Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2021, RV/7101281/2017

Hauptwohnsitzbefreiung bei der Immobilienertragsteuer

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101281/2017-RS1
Hat ein Steuerpflichtiger im zu beurteilenden Zeitraum mehr als einen Wohnsitz iSd § 26 BAO, ist Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener Wohnsitz, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum jeweiligen Wohnsitz den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln (, mit Verweis auf ; ; ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) war im streitgegenständlichen Jahr 2015 bei der ***BankXY*** als Abteilungsleiterin nichtselbständig tätig.

In ihrer am elektronisch am Finanzamt eingelangten Einkommensteuererklärung für 2015 waren unter dem Punkt "Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen" Einkünfte von 0,00 € eingetragen.

Am erging ein Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die Bf. "betreffend E1 2015", in dem es ausführte, mit Kaufvertrag vom sei die Liegenschaft ***WienYY***, samt Kellerabteil und Stellplatz verkauft worden. Gemäß IMMOEST-Daten sei für diese Veräußerung die Hauptwohnsitzbefreiung geltend gemacht worden. Da laut Zentralem Melderegister (ZMR) diese nicht zustehen würde, werde um Erläuterung ersucht, warum die Befreiung geltend gemacht worden sei.

In ihrem Antwortschreiben vom führte die Bf. aus, sie und ihr Ehegatte, ***A***, hätten die Wohnung in ***WienYY***, im Dezember 2006 gekauft. Diese Wohnung sei bis zum Verkauf deren einzige Immobilie gewesen und sie sei nicht vermietet und nur von der Bf. und ihrem Ehegatten zu Wohnzwecken verwendet worden.

Aufgrund langer täglicher Arbeitszeiten sowohl ihres Ehegatten als auch der Bf. hätten die beiden für die Zeit ab dem Schuleintritt ihrer älteren Tochter ***B***, geboren am ***Datum1***, und dem Krippeneintritt ihrer jüngeren Tochter ***E***, geboren am ***Datum2***, eine logistische Lösung zur Bewältigung ihres Arbeitsalltags finden müssen. Die Bf. und ihr Ehegatte hätten sich für Schul- und Betreuungsplätze in der Nähe ihrer Arbeitsplätze entschieden.

Zu diesem Zweck hätten die beiden eine kleine Wohnung (52 m2) in ***WienZZ*** angemietet, um sowohl die angestrebten Schul- und Betreuungsstandorte ihrer Kinder zu erhalten als auch die Schul- und Arbeitswege zu minimieren.

In der Wohnung in ***WienZZ*** hätten sie sich während der Schulzeit von Montagabend bis Freitagmorgen während der Abend- und Nachtstunden aufgehalten.

In der Wohnung in ***WienYY***, habe sich das Familienleben während der Wochenenden ab Freitagnachmittag, der schulfreien Zeit, Feiertagen, Fenstertagen und schulautonom freien Tagen entfaltet. Darüber hinaus seien die Bf. und ihr Ehegatte in der Wohnung ***WienYY***, gewesen, wenn ihre Kinder aufgrund von Erkrankungen ihrer Pflege bedurft hätten.

Eine Rechnung ergebe, dass die Bf., ihr Ehegatte und ihre Kinder mindestens 198 Tage im Jahr in der Wohnung ***WienYY***, gewesen seien, das sei mehr als die Hälfte des Jahres (Anm.: Es folgt eine nach Tagen gegliederte Aufstellung, als deren Summe sich 198 Tage Aufenthalt in ***WienYY***, 145 Tage in ***WienZZ*** und 21 Tage Urlaub ergeben).

Um dies glaubwürdig zu belegen, übermittle die Bf. dem Finanzamt folgende Unterlagen:

- Eine Stellungnahme des Steuerberaters, der die Meinung vertrete, dass aufgrund der Schilderungen und der vorgelegten Belege der Bf. und ihres Ehegatten die Wohnung ***WienYY***, der tatsächliche Hauptwohnsitz der beiden und ihrer Kinder gewesen sei.

- Ein Schreiben ihrer Nachbarn, Familie [...], die als Zeugen bestätigten, dass die Bf. und ihre Familie in ***WienYY***, ihren Lebensmittelpunkt gehabt hätten.

- Stromrechnungen, die belegten, dass der Stromverbrauch in der Wohnung ***WienYY***, nur um ein Drittel im Vergleich zu den Jahren, in denen die Bf. und ihre Familie die ganze Zeit dort verbracht hätten, zurückgegangen sei.

- Eine volle Internet/Festnetz-Anmeldung (bewiesen durch die Abmeldung) für die Jahre in ***WienYY***.

- Eine GIS-Anmeldung des Fernsehers (inkl. Radio) für den Zeitraum 2010 bis 2016 in ***WienYY***.

