen 2011,

  • einen Ausdruck der vollständigen Bücher und Aufzeichnungen inklusive der Buchhaltungskonten, der Saldenlisten und Abschlussbuchungen, der Inventuren, der Grundlagen für die Umsatzsteuervoranmeldungen und der OP-Listen.

  • Weiters Datenträger mit den Büchern und Aufzeichnungen (§ 131 Abs. 3 letzter Satz BAO) sowie die

  • vollständige Belegsammlung inklusive Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Bankkonten, Lieferscheinen, Kassenbüchern, Kassenbelegen und falls vorhanden Kostenrechnung.

Nachdem die Bf. darauf vorerst nicht reagierte, langte am (fünf Tage vor der geplanten Verhandlung) beim Bundesfinanzgericht ein Vertagungsantrag der Bf. ein. Ihr Geschäftsführer begehrte die Verlegung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit, jedenfalls bis Mitte Dezember 2021 und begründetet dies auszugweise wie folgt. Als Nachinsolvenz-Geschäftsführer sei er verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu vertreten und zu artikulieren. Die Vorbereitungszeit vom Eintreffen der Ladung am sei fair und in der Regel ausreichend. Konkret sei das aber aus folgenden Gründen nicht möglich:

  • Post-Covid bestehend aus Einschränkung der körperlichen Leistung mit Kraftverlust, Konzentrations- und Gedächtnisproblemen bei stetiger Müdigkeit. Alleine aus diesen Gründen könne er die auf der Rückseite der Ladung gelisteten Maßgaben (Unterlagenvorlage) nicht ansatzweise erfüllen und sei daher eine diesbezügliche Einlassung anlässlich einer mündlichen Verhandlung nicht möglich.

  • Er habe sich zwar am beim Bundesfinanzgericht einer Verhandlung gestellt (RV/6100163/2019) und rund 10 Tage lang vorbereitet. Bei der Verhandlung habe der den richterlichen Vorhalten nicht mehr folgen können.

  • In dieser Zeit sei seine Tochter nach einem Treppensturz mit Schädelbruch, Hirnblutung und weiteren Verletzungen in die neurologische Intensivstation eingeliefert worden, was ihm unmittelbar nach der Verhandlung bekannt geworden sei.

  • Die Gesellschaft sei vermögenslos und ohne Mittel für eine Fremdorganisation.

  • In der neuen Gesellschaft (gemeint offenbar eine Nachfolgegesellschaft) sei er Einzelkämpfer. Die Tagesarbeiten zur Kundenerhaltung müssten auf Grund seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit derzeit auf ca. 2 bis 3 Stunden reduziert werden und könnten daher eben nur dringende Notfälle und Systemwartungen (z.B. ***Tätigkeiten***) erledigt werden. Anlagenherstellungen müssten abgewimmelt werden.

Obwohl die Bf. in der Ladung darauf aufmerksam gemacht worden war, dass allfällige Verhinderungsgründe unverzüglich unter Beifügung von Bescheinigungsmitteln bekannt zu geben seien, blieb die Bf. solche Nachweise - bis heute - zur Gänze schuldig.

Der zuständige Richter nahm daraufhin mit dem Geschäftsführer telefonisch Kontakt auf und sagte eine einmalige Vertagung um einen Monat zu. Er machte den Geschäftsführer darauf aufmerksam, dass auch die Vorlage der Unterlagen (Frist ) unterblieben war und diese für eine Entscheidung im Sinne der Beschwerde unabdingbar sind. Der Geschäftsführer zeigte sich prinzipiell einsichtig und sagte seine Bemühungen zu.

Die Vertagung erfolgte mit Beschluss vom (Übernahmebestätigung der Bf. vom ) auf . In diesem Beschluss forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. noch einmal zur umgehenden Vorlage aller angeforderten Unterlagen auf. Auch die Bescheinigungen über die Gründe für den Vertagungsantrag seien umgehend vorzulegen.

Darauf reagierte die Bf. vorerst wieder nicht.

