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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.10.2021, RV/7102167/2013

Verkauf von Treibhausgasemissionszertifikaten, die für MwSt-Hinterziehungen verwendet wurden; Darlehensgewährung an nahestehende Gesellschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den SenatsvorsitzendenRichter1, den RichterRichter2 sowie die fachkundigen Laienrichter Richter3 und Kommerzialrat Richter4 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch nunmehrigerSteuerlVertreter

  • I.) über die Beschwerde (ursprünglich Berufung) der Bf., bei der Rechtsmittelerhebung vertreten durch Steuerberatungsgesellschaft, vom , gegen folgende Bescheide des Finanzamtes X, St.Nr. ***BF1StNr1***, vom :

1) Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2007,

2) Umsatzsteuerbescheid 2007,

3) Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2008,

4) Umsatzsteuerbescheid 2008,

5) Umsatzsteuerbescheid 2009,

6) Umsatzsteuerbescheid 2010 (gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufiger Bescheid),

  • II.) und über die Beschwerde der Bf. vom gegen folgende Bescheide des Finanzamtes X, St.Nr. ***BF1StNr1***:

7) vom zur Geltendmachung der Haftung für den Zeitraum 2011 betreffend Kapitalertragsteuer aufgrund Zufluss von Kapitalerträgen an Geschäftsführer1,

8) vom zur Festsetzung der Körperschaftsteuer für 2012 (Körperschaftsteuerbescheid 2012),

9) vom zur Festsetzung der Körperschaftsteuer für 2013 (Körperschaftsteuerbescheid 2013),

10) vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2012,

11) vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2013,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Schriftführerin

ad 1 zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2007 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

ad 2 beschlossen: Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2007 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

ad 3 zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2008 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

ad 4 beschlossen: Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

ad 5zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2009 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO folgendermaßen abgeändert:

  • Die Wortfolge "Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 2009 festgesetzt mit" wird ersetzt durch die Wortfolge: "Die Umsatzsteuer wird für den Veranlagungszeitraum bis festgesetzt mit".

  • Die Höhe der für den Veranlagungszeitraum bis festgesetzten Umsatzsteuer und die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

ad 6: Zu der dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Artikel 267 AEUV zur Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vorgelegten Frage wird auf die diesbezügliche gesonderte Beschlussausfertigung unter GZ. RE/7100003/2021 verwiesen.

ad 7zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2011 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

ad 8 zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2012 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Höhe der für das Jahr 2012 festgesetzten Körperschaftsteuer und die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

ad 9 zu Recht erkannt: Der Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2013 wird stattgegeben, und dieser Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Höhe der für das Jahr 2013 festgesetzten Körperschaftsteuer und die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

ad 10beschlossen: Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2012 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

ad 11 beschlossen: Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2013 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Gegen diese Entscheidungen ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A) Einleitung:

Der Streitzeitraum 2007 bis 2010 betrifft die Umsatzsteuer, wogegen der Zeitraum 2011 bis 2013 mit einem ganz anderen Streitpunkt die Körperschaft- und Kapitalertragsteuer betrifft. Anhängig sind auch Beschwerden zur Wirtschaftskammer-Umlage, aber für diese ist der Einzelrichter zuständig und außerdem hängt die Kammerumlage von der Entscheidung des Senates zur Umsatzsteuer ab, sodass hier die Kammerumlage noch kein Thema ist.

Die beschwerdeführende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Beschwerdeführerin, abgekürzt: Bf.) wurde am in das Firmenbuch eingetragen. Ihre Gesellschafter sind seit Beginn Geschäftsführer1 und Geschäftsführer2, die jeweils zu 50% beteiligt sind. Ihre Geschäftsführer waren bzw. sind Geschäftsführer2 von Beginn bis und Geschäftsführer1 seit Beginn. Ihr eingetragener Geschäftszweig ist der Handel mit Emissionszertifikaten im Sinne des EZG (Emissionszertifikategesetz) und der EU-Emissionshandelsrichtlinie.

Es handelt sich bei einem derartigen Treibhausgas-Emissionszertifikat (CO2-Emissionszertifikat) um das Recht, die Umwelt mit einer Tonne CO2 (Kohlenstoffdioxid) zu belasten. Bezeichnung der hauptsächlich gehandelten Treibhausgaszertifikate auf Englisch: EU Allowance, abgekürzt EUA. Daneben gibt es die CERs (Certified Emission Reduction).

Die Geschäftstätigkeit der Bf. im umsatzsteuerlichen Streitzeitraum war fast ausschließlich nach Art eines Börsenhändlers bzw. Brokers: Die Bf. war an der Pariser Börse Y zugelassen, an welcher Emissionszertifikate gehandelt wurden. Die Kunden (Geschäftspartner) der Bf. waren nicht an dieser Börse zugelassen und bedienten sich der Bf. als einer Art Börsenmakler. Einerseits kaufte die Bf. Emissionszertifikate von Geschäftspartnern und verkaufte sie an der Börse weiter. Die Geschäftspartner erhielten dafür den Börsenwert abzüglich einer Provision. Andererseits kaufte die Bf. auf Bestellung der Geschäftspartner Emissionszertifikate an der Börse und verkaufte sie sodann an ihre Geschäftspartner, welche dafür den Börsenwert zuzüglich einer Provision an die Bf. bezahlten.

Das körperschaftsteuerliche Wirtschaftsjahr (Gewinnermittlungszeitraum) der Bf. wurde im Jahr 2009 auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr mit dem 30. September als Bilanzstichtag umgestellt. Dies wurde aufgrund eines entsprechenden Antrages (Erklärung) der Bf. vom (Vlg.akt Dauerbelege Bl. 56) auch für die Veranlagung der Umsatzsteuer umgesetzt. Es gab daher für 1. Jänner bis einen gesonderten (verkürzten) umsatzsteuerlichen Veranlagungszeitraum; der diesbezügliche Bescheid müsste also die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1. Jänner bis aussprechen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer für das "Jahr 2009" im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2009 kann daher nicht so gemeint sein. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 enthält die betragsmäßigen Bemessungsgrundlagen für die neun Monate Jänner bis September 2009. Der Umsatzsteuerbescheid 2009 ist daher so gemeint, dass er die Umsatzsteuer für den Zeitraum 1. Jänner bis festsetzt.

Daran schloss sich ein Veranlagungszeitraum für bis an; der diesbezügliche Bescheid müsste also die Festsetzung der Umsatzsteuer für bis aussprechen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer für das (gesamte) "Jahr 2010" im Umsatzsteuerbescheid 2010 kann daher nicht so gemeint sein. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2010 ist daher so gemeint, dass er die Umsatzsteuer für den Zeitraum bis festsetzt.

B) Verfahrensablauf bis (Tag der Zustellung der angefochtenen Bescheide) hinsichtlich Umsatzsteuer 2007

Am langte die Umsatzsteuererklärung der Bf. für 2007 elektronisch ein, worin bei folgenden Kennzahlen die folgende Beträge angegeben waren (BFG-Akt I/104 f.):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
272.109,99 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
272.109,99 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
240.496,82 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
499,40 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
0,00 €
073
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
499,40 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Beträge)
28.361,99 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
49,94 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
240.496,82 €

Der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom erging erklärungsgemäß und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2007 mit 26.060,01 € fest (BFG-Akt F/5, I/106).

Bei der Bf. wurde eine Außenprüfung über die Jahre 2006 bis 2009 durchgeführt und mit Schlussbesprechungs-Niederschrift vom abgeschlossen (BFG-Akt Bl. F/41 verso ff.). Es wurde ein mit datierter Prüfungsbericht verfasst (BFG-Akt Bl. F/34 ff.).

Im Zuge der Prüfung ist für 2007 eine korrigierte Umsatzsteuererklärung abgegeben worden. [Anm.: Diese ist aber im weiteren USt-Verfahren nicht berücksichtigt worden.]

Die berichtigte USt-Erklärung für 2007 (auf Formular U 1; BFG-Akt Bl. I/159 f.) enthält gegenüber der am elektronisch eingebrachten Erklärung folgende Abweichungen: Bei den Kennzahlen 057 ("Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, § 19 Abs. 1c, Abs. 1d sowie gemäß Art. 25 Abs. 5") und 066 ("Vorsteuern betreffend die Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, § 19 Abs. 1c, Abs. 1d sowie gemäß Art. 25 Abs. 5") ist ein Betrag von jeweils 409.092,21 € angegeben. Es handelt sich um den Übergang der Steuerschuld vom leistenden ausländischen Unternehmer auf die Bf.

In der Schlussbesprechungs-Niederschrift wird hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 ausgeführt:

[...]

Aus Tz 17 des Außenprüfungsberichtes geht die vorgenannte Erhöhung der Entgelte hervor:

In der Tz 22 des Außenprüfungsberichtes wird die Umsatzsteuer für 2007 mit der vorgenannten Änderung, aber ohne die - sich gegenseitig neutralisierenden - Änderungen laut berichtigter USt-Erklärung 2007 dargestellt:

Das Finanzamt X erließ einen mit datierten Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2007 (BFG-Akt Bl. F/7) sowie einen gleich datierten (neuen) Umsatzsteuerbescheid 2007 (BFG-Akt Bl. F/10 f.), welcher im Wesentlichen der Tz 22 des Außenprüfungsberichtes entspricht. Der Wiederaufnahmsbescheid wurde wie folgt begründet: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid [Anm.: vom ] zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

C) Verfahrensablauf bis (Tag der Zustellung der angefochtenen Bescheide) hinsichtlich Umsatzsteuer 2008

Am langte die Umsatzsteuererklärung der Bf. für 2008 elektronisch ein, worin bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben waren (BFG-Akt I/111 f.):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
1.299.908,88 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
1.299.908,88 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
43.255.900,62 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
2.237,67 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
855,67 €
073
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
1.382,00 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
273.318,42 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
309,33 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
43.255.900,62 €
090
sonstige Berichtigungen
-59,25 €

Der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom erging erklärungsgemäß und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2008 mit -13.395,89 € fest (BFG-Akt F/16 f.)

Bei der Bf. wurde eine Außenprüfung über die Jahre 2006 bis 2009 durchgeführt und mit Schlussbesprechungs-Niederschrift vom abgeschlossen (BFG-Akt Bl. F/41 verso ff.). Es wurde ein mit datierter Prüfungsbericht verfasst. (BFG-Akt F/34 ff.)

In der Schlussbesprechungs-Niederschrift wird hinsichtlich Umsatzsteuer 2008 ausgeführt:

2. ig Lieferungen ohne gültige UID in den Jahren 2007-2010:
[wie in Abschnitt B wiedergegeben]

[...]

Aus Tz 17 des Außenprüfungsberichtes geht die vorgenannte Erhöhung der Entgelte hervor:

In der Tz 23 wird die Umsatzsteuer für 2008 mit der vorgenannten Änderung dargestellt:

Das Finanzamt X erließ einen mit datierten Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2008 (BFG-Akt Bl. F/18) sowie einen gleich datierten (neuen) Umsatzsteuerbescheid 2008 (BFG-Akt Bl. F/21 f.), welcher im Wesentlichen der Tz 23 des Außenprüfungsberichtes entspricht. Der Wiederaufnahmsbescheid wurde wie folgt begründet: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid [Anm.: vom ] zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

D) Verfahrensablauf bis (Tag der Zustellung der angefochtenen Bescheide) hinsichtlich Umsatzsteuer für den Zeitraum vom bis

D/a) In den Umsatzsteuervoranmeldungen (UVA) der Bf. für die Monate Jänner bis Juni 2009 waren bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben:

UVA für Jänner 2009, aus welcher ein Betrag iHv -65.177,36 € errechnet wurde (BFG-Akt I/118), welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
111.250,00 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
111.250,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
7.469.875,74 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
88,02 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
23,02 €
073
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
65,00 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
87.427,36 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
11,10 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
7.469.875,74 €

UVA für Februar 2009, aus welcher ein Betrag iHv -93,48 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/120), welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
2.060,00 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
2.060,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
25.149.069,34 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
505,48 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
25.149.069,34 €

UVA für März 2009, aus welcher ein Betrag iHv -415,51 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/122), welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
983,50 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
983,50 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
23.285.611,01 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
53,00 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
53,00 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
612,21 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
10,60 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
23.285.611,01 €

UVA für April 2009 (BFG-Akt Bl. I/124), aus welcher ein Betrag iHv -12.117,48 € (=58.460,00 - 70.577,48) zu errechnen gewesen wäre, wobei keine Buchung auf dem Steuerkonto erfolgte:


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
292.300,00 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
292.300,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
57.458.322,79 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
70.577,48 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
57.458.322,79 €

UVA für Mai 2009, aus welcher ein Betrag iHv -1.342,97 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/126) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
124.144.431,98 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
1.342,97 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
124.144.431,98 €

UVA für Juni 2009, aus welcher ein Betrag iHv -576,07 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/128) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
52.762.391,27 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
576,07 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
52.762.391,27 €

D/b) Mit Bescheid vom (BFG-Akt Bl. I/132) setzte das Finanzamt X die Umsatzsteuer für 06/2009 fest, wobei

  • die abziehbare Vorsteuer (ohne solche aus Reverse Charge) um 66,24 € höher sowie

  • jeweils die aufgrund Reverse Charge geschuldete USt und die daraus abziehbare Vorsteuer um 5.000,00 € höher als ursprünglich vorangemeldet

angesetzt wurden. Die Verbuchung des um 66,24 € höheren Vorsteuerüberschusses, d.h. eines negativen Betrages, auf dem Steuerkonto erfolgte am .

D/c) Betreffend den Zeitraum 04-06/2009 wurde aufgrund eines Prüfungsauftrages vom eine Außenprüfung bei der Bf. zu USt, zusammenfassende Meldungen und Kammerumlage durchgeführt, welche mit Niederschrift vom beendet wurde. Die Prüfungsfeststellungen in der Niederschrift (Vlg.akt, Dauerbelege Bl. 47 ff.) hatten nur Auswirkungen auf die Kammerumlage. Im Gefolge des Abschlusses dieser Außenprüfung sind keine Buchungen oder Bescheiderlassungen zur USt für den geprüften Zeitraum 04-06/2009 ersichtlich; der Festsetzungsbescheid zur USt 06/2009 vom hat keinen erkennbaren Zusammenhang zu dieser Außenprüfung.