Zusätzlich könnten die Bf. und ihr Ehegatte nachweisen, dass ihre gesamten Bankverbindungen, Versicherungen etc. immer an ihren tatsächlichen Hauptwohnsitz in ***WienYY***, zugestellt worden seien.

Auch könnten sie mit eigenen Familienfotos und Fotos von Freunden und Nachbarn belegen, dass diese Wohnung durchgehend für alle Familienereignisse verwendet worden sei. Hervorzuheben sei, dass nie jemand anderer als die Bf. und ihre Familie in jener Wohnung gelebt habe oder dort gemeldet gewesen sei.

All' dies belege, dass die Bf. und ihre Familie zwar formell in ***WienZZ*** hauptgemeldet gewesen seien, ihr Hauptwohnsitz aber nach den tatsächlichen Verhältnissen in [...] gewesen sei, da dort der tatsächliche Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gelegen sei.

Diesem Antwortschreiben vom waren ua. beigeschlossen:

- Eine Stellungnahme des Steuerberaters ***F***, [...], ***WienCC***, vom , wonach es seines Erachtens aufgrund der vorliegenden Umstände plausibel und nachvollziehbar erscheine, dass ungeachtet der polizeilichen Meldung in ***WienZZ*** der Hauptwohnsitz der Bf. und ihrer Familie nach den tatsächlichen Verhältnissen seit 2008 bis dato in der Wohnung in ***WienYY***, liege, zumal dort der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie gelegen sei. Demzufolge komme nach Auffassung des Steuerberaters die in § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 normierte Befreiung von der Immobilienbesteuerung wegen vorliegenden Hauptwohnsitzes zum Tragen.

- Ein an die Bf. und ihre Familie adressiertes Schreiben der Nachbarn ***S*** und ***T***, beide wohnhaft in [...], vom , worin diese bestätigen, dass die Bf. und ihre Familie im Zeitraum September 2011 bis Juni 2015 mehrheitlich, und zwar mindestens von Freitag bis Montag, während der Schulferien, zu den Feier- und Fenstertagen sowie öfters, wenn die Kinder krank gewesen seien, auch unter der Woche, in ihrer Wohnung ***WienYY***, gewohnt hätten und dass sich ***S***, ***T*** und die Bf. sowie deren Familie regelmäßig gesehen und auch getroffen hätten. Die Wohnung ***WienYY***, sei im genannten Zeitraum immer der Lebensmittelpunkt der Bf. und deren Familie gewesen.

Am erging ein weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die Bf. "betreffend E1 2015", in dem es ausführte, die Angaben in der Vorhaltsbeantwortung vom seien nicht schlüssig, weshalb die Abgabenbehörde die Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung nicht nachvollziehen könne. Daher werde um Vorlage einer Kopie des Kaufvertrags (Erwerb der Liegenschaft ***WienYY***, im Jahr 2006) und einer Berechnung der Anschaffungskosten ersucht.

In ihrem Antwortschreiben vom führte die Bf. aus, anbei den Kaufvertrag und eine Aufstellung der Anschaffungskosten der Wohnung ***WienYY***, von insgesamt 322.092,52 € (samt Nebenkosten) zu übermitteln.

Aus der diesem Antwortschreiben beigeschlossen Kaufvertragskopie betreffend die Wohnung ***WienYY***, geht hervor, dass die Bf. und ihr Ehegatte am an dieser Wohnung im Gesamtausmaß von 125,52 m2 samt Terrasse im Ausmaß von 15,12 m2, Kellerabteil und Stellplatz, um den Kaufpreis von 285.000,00 € je zur Hälfte Wohnungseigentum erworben haben.

Am erging der Bezug habende Einkommensteuerbescheid für 2015, mit dem das Finanzamt für die am um den Betrag von 495.000,00 € verkaufte Wohnung ***WienYY***, Immobilienertragsteuer von 21.613,43 € (= 86.453,75 € x 25%, dazu gleich unten) festsetzte. Begründend führte das Finanzamt dazu aus:

"Betreffend die von Ihnen verkaufte Liegenschaft liegen folgende ZMR-Meldungen vor:

Nebenwohnsitz -: Keine Hauptwohnsitzbefreiung möglich.

Hauptwohnsitz -: Hier liegt zwar ein durchgehender Hauptwohnsitz von mehr als 2 Jahren vor, die Liegenschaft wurde aber damals nicht verkauft.

Hauptwohnsitz -: Kein durchgehender Hauptwohnsitz von mindestens 2 Jahren.

Auch kommt hier die Regelung des durchgehenden Hauptwohnsitzes von 5 Jahren in den letzten 10 Jahren nicht zum Tragen (laut ZMR liegen zwischenzeitlich 2 Hauptwohnsitzmeldungen in ***WienZZ*** vor).

Somit kann die von Ihnen beantragte Hauptwohnsitzbefreiung betreffend den Verkauf der Liegenschaft in ***WienYY***, nicht gewährt werden.