Am (und damit am Tag vor der Verhandlung) langte ein weiterer, mit 15. Oktober datierter und an diesem Tag bei der gemeinsamen Einlaufstelle eingebrachter Antrag beim Bundesfinanzgericht ein, mit dem die Verlegung der Verhandlung auf vorerst unbestimmte Zeit, nunmehr jedenfalls bis Mitte Januar 2022, begehrt wurde. Dieser wurde wie folgt begründet:

"Mit Beschluss vom wurde unserem Antrag vom auf Verlegung der für den anberaumten Verhandlung "auf vorerst unbestimmte Zeit, jedenfalls bis Mitte Dezember 2021" zu verlegen einschränkend entsprochen, indem die Verhandlung nun für Di. angesetzt wurde.

Zu diesem Termin ist eine tragfähige Vorbereitung zeitlich nicht zu schaffen.

Die bisher vorgebrachten Hindernisse sind weiterhin aufrecht. Ausnahme: Meine Tochter ist zwischenzeitlich wiederhergestellt und kann (eingeschränkt) ihren täglichen Verrichtungen nachgehen.

Weiterungen

  • zwischenzeitlich hatte ich eine weitere Verhandlung am beim BFG noch eine am beim BG Salzburg, welche die Vorbereitungszeiten bis dahin zu Gänze verbrauchten. Gestern am 14.10. Augenklinik -› beidseitiger Eingriff Augen undurchsichtig verklebt, dieser SS musste diktiert werden.

  • Zu dem Urteil RV/61000163/2009 betreffend Sicherstellung ist eine so-Revision an den VwGH erforderlich, welche bis Donnerstag nächste Woche dem Anwalt finalisiert zur Unterschriftleistung, allfälliger Korrektur und Einbringung übergeben werden muss.

Vorschau:

  • bezüglich der letzten Verhandlung ist, entgegen dem Sachverhalt, ebenfalls mit einem revisionsbedürftigen Urteil zu rechnen. Prozedere siehe oben.

  • eine weitere Verhandlung vor dem BFG wurde für angekündigt

  • noch eine für etwas später

Bei all diesen Verhandlungen und Revisionswerbungen gilt es, ungerechtfertigte Forderungen/persönliche Haltungen in nicht unbeträchtlicher Höhe abzuwehren. Dies hat wohl, allgemein auch verständlich, höchste Priorität.

Wie schon dargetan ist nun, quasi nebenbei, auch ein Mindestanteil der täglich zu verrichtenden Arbeiten durchzuführen. Es können sich daher in Summe der o.a. Vorbringen keine Hindernisse zur beantragten Verlegung ergeben.

Seit Beendigung der gegenständlichen Gesellschaft sind 8 Jahre vergangen. Es erscheint daher auch keine endzeitliche apokalyptische Eile angebracht."

Zu diesem Antrag brachte die Bf. wiederum keinerlei Beweismittel etc. vor.

Das Bundesfinanzgericht führte daraufhin am die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Bf. durch (gemeinsam mit der Beschwerde zur RV/6100288/2019). In dieser Verhandlung wurde der Vertagungsantrag vom als unbegründet abgewiesen und der Sachverhalt (siehe unten) sowie die Rechtslage mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation (28 Folien) erörtert.

Die Verhandlung schloss mit der Verkündung dieses Erkenntnisses.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

III. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende GmbH wurde 2010 gegründet. Der rechtskräftige Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom weist einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR 49.797,00 aus und setzte eine Mindestkörperschaftsteuer von EUR 546,00 fest.

Unbestritten ist die Tatsache, dass die Bf. das gesamte Kalender- und damit Wirtschaftsjahr 2011 wirtschaftlich aktiv war und für Jänner bis November 2012 Umsatzsteuervoranmeldungen abgab, die Umsätze von EUR 485.432,00 und Vorsteuern von EUR 64.702,00 auswiesen. Die Bf. selbst errechnete für diese Zeit eine Umsatzsteuer-Zahllast von in Summe etwa EUR 32.500,00, blieb die Zahlung aber weitgehend schuldig.