D/d) In den UVA der Bf. für die Monate Juli bis September 2009 waren bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben:

UVA für Juli 2009, aus welcher ein Betrag iHv -1.593,82 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/133) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
56.521.250,62 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
1.547,08 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
85,85 €
073
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
1.461,23 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
1.593,81 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
163,29 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
56.521.250,62 €

UVA für August 2009, aus welcher ein Betrag iHv -471,07 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/135) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
990,00 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
990,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
5.010.939,60 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
669,07 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
5.010.939,60 €

UVA für September 2009, aus welcher ein Betrag iHv -5.646,25 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/137) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
17.832.789,55 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
314,37 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
314,37 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
62,87 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
17.832.789,55 €
067
Berichtigung gem. § 16
57.553,75 €
090
sonstige Berichtigungen
-63.200,00 €

D/e) In den UVA der Bf. für die Monate Oktober bis Dezember 2009 waren bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben:

UVA für Oktober 2009, aus welcher ein Betrag iHv -2.400,19 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/139) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


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Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
20.185.945,21 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
2.400,19 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
20.185.945,21 €

UVA für November 2009, aus welcher ein Betrag iHv -2.408,41 € errechnet wurde (BFG-Akt Bl. I/141) welcher am auf dem Steuerkonto verbucht wurde (BFG-Akt I/3):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
31.348.483,36 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
2.408,41 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
31.348.483,36 €

UVA für Dezember 2009 (BFG-Akt Bl. I/143), aus welcher ein Betrag iHv -103.779,65 € zu errechnen gewesen wäre, wobei keine Buchung auf dem Steuerkonto erfolgte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
0,00 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
29.562.295,62 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
3.591,90 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
3.591,90 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
103.779,65 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
718,38 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
29.562.295,62 €

D/f) Am langte die Umsatzsteuererklärung der Bf. für 2009 elektronisch ein, worin als "Beginnmonat abw. WJ" angegeben war: "01" sowie bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben waren (BFG-Akt I/146 f.):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
91.995,16 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
91.995,16 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
369.651.030,86 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
505,70 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
505,70 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
105.664,34 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
101,14 €
066
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
369.651.030,86 €

Diese Umsatzsteuererklärung müsste im Sinne der Ausführungen im Abschnitt A den Zeitraum 1.1. bis umfassen. Aus dieser Umsatzsteuererklärung resultiert eine Zahllast von -87.265,31 € (=91.995,16*20/100 - 105.664,34; wobei ig. Erwerbe, Reverse Charge und die diesbezüglichen Vorsteuern per Saldo 0,00 € ergeben). In der Papierversion der elektronischen Steuererklärung, die der Betriebsprüfer aus den Unterlagen der Steuerberatung erhalten hatte (BFG-Akt Bl. 161 verso f.), wird angegeben, dass die Umsätze des Wirtschaftsjahres 01/2009 bis 09/2009 erklärt werden.
Auch der Vergleich der vorhin errechneten Zahllast laut USt-Erklärung mit der Aufsummierung der Zahllasten der UVA für 1-9/2009 bzw. für 1-12/2009 zeigt, dass die USt-Erklärung betragsmäßig den Zeitraum 1.1. bis (und nicht den Zeitraum 1.1. bis ) umfasst:


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UVA 1/2009
-65.177,36 €
UVA 2/2009
-93,48 €
UVA 3/2009
-415,51 €
UVA 4/2009
-12.117,48 €
UVA 5/2009
-1.342,97 €
UVA 6/2009
-576,07 €
UVA 7/2009
-1.593,81 €
UVA 8/2009
-471,07 €
UVA 9/2009
-5.646,25 €
Summe 1-9
-87.434,00 €
UVA 10/2009
-2.400,19 €
UVA 11/2009
-2.408,41 €
UVA 12/2009
-103.779,65 €
Summe 1-12
-196.022,25 €

D/g) Bei der Bf. wurde eine Außenprüfung über die Jahre 2006 bis 2009 durchgeführt und mit Schlussbesprechungs-Niederschrift vom abgeschlossen. Es wurde ein mit datierter Prüfungsbericht verfasst. (BFG-Akt F/34 ff.)

In der Schlussbesprechungs-Niederschrift wird hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 ausgeführt:

2. ig Lieferungen ohne gültige UID in den Jahren 2007-2010:
[wie in Abschnitt B wiedergegeben]

[...]

Laut Beilage 2 zur Niederschrift liegt auch der Lieferzeitraum hinsichtlich der o.a. Geschäftspartner26 im Veranlagungszeitraum 1.1.-:

[...]

[...]

[...]

[...]

Aus Tz 17 des Außenprüfungsberichtes geht die vorgenannte Erhöhung der Entgelte hervor:

Der Ausgangswert ("bisher) entspricht in der Spalte "2009" dem Betrag laut Umsatzsteuererklärung 2009, welche den Zeitraum 1. Jänner bis umfasst (vgl. Abschnitt D/f), sodass der Betrag in der Zeile "lt. Bp" ebenfalls für den Zeitraum 1. Jänner bis gemeint ist.

In der Tz 24 wird die Umsatzsteuer für den Zeitraum "2009" (wobei aber betragsmäßig nur der Zeitraum 1.1. bis umfasst ist) mit der vorgenannten Änderung dargestellt:

D/h) Das Finanzamt X erließ einen mit datierten Umsatzsteuerbescheid 2009 (BFG-Akt Bl. I/148), welcher im Wesentlichen der Tz 24 des Außenprüfungsberichtes entspricht (nur das Vorsoll, welches kein Spruchbestandteil ist, wird im Bescheid anders, nämlich mit -75.382,76 € angegeben, wogegen in Tz. 24 bei ´bisheriger Steuer´ die aus der USt-Erklärung errechnete Zahllast angegeben ist.)

Die betragsmäßigen Bemessungsgrundlagen des Umsatzsteuerbescheides 2009 entsprechen einerseits dem Gesamtbetrag der Entgelte, welcher für den Zeitraum 1.1. bis gemeint ist (vgl. Abschnitt D/g), und ansonsten der Umsatzsteuererklärung 2009, welche betragsmäßig den Zeitraum 1.1. bis umfasst. Folglich umfasst auch der Umsatzsteuerbescheid 2009 betragsmäßig den Zeitraum 1.1. bis .

Das im Umsatzsteuerbescheid 2009 angegebene Vorsoll entspricht den auf dem Steuerkonto verbuchten UVA 1-3/2009 und 5-9/2009 plus der Änderung durch die USt-Festsetzung 6/2009 und zeigt auch, dass der Umsatzsteuerbescheid 2009 nach dem behördlichen Willen für den Zeitraum 1.1. bis gedacht war, was aber in seiner EDV-Ausfertigung nicht zum Ausdruck gekommen ist (anzumerken ist, dass die UVA 4/2009 und 12/2009 auf dem Steuerkonto nicht verbucht worden waren):


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UVA 1/2009
-65.177,36 €
UVA 2/2009
-93,48 €
UVA 3/2009
-415,51 €
UVA 5/2009
-1.342,97 €
UVA 6/2009
-576,07 €
Fests. 6/2009
-66,24 €
UVA 7/2009
-1.593,81 €
UVA 8/2009
-471,07 €
UVA 9/2009
-5.646,25 €
verbucht 1-9
-75.382,76 €
UVA 4/2009 nicht verbucht
UVA 10/2009
-2.400,19 €
UVA 11/2009
-2.408,41 €
verbucht 1-12
-80.191,36 €
UVA 4 und 12/2009 nicht verbucht

D/i) Um zu erkennen, dass der angefochtene "Umsatzsteuerbescheid 2010" nach dem behördlichen Willen für den Veranlagungszeitraum bis gedacht war, ist auf die Umsatzsteuervoranmeldungen für Oktober 2009 bis Dezember 2010 zurückzugreifen. Denn dieser Bescheid ist vor Abgabe der Umsatzsteuererklärung erlassen worden und berücksichtigt nach seinem Spruch ("für das Jahr 2010 festgesetzt") nicht den abweichenden Veranlagungszeitraum vom bis (vgl. Abschnitt A).

Die Umsatzsteuervoranmeldungen für Oktober bis Dezember 2009 sind bereits oben in Abschnitt D/e dargestellt und werden im Folgenden für die Weiterverwendung aufsummiert:


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UVA
10/2009
11/2009
12/2009
Summe 10-12
Kzl.
Kurzbeschreibung
0
Lfg./sonst.L./EV i. Inland
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
22
mit 20% zu verst.Umsatz
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
57
Reverse Charge - USt
20.185.945,21 €
31.348.483,36 €
29.562.295,62 €
81.096.724,19 €
70
ig. Erwerbe
0,00 €
0,00 €
3.591,90 €
3.591,90 €
72
mit 20% zu verst.ig.E.
0,00 €
0,00 €
3.591,90 €
3.591,90 €
73
mit 10% zu verst.ig.E.
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
60
Vorsteuer ohne nachfolg.
2.400,19 €
2.408,41 €
103.779,65 €
108.588,25 €
65
Vorsteuern aus ig.E.
0,00 €
0,00 €
718,38 €
718,38 €
66
Vorsteuer aus Rev.Ch.
20.185.945,21 €
31.348.483,36 €
29.562.295,62 €
81.096.724,19 €

Es folgen die UVA 1-5/2010:


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Kzl.
1/2010
2/2010
3/2010
4/2010
5/2010
0
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
456,00 €
22
456,00 €
57
35.088.149,41 €
32.310.783,33 €
16.045.080,72 €
7.487.435,35 €
450.082,98 €
70
133,90 €
659,90 €
72
133,90 €
659,90 €
73
60
44.882,95 €
1.286,41 €
2.036,78 €
143.811,47 €
16.693,80 €
65
26,78 €
131,98 €
66
35.088.149,41 €
32.310.783,33 €
16.045.080,72 €
7.487.435,35 €
450.082,98 €

Es folgen die UVA 6-9/2010 und die Aufsummierung von 1-9/2010:


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Kzl.
6/2010
7/2010
8/2010
9/2010
Sum. 1-9/2010
0
50,00 €
1.200,00 €
0,00 €
0,00 €
1.706,00 €
22
50,00 €
1.200,00 €
1.706,00 €
57
321.633,95 €
112.421,23 €
132.357,25 €
151.434,37 €
92.099.378,59 €
70
3.263,26 €
1.295,00 €
5.352,06 €
72
3.263,26 €
4.057,06 €
73
1.295,00 €
1.295,00 €
60
15.511,12 €
1.089,08 €
1.460,37 €
5.973,81 €
232.745,79 €
65
652,65 €
129,50 €
940,91 €
66
321.633,95 €
112.421,23 €
132.357,25 €
151.434,37 €
92.099.378,59 €

Es folgen die UVA 10-12/2010 und die Aufsummierung 1-12/2010:


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Kzl.
10/2010
11/2010
12/2010
Summe 1-12/2010
0
0,00 €
0,00 €
136.875,00 €
138.581,00 €
22
136.875,00 €
138.581,00 €
57
125.057,36 €
554.646,54 €
882.347,46 €
93.661.429,95 €
70
5.352,06 €
72
4.057,06 €
73
1.295,00 €
60
440,51 €
1.505,80 €
2.578,14 €
237.270,24 €
65
940,91 €
66
125.057,36 €
554.646,54 €
882.347,46 €
93.661.429,95 €

Es folgt die Aufsummierung für 10/2009 bis 9/2010:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Summe 10-12/2009
Summe 1-9/2010
Sum.10/2009-9/2010
0
0,00 €
1.706,00 €
1.706,00 €
22
0,00 €
1.706,00 €
1.706,00 €
57
81.096.724,19 €
92.099.378,59 €
173.196.102,78 €
70
3.591,90 €
5.352,06 €
8.943,96 €
72
3.591,90 €
4.057,06 €
7.648,96 €
73
0,00 €
1.295,00 €
1.295,00 €
60
108.588,25 €
232.745,79 €
341.334,04 €
65
718,38 €
940,91 €
1.659,29 €
66
81.096.724,19 €
92.099.378,59 €
173.196.102,78 €

Der Vergleich zum angefochtenen "Umsatzsteuerbescheid 2010" (siehe später) zeigt deutlich, dass er für den Veranlagungszeitraum bis gemeint ist, denn er weicht von den Summen der UVA für 10/2009 bis 9/2010 nur im Streitpunkt (den Inlandsumsätzen) wesentlich ab, während er von den Summen der UVA für 1/2010 bis 12/2010 in fast allen Bemessungsgrundlagen wesentlich abweicht.

D/j) In der Schlussbesprechungs-Niederschrift wird hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 ausgeführt:

2. ig Lieferungen ohne gültige UID in den Jahren 2007-2010
[wie in Abschnitt B wiedergegeben]

[...]

Laut Beilage 1 zur Niederschrift resultieren diese Beträge (zusammengefasst) aus Folgendem:

[...]

[Anm: 69.931.207,00 + 126.366.785,00 = 196.297.992,00]
Fortsetzung der Schlussbesprechungs-Niederschrift:

In dem vorhin wiedergegebenen, "Missing Trader" betreffenden Punkt 4 der Beilage 1 zur Niederschrift wird zur rechtlichen Würdigung auf Punkt 5 verwiesen. Dort wird mit dem Wissen oder Hätte-Wissen-Müssen von MwSt-Hinterziehungen und mit den vernünftigerweise zu treffenden Maßnahmen zur Verhinderung der Verwicklung in einen MwSt-Betrug argumentiert.

In der Tz 25 des bereits erwähnten Prüfungsberichtes wird die Umsatzsteuer für den Zeitraum "2010" folgendermaßen dargestellt, wobei der Zeitraum bis gemeint ist [Anm.: 163.581.660 + 1.706 lt. UVA = 163.583.366]:

D/k) Der gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Umsatzsteuerbescheid 2010 vom setzte die Umsatzsteuer "vorläufig für das Jahr 2010" fest mit 32.375.312,32 € aufgrund folgender Bemessungsgrundlagen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kurzbeschreibung
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
163.583.366,00 €
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
163.583.366,00 €
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
173.140.177,04 €
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
8.943,96 €
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
7.648,96 €
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
1.295,00 €
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
341.360,88 €
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
1.659,29 €
Vorsteuerabzug aus Kennzahl 057 (Reverse Charge)
173.140.177,04 €

D/l) Am - also nach Erlassung des Bescheides vom - langte die Umsatzsteuererklärung der Bf. für 2010 (Formularbezeichnung) auf Papier beim Finanzamt ein, worin angegeben war, dass die Umsätze des Wirtschaftsjahres von 10/2009 bis 09/2010 erklärt werden sowie bei folgenden Kennzahlen die folgenden Beträge angegeben waren (Veranlagungsakt):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kzl.
Kurzbeschreibung
erklärter Betrag
000
Lieferungen/sonstige Leistungen/EV im Inland
2.457,79 €
022
mit 20% zu versteuernde Inlandsumsätze
2.457,79 €
057
aufgrund Reverse Charge geschuldete USt
173.539.551,69 €
070
Gesamtbetrag innergemeinschaftlicher Erwerbe
4.108,52 €
072
mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
2.813,52 €
073
mit 10% zu versteuernde innergemeinschaftl. Erwerbe
1.295,00 €
060
abziehbare Vorsteuer (ohne nachfolgende Vorsteuer)
341.220,19 €
065
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
692,20 €
066
Vorsteuern aus Reverse Charge (Kennzahl 057)
173.539.551,69 €

D/m) Zusätzliche Begründung in Beilage 1 zur Schlussbesprechungs-Niederschrift:

Während der Betriebsprüfer die betragsmäßigen umsatzsteuerlichen Prüfungsfeststellungen und damit die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 so begründet hat, wie es in den Abschnitten D/g und D/j dargestellt ist (innergemeinschaftliche Lieferung, UID-Nummer, Missing Trader), hat der Betriebsprüfer in Punkt 2 der Beilage 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung eine Begründung verfasst, in welcher er zwei Betrugsschemas darstellt:

  • Betrugsschema I: Verschleierung des Kreislaufes der Emissionszertifikate durch gegenläufige Geschäfte, d.h. manchmal habe die Bf. einem Geschäftspartner gleich viele Emissionszertifikate abgekauft und ihm dann wieder verkauft bzw. gleich viele Emissionszertifikate zuerst verkauft und ihm dann wieder abgekauft, und zwar manchmal noch am selben Tag. Manchmal habe die Bf. teurer vom Geschäftspartner zurückgekauft als vorher verkauft.