Berechnung: Verkaufspreis 495.000,00 €, davon 247.500,00 € Hälfteanteil minus den von Ihnen angegebenen Ausgaben 322.092,50 € (Hälfteanteil 161.046,25 €) ergibt eine Bemessungsgrundlage von 86.453,75 €."

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid für 2015 erhob die Bf. am Beschwerde, in der sie ausführte, den Bescheid seinem gesamten Umfang nach anzufechten; es lägen die Beschwerdegründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung bzw. mangelnden Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vor.

Im angefochtenen Bescheid werde die Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung für die Wohnung ***WienYY***, gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 abgelehnt; begründet werde dies lediglich damit, dass aufgrund der vorliegenden ZMR-Meldungen im Zeitraum des Besitzes dieser Wohnung (Jahre 2006-2015) die Bf. den Hauptwohnsitz dort nicht im entsprechenden gesetzlichen Ausmaß (tatsächlich) innegehabt habe.

Dieser Vorwurf sei jedoch unrichtig, die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 lägen jedenfalls vor.

Zum Sachverhalt wurde von der Bf. im Wesentlichen ausgeführt, es sei Faktum, dass sie die Wohnung ***WienYY***, mit Kaufvertrag vom erworben habe, um diese in weiterer Folge als "Familiendomizil" zu nutzen. Die Bf. und ihre Familie habe die Zeit in dieser Familienwohnung ***WienYY***, bis September 2011 (Schuleintritt ihrer Tochter ***B*** in die Volksschule ***G-Gasse*** in ***WienZZ*** und Betreuungsbeginn ihrer Tochter ***E*** im Kindergarten in ***WienZZ***, ***H-Platz***) ausschließlich und danach mindestens 198 Tage pro Jahr bis zu deren Verkauf im Jahr 2015 verbracht.

Grund für den Kauf der Wohnung ***WienYY***, sei ua. die räumliche Nähe ihrer Schwiegereltern gewesen, die im selben Bezirk wohnhaft seien. Dies deshalb, um im späteren Fall der notwendigen Kinderbetreuung eine für alle Familienmitglieder praktikable Lösung zu haben.

Nach der Geburt ihrer beiden Töchter (geboren am ***Datum1*** bzw. am ***Datum2***) sei es, bedingt durch ihre langen Arbeitszeiten als Abteilungsleiterin bei der ***BankXY***, notwendig gewesen, für ihre Töchter passende gute Betreuungseinrichtungen in der Nähe ihres damaligen Arbeitsplatzes und des Arbeitsplatzes ihres Ehegatten bzw. in leichter Erreichbarkeit ihres Arbeitsplatzes (U-Bahn-Verbindung) zu finden. Ihr Ehegatte habe damals seinen Arbeitsplatz bei der ***BankXY*** in ***WienZZ***, ***G-Gasse***, gehabt. Bedingt dadurch, dass ihr Ehegatte zum großen Teil für die Abholung ihrer Kinder nach seiner Arbeit in ***WienZZ*** während der Volksschulzeit bzw. Kindergartenzeit zuständig gewesen sei, sei es der Bf. und ihrem Ehegatten ein besonderes Anliegen gewesen, Betreuungsplätze in ***WienZZ*** für ihre Kinder zu finden.

Für ihre Tochter ***B*** habe die Bf. einen Schulplatz in der Volksschule in ***WienZZ***, ***G-Gasse***, ab dem Schuljahr 2011/2012 erhalten können. Für ihre Tochter ***E*** habe sie in Folge in unmittelbarer Nähe zur Schule einen Platz in der Krippe des von ihr bevorzugten öffentlichen Kindergartens in ***WienZZ***, ***H-Platz***, erhalten können. Um überhaupt die Chance auf diesen begehrten Krippenplatz zu bekommen, sei eine Hauptwohnsitzmeldung (ZMR-Meldung) in ***WienZZ*** notwendig gewesen.

Nach Erhalt der Betreuungsplätze für ihre Kinder in ***WienZZ*** sei daher auch die Anmietung einer kleinen Wohnung in ***WienZZ*** notwendig gewesen, die die Bf. und ihr Ehegatte als arbeitsplatznahe und kinderbetreuungsnahe Wohnung unter der Arbeitswoche nutzen hätten können. Daher sei ab April 2011 die Anmietung einer kleinen Wohnung in ***WienZZ***, ***JK***, im Ausmaß von 52 m2 erfolgt. Auch das geringe Ausmaß dieser Wohnung mache deutlich, dass sie als reine "Arbeitswohnung" angemietet worden sei bzw. um den Wochenalltag mit ihren Kindern zu organisieren. Jene Wohnung in ***WienZZ*** sei tatsächlich nur in den Abendstunden und in der Nacht unter der Woche während der Volksschulzeit ihrer Tochter ***B*** genutzt worden.