Da die Bf. trotz mehrmaliger Aufforderung durch das FA keine Abgabenerklärungen für 2011 einreichte, schätzte dieses die Besteuerungsgrundlagen für dieses Jahr mit den bekämpften Erstbescheiden. Wie oben dargestellt ging es dabei von den Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner bis November 2011 aus und adaptierte diese. Zur Schätzung der Körperschaftsteuer 2010 zog das FA auch ein Journal 2010 heran, das allerdings in den Akten nicht mehr enthalten ist und auch vom FA nicht mehr reproduziert werden konnte.

Mit der Beschwerde vom detaillierte die Bf. ihre Besteuerungsgrundlagen vorerst nicht weiter und kündigte die Einreichung von "Steuererklärungen in schicklicher Zeit" an. Erst nach einem Mängelbehebungsauftrag reichte die Bf. eine von einer Steuerberatungskanzlei erstellte, nicht weiter kommentierte "vorläufige (Roh) Bilanz 2011" ein.

Trotz Aufforderung legte die Bf. keine weiteren Unterlagen seines Rechenwerkes vor.

Diese "Rohbilanz" weicht von den Umsatzsteuervoranmeldungsdaten gravierend ab. So betragen alleine die vorangemeldeten Umsätze Jänner bis November 2011 etwa EUR 485.000 wohingegen die nun vorgelegte Aufstellung inkl. Dezember 2011 nur von Erträgen von EUR 472.000 ausgeht. Die Vorsteuern lt. UVAs betragen ca. EUR 65.000, was (bei einem 20%-igen Umsatzsteuersatz) auf einen Aufwand von etwa EUR 325.000,00 schließen lässt. Die Rohbilanz weist hingegen (umsatzsteuerpflichtige) Vorleistungen von etwa EUR 380.000 (davon etwa EUR 8.000 mit 10%-igem Umsatzsteuersatz) und einen Jahresfehlbetrag von EUR 33.820,25 aus. Bei der Ermittlung dieses Ergebnisses wurden Aufwendungen für Repräsentation und Spenden von EUR 115,53, Strafen von EUR 1.885,50, eine Lebensversicherung von EUR 811,98 und Körperschaftsteuer von EUR 12.500,00 in Abzug gebracht.

Die Bf. legte - trotz mehrmaliger Aufforderung - weder ihr Rechenwerk noch irgendwelche Unterlagen zur Ermittlung der "Rohbilanz" vor.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Eine in der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien trifft dies etwa dann zu (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24), wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann oder er zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt.

Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf. Insoweit liegt zudem ein Anlass zur Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung vor, als diese wegen der Pflichtverletzung nicht exakt ermittelt oder berechnet werden können.

Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Revisionswerber nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen ( mit weiteren Nachweisen).

3. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

3.1. Mündliche Verhandlung

Hier wurde die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über Antrag der Bf. (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen. Vertreter der Bf. erschienen zu dieser Verhandlung unentschuldigt nicht.

Sie beantragte zwar für diesen Termin (wie schon für den ursprünglichen Verhandlungstermin) eine Vertagung, legte aber wie schon bei der ersten Vertagungsbitte - bis heute - weder Unterlagen aus dem Rechenwerk noch irgendwelche Beweismittel für die behaupteten Hinderungsgründe vor.

Aufgrund der langen Vorlaufzeit könnte von den vorgebrachten Gründen wohl nur der "beidseitige Eingriff Augen undurchsichtig verklebt" am (und damit fünf Tage vor dem Verhandlungstermin) relevant sein. Der Geschäftsführer erläuterte die Art des Eingriffes nicht näher, brachte keinerlei Nachweise für den Eingriff und einen eventuellen Spitalsaufenthalt bei, behauptete nicht, der Eingriff sei ungeplant bzw. überraschend notwendig geworden und hielt sich auch zur voraussichtlichen Dauer seiner Beeinträchtigung bedeckt. Er führte nicht ins Treffen, seine Verhinderung werde am (also vier Tage nach der Ausfertigung des Vertagungsantrages) immer noch gegeben und damit seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht zumutbar sein.