  • Betrugsschema II: Die Bf. habe jeweils in einem kurzen Zeitraum ihren Handel fast ausschließlich mit einem Geschäftspartner abgewickelt.

E) Verfahrensablauf hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 bis 2010 ab (=Tag nach der Zustellung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich Umsatzsteuer)

E/a) Mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. B/150 ff.) erhob die Bf. - hierbei vertreten durch Steuerberatungsgesellschaft - Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen

1) Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2007 vom ,

2) Umsatzsteuerbescheid 2007 vom ,

3) Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2008 vom ,

4) Umsatzsteuerbescheid 2008 vom ,

5) Umsatzsteuerbescheid 2009 vom ,

6) Umsatzsteuerbescheid 2010 vom .

Mit diesem Rechtsmittel vom wurde beantragt, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben oder sie in eventu unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung festzusetzen. Weiters wurden Anträge auf Senatsentscheidung und auf mündliche Verhandlung gestellt.

Gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer 2007 und 2008 wird vorgebracht, dass sie keine Begründung bzw. keine gesetzliche Grundlage für die Wiederaufnahme der Verfahren enthielten. U.a. sei nicht begründet worden, welche Teile des Sachverhaltes der Behörde nicht so vollständig bekannt gewesen seien, dass die Behörde nicht schon ursprünglich zur nunmehr getroffenen Entscheidung gelangen hätte können. Außerdem komme es bei korrekter Würdigung des Sachverhaltes zu keiner Änderung der Umsatzsteuerzahllast, sodass kein Wiederaufnahmegrund vorliege.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide wird zunächst vorgebracht, dass sie formell mangelhaft seien, da in den Bescheiden keine gesetzliche Begründung angegeben worden sei. Selbst wenn man hilfsweise die im Zuge der Außenprüfung aufgenommenen Niederschriften und Prüfberichte heranziehe, sei auch dort keine gesetzliche Grundlage ersichtlich.

Weiters wird vorgebracht:

  • Bei den gegenständlichen Leistungen (Verkauf von Emissionszertifikaten) handele es sich nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen. (Mit Verweis auf 75. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses)

  • Dementsprechend sei es unerheblich, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt seien. Das Finanzamt stütze sich aber in seiner Begründung für die behauptete Steuerpflicht der Verkäufe ausschließlich darauf, dass die UID-Nummern der Abnehmer nicht gültig gewesen wären oder Lieferungen an Karussellbetrüger vorlägen und sich die Bf. nicht auf die Vertrauensschutzregel des Art. 7 stützen könne.

  • Der Verkauf von Emissionszertifikaten stelle eine sonstige Leistung iSd UStG dar. Hinsichtlich des Leistungsortes dieser Leistung sei aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der Einräumung einer Lizenz § 3a Abs. 10 UStG (idF vor dem , "Katalogleistung") bzw. § 3a Abs. 6 UStG (idF ab ; Verweis auf UStR Rz 345) anzuwenden. Dass der Verkauf von Emissionszertifikaten eine sonstige Leistung darstelle, ergebe sich auch daraus, dass die Erwerbe dieser Zertifikate in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden als reverse-charge-Eingangsleistungen, nicht aber als innergemeinschaftliche Erwerbe ausgewiesen seien. Ankauf und Verkauf desselben Wirtschaftsgutes könnten nicht einmal sonstige Leistung, das andere Mal eine Lieferung darstellen.

  • Die Leistungsortbestimmung des § 3a Abs. 10 bzw. § 3a Abs. 6 UStG knüpfe im Gegensatz zur Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht daran an, dass der Käufer über eine UID-Nummer verfüge. Er müsse lediglich ein Unternehmer im Sinn des UStG sein. Unternehmer im Sinn des UStG sei aber jeder, der die Voraussetzungen des § 2 UStG erfülle und eine Tätigkeit nachhaltig zur Einnahmenerzielung ausübe. Unerheblich sei es auch, ob der Leistungsempfänger die Besteuerung des reverse-charge-Umsatzes tatsächlich vornehme. Eine Analogie zur Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen dahingehend, dass die Verlagerung des Leistungsortes nur dann zum Tragen komme, wenn der Leistungsempfänger seinen Leistungserwerb korrekt versteuere, könne keinesfalls gezogen werden.

  • Da die Zertifikate unbestreitbar an Unternehmer im Sinn des UStG verkauft worden seien - die Weiterveräußerung der Zertifikate durch die Kunden der Bf. sei nie bestritten worden und sei auch aus den Akten der Staatsanwaltschaft, welche der Betriebsprüfung vorgelegen seien, ersichtlich - liege hinsichtlich des Verkaufs der Zertifikate keine in Österreich steuerbare Leistung vor.

  • Im Zusammenhang mit sonstigen Leistungen sei es für die Bestimmung des Leistungsortes vollkommen unerheblich, ob die Kunden ihren Verpflichtungen im Ansässigkeitsstaat nachgekommen seien. Dies würde auch dem gemeinschaftsrechtlich bedingten Territorialprinzip widersprechen.

  • Das Finanzamt lege im Übrigen nicht dar, weshalb die Bf. vom Karussellbetrug wissen hätte müsse, sondern beschränke sich auf die Behauptung, dass dies eben so sei. Im gesamten Betriebsprüfungsverfahren sei seitens der Bf. dargelegt worden, welche Schritte unternommen worden seien, um sich nicht dem Vorwurf einer Beteiligung an einem Karussellbetrug aussetzen zu müssen.

E/b) Mit Eingaben vom wurde die Berufung vom ergänzt:

  • Begleitschreiben (BFG-Akt Bl. F/187);

  • 68-seitiges Schreiben des Geschäftsführer1, Geschäftsführer der Bf., vom (BFG-Akt Bl. F/89 ff.);

  • Dokumentensatz (laut Bezeichnung seitens Bf.) = Ergänzungsunterlagen d. Bf. (laut Bezeichnung seitens Groß-BP).

Die Bf. brachte zur Margenentwicklung vor, dass durch erhöhten Konkurrenzdruck im Laufe der Zeit die Gesamthandelsmarge der Bf. abgenommen habe, weil jeweils individuell eine Vielzahl der Kunden eine immer geringer werdende Gebühr ausverhandelt habe, z.B: Geschäftspartner1, Geschäftspartner2, Geschäftspartner3, Geschäftspartner4, Geschäftspartner5. In diesem Zusammenhang scheine es unlogisch, dass die Bf. - falls sie in die Betrugsverdachtsfälle involviert wäre - auch bei den vom Prüfer beanstandeten Kunden einer Margenreduzierung zugestimmt hätte. Auch aus Sichtweise eines bösgläubigen Marktteilnehmers mache das Streben nach Kostenreduktion wenig Sinn, da er Gefahr laufe, einen "naiven" Handelspartner zu verlieren und die Kostenreduktion im Vergleich zur zu Unrecht vereinnahmte Umsatzsteuer marginal sei.

Nachdem die Spotbörse Y 2009 für kurze Zeit geschlossen wurde, sei der Bf. versichert worden, dass diese Schließung nichts mit den Gerüchten über einen Umsatzsteuerbetrug im Emissionshandel zu tun habe. Die Bf. habe davor noch nichts von diesen Gerüchten wahrgenommen. Die Bf. habe daraufhin nochmalig die UID-Nummern der Handelspartner überprüft sowie die Anforderungen an die KYC-Dokumentation verschärft. Schon vorher habe die Bf. folgende Maßnahmen gesetzt, um die Risiken in einem ungeregelten Markt zu minimieren:

  • Transparenter Handel: Die Bf. habe den Handel fast ausschließlich (über 99,5%) über eine Börse abgewickelt, obwohl im OTC-Handel [Anm.: over the counter, Handel ohne Abwicklung über die Börse] Börsenspesen vermieden werden hätten können. Dadurch sei den überwachenden Organen der Börse bekannt gewesen, woher Gelder und Zertifikate gekommen seien und wer die Empfänger der Gelder und Zertifikate gewesen seien. Die Bf. habe davon ausgehen können, dass die Börse über die staatlichen Informationsmechanismen und die technischen Voraussetzungen der Überwachung des Handels von allen Marktteilnehmern mit Informationen versorgt werde und diese Informationen miteinander verknüpfe und im Falle von Missständen bzw. Verdachtsmomenten diese Informationen auch an die Bf. weiterleite bzw. den Handel mit verdächtigen Marktteilnehmern unterbinden würde.

  • "Know-your-client" (KYC) - Dokumentation (eigentlich: "Know-your-customer"): Die Bf. habe von Beginn an eine umfangreiche Dokumentation bezüglich ihrer Kunden unterhalten und diese ständig verbessert. Zu den Unterlagen hätten gehört:
    Aktueller Firmenbuchauszug;
    Liste aller Gesellschafter;
    wenn Kunde ein Tochterunternehmen ist: Liste aller Holding-Unternehmen inkl. Aufstellung der Direktoren und Gesellschafter dieser Unternehmen;
    Angabe der zum Handel autorisierten Person;
    Passkopie dieser Person und der Geschäftsführer;
    für Firmen in der EU: Bestätigung der UID-Nummer;
    aktueller Geschäftsbericht;
    Bestätigung über die Errichtung eines Emissionshandelsregisterkontos inkl. Dokumentation über den Konto-Bevollmächtigten;
    Brief der Hausbank mit Kontoinformationen;
    Anti-Geldwäsche-Fragebogen.
    Die KYC-Unterlagen hätten zu Beginn der Außenprüfung bereits zwölf Ordner umfasst. Die von der Bf. durchgeführten Kontrollen hätten im maßgeblichen Prüfungszeitraum jene Kontrollen überstiegen, die der Registerführer bei Beantragung eines Kontos durchführen musste, da beispielsweise die Kontrolle einer UID-Nummer nicht in der EU-Verordnung 2216/2004 Gegenstand der Prüfung sei.

  • Beschränkung der Verkaufstätigkeit auf den Bereich, in welchem kein USt-Ausweis erfolgt. Ausgenommen davon waren lediglich Industriebetriebe, weil bei diesen davon ausgegangen wurde, dass es keine "Missing trader"-Problematik geben könne, weil diese in permanenter Prüfung durch die Finanzverwaltung stünden.

  • Einhaltung von Geldwäscherichtlinien: Dies sei der Bf. von der Ende Juli 2009 beauftragten Anwaltskanzlei Anwaltskanzlei3 bestätigt worden.

Gegen den Vorwurf der Verschleierung des Kreislaufes der Emissionszertifikate mittels gegenläufiger Geschäfte innerhalb von jeweils wenigen Tagen (Betrugsschema I laut Betriebsprüfer) brachte die Bf. vor:

  • Eine Verschleierung sei nicht möglich, weil die Zertifikate elektronisch auf Zertifikatskonten der Mitgliedstaaten der EU (und am Emissionshandel teilnehmenden Staaten) verfügbar seien und sich in einem geschlossenen System befänden. Sie könnten nicht wie Geld abgehoben werden. Die Administratoren der Register könnten den Weg der Zertifikate nachvollziehen.

  • Für die Bf. seien Preisdifferenzen zwischen Ankauf und Verkauf belanglos gewesen, weil die Bf. die angekauften Emissionszertifikate an der Börse verkauft habe bzw. die verkauften Emissionszertifikate an der Börse eingekauft habe. Der Preis gegenüber dem Geschäftspartner sei der Börsenkurs gewesen. Die Bf. habe bei jedem Geschäft an den mengenabhängigen Gebühren verdient.

  • Die Bf. habe keinen Einfluss auf die Beweggründe der Geschäftspartner, zu kaufen oder zu verkaufen, gehabt. Wenn ein Geschäftspartner der Bf. zu einem niedrigeren Preis eingekauft und dann zu einem höheren Preis verkauft habe, so könne man vermuten, dass der Geschäftspartner auf einen steigenden Preis, d.h. einen steigenden Börsenkurs für Emissionszertifikate spekuliert habe.

[...]

Die am von der Bf. zum Handel zugelassene Geschäftspartner11 habe u.a. einen Nachweis vom Hamburger Finanzamt über die rechtskonforme Abführung von Steuern beigebracht.
Eine wichtige Rolle habe das Registerkonto der Geschäftspartner11 im dänischen Register gehabt. Am hätten die Verantwortlichen des Registers die Anzahl der Konten von 1.200 auf 200 reduziert, um den Umsatzsteuerbetrug zu verhindern. Trotz dieser radikalen Reduzierung sei die Geschäftspartner11 unter den verbliebenen Kontoinhabern gewesen.

Gegen den Vorwurf, dass die Bf. jeweils in einem kurzen Zeitraum ihren Handel fast ausschließlich mit einem Geschäftspartner abgewickelt habe (Betrugsschema II laut Betriebsprüfer) brachte die Bf. vor, dass der Betriebsprüfer hierfür keine Berechnungen geliefert habe. Nach den tatsächlichen Zahlen stimme das "fast ausschließlich" nicht. Der Begriff des kurzen Zeitraumes sei unbestimmt.

Zur Unternehmereigenschaft der Käufer der Treibhausgasemissionszertifikate wird ergänzt, dass dem Begriff "Unternehmer" des österreichischen UStG der Begriff "Steuerpflichtiger" der MwSt-System-Richtlinie 2006/112/EG entspreche. Unter Verweis auf die Definition des Steuerpflichtigen durch Art. 9 dieser Richtlinie seien die Käufer der Zertifikate angesichts des Umfanges der von der Finanzverwaltung dargestellten Einkäufe zum Wiederverkauf jedenfalls Steuerpflichtige im Sinne der Richtlinie.