Als Beweis dafür werde die Einvernahme des Ehegatten der Bf. und ihrer Schwiegermutter, ***L***, beantragt. Weiters seien der Beschwerde eine Besuchsbestätigung des öffentlichen Kindergartens der Stadt Wien in ***WienZZ***, ***H-Platz***, betreffend ***E***, Jahreszeugnisse der öffentlichen Volksschule in ***WienZZ***, ***G-Gasse***, betreffend ***B***, sowie der am abgeschlossene Mietvertrag betreffend die Wohnung ***WienZZ***, [...], beigeschlossen.

Jeden Freitagnachmittag sei die Bf. mit ihrer Familie direkt in die Wohnung ***WienYY***, gefahren, um dort das gesamte Wochenende bis Montag in der Früh zu verbringen. Die Bf. und ihre Familie hätten auch sämtliche Fenster- und Feiertage bzw. die gesamten Schulferien in dieser Wohnung verbracht. Auch die krankheitsbedingte Versorgung ihrer Kinder sei aufgrund der räumlichen Nähe der Schwiegereltern in dieser Wohnung erfolgt. Auch die Ferienbetreuung ihrer Kinder sei zum großen Teil durch ihre Schwiegereltern in der Wohnung ***WienYY***, erfolgt. Daraus ergebe sich eine Gesamtnutzungsdauer jener Wohnung im Zeitraum 2006 bis zu deren Verkauf im Jahr 2015 im Ausmaß von mindestens 198 Tagen im Jahr.

Ihr gesamtes Familienleben (Wochenenden, Schulferien, Familienfeiern) habe sohin ab dem Kauf der Wohnung ***WienYY***, im Jahr 2006 bis zum Verkauf im Jahr 2015 in deren Räumlichkeiten stattgefunden und daher sei diese Wohnung der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. und ihrer Familie gewesen.

Als Beweis dafür werde die Einvernahme der Schwiegermutter der Bf., ***L***, beantragt. Weiters seien der Beschwerde eine Bestätigung der Nachbarin ***U*** sowie eine Bestätigung der Schwiegereltern der Bf., ***L*** und ***N***, beigeschlossen.

Erst durch die Aufnahme ihrer Tochter ***B*** ins ***O*** Gymnasium in ***WienPP*** für das Schuljahr 2015/2016 sei die Aufgabe des Hauptwohnsitzes in ***WienYY***, und ein Umzug der gesamten Familie in eine Wohnung in ***WienPP*** notwendig geworden, die die Bf. im Jahr 2015 gekauft habe. Auch dieser Umstand sei der belangten Behörde bekannt.

Als Beweis dafür seien der Beschwerde ein Jahreszeugnis des ***O*** Gymnasiums für das Schuljahr 2015/2016 betreffend ***B*** sowie der am abgeschlossene Kaufvertrag betreffend die Wohnung ***WienPP***, beigeschlossen.

Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde von der Bf. im Wesentlichen ausgeführt, das Finanzamt sei in der Begründung des angefochtenen Bescheides in keinster Weise auf das Vorbringen der Bf. eingegangen, sondern habe sich lapidar mit der Auflistung der ZMR-Meldungen zur Ablehnung der Hauptwohnsitzbefreiung begnügt. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass im Zeitraum bis aufgrund der vorliegenden ZMR-Meldungen die Hauptwohnsitzbefreiungstatbestände der § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 nicht erfüllt seien.

Wie das Finanzamt zu dieser Feststellung gelange, führe es nicht aus, was jedoch wichtig gewesen wäre, da diese schlichtweg falsch sei:

Zwar möge es richtig sein, dass die Bf. nicht durchgehend in den Jahren 2007 bis 2015 in der Wohnung ***WienYY***, hauptwohnsitzgemeldet gewesen sei. Dies sei jedoch - wie bereits dargestellt - durch die Notwendigkeit des Erlangens und Erhaltens von Betreuungsplätzen für ihre Kinder in ***WienZZ*** bedingt gewesen. Tatsächlich habe die engere persönliche und wirtschaftliche Beziehung, sohin der Mittelpunkt der Lebensinteressen, zu der Wohnung ***WienYY***, bestanden, da dort das "wahre" Familienleben stattgefunden habe. Für die ertragsteuerliche Beurteilung eines Sachverhalts seien immer die tatsächlichen Verhältnisse bzw. der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend (vgl. § 21 BAO).

Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze sei als Hauptwohnsitz jener Wohnsitz anzusehen, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Ob ein Hauptwohnsitz vorliege, sei von der Abgabenbehörde im Rahmen der Sachverhaltswürdigung eigenständig zu beurteilen. Einer Hauptwohnsitzmeldung nach dem Meldegesetz komme im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung zu. Ein Hauptwohnsitz könne aber unabhängig von der Meldung auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige an dem betreffenden Wohnsitz überhaupt nicht gemeldet sei oder dieser Wohnsitz bloß ein "weiterer Wohnsitz" iSd Melderechts sei (siehe EStR 2000 Rz 6638). Die belangte Behörde habe die im Verfahren vorgebrachten Beweise nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Finanzamt habe seinem Bescheid somit einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt und es hätte in Wahrheit nicht nur feststellen, sondern auch bei seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgehen müssen, dass der Hauptwohnsitz der Bf. tatsächlich im Zeitraum 2007 bis 2015 in ***WienYY***, gelegen gewesen sei, was wiederum dazu geführt hätte, dass es zur Auffassung gelangt wäre, dass die Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiungstatbestände der § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 erfüllt seien.

