Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2021, RV/3100378/2021

Kosten iZm Berufsausübung in der Wohnung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100378/2021-RS1
Die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers knüpft an einen bestimmten Raum an. Eine pauschale Berücksichtigung von Miet- und Betriebskosten für die gesamte Wohnung kommt nicht in Betracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1******Bf1-Adr***V über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind am Ende der Entscheidungsgründe dargestellt und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte am einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 elektronisch beim Finanzamt ein und machte darin sonstige Werbungskosten von EUR 1.942,64 geltend.

Über Ersuchen um Ergänzung vom gab der Beschwerdeführer im Schreiben vom an, dass er 152 Arbeitstage im Homeoffice gearbeitet habe und für diese Tage 50 % des Mietaufwandes für seine Wohnung inklusive Betriebskosten in Höhe von EUR 8,84 pro Tag als Werbungskosten geltend mache. Daneben mache er Kosten für Arbeitssessel in Höhe von EUR 399,96 und für einen Arbeitstisch in Höhe von EUR 199,- als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2020 und setzte eine Abgabengutschrift von EUR 163,- fest, wobei es Werbungskosten für ergonomisch geeignetes Mobiliar für Homeoffice von EUR 150,- sowie den Pauschbetrag für Werbungskosten von EUR 132,- berücksichtigte. Die Begründung dazu lautet: "Für die Arbeitnehmerinnenveranlagung 2020 gilt noch die Arbeitszimmerregelung. Anteilige Strom- und andere Betriebskosten können Sie nur dann geltend machen, wenn Sie ein steuerliches Arbeitszimmer haben. Nachdem Sie grundsätzlich ein Büro beim Arbeitgeber haben und nur wegen wegen Corona von zuhause aus arbeiten, sind diese Kosten nicht absetzbar. Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar für Homeoffice konnte nur in Höhe des für die Veranlagung 2020 geltenden Höchstbetrages von 150 Euro berücksichtigt werden. Der Überschreitungsbetrag bleibt in den Veranlagungen 2021 bis 2023 weiter abzugsfähig, wenn zumindest für 26 Tage im Homeoffice gearbeitet wird."

In seiner Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor, die Arbeitszimmerregelung würde für den Fall gelten, dass jemand freiwillig einen im Wohnungsverband gelegenen Raum für eine berufliche Tätigkeit verwendet. Er sei dem gegenüber gezwungen worden, seine Wohnung für die Berufsausübung zu nutzen, da das Büro seines Dienstgebers im Jahr 2020 für 152 Arbeitstage geschlossen gewesen sei und nicht betreten haben werde dürfen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2020 dahin ab, dass es eine Gutschrift von EUR 100,- festsetzte. Es berücksichtigte dabei neben dem Pauschbetrag für Werbungskosten keine weiteren Werbungskosten. Die Begründung dazu lautet: "Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde der von Ihnen angefochtene Bescheid einer nochmaligen Überprüfung unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass im Erstbescheid Homeoffice-Kosten (Arbeitssessel € 399,96+ Tisch € 199,-) irrtümlicherweise zur Gänze in Höhe von € 598,96 anerkannt wurden, steuerliche Berücksichtigung im Kalenderjahr 2020 aufgrund der Homeoffice-Regelung für 2020 im Maximalbetrag von € 150,-. Da es sich bei der Anschaffung des Tisches (Rechnung Möbelhaus_1, Bezeichnung: Esstisch) und des Arbeitssessels (Rechnung Möbelhaus_2, Bezeichnung 4 Stk.(!) Freischwinger Sara) eindeutig nicht um ergonomisches Büromobiliar handelt, wurden diese Kosten im Zuge der Beschwerdeerledigung aberkannt, da es sich in diesem Fall um nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung gemäß § 20 EStG handelt. Ein steuerlich anerkanntes Arbeitszimmer liegt nur dann vor, wenn das Arbeitszimmer ausschließlich beruflich genutzt wird und den Mittelpunkt Ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit darstellt. Stellt Ihnen Ihr Arbeitgeber bzw. Ihre Arbeitgeberin grundsätzlich ein Büro zur Verfügung (gilt auch bei Desksharing Modellen) und können Sie es nur vorübergehend wegen Covid-19 nicht nutzen, dann sind die Kosten des Arbeitszimmers und die damit zusammenhängenden Mehraufwendungen (Miete, Strom,...) nicht absetzbar. …"

In seinem Vorlageantrag vom brachte der Beschwerdeführer weiter vor, angesichts der nach wie vor andauernden Büroschließung müssten die damit verbundenen Kosten abzugsfähig sein. Es fehle eine Begründung, weshalb der Arbeitssessel nicht ergonomisch sein solle.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor, beantragte die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2020 im Sinn der Beschwerdevorentscheidung und brachte vor, dass es sich bei einem Esstisch und den dazugehörigen Sesseln nicht um ergonomisch geeignetes Mobiliar handle. Es sei nicht Sinn der neu geschaffenen Bestimmungen, den Steuerpflichtigen auf Kosten der Allgemeinheit eine Esszimmereinrichtung zu finanzieren. Daher seien die geltend gemachten Aufwendungen für Möbel nicht zu berücksichtigen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2020 nichtselbständig bei der A-GmbH beschäftigt. Das von seinem Arbeitgeber an der Adresse Adresse_1 zur Verfügung gestellte Büro war von 16.3.-19.8. und von 2.11. bis (jedenfalls) geschlossen. Während dieser Zeit übte der Beschwerdeführer seine berufliche Tätigkeit überwiegend in seiner Wohnung aus. Dies ergibt sich aus der Bestätigung des Arbeitgebers vom und ist im Übrigen zwischen den Parteien unstrittig.