Die Teilnahme an einer Börse als Börsenhändler stelle keine unübliche Geschäftspraxis dar, sondern erfülle eine wesentliche Funktion jedes Börsenhandels. Die Bf. habe nur mit Geschäftspartnern zu tun gehabt, welche über ein Registerkonto verfügt hätten. Es sei nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, der Bf. das gesamte Risiko eines Umsatzsteuerausfalles zuzuweisen. Die Mitgliedstaaten hätten es in der Hand gehabt, durch ein intelligenteres Design des CO2-Zertifikatehandels den Umsatzsteuermissbrauch zu regulieren. Schließlich sei der Umsatzsteuerkarussellbetrug schon 2003 kein gänzlich unbekanntes Thema gewesen. Die Mitgliedstaaten hätten genügend Zeit gehabt, auch im Umsatzsteuerrecht entsprechende Maßnahmen zu setzen. Vielmehr sei in der Verordnung 2216/2004 nur ein Mindeststandard an vorzulegenden Informationen für die Registerkontoeröffnung eingeführt worden, welcher nahezu zum Umsatzsteuermissbrauch einlade. Eine Überprüfung, ob die Kontoinhaber ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkämen, sei ebensowenig vorgesehen gewesen wie ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Registerbehörde und Steuerbehörden. Komme es aufgrund dieses Organisationsversagens zu Steuerausfällen, dürfe dieses Risiko nicht der Bf. aufgeladen werden, welche nicht an den Betrügereien mitgewirkt habe.

Der Bf. sei bis dato nicht bekannt, inwieweit die Teilnahme am CO2-Zertifikatehandel konkret mit Umsatzsteuerhinterziehungen in anderen Ländern zu tun gehabt habe.

E/c) Der Betriebsprüfer gab eine mit datierte Stellungnahme (BFG-Akt Bl. F/123 ff. = Bl. B/195 ff.) zur Berufung vom (inkl. deren Ergänzung) ab:

Darin wird zur Wiederaufnahme 2007 und 2008 damit argumentiert, dass der Ort der sonstigen Leistung im B2B-Bereich der Empfängerort bzw. im B2C-Bereich der Unternehmerort sei. Wenn eine UID-Nummer fehle oder nicht gültig sei, so handele es sich um einen Umsatz im B2C-Bereich, wodurch die sonstige Leistung am Ort des Unternehmens (Österreich) steuerpflichtig sei. In Art. 11 UStG gebe es dafür eine eindeutige Regelung (Fettdruck im Original der Stellungnahme): "Art. 11 UStG 1994:
(2) Wird in Rechnungen über steuerfreie Lieferungen im Sinne des Art. 7 oder über
sonstige Leistungen im Sinne des Art. 3a Abs. 1 bis 4 und 6 abgerechnet, so sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und des Leistungsempfängers anzugeben."

Im Zuge der Außenprüfung sei es zu Meldungen anderer Mitgliedstaaten über Firmen gekommen, die als Missing Trader erkannt worden seien.
[Anm.: Allerdings nennt der Betriebsprüfer in seiner Stellungnahme keine Firmennamen.]

Die Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich Versagung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen in Zusammenhang mit "Missing Trader" sei in Analogie auch auf Sonstige Leistungen in Zusammenhang mit "Missing Trader" anzuwenden.

Ab der Sperre der Y für einige Tage im Mai 2009 nach einer Hausdurchsuchung, spätestens aber nach Beginn der Umsatzsteuersonderprüfung 4-6/2009 am , hätte der Bf. die Gefahr von Malversationen bewusst sein müssen, was eine erhöhte Sorgfaltspflicht bewirkt habe. Stattdessen habe sich der Handel der Bf. mit Treibhausgasemissionszertifikaten von Oktober 2009 bis April 2010 stark entwickelt.

Am sei es zu Hausdurchsuchungen in über 20 EU-Ländern gekommen. Nach der Hausdurchsuchung bei der Bf. habe sich der Handel der Bf. mit Treibhausgasemissionszertifikaten stark reduziert, und zwar von ca. 860 Mio. Euro vom bis auf ca. 8 Mio Euro vom 29.4. bis .

Der Betriebsprüfer berichtete folgendermaßen von einem Telefonat, das er mit einem deutschen Steuerfahnder nach der dortigen Auswertung aller Unterlagen geführt habe:
- die Gesellschafter der [Bf.] bereits seit der kurzfristigen Schließung der Y (Mai 2009) Bescheid über die Probleme wussten
- bei der Überprüfung der
[Bf.] durch Angestellte der Y (Februar 2010) im Prüfungsbericht sehr kritisiert wurden ("Kästchen ankreuzen ist keine Überprüfung der Kunden" etc.)
- E-Mails (
geschäftsführerZwei in Übersee an geschäftsführerEins in Firmensitz1: "haben wir bei der Info an die Y geschwindelt".

Es sei zu prüfen, ob die Bf. zu gutgläubig gewesen sei, oder ob sie alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen habe, um nicht selbst Teil eines Umsatzsteuerbetrugskarussells zu werden.

Dem Vorbringen der Bf. zu ihrer Funktion im Börsenhandel sei zwar zuzustimmen, aber die Bf. sei das "Eingangstor" zur Börse für Käufer und Verkäufer gewesen, d.h. ohne die Bf. wäre für diesen Kreis kein Zugang zur Börse möglich gewesen. Die Bf. sei die Schnittstelle und daher auch eine mögliche Schwachstelle für etwaige Betrugsszenarien im Umsatzsteuerbereich ebenso wie für mögliche Geldwäschetransaktionen im großen Stil gewesen.

Der schlagartige Zusammenbruch des Handels der Bf. mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach der Hausdurchsuchung zeige, dass die Bf. die Drehscheibe im Karussellbetrug gewesen sei.

Die Bf. hätte mehr Personal für die Überprüfung der Geschäftspartner einstellen müssen.

Die von der Bf. vorgebrachte Suspendierung von sieben Kunden vom Handel mit der Bf. für 11.3. bis stimme hinsichtlich des Kunden Geschäftspartner9 (VAE) nicht.

E/d) Das Finanzamt X legte die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen die Wiederaufnahmebescheide zur Umsatzsteuer 2007 und 2008 sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007, 2008, 2009 und 2010 an den Unabhängigen Finanzsenat (UFS) vor, wo sie am einlangte.

E/e) Mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. F/161) brachte die steuerberatungsgesellschaft für die Bf. eine Replik (BFG-Akt Bl. F/162 ff.) auf die Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung beim BFG ein.

Hinsichtlich Geschäftspartner11 sei es von Relevanz, dass das dänische Register im Rahmen einer Veröffentlichung am seine Handelspartner davon informiert habe, dass "neue Maßnahmen gesetzt wurden, um den Umsatzsteuerbetrug zu verhindern". Teil dieser "neuen Maßnahmen" sei die Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen von Handelspartnern gewesen. Diese habe dazu geführt, dass die Anzahl der Konten im dänischen Register von 1.200 auf 240 reduziert worden seien. Selbst von den verbleibenden 240 seien nur mehr 1/3 zum Handel von Emissionszertifikaten berechtigt gewesen. Als Konsequenz aus dieser Verschärfung der dänischen Vorschriften seien nach dem nur mehr 72 Konten oder 6% der ursprünglich zugelassenen Konten zum Handel von Emissionszertifikaten berechtigt gewesen. Da die Bf. nicht die Möglichkeit gehabt hätte, eine genauere Kontrolle als das dänische Register durchzuführen, habe die Bf. davon ausgehen müssen, dass es sich bei der - trotz verschärfter Vorschriften und neuerlicher Kontrolle - weiterhin zum Handel zugelassenen Geschäftspartner11 nicht um einen "Missing Trader" gehandelt habe. Vielmehr habe bei den verbliebenen Zugelassenen ein besonders hoher Vertrauensschutz bestanden.

Die Suspendierung von sieben Kunden im Zeitraum bis bedeute, dass innerhalb dieser Zeitspanne die Suspendierung erfolgt sei und damit nach dem kein Handel mehr mit diesen Unternehmen stattgefunden habe. Dies stimme auch für das Unternehmen Geschäftspartner9; diesbezüglich habe der letzte Handel am stattgefunden und die Suspendierung sei am erfolgt.

Der begründungslosen Unterstellung des Betriebsprüfers, dass die Verantwortlichen der Bf. gewusst hätten, dass die Geschäftspartner12 zur "geschäftspartnerElf-Gruppe" gehört hätte, werde widersprochen. Diesbezügliche Hinweise aus Dänemark könne es nicht gegeben haben, weil es keine dänische CO2-Börse gebe und die Geschäftspartner12 beim britischen Emissionsregister registriert gewesen sei.

Die begründungslosen Unterstellungen in dem vom Betriebsprüfer wiedergegebenen Telefonat mit dem deutschen Steuerfahnder (Mitwisserschaft, Pseudokontrolle) würden bestritten bzw. werde die Vorlage der E-Mail von geschäftsführerZwei beantragt.

Die vom Prüfer als Hinweis auf die Teilnahme an einem Umsatzsteuerkarussell gewerteten "hinaufschnellenden" Umsätze ab September 2009 (USO-Prüfungsbeginn) habe es nicht gegeben: Von September 2009 bis April 2010 sei der durchschnittliche Monatsumsatz bei rund 8,8 Mio. Zertifikaten gelegen. Im September bzw. Oktober 2009 sei der Umsatz mit 6,3 Mio. bzw. 7,1 Mio. sogar unter dem Durchschnitt gelegen. Der durchschnittliche Monatsumsatz vor der Prüfung (Jänner bis August 2009) sei mit rund 16,6 Mio. Zertifikaten fast doppelt so hoch gewesen als in den angeblich "hinaufschnellenden" Umsatzmonaten. Im April 2010 sei der Umsatz nur noch bei rund 2,7 Mio. Zertifikaten gelegen.

Die Bf. habe vor dem ersten Handel mit der Geschäftspartner11 () am eine gültige UID-Abfrage im MIAS-System gemacht (Verweis auf Anlage 30 zur Berufungsergänzung). Die Bf. habe von der Geschäftspartner11 umfangreiche Dokumente angefordert und auf ihre Richtigkeit überprüft, d.h. mehr als nur "Kästchen angekreuzt" (Verweis auf Anlagen 29 bis 47 zur Berufungsergänzung).
Die von der Bf. erhaltenen und überprüften Dokumente hätten keinerlei Unstimmigkeiten ergeben oder einen Anlass, nicht mit der Geschäftspartner11 zu handeln. Trotzdem habe sich die Bf. am entschieden, den Handel einzustellen, um weitere Überprüfungen im Zuge der verbesserten KYC-Dokumentation durchzuführen.
In weiterer Folge sei aus Zeitungsberichten zum Gerichtsverfahren in Frankfurt/Main zu entnehmen gewesen, dass der Geschäftsführer Vorname geschäftspartnerElf als Strohmann fungiert habe, knapp 11 Mio. Euro hinterzogen habe und am zu der - im Vergleich zu den Mitangeklagten geringsten - Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt worden sei. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass das Finanzamt einen Betrag von knapp 20 Mio. Euro bei der Bf. aufgrund des Handels mit der Geschäftspartner11 in Frage stelle, welcher schon betragsmäßig nicht von dem im deutschen Strafverfahren festgestellten Betrag gedeckt sein könne und vor allem angesichts des von geschäftspartnerElf gehandelten Volumens mit anderen Händlern in keinem Verhältnis zu der festgestellten Hinterziehungssumme von 11 Mio. Euro stehe.
Weder die Geschäftsführer noch die Mitarbeiter der Bf. seien seit der Hausdurchsuchung von einer deutschen Behörde in Zusammenhang mit diesem Verfahren kontaktiert noch zum Prozess geladen worden.

Der Vorwurf des Betriebsprüfers, nur über die Bf. hätten solche Transaktionen durchgeführt werden können, sei realitätsfremd. Alleine die Y habe über 100 Mitglieder gehabt, alle CO2-Börsen hätten gemeinsam anzunehmenderweise mehr als 1.000 Börsemitglieder gehabt, welche für Betrüger hätten handeln können.

Selbstverständlich habe die Bf. von der generellen Problematik gewusst und danach umfassende Maßnahmen gesetzt, um ein möglichst hohes Maß an Sicherheit bei ihren Kunden zu erreichen. Im Prüfbericht der Y sei eindeutig festgestellt worden, dass "kein Nachweis für irgendein rechtswidriges Handeln vorliegt".
Mindestens acht Unternehmen, die den KYC-Check der Bf. durchlaufen hätten, seien Mitglied einer Börse gewesen, das entspreche mehr als 10% aller anfragenden Unternehmen. Diese acht Unternehmen seien entweder gar nicht zum Handel zugelassen oder suspendiert worden. Durch strikte KYC-Prozeduren der Bf. seien über 70% aller Kundenanfragen für den Handel abgewiesen worden.

Die Aussage des Betriebsprüfers, wonach ohne Vorliegen einer UID-Nummer keine Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers vorliege, sei weder mit dem UStG noch mit der Mehrwertsteuer-System-Richtlinie vereinbar. Andernfalls könnte sich jeder Unternehmer durch Nichtbeantragung einer UID-Nummer zum Nichtunternehmer deklarieren. Im Fall von Katalogleistungen, zu denen auch der Verkauf von Treibhausgasemissionszertifikaten gehöre, an Drittlandsansässige könne die Unternehmereigenschaft für die Beurteilung des Leistungsortes keine Rolle spielen.

Die Bf. habe hinsichtlich jener Unternehmer, für die gültige UID-Nummernabfragen vorliegen (z.B. Geschäftspartner11), auf die Richtigkeit der UID-Nummer vertrauen können (Verweis auf ). Dann wäre - selbst wenn man den Ausführungen des Betriebsprüfers zur Analogie von grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen folgen sollte - eine Versagung des Leistungsortes jedenfalls nicht mit dem UStG vereinbar.

E/f) Der Berichterstatter im erkennenden Senat richtete ein mit datiertes Schreiben (BFG-Akt Bl. I/42 ff.) an Bf. und Finanzamt X, welches auch KöSt und KESt betraf, wobei an dieser Stelle nur das die USt Betreffende referiert wird:

Da die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide zur Umsatzsteuer 2007 und 2008 sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007, 2008, 2009 und 2010 vor dem an den UFS vorgelegt worden war, sei die Nichterlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu dieser Beschwerde gemäß § 323 Abs. 42 BAO unproblematisch. Weiters wurde in diesem Schreiben vom bezughabend ausgeführt:

"12.) Frage an die belangte Behörde:
Warum ist die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt worden?"

E/g) Die erste Antwort des Finanzamtes X vom (BFG-Akt Bl. I/58) auf das Schreiben des soweit USt betreffend, lautete:

"Warum ist die U 2010 vorläufig festgesetzt worden?
Dies ist aus heutiger Sicht unbegründet erfolgt."

E/h) Mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. I/61) brachte das BFG die Stellungnahme des Finanzamtes X vom (vgl. Abschnitt E/g) der Bf. zur Kenntnis.

E/i) Die zweite Antwort des Finanzamtes X vom (BFG-Akt Bl. I/65), soweit USt betreffend, war: Es sei weiterhin kein Grund für die Vorläufigkeit des Umsatzsteuerbescheides 2010 erkennbar.

E/j) Mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. I/94) brachte das BFG die Stellungnahme des Finanzamtes X vom (vgl. Abschnitt E/i) der Bf. zur Kenntnis.