Die belangte Behörde interpretiere die auf den dargestellten Sachverhalt anzuwendenden Normen der § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 über ihren Sinngehalt hinaus. Diese unrichtige rechtliche Beurteilung resultiere aus der unterlassenen Würdigung des tatsächlichen Sachverhalts.

Tatsache sei, dass die bloße Nutzung als arbeitsplatznahe Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung idR keinen Hauptwohnsitz begründe, dieser sei grundsätzlich am Familienwohnsitz anzunehmen (siehe EStR 2000 Rz 6638). Das Vorliegen des tatsächlichen Hauptwohnsitzes der Bf. im Zeitraum 2006 bis 2015 in der Wohnung ***WienYY***, sei ihrerseits auch gegenüber dem Finanzamt entsprechend dokumentiert und in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden.

Der Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung bestehe darin, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehen solle. Die Feststellung des Hauptwohnsitzes habe dabei nach den tatsächlichen Verhältnissen zu erfolgen, die polizeiliche An- und Abmeldung sei dafür nicht entscheidend (Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2013, § 30 Rz 26 ff; ). Die polizeiliche An- und Abmeldung sei für die Frage des Wohnsitzes nicht entscheidend; in Zweifelsfällen könne sie lediglich Anhaltspunkte bieten (siehe dazu zB ; ; ).

Ob ein Hauptwohnsitz vorliege, sei im Rahmen der Beweiswürdigung im Rahmen der erhobenen Beweisergebnisse zu beurteilen. Ergebe das Beweisverfahren, dass die Bf. die verkaufte Wohnung, obwohl sie an einer anderen Adresse hauptwohnsitzgemeldet gewesen sei, fünf Jahre vor der erfolgten Veräußerung durchgehend als Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen genutzt habe, sei der Befreiungstatbestand als erfüllt anzusehen und von einer Besteuerung einer privaten Grundstücksveräußerung abzusehen ().

Tatsache sei nämlich, dass der Verkauf der Wohnung in ***WienYY***, im Jahr 2015 zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes in ***WienPP*** (bedingt durch den Wechsel der Tochter ***B*** ins Gymnasium in ***WienPP***) gedient habe. Der tatsächliche Lebensmittelpunkt und somit der steuerlich relevante Hauptwohnsitz der Bf. habe sich allerdings vom im Jahr 2006 erfolgten Kauf der Wohnung ***WienYY***, bis zu deren im Jahr 2015 erfolgten Verkauf daselbst befunden.

Das Finanzamt habe sich bei der Sachverhaltsfindung ausschließlich auf die behördliche Anmeldung der Bf. gestützt. In Abwägung aller vorgelegten Beweismittel hätte es jedoch vom Vorliegen des Hauptwohnsitzes im Zeitraum 2006 bis 2015 in ***WienYY***, ausgehen müssen. Die Angaben der Bf., warum sie sich umgemeldet habe, seien jedenfalls schlüssig. Ebenso sei kein Grund erkennbar, warum den Angaben der Nachbarn keine Glaubwürdigkeit zukommen sollte (siehe dazu ).

Der bekämpfte Einkommensteuerbescheid für 2015 sei daher rechtswidrig und aufzuheben; in eventu sei er durch einen neu zu erlassenden Bescheid zu ersetzen, der den vorstehenden Beschwerdegründen Rechnung trage.

Der Beschwerde waren ua. beigeschlossen:

- Eine Besuchsbestätigung des öffentlichen Kindergartens der Stadt Wien in ***WienZZ***, ***H-Platz***, vom (für den Zeitraum bis ) betreffend ***E***.

- Jahreszeugnisse (Schuljahre 2011/12, 2012/13, 2013/14, 2014/15) der öffentlichen Volksschule in ***WienZZ***, ***G-Gasse***, betreffend ***B***.

- Der am mit der Bf. als Bestandnehmerin abgeschlossene Mietvertrag betreffend die Wohnung ***WienZZ***, ***JK***, aus dem hervorgeht, dass die Nutzfläche dieser Wohnung ca. 51,43 m2 beträgt (Mietzins: 509,07 € monatlich).

- Ein an die Bf. und ihre Familie adressiertes Schreiben der Nachbarin ***U*** vom , in dem im Wesentlichen dasselbe wie im Schreiben der Nachbarn ***S*** und ***T*** vom (siehe dazu bereits oben) bestätigt wird.

