Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2021, RV/7101432/2021

Kein Anspruch auf Familienbonus Plus, Kindermehrbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag bei Eigenanspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***EV***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die durch eine Erwachsenenvertreterin vertretene, im Jahr 1927 geborene Beschwerdeführerin (Bf) bezieht seit September 2005 die (erhöhte) Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für sich selbst.

Der in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag wurde im Einkommensteuerbescheid 2020 vom , in welchem die Einkommensteuer mit null Euro festgesetzt wurde, nicht berücksichtgt.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben und der Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrag sowie "erhöhte Familienbeihilfe" beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Da die Voraussetzungen des § 33 EStG 1988 aufgrund des Beihilfenbezuges für sich selbst nicht gegeben seien, könne ein Alleinverdiener- bzw. Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zuerkannt werden. Der Freibetrag für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe sei lediglich ein Freibetrag und kürze die Steuerbemessungsgrundlage. Die Beschwerde sei daher in allen Punkten abzuweisen gewesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf die Vorlage der Beschwerde. In einem Telefonat mit dem Finanzamt sei bestätigt worden, dass der Bescheid unrichtig sei (Programmfehler?). Es werde der Alleinerzieherabsetzbetrag und der Familienbonus/Kindermehrbetrag beantragt.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf ist im Jahr 1927 geboren. Im Beschwerdejahr bezog sie steuerpflichtige Pensionseinkünfte iHv 11.599,80 Euro. Rückzuerstattende Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 (SV-Beiträge) lagen nicht vor.

Seit September 2005 bezieht die Bf die (erhöhte) Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für sich selbst.

Strittig ist, ob der Alleinerzieherabsetzbetrag und der Familienbonus Plus bzw. der Kindermehrbetrag zustehen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus zu.

Nach § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro. … Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Nach § 33 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1), dass die Differenz zwischen 250 Euro und der Steuer nach Abs. 1 als Kindermehrbetrag zu erstatten ist, wenn sich nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 250 Euro ergibt und der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht.

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

Die primäre Berechtigung zum Bezug Familienbeihilfe ergibt sich aus § 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967). Familienbeihilfe wird in erster Linie für Personen bezogen, die als Kinder im Sinne des FLAG 1967 anzusehen sind. Nur in Ausnahmefällen, nämlich bei Vollwaisen und so genannten Sozialwaisen besteht ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG² § 6 Rz 1 f).

Der Familienbonus Plus steht nach § 33 Abs. 3a EStG 1988 für Kinder zu, für die Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird. In der Gesetzesbestimmung wird, anders als beim Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3, nicht darauf abgestellt, dass die Familienbeihilfe einer oder einem Steuerpflichtigen gewährt wird, sondern "für das Kind" gewährt wird (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 33 Rz 31).

Der Familienbonus Plus trägt nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage "dem Umstand Rechnung, dass erwerbstätige Steuerpflichtige, die Kinder haben, weniger leistungsfähig sind als Kinderlose mit gleichem Einkommen. Dabei stellt der Familienbonus Plus weder einen Beitrag des Staates zum Unterhalt der Kinder dar, noch deckt er die Kinderlasten ab, die von den Eltern weiterhin zur Gänze übernommen werden. Der Steuerabzug bewirkt aber, dass sie diese Lasten zukünftig aus ihrem unversteuerten Einkommen leisten können und nicht eine darauf lastende Steuer dazu verdienen müssen. Der Beitrag des Staates zum Unterhalt bzw. zu den Lebenshaltungskosten der Kinder erfolgt über die Familienbeihilfe und Sachleistungen." (ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 1)

Im gegenständlichen Fall wird die Familienbeihilfe aufgrund eines Eigenanspruchs der Bf und nicht "für ein Kind" der Bf gewährt. Ein Anspruch auf den Familienbonus Plus besteht daher nicht.

Die Beschwerde war in diesem Punkt somit abzuweisen.

Alleinerziehende sind nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 "Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1)" mehr als sechs Monate lang zusammenleben, ohne dass eine Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner vorliegt. Voraussetzung für den Bezug des Alleinerzieherabsetzbetrages ist demnach, dass "Steuerpflichtige" und "Kind" zwei verschiedene Personen sind. (Vgl. ; -I/12)

Im gegenständlichen Fall bezieht die Bf für sich selbst die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. Sie lebte im Streitjahr nicht mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) zusammen und ist daher keine Alleinerziehende im Sinne des Gesetzes. Ein Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag besteht daher nicht, sodass die Beschwerde auch in diesem Punkt abzuweisen war.

Mangels Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag und Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) steht auch der Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 EStG 1988 nicht zu.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Rechtsfragen sind im Gesetz eindeutig gelöst.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101432.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at