E/k) Mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. I/233 ff.) erteilte das BFG dem Finanzamt X folgenden Ermittlungsauftrag (Punkt I) bzw. hielt beiden Parteien (Punkt II) vor:

(I.) Dem Finanzamt X wurden gemäß § 269 Abs. 2 iVm § 272 Abs. 4 Satz 1 BAO durch den Berichterstatter im erkennenden Senat Ermittlungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes aufgetragen hinsichtlich

  • Unternehmereigenschaft (im Sinne des § 2 UStG) jedes der streitgegenständlichen Leistungsempfänger zum (bzw. zu den) jeweiligen Leistungszeitpunkt(en);

  • für diejenigen streitgegenständlichen Leistungsempfänger, welche (zumindest zeitweise) eine gültige UID-Nummer hatten, für die Streitjahre 2007 bis 2010: Jeweils den/die Zeitraum/räume mit gültiger UID-Nummer und den/die Zeitraum/räume ohne gültige UIDNummer;

  • Grundlagen (objektive Umstände) für das, was der Prüfer laut seiner Stellungnahme vom am telefonisch von der Steuerfahndung Offenbach/Main erfahren hat zum Thema des Wissens bzw. Hätte-Wissen-Müssens seitens der Bf., dass die von ihr erbrachten streitgegenständlichen Leistungen in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen würden.

Dieser Ermittlungsauftrag wurde begründet mit:

Der umsatzsteuerliche Leistungsort jeder der streitgegenständlichen Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten ist nach meiner Ansicht als Berichterstatter im Senat materiell (d.h. betr. die angefochtenen Sachbescheide und damit wahrscheinlich auch hinsichtlich der Wiederaufnahmen) eines der wesentlichen, streitentscheidenden Themen.

Ursprünglich gab es unterschiedliche Meinungen zur Einstufung der streitgegenständlichen Übertragungen zwischen belangter Behörde/Prüfungsbericht (Lieferung) und Bf. (sonstige Leistung), wobei nach meiner Ansicht mittlerweile auch seitens der belangten Behörde (Stellungnahme des Prüfers) von der Einstufung als sonstige Leistung ausgegangen wird (vgl. Abschnitt E/a der Beilage zu diesem Schreiben).

Als "streitgegenständliche Leistungsempfänger" sind hier in diesem Beschluss diejenigen unmittelbaren Empfänger der Leistungen der Bf. zu verstehen, hinsichtlich derer die Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich zu den streitgegenständlichen Mehrfestsetzungen an USt führte. Aus der Aktenlage habe ich den Schluss gezogen, dass alle streitgegenständlichen Leistungsempfänger innerhalb der EU, aber außerhalb Österreichs, ansässig sind, wogegen in Zusammenhang mit den Leistungen an die in Außenprüfungsbericht bzw. Schlussbesprechungs-Niederschrift samt Beilagen sowie in der Stellungnahme des Prüfers vom erwähnten, außerhalb der EU ansässigen Leistungsempfänger mit den angefochtenen Bescheiden keine Mehrvorschreibungen an USt erfolgt sind.

Laut Aktenlage gibt es folgende streitgegenständliche Leistungsempfänger:

  • laut Pkt. 2.1 der Schlussbesprechungsniederschrift: Geschäftspartner21, Geschäftspartner22, Geschäftspartner23;

  • laut Pkt. 2.2 der Schlussbesprechungsniederschrift: Geschäftspartner24, Geschäftspartner25;

  • laut Pkt. 2.3 der Schlussbesprechungsniederschrift: Geschäftspartner26, Geschäftspartner27;

  • laut Pkt. 2.4 der Schlussbesprechungsniederschrift: Geschäftspartner27, Geschäftspartner28.;

  • laut Pkt. 2.5 der Schlussbesprechungsniederschrift iVm Pkt. 4 der Beilage 1 zur Niederschrift: Geschäftspartner29, Geschäftspartner28., Geschäftspartner30, GeschäftspartnerElf.

Wenn eine meiner Annahmen zu den streitgegenständlichen Leistungsempfängern nicht stimmen sollte (und etwa auch außerhalb der EU ansässige Leistungsempfänger "streitgegenständlich" im engeren Sinne sein sollten, z.B. aus einer unmittelbaren Leistung der Bf. an sie ein Mehr an USt festgesetzt worden sein sollte), möge dies die belangte Behörde mir mittteilen.

Seitens der Bf. wird vorgebracht, dass nicht die UID-Nummer des Leistungsempfängers, sondern die Eigenschaft des Leistungsempfängers als Unternehmer für den (außerhalb Österreichs liegenden) Leistungsort am Sitz des jeweils streitgegenständlichen Leistungsempfängers entscheidend sei.

In der Stellungnahme des Prüfers, dessen Ansicht der belangten Behörde zuzurechnen ist, wird weiterhin mit fehlenden oder nicht gültigen UID-Nummern (auch iZm Buchnachweis) argumentiert sowie mit mangelnder Sorgfalt betr. UID-Bestätigungsverfahren und mangelnder Beweisvorsorge sowie dem Wissen bzw. Hätte-Wissen-Müssen der Bf. von einem Mehrwertsteuerbetrug. Letzteres soll offenbar durch den im Rahmen der Stellungnahme vom gegebenen Bericht des Prüfers über sein Telefonat mit der Steuerfahndung Offenbach/Main am erhärtet werden.

Das geschriebene Recht (vgl. Abschnitte E/b,c,d,e der Beilage zu diesem Beschluss) enthält bezughabend als entscheidendes Tatbestandselement die Eigenschaft als Unternehmer (öUStG) bzw. als Steuerpflichtiger (Europarecht; nach meiner Ansicht besteht diesbezüglich für die Beurteilung des anhängigen Streitfalles zwischen öUStG und Europarecht keine Abweichung, wenn man die Tz 8 bis 11 zu § 2 bei Ruppe/Achatz, UStG5 betrachtet).

Eine fehlende bzw. im Leistungszeitpunkt ungültige UID-Nummer kann im anhängigen Streitfall für Übertragungen bis kein positivrechtliches Tatbestandselement sein (vgl. Abschnitte E/b,c der Beilage zu diesem Beschluss), sondern (maximal) entweder ein Element der mangelnden Sorgfalt oder gegebenenfalls ein Indiz für das Hätte-Wissen-Müssen von einem Mehrwertsteuerbetrug sein.

In der ab geltenden Rechtslage ist der Begriff des Unternehmers/Steuerpflichtigen für die Zwecke der Bestimmung des Ortes von sonstigen Leistungen/Dienstleistungen um nichtunternehmerische juristische Personen mit UID-Nummer (als Tatbestandselement) ausgeweitet worden (vgl. Abschnitte E/d,e der Beilage zu diesem Beschluss). Damit wird aber ein Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ohne gültige UID-Nummer keinesfalls zum Nichtunternehmer.

Alle streitgegenständlichen Leistungsempfänger laut Prüfungsbericht bzw. Schlussbesprechungsniederschrift samt Beilagen sind allem Anschein nach juristische Personen.

Unter dem Begriff "Unternehmer" ist nachfolgend für Leistungen bis ein Unternehmer iSd § 2 UStG und für Leistungen ab ein Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 UStG zu verstehen.

Es besteht nach meiner Ansicht ein erheblicher Unterschied zwischen den Konsequenzen, ob ein Leistungsempfänger im Leistungszeitpunkt objektiv Unternehmer war oder objektiv nicht Unternehmer war (vgl. auch Meyer-Burow/Connemann, Die Gefahren des MwSt-Betrugs innerhalb der EU, Zoll Revue 2/2018, S. 11 ff):

  • Wenn im Zeitpunkt der Erbringung einer der streitgegenständlichen Leistungen durch die Bf. der Leistungsempfänger objektiv Unternehmer war, dann wurde der positivrechtliche Tatbestand der Verlagerung des Leistungsortes von Österreich in das Empfängerland erfüllt.
    Unter engeren Kriterien als beim Vertrauensschutz wäre dann im Sinne der Rechtsprechung des "Italmoda"; , Rs C-332/15 "Astone" Rn 58; , Rs C-531/17 "Vetsch" (vgl. allgemein auch Ruppe/Achatz, UStG
    5, Einf Tz 5, § 12 Tz 92/1, Art. 7 Tz 19/1) weiter vorzugehen. Der Bf. wäre die Verlagerung des Leistungsortes von Österreich in den Empfängerstaat (nur) dann zu verweigern, "sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass [sie] wusste oder hätte wissen müssen, dass [sie] sich … im Rahmen einer Lieferkette n[hier aber: Dienstleistungskette] begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat" ( "Italmoda"). Vgl. auch das Abstellen u.a. auf Wissen bzw. Hätte-Wissen-Müssen im Urteilstenor von "Vetsch": "und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur [Anm.: es handelte sich um ein ´Zollverfahren 42´] wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser spätere Umsatz in eine vom Empfänger begangene Steuerhinterziehung einbezogen war."
    Der gegenständliche Bericht von dem Telefonat des Prüfers am mit der Steuerfahndung Offenbach/Main kann für sich allein jedenfalls nicht als ein vom EuGH geforderte Nachweis anhand objektiver Umstände angesehen werden. Eine Würdigung durch das BFG im anhängigen Verfahren setzt die Kenntnis der objektiven Umstände voraus, welche zu der telefonischen Mitteilung der Steuerfahndung Offenbach/Main geführt haben.

  • Wenn im Zeitpunkt der Erbringung einer der streitgegenständlichen Leistungen durch die Bf. der betreffende Leistungsempfänger objektiv nicht Unternehmer war, dann wurde der positivrechtliche Tatbestand für den Leistungsort in Österreich erfüllt. Nur dann stellt sich die Frage nach ausreichender Sorgfalt und dergleichen als Voraussetzung für den Vertrauensschutz (hier: Besteuerung, als ob der Leistungsort im Ausland läge) und nur dann sind die Überlegungen hinsichtlich UID-Bestätigungsverfahren, Beweisvorsorge für Auslandssachverhalte etc. relevant.
    (Naturgemäß steht ein Wissen oder Hätte-Wissen-Müssen von der Einbindung in einen Mehrwertsteuerbetrug der ausreichenden Sorgfalt entgegen und wird dies auch häufig iZm dem Vertrauensschutz erwähnt. Dies ändert aber nichts daran, dass das objektive Vorliegen oder Nichtvorliegen der Unternehmereigenschaft einen erheblichen Unterschied für das weitere Vorgehen darstellt. Im Übrigen hat der Entzug bzw. die Sperre der UID-Nummer nicht unbedingt das Entfallen der Unternehmereigenschaft zur Folge.)

    Die Argumentationen der belangten Behörde mit dem Buchnachweis, welcher infolge fehlender/ungültiger UID-Nummer nicht komplett erfolgt sei, sowie mit der mangelhaften Rechnungsausstellung infolge fehlender/ungültiger UID-Nummer, können nach meiner Ansicht eine Entscheidung über die Beschwerde nicht tragen: Bei der Bestimmung des Ortes sonstiger Leistungen ist kein Buchnachweis positivrechtlich normiert (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 18 Tz 57 ff.). Im geschriebenen (positiven) Recht konnte ich auch keine Normierung der Verlegung des Ortes der sonstigen Leistung vom Empfängerort nach Österreich infolge der Erstellung einer mangelhaften Rechnung (ohne UID-Nummer bzw. mit ungültiger UID-Nummer) finden.

Klarzustellen ist, dass ich als Berichterstatter im erkennenden Senat die schlussendliche Rechtsauffassung des erkennenden Senates nicht vorwegnehmen kann. Zur Vorbereitung der Senatsentscheidung ist aber die Ermittlung des Sachverhaltes in Bezug auf eine vorauszusehende rechtliche Würdigung erforderlich.

(II.) Der Berichterstatter im erkennenden Senat hielt gemäß § 272 Abs. 4 Satz 1 BAO dem Finanzamt X und der Bf. im Schreiben vom Folgendes vor:

II/1) … [zu den umsatzsteuerlichen Veranlagungszeiträumen]

II/2) Die im Zuge der Prüfung für 2007 abgegebene korrigierte Umsatzsteuererklärung (aufgrund Reverse Charge geschuldete USt und daraus abziehbare Vorsteuer: 409.092,21 €) wurde im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2007 (aufgrund Reverse Charge geschuldete USt und daraus abziehbare Vorsteuer: 240.496,82 €) nicht berücksichtigt (vgl. Abschnitt B der Beilage zu diesem Beschluss).

III/3) Die nach Erlassung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 2010 beim Finanzamt eingelangte Umsatzsteuererklärung 2010 (Formularbezeichnung) auf Papier, in welcher die Umsätze des Wirtschaftsjahres von 10/2009 bis 09/2010 erklärt wurden (vgl. Abschnitt D/j der Beilage zu diesem Beschluss), ist naturgemäß im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2010 nicht berücksichtigt.

Die Beilage zum Schreiben des enthielt (Überschriften):
A) Wirtschaftsjahre bei der Gewinnermittlung / umsatzsteuerliche Veranlagungszeiträume
B) Verfahrensablauf bis hinsichtlich Umsatzsteuer 2007
C) Verfahrensablauf bis hinsichtlich Umsatzsteuer 2008
D) Verfahrensablauf bis hinsichtlich Umsatzsteuer für den Zeitraum vom bis
E) Notizen zur rechtlichen Würdigung

E/l) Seitens des Finanzamtes X wurde am den rechtlichen Überlegungen des BFG zugestimmt, aber zunächst keine neuen Ermittlungsergebnisse, sondern - fast zur Gänze bereits aktenkundige - Stellungnahmen zur Berufung aus 2013 an das BFG übermittelt (BFG-Akt Bl. I/260 ff.).

E/m) Daraufhin hielt der Berichterstatter im erkennenden Senat - ausdrücklich ohne der Entscheidung des gesamten Senates vorzugreifen - dem Finanzamt X mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. I/328 f.) seine Schlussfolgerungen aus den Eingaben des Finanzamtes X vom vor:

1.) Schlussfolgerungen hinsichtlich der gemäß § 269 Abs. 2 iVm § 272 Abs. 4 Satz 1 BAO der belangten Behörde aufgetragenen Ermittlungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich Unternehmereigenschaft (im Sinne des § 2 UStG) jedes der streitgegenständlichen Leistungsempfänger zum (bzw. zu den) jeweiligen Leistungszeitpunkt(en):

  • Seitens der belangten Behörde wird die Unternehmereigenschaft der streitgegenständlichen Leistungsempfänger zu den jeweiligen Leistungszeitpunkten nicht bestritten.

  • Die seitens der Bf. auf Seite 12 der Rechtsmittelschrift vom vorgebrachte Unternehmereigenschaft der Leistungsempfänger ist somit unstrittig.