- Ein mit "Bestätigung" übertiteltes Schreiben der Schwiegereltern der Bf., ***L*** und ***N***, wohnhaft in ***WienYYA***, vom , in dem diese ua. bekräftigen, dass sie die beiden Kinder ***E*** und ***B*** im Fall von Krankheit (von Anbeginn an) und auch während der gesamten Schulferien 2011 bis 2015 in der Wohnung in ***WienYY***, betreut hätten und dass sämtliche Familienfeiern der Bf. und ihrer Familie in dieser Wohnung stattgefunden hätten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, wobei es im Wesentlichen ausführte, die Bf. habe die Wohnung ***WienYY***, im Jahr 2006 gekauft. Entgegen der Behauptung der Bf., dass es sich dabei immer um ihren Hauptwohnsitz gehandelt habe, habe sie diese Adresse von bis und dann erst wieder ab im ZMR als ihren Hauptwohnsitz gemeldet gehabt. Auch als Zustelladresse für alle amtlichen Schriftstücke sei von ihr erst ab 2014 die Adresse ***WienYY***, angegeben worden.

Aus den vorgelegten Bestätigungen und Angaben der Bf. gehe hervor, dass bereits seit 2005 (Anm.: gemeint wohl 2011) ihre Kinder sowohl die Krippe/den Kindergarten als auch die Schule in ***WienZZ*** besucht hätten und dass auch der Ehegatte der Bf. in diesem Bezirk gearbeitet habe; somit habe die Bf. selbst belegt, dass den Hauptteil der Woche die gesamte Familie in ***WienZZ***, ***JK***, gewohnt habe, wo sich lt. ZMR bis deren Hauptwohnsitz befunden habe. Die Wohnung in ***WienYY***, sei, wie von der Bf. selbst angegeben, als Wochenend- und Feriendomizil, also als Zweitwohnsitz, genutzt worden.

Die Bf. habe daher unmittelbar ab dem Kauf der Wohnung in ***WienYY***, im Jahr 2006 diese zwar mehr als zwei Jahre als Hauptwohnsitz gehabt, aber sie habe diese Wohnung beim Umzug nicht verkauft und daher den Hauptwohnsitz nicht aufgegeben, sondern nur zum Nebenwohnsitz gemacht. Da erst seit 2014 der Hauptwohnsitz wieder nach ***WienYY***, verlegt worden sei, lägen auch in den letzten zehn Jahren vor dem Verkauf keine fünf Jahre durchgehender Hauptwohnsitz vor. Daher könne keine der beiden Befreiungen greifen und der angefochtene Bescheid sei zu Recht ergangen.

Am beantragte die Bf. die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Anm.: Letzteres wurde mit Eingabe der Bf. vom zurückgezogen).

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Bezug habenden Vorlagebericht ersuchte das Finanzamt, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 29 Z 2 EStG 1988 sind sonstige Einkünfte ua. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 30 leg. cit.).

Nach § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen.

Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 sind von der Besteuerung ausgenommen die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b leg. cit.), wenn sie dem Veräußerer ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 sind von der Besteuerung ausgenommen die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b leg. cit.), wenn sie dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Streit zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht darüber, ob hinsichtlich der in ***WienYY***, gelegenen Wohnung die Hauptwohnsitzbefreiungstatbestände der § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 erfüllt sind.

Dazu ist aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die Bf. und ihr Ehegatte, ***A***, am an der Wohnung ***WienYY***, im Gesamtausmaß von 125,52 m2 samt Terrasse im Ausmaß von 15,12 m2, Kellerabteil und Stellplatz, um den Kaufpreis von 285.000,00 € je zur Hälfte Wohnungseigentum erworben haben. Diese Wohnung war bis zu ihrem Verkauf am deren einzige Immobilie; sie wurde nicht vermietet und nur von der Bf. und ihrem Ehegatten zu Wohnzwecken verwendet.

Die Bf. hatte ihren Hauptwohnsitz (entsprechend den Meldebestätigungen nach dem Meldegesetz) in der Wohnung ***WienYY***, vom bis und vom bis . In diesen beiden Zeiträumen bestand kein Nebenwohnsitz. In dem Zeitraum, in dem kein Hauptwohnsitz an der Anschrift ***WienYY***, bestand ( bis ), war an dieser Anschrift ein Nebenwohnsitz gemeldet, während der Hauptwohnsitz in jenem Zeitraum vom bis an der Anschrift ***WienZZ***, ***WZ***, und vom bis an der Anschrift ***WienZZ***, ***JK***, bestand; bei den beiden letztgenannten Adressen handelt es sich lt. ZMR jeweils um Mietwohnungen, und die in jenem Zeitraum überwiegend bewohnte Wohnung ***WienZZ***, ***JK***, weist lediglich eine Nutzfläche von 51,43 m2 auf.