Dem Vertreter der Bf. muss schon seit der Beschwerdevorentscheidung, spätestens aber seit und damit etwa 3 ½ Monate lang (1. Ladung zur mündlichen Verhandlung) bewusst sein, dass sämtliche Unterlagen vorzulegen sind, er kam dem aber bis heute nicht nach. Er hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, sich auf die bevorstehende und von der Bf. selbst beantragte mündliche Verhandlung vorzubereiten. Nachdem die Bf. die Zeit ungenützt verstreichen ließ, stellten laufende Belastungen des Geschäftsführers der Bf. (auch bei seiner Tätigkeit für andere Gesellschaften) keine ausreichenden Gründe dar, die Verhandlung ein weiteres Mal zu vertagen. Eine konkrete Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wurde nicht behauptet. Damit blieb der Vertreter der Bf. der Verhandlung ohne ausreichende Gründe fern und sie war ohne ihn durchzuführen.

3.2. Schätzung

Gem. § 184 BAO in Verbindung mit § 2a BAO hat das Bundesfinanzgericht die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Abgabepflichtige keine Abgabenerklärungen einreicht, über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind. Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (Stoll, BAO, 1912; ; , 2002/16/0255; , 2001/13/0022; , 2002/15/0174; , 2008/15/0027; vgl , Schätzung als ultima ratio).

Im Schätzungsverfahren besteht die Mitwirkungspflicht der Partei (; , 2008/15/0017).

Ritz (Ritz, BAO6, § 184 Tz 3 ff) fasst zusammen, dass das Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (Hinweis auf ; , 2009/17/0119 bis 0122; , 2007/15/0265; , 2008/15/0122), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (; , 2012/13/0068).
Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (; , 97/15/0076; , 95/16/0222; , 2000/14/0166; , 2009/17/0127; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).

Vom deutschen Bundesfinanzhof wurde klargestellt, dass bei der Höhe der Schätzung eine Schätzungsmethode zu wählen ist, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmenerhöhungen im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen, die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt daher an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (vgl. etwa BFH , IV R 67/99, BStBl II 2001, 484).

Es entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Lebenserfahrung, dass die ersten Angaben der Wahrheit in aller Regel am nächsten kommen (vgl. z.B. ; , 90/16/0176).

Unbestritten ist, dass die Bf. hier abgesehen von den Umsatzsteuervoranmeldungen Jänner bis November 2011 und einer "Rohbilanz" trotz mehrmaliger Aufforderungen keinerlei Unterlagen vorlegte. Es steht damit außer Zweifel, dass die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer im Schätzungswege zu ermitteln sind.

Als Basis für die Schätzung der Umsatzsteuer verwendete das FA die Umsatzsteuervoranmeldungsdaten für die ersten 11 Monate des Jahres 2011. Diese Daten stammen von der Bf. selbst. Die Bemessungsgrundlagen für den Dezember 2011 schätzte das FA mit 1/12 der ersten 11 Monate (siehe oben).

Die daraus resultierenden Umsätze (EUR 485.432,00 für 1-11/2011 + EUR 40.452,66 für 12/2011 = EUR 525.885,00 gerundet) überstiegen zwar die Umsätze laut Rohbilanz, die Bf. blieb allerdings jede Begründung schuldig, warum die dort ausgewiesenen Umsätze für das gesamte Kalenderjahr 2011 (EUR 471.181,90 aus Kto. 4000 und 4400 sowie EUR 866,90 aus Kto. 4358 = in Summe EUR 472.048,80) sogar unter den Beträgen lt. UVA für 1-11/2011 blieben.

Wenn sich nun das FA unter diesen Umständen bei seiner Schätzung auf die eigenen ursprünglichen Angaben der Bf. bei Einreichung ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen stützte und es diese Zahlen übernahm, muss dies als in sich schlüssig beurteilt werden. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass die Bf. hier selbst eine zu hohe Zahllast ermittelt haben könnte, ohne in der Lage zu sein, dies nachzuweisen. Das FA schätzte das Monat Dezember 2011 mit 1/12 der vorangegangenen 11 Monate und damit sehr vorsichtig. Auch dieser Schätzung begegnete die Bf. ausschließlich mit pauschalen und nicht substantiierten Behauptungen. Das Bundesfinanzgericht vermag deshalb keine Gründe zu erkennen, von der in sich schlüssigen Schätzung des FA abzugehen. Sie bewegt sich innerhalb der der Schätzung immanenten Bandbreite. Der Umsatzsteuerbescheid 2011 war deshalb vollumfänglich zu bestätigen.