2.) Konsequenzen aus Punkt 1: Der positivrechtliche Tatbestand der Verlagerung des Leistungsortes von Österreich in das Empfängerland ist erfüllt. Eine Rückverlagerung des Leistungsortes vom Empfängerland nach Österreich (wie sie den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegt) wäre nur durch die sinngemäße Übertragung der EuGH-Rechtsprechung ( "Italmoda" betr. ig. Lieferung, Vorsteuerabzug/MwSt-Befreiung/Erstattung; "Astone" betr. Vorsteuerabzug) auf die die hier gegenständliche Leistungsortbestimmung denkbar:

  • Die sinngemäße Übertragung der genannte EuGH-Rsp auf die Leistungsortbestimmung (Rückverlagerung ins Inland) erfordert einerseits eine rechtliche Beurteilung, der ich nicht vorgreifen kann.

  • Andererseits würde eine derartige sinngemäße Übertragung der genannten EuGH-Rsp jedenfalls sachverhaltsmäßige Feststellungen sinngemäß folgender Art erfordern: "sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass … wusste oder hätte wissen müssen, dass … sich … im Rahmen einer Lieferkette …begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat" ( "Italmoda"). Vgl. auch das Abstellen u.a. auf Wissen bzw. Hätte-Wissen-Müssen im Urteilstenor von "Vetsch": "und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur [Anm.: es handelte sich um ein ´Zollverfahren 42´] wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser spätere Umsatz in eine vom Empfänger begangene Steuerhinterziehung einbezogen war."

3.) Schlussfolgerungen hinsichtlich der gemäß § 269 Abs. 2 iVm § 272 Abs. 4 Satz 1 BAO der belangten Behörde aufgetragenen Ermittlungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich Grundlagen (objektive Umstände) für das, was der Prüfer laut seiner Stellungnahme vom am telefonisch von der Steuerfahndung Offenbach/Main erfahren hat zum Thema des Wissens bzw. Hätte-Wissen-Müssens seitens der Bf., dass die von ihr erbrachten streitgegenständlichen Leistungen in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen würden:

  • Für die Beweiswürdigung des erkennenden Senates zum Thema des Wissens bzw. Hätte-Wissen-Müssens steht - zusätzlich zum bisherigen Aktenstand - nur der Inhalt der E-Mail des HR Mag. Betriebsprüfer vom (enthalten in der E-Mail von Fachbereichsmitarbeiter vom ) zur Verfügung. Dieser Inhalt ist ein etwas ausführlicherer Bericht über ein Telefonat mit der Steuerfahndung Offenbach/Main, über welches bereits ein etwas kürzerer Bericht in der bereits aktenkundig gewesenen Stellungnahme des Prüfers vom enthalten war.
    Diese Berichte über ein Telefonat können nach meiner Ansicht seriöserweise nicht als gewichtige Beweismittel angesehen werden.

  • Für die Beweiswürdigung des erkennenden Senates zum Thema des Wissens bzw. Hätte-Wissen-Müssens steht nur die derzeitige Aktenlage zur Verfügung, denn das BFG kann als Verwaltungsgericht nicht direkt die einschlägigen, für Verwaltungsbehörden vorgesehenen Amts- und Rechtshilfeabkommen in Abgabensachen nutzen.

E/n) Am brachte das Finanzamt X Folgendes beim BFG ein, wobei die Herkunft der Aktenvermerke aus Deutschland (von deutschen Finanzämtern) dadurch zu erklären ist, dass auch die bei der Hausdurchsuchung bei der Bf. am beschlagnahmten Unterlagen und insb. Computer-Daten in Deutschland ausgewertet wurden, weil das Verfahren von der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main betrieben wurde:

  • Bericht der Groß-BP Wien vom über die Ermittlungen in Sachen Bf. (BFG-Akt Bl. I/339 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Frankfurt am Main I vom über die Handelstransaktionen der Bf., mit Anlagen (BFG-Akt Bl. I/346 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Frankfurt am Main I vom über die erhaltenen und gezahlten Gebühren der Bf. und über die Vermittlungsprovision an die GmbH30, mit Anlagen (BFG-Akt Bl. I/353 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Frankfurt am Main I vom über die Auswertung der auf den Datenträgern/Computern der Bf. gesicherten Skype-Protokolle, mit Anlagen, in vier Teilen (BFG-Akt Bl. I/360 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Offenbach am Main II vom über die Erkenntnisse aus der Auswertung der gesicherten EDV-Daten der Bf., mit Anlagen, in vier Teilen (BFG-Akt Bl. I/464 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Frankfurt am Main I vom über die Auswertung der auf den Datenträgern/Computern der Bf. gesicherten Yahoo-Protokolle (BFG-Akt Bl. I/558 ff.);

  • Aktenvermerk des Finanzamtes Offenbach am Main II vom über das KYC-Verfahren der Bf. mit der Geschäftspartner31., mit Anlagen (BFG-Akt Bl. I/565 ff.)

E/o) Der Berichterstatter im erkennenden Senat hielt der Bf. mit Schreiben vom (BFG-Akt Bl. I/575 f.) vor:

  • die erste Reaktion (vgl. Abschnitt E/l) des Finanzamtes X auf das Schreiben des und Folgendes (insb. zu einem vom Finanzamt X vorgelegten E-Mail-Verkehr): "Diesem E-Mail-Verkehr vom sind weiters rechtliche Bedenken des Fachbereiches der Groß-BP zu entnehmen, dass der Leistungsort vom Land des unternehmerischen Abnehmers nur schwerlich ins Inland verlagert werden könne: Hierzu kann ich als Berichterstatter im Senat anmerken,
    - dass es durchaus möglich ist, dass diese Bedenken vom erkennenden Senat des BFG als beachtenswert angesehen werden,
    - und wenn der Senat sachverhaltsmäßig schließlich von einem Wissen oder Hätte-Wissen-Müssen der Beschwerdeführerin über die USt-Malversationen ihrer Abnehmer ausginge, wäre ob solcher Bedenken vom erkennenden Senat des BFG zu überlegen, ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten."

  • als Beilagen den Vorhalt an das Finanzamt X vom (vgl. Abschnitt E/m) sowie die vom Finanzamt X am eingebrachten Unterlagen (vgl. Abschnitt E/n).

E/p) Relevantes aus den vom Finanzamt X am eingebrachten Unterlagen (vgl. Abschnitt E/n), wobei bei einigen wörtlichen Zitaten die fehlenden Umlaute und "ß" ergänzt sind:

Zur Erläuterung: handelnde (skypende, E-mailende) Personen:

  • Geschäftsführer1: Geschäftsführer der Bf.;

  • Geschäftsführer2: Geschäftsführer der Bf.;

  • FrauB, bis 2016 Geschäftsführerin der damaligen steuerlichen Vertretung der Bf. (anfänglicheSteuerberatungsgesellschaft), Familienname B_C ab Verehelichung mit Geschäftsführer1 im Herbst 2009;

  • BfMitarbeiter1: Angestellter der Bf. in Österreich;

  • BfMitarbeiter2: Angestellter der Bf. in Österreich;

  • BfMitarbeiter3: Mitarbeiterin im polnischen Büro der Bf.;

  • VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: Mitarbeiter der Geschäftspartner2, Dubai;

  • VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 NNmitarbeiterinGeschäftspartner31, Mitarbeiterin der Geschäftspartner31., einer auf den Seychellen registrierten Offshore-Gesellschaft mit u.a. einer Adresse in der Schweiz;

  • HerrD, Compliance Officer (≈für die Einhaltung von Regeln zuständiger Mitarbeiter) der Börse Y.

Bei der Durchsuchung eines Büros der Geschäftspartner31. in Großbritannien am wurden u.a. ein ausgedruckter E-Mail-Verkehr zwischen Geschäftsführer2 und VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 NNmitarbeiterinGeschäftspartner31 aufgefunden, der die KYC (Know Your Customer)-Prozedur der Bf. umfasst und der von der ersten Anfrage durch VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 NNmitarbeiterinGeschäftspartner31 () bis zur Mitteilung von Geschäftsführer2 () reicht, dass das Kundenkonto der Geschäftspartner31. bei der Bf. aktiviert sei (BFG-Akt Bl. I/567 ff.). Geschäftsführer2 verlangte von VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 NNmitarbeiterinGeschäftspartner31 hinsichtlich Geschäftspartner31. Folgendes per Telefax oder als Scan per E-Mail:

  • Kopie des Dokumentes, das die Gründung der Gesellschaft bestätigt (Gewerbeerlaubnis / business license),

  • Auflistung der Gesellschafter mit Angaben zu Namen und Anschriften aller Gesellschafter und Angabe der von jedem Gesellschafter jeweils gehaltenen Anteile,

  • falls das Eigentum an der Gesellschaft durch eine Kette von Gesellschaften gehalten wird, eine Auflistung der(s) Geschäftsführer(s) der direkten Holdinggesellschaften und der Endholdinggesellschaft,

  • Kopie des Reisepasses des berechtigten Händlers mit einer aktuellen Fotografie,

  • Bestätigung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (nur für EU-Gesellschaften),

  • Bestätigung der Benennung der zum Handel berechtigten Person,

  • die unterzeichnete allgemeine Handelsvereinbarung.

Die Bf. erhielt laut Aktenvermerk der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Offenbach am Main II vom (BFG-Akt Bl. I/565) von VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 NNmitarbeiterinGeschäftspartner31 übermittelt:

  • eine Kopie ihres Führerscheines,

  • eine Handelsbestätigung für sich,

  • eine Passkopie der weitereMitarbGeschäftspartner31,

  • eine Kopie der Gründungsurkunde der Geschäftspartner31.,

  • eine Kopie des Gesellschaftsvertrages der Geschäftspartner31.,

  • eine Bescheinigung der englischSchweizerischesTreuhandbüro. zur Geschäftspartner31.,

  • eine Bescheinigung der englischSchweizerischesTreuhandbüro. zu englischeVerwaltungsratsfirma., welche mit der Geschäftsführung der Geschäftspartner31. betraut war,

  • den Jahresabschluss der Geschäftspartner31.,

  • den unterschriebenen Handelsvertrag zwischen Geschäftspartner31. und der Bf.

E-Mail von FrauB am mit einem (Medien)Bericht über Festnahme von sieben Personen in Großbritannien wegen Verdacht des Mehrwertsteuerbetruges auf dem CO2-Emissionsmarkt (BFG-Akt Bl. I/470 verso, Bl. I/471).

E-Mail von Geschäftsführer2 am an BfMitarbeiter3 und auch an BfMitarbeiter1 und Geschäftsführer1:

  • Vorgeschichte (BFG-Akt Bl. I/390 ff.): Eine Gesellschaft namens polnischeFirma wandte sich nach einem Telefonat am per E-Mail unter Beifügung von Unterlagen an die Bf., um ein Konto bei der Bf. für sich eröffnen zu lassen. Der darauf folgende E-Mail-Verkehr innerhalb der Bf. (wegen der Teilnahme der Polin BfMitarbeiter3 auf Englisch) drehte sich zunächst um nachzureichende Unterlagen und die KYC-("Know Your Customer")-Checklist für neue Kunden. Schließlich erwähnte BfMitarbeiter3, dass polnischeFirma in Polen ansässig sei und nur in Polen verkaufen könne, wo die Bf. mit einer Niederlassung vertreten war, was sie hinsichtlich der Gefahr eines MwSt-Betruges störe. Dann wurde die gegenständliche E-Mail von Geschäftsführer2 am versendet.

  • Diese E-Mail vom wurde im Auftrag der Steuerfahndung zweimal ins Deutsche übersetzt. Die auf die steuerlichen Besonderheiten besser eingehende Übersetzung (BFG-Akt Bl. I/475 verso) lautet:
    Wir werden nicht von polnischen Verkäufern in Polen kaufen, da dann Umsatzsteuer berechnet würde und das, wie Sie angeführt haben, ein hohes Risiko birgt (wir würden die Umsatzsteuer niemals von der Regierung erstattet bekommen, wenn es sich herausstellt, dass es sich bei dem Verkäufer um einen Betrüger handelt).
    Wir können nur regelmäßigen Handel anbieten, wobei der Kunde an uns in Österreich (AUT) verkaufen würde und eine Rechnung ohne Umsatzsteuer ausstellen würde (reverse charge).
    Für österreichische (Industrie)Kunden haben wir andere Möglichkeiten, Handel mit ihnen zu treiben, aber wir möchten nicht in irgendwelche dubiosen Umsatzsteuerbetrugsketten verwickelt werden.

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter3 und BfMitarbeiter2 am von 7:19 bis 7:24 Uhr:

  • auf Deutsch übersetzt (BFG-Akt Bl. I/381):
    BfMitarbeiter3: Hi! Wie sieht der MwSt-Einsatz für Österreich aus?
    BfMitarbeiter2: MwSt ist 20%
    BfMitarbeiter3: in Polen 22%, also der höhere Betrag bei "Betrug"

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter2 und BfMitarbeiter3 am von 11:14 bis 11:17 Uhr über HerrE von Geschäftspartner32.:

  • auf Deutsch übersetzt (BFG-Akt Bl. I/387):
    BfMitarbeiter2: mir scheint, er kümmert sich nicht sehr um sein Geschäft
    BfMitarbeiter3: also welche Art von Geschäft würde er gern mit uns machen?
    BfMitarbeiter2: er möchte [EUAs] kaufen/verkaufen - das Übliche
    er ist aber stets durcheinander, welchen Kurs er bekommen könnte und er begreift nicht den Unterschied zwischen der Bieter- und Käuferseite
    BfMitarbeiter3: uhm. ;)
    BfMitarbeiter2: es ist lustig mit ihm zu reden
    BfMitarbeiter3: er ist gerade dabei zu lernen…

Skype-Nachrichten zwischen VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2 und BfMitarbeiter2 am von 11:18 bis 11:19 Uhr:

  • auf Deutsch übersetzt (BFG-Akt Bl. I/432):
    VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: Gib mir deine analytische Meinung. Warum ist der Markt so ruhig und ich bekomme keinen Auftrag aus Spanien. Was könnte der Grund sein?
    BfMitarbeiter2: Spanien hat am Freitag Maßnahmen gegen MwSt-Betrug eingeführt
    VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: o.k.
    BfMitarbeiter2: ich würde mal vermuten, dass die Unternehmen ihre Verfahren bislang nicht am Laufen haben

Die Überweisungen an die Bf. zugunsten des Kunden Geschäftspartner2 stammten oftmals nicht von Bankkonten der Geschäftspartner2, sondern von dritter Seite (BFG-Akt Bl. 362 verso).

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter1 und VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2 am von 11:42 bis 11:48 Uhr:

  • auf Deutsch übersetzt (BFG-Akt Bl. 438 verso):
    BfMitarbeiter1: Hi
    sehr ruhig heute, nicht wahr?

    VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: Hi
    Ja

    BfMitarbeiter1: habe bislang nur für 307 Tausend mit Y gehandelt
    VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: ja es ist sehr wenig los
    BfMitarbeiter1: gibt es von deiner Seite einen Grund, wir wissen nicht wirklich…
    VNmitarbGeschäftspartner2 NNmitarbeitGeschäftspartner2: vorgestern kam die Nachricht, dass die MwSt am 24. Februar "Reverse" (Steuerschuldumkehr) wieder eingeführt werden könnte, da eine Wahl erwartet wird. Die Leute positionieren sich also gerade wieder. Ich denke, nach dem Mittagessen wird es wieder los gehen

Vom 3. bis waren zwei Mitarbeiter der Y bei der Bf. und führten eine Überprüfung (Audit) der internen Kontrollprozesse im Hinblick auf die Emissionshandelsaktivitäten durch.