Der Begriff des "Hauptwohnsitzes" wird im EStG 1988 nicht näher bestimmt. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz iSd Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (vgl. dazu und im Folgenden ).

Hat der Steuerpflichtige mehrere Wohnsitze iSd BAO, ist Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener dieser Wohnsitze, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Der Hauptwohnsitzmeldung kommt in diesem Zusammenhang keine materiell-rechtliche Bedeutung zu (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Tz 143), in Zweifelsfällen kann die polizeiliche An- und Abmeldung aber als Indiz dienen (vgl. ).

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass die Bf. in jenen Zeiträumen, in denen nach den melderechtlichen Wohnsitzbestätigungen der Hauptwohnsitz in der Wohnung ***WienYY***, bestanden hatte, dort auch der Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 war, also die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser Wohnung bestanden.

Der melderechtliche Hauptwohnsitz bestand aber nicht im Zeitraum bis ; in jenem Zeitraum bestand melderechtlich ein Nebenwohnsitz in der Wohnung ***WienYY***. Entscheidend für die Beurteilung, ob der Bf. in diesem Zeitraum die Wohnung ***WienYY***, als Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 diente, ist, ob a) weiterhin die Voraussetzungen für einen Wohnsitz iSd § 26 BAO erfüllt waren und b) zudem, ob die Bf. weiterhin die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser Wohnung hatte, auch wenn eine tatsächliche Benützung der Wohnung in jenem Zeitraum durch die Bf. nicht (ununterbrochen) erfolgte (siehe dazu nochmals ).

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes ist im gegenständlichen Fall das Vorliegen beider Voraussetzungen zu bejahen:

Ad a) Wohnsitz iSd § 26 BAO:

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz iSd Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) bedeutet "Innehaben" die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmöglichkeit über eine Wohnung, somit die Möglichkeit, diese jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nützen zu können. Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen neben Wohnungseigentum und Miete beispielsweise auch familienrechtliche Ansprüche in Betracht (, mit Literaturnachweis).

Im hier zu beurteilenden Zeitraum bis stand die streitgegenständliche Wohnung ***WienYY***, je zur Hälfte im Wohnungseigentum der Bf. und ihres Ehegatten. Da es sich bei dieser Wohnung um die Ehewohnung handelte und die Ehe aufrecht war, war die Bf. gemäß § 97 ABGB zur Nutzung derselben für den eigenen Wohnbedarf berechtigt. Das Tatbestandsmerkmal "Innehaben" iSd § 26 BAO ist somit erfüllt.

Eine ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung ist für die Annahme eines Wohnsitzes iSd § 26 BAO nicht erforderlich. Vielmehr lässt nach der Rechtsprechung des Höchstgerichtes (zB ; ) bereits eine mehrwöchige jährliche Nutzung den Schluss zu, dass ein zur Benützung der Wohnung Berechtigter diese auch tatsächlich weiterhin behalten und benutzen will.

Gesamthaft kommt das Bundesfinanzgericht daher zum Ergebnis, dass auch im Zeitraum bis die Voraussetzungen für einen Wohnsitz iSd § 26 BAO erfüllt waren.

Ad b) Mittelpunkt der Lebensinteressen:

Hat ein Steuerpflichtiger im zu beurteilenden Zeitraum mehr als einen Wohnsitz iSd § 26 BAO, ist, wie bereits ausgeführt, Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener Wohnsitz, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum jeweiligen Wohnsitz den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all' jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln (, mit Verweis auf ; ; ).

Im gegenständlichen Fall hat die Bf. schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass die für den Zeitraum bis erfolgte melderechtliche Hauptwohnsitzbegründung in ***WienZZ*** lediglich deshalb erfolgte, um dort die begehrten Betreuungs- bzw. Ausbildungsplätze (öffentlicher Kindergarten, öffentliche Volksschule) für ihre beiden Kinder ***E*** und ***B*** zu erhalten, zumal es allgemein bekannt ist, dass es in Wien häufig vorkommt, dass der Hauptwohnsitz bei öffentlichen Kindergärten bzw. Schulen in dem Bezirk, in dem sich diese öffentlichen Einrichtungen befinden (oder zumindest in einem benachbarten Bezirk), liegen muss, um den (die) betreffenden Betreuungs- bzw. Ausbildungsplatz (-plätze) zu bekommen.