Mangels Unterlagen war ohne Zweifel auch die Körperschaftsteuer 2011 im Schätzungswege zu ermitteln. Das FA ging dabei von den geschätzten Umsätzen (EUR 525.885,00) aus und unterstellt diese auch als Einnahmen bzw. Erträge. Aus der von ihm geschätzten Vorsteuer (EUR 64.702,00) leitete das FA Ausgaben von EUR 323.510,00 ab und schätzte die Ausgaben ohne Vorsteuerabzug auf Basis des ihm (damals offenbar) vorliegenden Journals 2010 mit EUR 79.727,00. Daraus ergab sich ein Gewinn von EUR 122.648,00. Dieses Journal 2010 existiert in den Unterlagen des FA nicht mehr.
Diesem geschätzten Zahlenwerk steht an Unterlagen nur die von der Bf. vorgelegte "Rohbilanz" gegenüber, die einen Verlust von EUR 33.820,25 ausweist und von der Bf. trotz mehrmaliger Aufforderung nicht näher untermauert wurde.

In der mündlichen Verhandlung konfrontierte der Richter das FA mit dem fehlenden Journal 2010 und der Tatsache, dass die Schätzung damit - vor allem im Bereich der Ausgaben ohne Vorsteuerabzug - nicht ausreichend nachvollzogen werden kann. Die Abgabenbehörde erklärte sich daraufhin damit einverstanden, die ertragsteuerliche Schätzung stattdessen unter Berücksichtigung der vorliegenden, von der Bf. erstellten "Rohbilanz" zu adaptieren. Diese Korrektur führt zu einem Gewinn von EUR 34.000,00, der sich wie folgt errechnet:

Dabei werden die Erträge lt. Rohbilanz durch die auf Basis der Umsätze 1-11/2011 (Umsatzsteuervoranmeldungen) sowie 12/2011 (Schätzung mit 1/12 dieser Umsätze) geschätzten Umsätze ersetzt. Dies ist deshalb notwendig, weil es nicht schlüssig wäre, davon auszugehen, dass die tatsächlichen Erträge unter den monatlich erklärten geblieben wären. Die Ausgaben laut Rohbilanz sind jedenfalls um die Ausgaben zu kürzen, die steuerlich nicht abzugsfähig sind. Dazu zählen neben der Körperschaftsteuer (Personensteuer gem. § 12 Abs. 1 Z 6 KStG 1988), Spenden bzw. Repräsentationsaufwendungen (§ 12 Abs. 1 Z 3 KStG 1988) auch Strafen (§ 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988) etc.

Adaptiert man die Rohbilanz entsprechend ergäbe das einen Gewinn von EUR 35.828,96. Zur Verhinderung von Schätzungsungenauigkeiten zu Ungunsten der Bf. und für den Fall, dass einzelne Positionen doch abzugsfähig sein könnten, wird diese Schätzung auf EUR 34.000,00 verringert. Dieser Betrag bewegt sich jedenfalls in einer Bandbreite, die auf Basis der vorliegenden Unterlagen als in sich schlüssig einzuschätzen ist und sich auch auf die Angaben der Bf. stützt.

Von diesen Einkünften (EUR 34.000,00) wird der Verlustvortrag aus 2010 mit maximal 75% (§ 7 Abs. 2 KStG 1988 in Verbindung mit § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988) und damit mit EUR 25.500,00 in Abzug gebracht. Vom daraus errechneten Einkommen (EUR 8.500,00) wird die Körperschaftsteuer mit 25% und damit EUR 2.125,00 errechnet. Nach Abzug der Mindest-Körperschaftsteuer aus 2010 (EUR 546,00) verbleibt damit eine festgesetzte Körperschaftsteuer von EUR 1.579,00.

4. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100367.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at