E-Mail von HerrD, Compliance Officer der Börse Y, an Geschäftsführer1, am :

  • auf Deutsch übersetzt (BFG-Akt Bl. I/496 verso):
    Sehr geehrter HerrGeschäftsführer1,
    Wir bestätigen den Eingang Ihres Schreibens vom , in der Sie uns mitteilen, dass Sie Ihr Bestmöglichstes tun, um uns bis Ende der Woche die Antworten zu unseren Fragen zu liefern.
    Für die Akten, wir hatten um Folgendes gebeten:
    (i) Am 11. Februar, ergänzende Erläuterungen und Unterlagen, die sich nicht in dem KYC-Ordner befanden, den Sie uns während der Buchprüfung zur Verfügung gestellt haben.
    (ii) Am 12. und 15. Februar, Erläuterungen zu verschiedenen Unstimmigkeiten (Auffälligkeiten), die bei den Kunden
    geschäftspartner31 und Geschäftspartner5 festgestellt wurden.
    Wie bereits in unseren früheren Emails aufgezeigt, gibt es eine Reihe von Hinweisen, dass bei einigen Ihrer derzeitigen Kunden ein hohes Risiko vorhanden ist. Ich bin daher sicher, dass Sie die Dringlichkeit unserer Anfrage verstehen und unser ernsthaftes Bemühen, die fraglichen Erklärungen zu bekommen, um Ihr Risiko zu mindern.
    Wenn uns Ihre entsprechenden Antworten nicht bis Ende dieser Woche (d.h. ) vorliegen, sind wir gezwungen, um die Integrität des Marktes zu gewährleisten, Ihren Zugang zum
    Y Spot Markt vorerst zu unterbinden.

interne E-Mails am 22./ (BFG-Akt Bl. I/492):

  • Geschäftsführer2 an Geschäftsführer1:
    Wie ist das mit den Kunden im Excel zu verstehen?
    Die roten sind denen suspekt und die grünen sind OK?
    Die roten 15 könnt ma denk ich ruhig als abgelehnt angeben - ist eigentlich nur mehr
    Geschäftspartner33 dabei der ev nochmal was handeln könnte, oder?
    Die grünen sollt ma uns aber auf jeden Fall behalten, sonst haben wir ja keine Kunden mehr….
    Sind bei den grünen welche dabei mit denen die
    y Probleme hat die nicht gelöst wurden / werden können?

  • Geschäftsführer1 an Geschäftsführer2:
    Von den 15 handeln wir nur noch mit 5, auch beim
    Geschäftspartner33 ist die VAT mit Anfang des Jahres abgelaufen.
    Die Frage ist, ob wir die 15 so darstellen, dass wir sie abgelehnt haben, oder ein paar zB
    Geschäftspartner34 sagen die haben aufgehört von sich aus.

  • Geschäftsführer2 an Geschäftsführer1:
    Können zb alle bei denen VAT abgelaufen ist als suspended bezeichnen
    Plus ev nohc ein paar dazu wenns zu wenig sind
    Und der rest hat einfach selber aufgehört.
    Was meinst?

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter1 und Geschäftsführer1 am von 8:16 bis 8:20 Uhr (BFG-Akt Bl. I/396):

  • BfMitarbeiter1: hallo SpitznameGeschäftsführer1..
    soll ich den
    VNmitarbGeschäftspartner2[NNmitarbeitGeschäftspartner2] mal nach den financial statements für 2008 fragen, "for our new KYC requirements" + "shareholder structue" und "share certificate"

  • Geschäftsführer1: Ja, frage ihn mal, ob wir das haben können, aber nicht so, dass wenn er uns das nicht schickt, wir nicht mehr mit ihm handeln, ok?

Mit E-Mail vom schickte HerrD, der Compliance Officer der Y, den Entwurf für den Bericht über das bei der Bf. durchgeführte Audit an Geschäftsführer1 und Geschäftsführer2. Dabei wird auch die Einladung ausgesprochen, dass ein Vertreter der Bf. in Paris der Geschäftsführung der Y die Meinung zu dem Bericht mitteilen könnte. (BFG-Akt Bl. I/505 ff.) Ausschnitt aus dem auf Deutsch übersetzten Berichtsentwurf (BFG-Akt Bl. I/511 f.):
"Angesichts der erheblichen Kontrolldefizite, die während unserer Überprüfung angesprochen wurden, sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob die vorhandenen internen Kontrollprozesse [die Bf.] nicht in die Lage versetzen würden, ihren Verpflichtungen nachzukommen, insbesondere nicht in Bezug auf die von Y geforderten Verhaltensrichtlinien.
Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie innerhalb der letzten 12 Monate Ihre Know Your Clients (KYC)-Maßnahmen erheblich verbessert haben, um die spezifischen Risiken zu mildern, die mit Geschäftsbeziehungen nicht physischer Art einhergehen.
Auch wenn wir sehr wohl verstehen, dass
[die Bf.] nicht als Finanzinstitut gilt und damit nicht durch die österreichische Regulierungsbehörde FMA reguliert wird, sollten Sie wissen, dass Nicht-Finanzinstitute dennoch die internen Kontrollprozess-Standards erfüllen müssen, wie z.B. Standards, die von der Financial Action Task Force (FATF) festgelegt wurden.
In dieser Hinsicht haben wir insbesondere bei folgenden Prozessen erhebliche Defizite festgestellt: (i) Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten Ihres Kunden, (ii) Überprüfung der Richtigkeit von persönlichen Daten, die Ihnen von Ihren Kunden geschickt wurden, (iii) Gegenprüfung auf Stimmigkeit sämtlicher Daten, die während des Kundenannahme-Prozesses gesammelt wurden sowie (iv) fortlaufende Due Diligence-Maßnahmen und Prüfung von Transaktionen, die im Laufe der Geschäftsbeziehung abgewickelt werden.
Sie haben uns vor Kurzem mitgeteilt, dass Sie die Geschäftsbeziehungen zu den meisten Ihrer Kunden beendet haben. Allerdings sind wir angesichts des Geschäftszwecks Ihrer Kunden, Ihres Standortes und der großen Handelsmengen davon überzeugt, dass Ihre KYC-Prozesse es Ihnen nicht erlauben zu überprüfen, ob die Geschäfte Ihrer Kunden einem legitimen Geschäftszweck dienen und/oder wirtschaftlich rechtsmäßig sind.
Ihre Prozesse machen es Ihnen insbesondere nicht möglich, die Identität Ihrer Kunden eindeutig festzustellen oder zu beurteilen, ob ihre Geschäftsaktivitäten mit dem Emissionshandel zusammenhängen.
Auf Grund des oben gesagten und der anwendbaren internationalen Standards wie z.B. die der FAFT würde Ihr Risiko, Ziel möglicher betrügerischer Handlungen durch Ihre Kunden zu werden, von einer solchen Institution mit Sicherheit als hoch bewertet. Abgesehen von den bereits genannten Beispielen hätten auch andere Faktoren wie z.B. der Geschäftssitz Ihrer Kunden eine erhöhte Wachsamkeit und verstärkte Due Diligence-Maßnahmen zur Folge haben müssen.
Aus diesen Gründen möchten wir Ihnen mitteilen, dass die
Y Compliance-Abteilung empfiehlt, Ihren Zugang zum Y Spot Market zu unterbinden, bis [die Bf.] belegen kann, dass sie verbesserte Maßnahmen eingeführt haben, um die Situation ins Reine zu bringen."

interne E-Mails am Wochenende 6./ (BFG-Akt Bl. I/502 f.):

  • von Geschäftsführer2 an Geschäftsführer1:
    Hab mir den Brief von der
    y nochmals durchgelesen.
    Glaub das schaut nicht gut aus.
    Hast Du mit der FMA gesprochen? Wär sehr wichtig zu wissen, ob wir da überhaupt Member sein können und ob das unser KYC Problem von der
    y weg zu uns bzw zu der FMA verlegt.
    Ich glaub dass wir nur dann eine Chance haben nicht suspendiert zu werden wenn wir für die
    y kein Problem-Fall bezüglich Kunden-KYC mehr sind - die wollen nicht dass denen unsere "lasche" KYC irgendwann auf den Kopf fällt (insbesondere jetzt wo sie es selbst ge-audited haben und die Situation genau kennen).

    Die wollen also dass wir (od einer von uns) nächste Woche nach Paris kommen und uns mit dem
    HerrF treffen …

  • von Geschäftsführer1 an Geschäftsführer2:
    Wir sollten gleichzeitig auch schauen, dass wir einen Zugang zur ECX für den Daily Future bekommen, damit wir im Fall der Fälle zumindest für die compliance Leute handeln können.
    So oder so, die Zeit der großen Volumen ist vorbei, und langsam habe ich auch kein gutes Gefühl mehr, du hast das nicht so mitbekommen, aber es sind schon viele seltsame Dinge passiert, zB dass die
    VNmitarbeiterinGeschäftspartner31 (von der wir seit dem 22. Feb. nichts mehr gehört haben) plötzlich aufhört und gleichzeitig die in Norwegen hoch gehen.
    Ehrlich gesagt, ich flieg nicht nach Paris, ich denke nur an die
    Z-Typen, die damals hops genommen worden sind, und den Franzosen traue ich da nicht, auch was die von der Artikel 5 Überprüfung gesagt hat. …

  • von Geschäftsführer1 an Geschäftsführer2:
    Was machen wir eigentlich am Mo und nächste Woche?
    Normal weiter handeln?

  • von Geschäftsführer2 an Geschäftsführer1: Ja, denke schon, oder?
    Denke bevor wir keine Lösung haben od eh suspendiert werden könn ma ja ruhig mal so weiterhandeln… und parallel an einer Lösung arbeiten (und uns an der ECX anmelden)

  • von Geschäftsführer1 an Geschäftsführer2: Ja, ok, nochmal ein wenig abcashen!

Am fand eine Telefonkonferenz statt mit folgenden Teilnehmern: Geschäftsführer2, Geschäftsführer1, HerrG (Vorstand der Y SA), HerrK (stellvertretender Vorstand der Y SA), HerrD (Compliance-Beauftragter der Y SA). Am schickte HerrD das Protokoll über die Telefonkonferenz an Geschäftsführer2 und Geschäftsführer1 per E-Mail (BFG-Akt Bl. I/520 f.). Ausschnitt aus der Übersetzung des Protokolls auf Deutsch (BFG-Akt Bl. I/522):
"Y bekräftigte seine Einschätzung, dass für [die Bf.] aufgrund möglicher betrügerischer Aktivitäten ihrer Kunden ein sehr hohes Risiko besteht.
Obwohl
Y zur Kenntnis nahm, dass [die Bf.] bereits die Geschäftsbeziehungen mit den meisten seiner Kunden eingestellt hat (mit 17 der 21 ausgewählten Kunden wurde der Handel im Laufe der Geschäftsbeziehung eingestellt), hob Y noch einmal hervor, dass einige der verbleibenden Kunden [der Bf.] noch immer ein beträchtliches Risiko darstellten. Als Beispiel wurden 2 Kunden genannt (Geschäftspartner35 und Geschäftspartner6), mit Firmensitz in Dubai und deren offizielle Geschäftstätigkeit offensichtlich auf den Emissionshandel verlagert wurde.
Zu diesem Punkt wurde von
[der Bf.] erwähnt, dass sie bereits entschieden hätten, ihre Kunden vor Ort aufzusuchen. Zweck dieser Besuche solle sein, die KYC-Prüfungen, die während des Aufnahme-Prozesses stattgefunden haben, zu ergänzen und den tatsächlichen Geschäftszweck, die wirtschaftliche Zielsetzung und die ungewöhnlich großen durch diese Kunden gehandelten Mengen zu beleuchten.
Laut
[Bf.] könnten diese Besuche in der folgenden Woche stattfinden. Bis dahin und angesichts des möglichen Risikos, das diese Kunden darstellen, hat [die Bf.] beschlossen, den Handel mit ihnen zeitweise einzustellen, bis ihnen genügend Informationen zu diesen Kunden vorliegen.

Zu den konkreten Schritten, die
[die Bf.] versprochen hat einzuführen, zählen u.a. systematische persönliche Treffen mit zukünftigen Kunden sowie Vor-Ort-Besuche ihrer Geschäftsräume, wenn der zukünftige Kunde oder (bestehende) Kunde keine Historie oder eine Reputation im Emissionshandel oder auf den Finanzmärkten vorweisen kann. Durch solche Maßnahmen wäre [die Bf.] in der Lage, zu überprüfen, dass (i) der Kunde tatsächlich die Person ist, die er vorgibt zu sein, dass er über ausreichende Erfahrungen im Handel verfügt und dass die Firma dort ansässig ist, wo er es angegeben hat; (ii) und das Geschäftsmodell seiner augenblicklichen und zukünftigen Kunden in der nahen Zukunft zu verstehen.
Schlussfolgerungen und nächste Schritte
… Sofortige Einstellung des Handels mit einigen ihrer gegenwärtigen Kunden, bis
[die Bf.] die Kunden vor Ort besucht hat und genügend Einsicht in das Geschäftsmodell der Kunden bekommen hat. Das gilt insbesondere für (i) Geschäftspartner2, (ii) Geschäftspartner6 und (iii) Geschäftspartner27."

Die Bf. suspendierte (stoppte) die Handelsbeziehungen zu den vorgenannten drei Gesellschaften und zu vier weiteren Gesellschaften vom 11. bis (und darüber hinaus). (Brief an Geschäftspartner2, Dubai vom : BFG-Akt Bl. I/446 verso).

interne E-Mails am (BFG-Akt Bl. I/490):

  • von BfMitarbeiter1 an Geschäftsführer2 und Geschäftsführer1, CC an BfMitarbeiter2: Hallo Bosses,
    Jetzt hat gerade der
    Geschäftspartner8 angerufen, er möchte jetzt wieder mehr Carbon traden in der Zukunft, jedoch sein DK registry ist geschlossen (Due diligence problems usw. kommt bekannt vor oder?), hat gefragt wo er sich nun am besten anmeldet, bzw. wo er am schnellsten einen registry Zugang bekommt.
    Natürlich hat er auch in diesem Zusammenhang gefragt, ob er die Zertifikate nicht volley woanders hinschicken kann, was ich natürlich verneint habe. Ich habe ihm erklärt, dass wir mittlerweile neue KYC standards haben und ihm die Mail mit den neuen KYC Standards weiterleiten werden (zur Gänze).
    Das Ganze bekommt jetzt schon mittlerweile den Geschmack eines weltweiten Carbon Rundumschlages, positiv finden der Joe und ich jedoch in dem Zusammenhang, dass die
    Geschäftspartner8 nicht auf der y Liste war….