Dass der öffentliche Kindergarten und die öffentliche Volksschule in ***WienZZ*** gewählt wurden, ist auch aufgrund der langen täglichen Arbeitszeiten der Bf. und ihres Ehegatten (beide waren in dem zu beurteilenden Zeitraum als Akademiker bei der ***BankXY*** in ***WienZZ*** tätig, die Bf. war dort als Abteilungsleiterin beschäftigt) schlüssig und nachvollziehbar, desgleichen die Anmietung einer lediglich kleinen Wohnung von ca. 51,43 m2 in diesem Bezirk, um sich dort unter der Woche (nur während der Schulzeit) in den Abend- und Nachtstunden aufzuhalten.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die sich in ihrer Argumentation, die kleine Mietwohnung in ***WienZZ*** sei der steuerliche Hauptwohnsitz und damit der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. gewesen, hauptsächlich auf die Hauptwohnsitzmeldung lt. Meldegesetz ("ZMR-Meldung") stützt (der freilich keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Tz 143 (siehe dazu bereits oben)), kommt das Bundesfinanzgericht in Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass der Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 (der Mittelpunkt der Lebensinteressen) der Bf. und ihrer Familie im zu beurteilenden Zeitraum in der Wohnung in ***WienYY***, gelegen war, weil:

- Die formelle Hauptwohnsitzmeldung ("ZMR-Meldung") in ***WienZZ*** lediglich deshalb erfolgte, um, wie bereits ausgeführt, dort die gewünschten Betreuungs- bzw. Ausbildungsplätze für die beiden Kinder ***E*** und ***B*** in der Nähe der Arbeitsplätze ihrer Eltern zu erhalten.

- Es sich bei der Liegenschaft ***WienYY***, um eine große, je zur Hälfte im Wohnungseigentumder Bf.und ihres Ehegatten stehende Wohnung gehandelt hat (Gesamtausmaß: 125,52m2 samt Terrasse im Ausmaß von 15,12 m2, Kellerabteil und Stellplatz).

- Demgegenüber hat es sich bei der Anschrift ***WienZZ***, ***JK***, nur um eine kleine Wohnung von ca. 51,43 m2 gehandelt, die von der Bf.bloß angemietet wurde, um sich dort unter der Woche (nur während der Schulzeit) lediglich in den Abend- und Nachtstunden aufzuhalten. (Zutreffend argumentiert die Bf. in diesem Zusammenhang, dass auch eine bloße Nutzung als arbeitsplatznahe Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung keinen Hauptwohnsitz begründet, dieser ist grundsätzlich am Familienwohnsitz anzunehmen (vgl. EStR 2000 Rz 6638)).

- Die Bf. glaubhaft unter Vorlage von Bestätigungen der Nachbarn und Schwiegereltern dargelegt hat, dass sich die freie Zeit, das gesamte Familienleben und die gesellschaftlichen Betätigungen (sämtliche Familienfeiern, Treffen mit Freunden etc.) in der Wohnung ***WienYY***, zugetragen haben; weiters werden die engeren (stärkeren) persönlichen Beziehungen (familiären Bindungen) zu dieser Wohnung auch durch die räumliche Nähe der im selben Bezirk (***WienYYA***) wohnenden Schwiegereltern der Bf. untermauert, die die beiden Kinder ***E*** und ***B*** im Fall von Krankheit (von Anbeginn an) und auch während der gesamten Schulferien in der Wohnung ***WienYY***, betreut haben.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher zum Ergebnis, dass die Wohnung ***WienYY***, der Bf. durchgehend von Ende 2006 bis zum im Jahr 2015 erfolgten Verkauf als Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 (Mittelpunkt der Lebensinteressen) diente (da dem Vorbringen der Bf. gefolgt wird, erweisen sich die von ihr beantragten Einvernahmen ihres Ehegatten und ihrer Schwiegermutter als nicht nötig, weshalb der diesbezügliche Antrag der Bf. abgewiesen wird). Die Voraussetzungen für die Hauptwohnsitzbefreiungen der § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988 sind daher erfüllt, weshalb die Immobilienertragsteuer zu Unrecht festgesetzt wurde.

Somit ist der Beschwerde Folge zu geben und die strittige Einkommensteuer für 2015 ist wie folgt festzusetzen:

Einkünfte aus selbständiger Arbeit: 0,00 €

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:
***BankXY***: 122.665,41 € (steuerpflichtige Bezüge Kennzahl 245)
Pauschbetrag für Werbungskosten: -132,00 €

Gesamtbetrag der Einkünfte: 122.533,41 €

Pauschbetrag für Sonderausgaben: -60,00 €

Kinderbetreuungskosten: -1.833,16 €
Kinderfreibeträge für haushaltszugehörige Kinder: -440,00 €

Einkommen: 120.200,25 €

Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
(120.200,25 - 60.000,00) x 0,5 + 20.235,00: 50.335,13 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge: 50.335,13 €

Verkehrsabsetzbetrag: -291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag: -54,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge: 49.990,13 €

Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00 €: 0,00 €
6% für die restlichen 17.066,89 €: 1.024,01 €

Einkommensteuer: 51.014,14 €

Anrechenbare Lohnsteuer (Kennzahl 260): -52.150,74 €
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988: -0,40 €

Festgesetzte Einkommensteuer: -1.137,00

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich auf solche, die in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind einer ordentlichen Revision nicht zugänglich. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Malainer/Staribacher immolex 2021/204
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101281.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at