Der Beschwerdeführer erwarb am vier Stück "Sessel/Hocker" in der Ausführung "Freischwinger" um insgesamt EUR 399,96 bei der Möbelhaus_1. Ebenfalls am erwarb der Beschwerdeführer bei der "Möbelhaus_2" einen "Esstisch Agro" um EUR 199,-. Dies ist angesichts der vorgelegten Rechnungen erwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 lautet: Nicht abzugsfähig sind "Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig."

Der Beschwerdeführer begehrt die Anerkennung der Miet- und Betriebskosten für "50 % der Wohnung" (Schreiben vom samt Beilagen) als Werbungskosten. Unter einem Arbeitszimmer im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 ist ein Raum zu verstehen, dem der Charakter eines Wohn- bzw. Büroraumes zukommt (). Der Beschwerdeführer bringt aber nicht vor, dass er einen bestimmten Raum in seiner Wohnung (nahezu) ausschließlich beruflich genutzt hätte (vgl. Jakom/Peyerl, EStG, 2021, Rz 43 und 44 mit Judikaturzitaten). Schon aus diesem Grund erübrigt sich eine weitere Prüfung, ob Kosten für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Auch deutet der Umstand, dass neben den Miet- und Betriebskosten für "50 % der Wohnung" Kosten für die Anschaffung eines Esstischs und von vier Sesseln geltend gemacht werden, darauf hin, dass es sich bei diesen Möbeln um überwiegend für private Zwecke genutzte Wohnungseinrichtung und bei jenem Raum, in dem sich diese Möbel befinden, um einen (auch) für private Zwecke genutzten Raum handelt.

§ 16 Abs. 1 Z 7a lit a EStG 1988 lautet: "Ausgaben und Beträge eines Arbeitnehmers, der seine berufliche Tätigkeit in der Wohnung (im Homeoffice) erbringt und bei dem keine Ausgaben für ein Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d berücksichtigt werden:

  • Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar (insbesondere Schreibtisch, Drehstuhl, Beleuchtung) eines in der Wohnung eingerichteten Arbeitsplatzes bis zu insgesamt 300 Euro (Höchstbetrag pro Kalenderjahr), wenn der Arbeitnehmer zumindest 26 Homeoffice-Tage gemäß § 26 Z 9 lit. a im Kalenderjahr geleistet hat. Übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten insgesamt den Höchstbetrag, kann der Überschreitungsbetrag innerhalb des Höchstbetrages jeweils ab dem Folgejahr bis zum Kalenderjahr 2023 geltend gemacht werden. Z 8 ist nicht anzuwenden. …"

§ 16 Abs. 3 EStG 1988 lautet: "Für Werbungskosten, die bei nichtselbständigen Einkünften erwachsen, ist ohne besonderen Nachweis ein Pauschbetrag von 132 Euro jährlich abzusetzen. Dies gilt nicht, wenn diese Einkünfte den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag (§ 33 Abs. 6 und § 57 Abs. 4) begründen. Der Abzug des Pauschbetrages darf nicht zu einem Verlust aus nichtselbständiger Arbeit führen. Ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag sind abzusetzen:

  • Werbungskosten im Sinne des Abs. 1 Z 3 mit Ausnahme der Betriebsratsumlagen

  • Werbungskosten im Sinne des Abs. 1 Z 4, 5 und 7a…"

§ 124b Z 374 EStG 1988 lautet: "§ 16 Abs. 1 Z 7a lit. a und § 16 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2021 sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2020 anzuwenden. Abweichend davon gilt für die Veranlagung der Kalenderjahre 2020 und 2021 Folgendes:

  • Ausgaben im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a, die im Kalenderjahr 2020 getätigt wurden, sind zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit für den Arbeitgeber an zumindest 26 Tagen im Jahr 2020 ausschließlich in der Wohnung ausgeübt hat. Der Höchstbetrag beträgt für das Kalenderjahr 2020 150 Euro. Der Antrag auf Berücksichtigung dieser Kosten stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar.

  • Der Höchstbetrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a beträgt für das Kalenderjahr 2021 300 Euro. Er vermindert sich um den Betrag, der im Kalenderjahr 2020 für Ausgaben im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a berücksichtigt worden ist."

Der Beschwerdeführer hat kein Vorbringen dazu erstattet, inwiefern die vier Sessel in der Ausführung "Freischwinger" und der Esstisch ergonomisch geeignetes Mobiliar zur Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes darstellen sollen. Die Formulierung im Vorlageantrag "…Zum Mobiliar fehlt die Begründung, warum der Arbeitssessel nicht ergonomisch sein soll…" geht am festgestellten Sachverhalt insofern vorbei, als die Kosten für vier Sessel und einen Esstisch als Werbungskosten geltend gemacht wurden. Hinsichtlich der vier Sessel ist nicht erkennbar, dass diese - bzw. auch nur einer von ihnen - die Eigenschaften eines typischen Bürostuhles (vgl. die beispielhafte Nennung eines "Drehstuhles" im Gesetzestext) besitzen würde.

Insgesamt sind die Voraussetzungen für die Anerkennung der begehrten Kosten (anteilige Miete, anteilige Betriebskosten, Kosten für vier Sessel und einen Esstisch) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht erfüllt. Der angefochtene Bescheid war daher im Sinn der Beschwerdevorentscheidung wie folgt abzuändern:

[...]

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. In diesem Erkenntnis waren ausschließlich Sachverhaltsfragen zu lösen, sodass die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at