  • Von Geschäftsführer2 an BfMitarbeiter1, Geschäftsführer1 und BfMitarbeiter2: Hi
    Ja, mir kommt auch schön langsam vor dass die sich alle untereinander kennen und austauschen…
    Würde mich nicht wundern, wenn sich
    KurzformVornameGeschäftspartnermitarbeiter1, VornameGeschäftspartnermitarbeiter2, VNmitarbGeschäftspartner2 usw. einmal pro Woche in Palermo bei Don Cardinale zum dinner treffen…

Yahoo-Messenger-Nachrichten zwischen Geschäftsführer1 und BfMitarbeiter1 am von 14:02 bis 15:36 Uhr (BFG-Akt Bl. I/559 f.):

  • Geschäftsführer1: Hi, schickt der geschäftspartnerElf heute oder morgen noch was?

  • BfMitarbeiter1: morgen wieder, eventuell…
    oder sicher…

  • Geschäftsführer1: Ok, das Problem ist, dass er jetzt schon über 500k hat…

  • BfMitarbeiter1: na ja, und was soll ma Ihm sagen, würd das einmal dezent morgen ansprechen…
    bzgl. unseres KYC checks after week usw. --> eventuell ein kurzes Mail von Dir?

  • Geschäftsführer1: Im Brief hat er 200-500k pro Woche geschrieben, ohne Angabe von Kauf/Verkauf-Verhältnis, oder?

  • BfMitarbeiter1: yep
    der
    britischerGeschäftspartner schickt dann docs von neuseeländischeGesellschaft, dem könnte man dieses Mail auch noch schicken, mit buy/sell ratio usw, bei dem müssen wir aufpassen

  • Geschäftsführer1: ok

  • BfMitarbeiter1: jetzt wird es interessant, schau dir einmal mein Mail von gestern bzgl. neuseeländischeBank an in Auckland, dann haben wir nun die docs bekommen von der NeuseeländischeGesellschaft die lusterweise auch aus Auckland kommen und diese besagen, dass HerrL der director ist, dieser hat sich kürzlich mit der potentiellerGeschäftspartner bei uns beworben, ist alles verwirrrend…

  • Geschäftsführer1: Klingt sehr komisch, ich denke den sollten wir bleiben lassen...

  • BfMitarbeiter1: oder er schickt von einer anderen Bank und wir limitieren ihn auf 50 - 70k täglich?

  • Geschäftsführer1: Ja, wenn er von einer "richtigen" Bank was schickt…

  • BfMitarbeiter1: mit Begründung, dass NeuseeländischeGesellschaft keine Bank ist und von unserer KYC in high risk area, daher für uns zu gefährlich.

  • Geschäftsführer1: ja, passt

  • BfMitarbeiter1: und limitieren auch mit buy/sell ratio, d.h. eine lange Mail schreiben?

  • Geschäftsführer1: nein, ich würde mal sagen, er soll von einer gescheiten Bank was schicken, wenn das nicht kommt, dann ist es eh egal
    Bin schon gespannt, was vom
    geschäftspartnerElf kommt

  • BfMitarbeiter1: hab schon mit Ihm (oder HerrM) geredet, sie sagen normalerweise wird es nicht mehr als 500k sein, sie schreiben am Abend zurück, und ich hab gesagt dass wir das awaiten

  • Geschäftsführer1: ok, passt, war er eh nicht beleidigt?

  • BfMitarbeiter1: nein, er hat recht vernünftig gesprochen und wird sich bei uns melden, mal sehen.

    werde den Text für den
    britischerGeschäftspartner jetzt reinkopieren und anfügen, dass wir nur von einer "real" bank Geld für Ihn akzeptieren können

  • Geschäftsführer1: ok

Ausschnitte aus dem E-Mail-Verkehr zwischen der Bf. und HerrD, Compliance-Beauftragten der Y, vom 13. bis (BFG-Akt Bl. I/442 ff.; Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche über Auftrag der deutschen Steuerfahndung):

  • E-Mail von HerrD an Geschäftsführer1 am , 11:09:
    "… Außerdem haben wir festgestellt, dass Sie zur Zeit mit Ihrem früheren Kunden "Geschäftspartner36" (oder Geschäftspartner11) handeln. Allerdings hatten wir Ihrer E-Mail vom entnommen, dass der Handel mit dieser Firma eingestellt wurde. Könnten Sie daher erläutern, welche Punkte (oder zusätzliche von [der Bf.] durchgeführten Due Diligence Maßnahmen) dazu geführt haben, dass Sie Ihre Meinung über diesen Kunden geändert haben?"

  • E-Mail von HerrD an Geschäftsführer1 am , 09:45:
    "… 4. Könnten Sie außerdem erläutern, warum [die Bf.] seine Geschäftsbeziehung zu Geschäftspartner36 (alias Geschäftspartner11) eingestellt hat und welche Punkte (oder zusätzliche von Ihnen durchgeführte Due Diligence-Maßnahmen) Sie dazu bewogen haben, Ihre Meinung über diesen Kunden zu ändern?

  • E-Mail von Geschäftsführer2 an HerrD am um 11:24:
    "… Wir haben die Entscheidung, ob persönliche Treffen durchzuführen sind, vom monatlichen Handelsvolumen unserer Kunden abhängig gemacht. Unsere augenblicklichen KYC-Richtlinien legen fest, dass bei Kunden mit einem monatlichen Handelsvolumen über 300.000 EUAs pro Monat spätestens 4 Wochen nach Erreichen dieses monatlichen Volumens persönliche Treffen durchzuführen sind (und zwar soll das Treffen in dem Monat nach Erreichen dieses Schwellenwerts stattfinden).
    Wir glauben, dass das die beste Möglichkeit ist, die Qualität und Beweggründe für die Handelsroutine unserer Kunden zu gewährleisten. Persönliche Treffen auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen von Kunden zu vereinbaren, würde zu einem beinahe nicht zu bewältigenden Kostenaufwand führen, da sich häufig Kunden registrieren, die niemals nennenswerte Mengen handeln (oder gar überhaupt nicht handeln).
    Keiner unserer Kunden hat im Monat März mehr als 300.000 EUAs gehandelt, daher wurden keine persönlichen Treffen vereinbart.
    Folgende Kunden haben im April mehr als 300.000 EUAs gehandelt. Daher wurden bereits Treffen vereinbart bzw. werden gerade geplant:
    geschäftspartnerElf Handels GmbH
    Geschäftspartner37
    britischerGeschäftspartner (bisher wurden die 300.000 noch nicht überschritten, das wird aber sehr wahrscheinlich im April der Fall sein)
    Außerdem lassen Sie uns die Sache mit
    Geschäftspartner36 / geschäftspartnerElf Handels GmbH erläutern:
    geschäftspartnerElf Handels GmbH ist eine unter deutschem Recht gegründete Gesellschaft und wir haben alle Dokumente erhalten, die nach den verschärften KYC-Kontrollen erforderlich sind. Sie wurde nicht als Tochtergesellschaft der Geschäftspartner36 gegründet oder ist sonst irgendwie mit ihr verbunden. Zusätzliche Überprüfungen bei Regierungs- und Steuerbehörden haben erwiesen, dass die Unterlagen der Firma gültig und echt sind. Darüber hinaus unterhält die geschäftspartnerElf Handels GmbH immer noch ein Konto beim dänischen Register und die strenge Überprüfung, die von den dänischen Betreibern des Registers durchgeführt wurde, stützt unsere Entscheidung, mit dieser Firma den Handel aufzunehmen. Schwerpunkt der Firma geschäftspartnerElf Handels GmbH ist eindeutig der Handel mit Energie und CO2-Zertifikaten und unserer Meinung nach, ist auch das nötige Wissen vorhanden, um Handelsentscheidungen auf diesen Märkten zu treffen…"

  • E-Mail von HerrD an Geschäftsführer2 am um 22:59:
    "… - Ihrer Antwort entnehmen wir, dass entgegen unserer Empfehlungen keine persönlichen Treffen mit den zukünftigen Kunden stattgefunden haben und dass [die Bf.] keinen der ausgewählten Kunden besucht hat, um die Identität des zukünftigen Kunden zu überprüfen und deren Geschäftspolitik/idee zu verstehen.
    Ich bedaure, aber das ist nicht akzeptabel. Tatsächlich muss ich Sie daran erinnern, dass sich
    [die Bf.] nach der o.g. Telefonkonferenz (welche in dem Dokument "Protokoll und Schlussfolgerungen" vom schriftlich niedergelegt wurde) verpflichtet hat, systematische persönliche Treffen mit den zukünftigen Kunden sowie Vor-Ort-Besuche ihrer Geschäftsräume durchzuführen, sobald der Anwärter oder Kunde weder nachweisbare Erfahrungen noch einen etablierten Ruf im Bereich Emissionshandel oder Finanzmärkten vorzuweisen hat.
    Noch einmal, die Tatsache, dass
    [die Bf.] den Handel mit einem seiner Kunden bereits eingestellt hat, unterstreicht die Notwendigkeit strenger KYC-Kontrollen (wie z.B. Vor-Ort-Besuche), bevor eine Geschäftsbeziehung aufgenommen wird. Und es sieht so aus, als ob das (vorhandene) Aufnahmeverfahren [der Bf.] nicht ermöglicht, solche Probleme im Voraus zu erkennen (es ist festzuhalten, dass der Handel mit 16 der bei unserer Prüfung ausgewählten 21 Kunden im Nachhinein durch [die Bf.] eingestellt wurde). [Die Bf.] ist nicht in der Lage, die Identität ihrer Kunden klar zu bestimmen oder zu beurteilen, ob deren Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit dem Emissionshandel steht.
    Angesichts des Risikopotentials, das bei Ihren Kunden gegeben ist (u.a. geben einige Ihrer Kunden offiziell Geschäftstätigkeiten an, die eindeutig nichts mit dem Emissionshandel zu tun haben: Einzelhandel mit Wein und Spirituosen, Service und Beratung im Bereich Computer, Mess- und Regelsystemen sowie elektronischen …) empfehle ich Ihrer Firma dringend, den Handel mit den ausgewählten Kunden einzustellen, bis Sie die Vor-Ort-Besuche durchgeführt haben und deren Geschäftsmodell hinreichend verstehen. Andernfalls müsste
    Y drastische Maßnahmen gegen [die Bf.] ergreifen.
    - Sie schreiben in Ihrer Antwort, dass "
    Geschäftspartner11" und "Geschäftspartner29." zwei unterschiedliche Firmen sind.
    Allerdings besteht offensichtlich eine Verbindung zwischen ihnen (beide haben anscheinend denselben wirtschaftlichen Berechtigten: Herrn
    geschäftspartnerElf, ansässig in Frankreich). Ich bin sicher dass diese Tatsache zu erhöhten Due Diligence-Maßnahmen bei [der Bf.] geführt hat.
    Ich muss Sie daher nochmals auffordern, mir die Gründe zu erläutern, die dazu geführt haben, die Geschäftsbeziehung zu "
    Geschäftspartner36" einzustellen und welche verbesserten Due Diligence-Maßnahmen [die Bf.] unternommen hat, um das spezifische in diesem Fall vorhandene Risiko zu mindern."

  • E-Mail von Geschäftsführer2 an HerrD am um 00:27:
    "… Habe ich Sie richtig verstanden, dass wir persönliche Treffen vereinbaren sollen, bevor die Kunden den Handel aufnehmen können?
    Das würde Kunden betreffen, die nicht nur auf dem Energie- und Emissionshandelsmarkt aktiv sind, sondern auch noch andere Geschäftsbereiche haben und die daher der Hochrisiko-Gruppe zuzurechnen sind?"

  • E-Mail von Geschäftsführer2 an HerrD am um 13:55:
    "… Zu geschäftspartnerElf:
    Wie in meiner letzten Email erwähnt, haben
    Geschäftspartner36 und geschäftspartnerElf Handels GmbH denselben wirtschaftlich Berechtigten. Ansonsten handelt es sich aber um zwei unabhängige Firmen (ebenso waren alle Unterlagen sowie das Konto beim dänischen Register vollkommen in Ordnung).
    Wir haben uns auch Anfang April mit Herrn
    geschäftspartnerElf getroffen, aber da es sich dabei um ein informelles Treffen, das nicht im Büro stattfand, handelte, haben wir dieses Treffen formal nicht als KYC-Überprüfung eingestuft.
    Dennoch war Herrn
    geschäftspartnerElfs Wissen über den Zertifikatehandel überzeugend und die Informationen, die uns als Begründung für die Handelsaktivitäten gegeben wurden, klangen vernünftig (spekulativer Handel im Namen [Interesse] von Investoren, die persönlich von Herrn geschäftspartnerElf überprüft wurden).
    Ich stimme Ihnen zu, dass noch eine tiefergehende Prüfung im Büro der
    geschäftspartnerElf Handels GmbH stattfinden muss, um ihre Handelsgepflogenheiten komplett zu verstehen. Deshalb wurde ein Treffen für die erste Maiwoche vereinbart (es war bereits ein Treffen für diese Woche geplant gewesen, aber wie in meiner letzten Email erwähnt, machte die derzeitige Situation auf den europäischen Flughäfen, die Teilnahme an diesem Treffen unmöglich). …"

  • E-Mail von HerrD an Geschäftsführer2 am um 14:29:
    "Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen. Ich empfehle weiterhin, Ihre Aktivitäten zu verschieben, bis Sie Ihre Kunden vor Ort aufgesucht haben (was sie nach unserem letzten Telefongespräch getan haben sollten), um die Marktintegrität zu gewährleisten.

  • E-Mail von HerrD an Geschäftsführer2 am um 20:06:
    "… Was meine Empfehlung betrifft, vor Aufnahme des Handels mit einem Kunden, diesen vor Ort aufzusuchen, möchte ich Sie daran erinnern, dass [die Bf.] vor mehr als einem Monat versprochen hat, das zu tun. Ich bin daher sicher, dass Sie meine Besorgnis verstehen.
    … Mit allem gebotenen Respekt, KYC-Kontrollen beschränken sich nicht darauf Haken in Kästchen zu machen und Unterlagen zu sammeln, sondern beinhalten auch eine kritische Analyse. …"

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter1, der anlässlich des Besuches einer amerikanischen Messe mit einem Y-Direktor zusammengetroffen war, und BfMitarbeiter2 am von 07:08 bis 07:09 Uhr (BFG-Akt Bl. I/373 verso):

  • BfMitarbeiter1: ich glaub die größte y Angst gilt dem money laundering …
    nicht von uns sondern generell …
    der hat gemeint, er könnte sich ca 1,2 Millionen am tag wirtschftl. erklären, mehr nicht

  • BfMitarbeiter2: echt, d.h. diese offshore gschichten sind ihnen der größte dorn im auge? echt?

  • BfMitarbeiter1: denke schon

  • BfMitarbeiter2: das ist derb
    dann müssen aber alle dreck am stecken haben, die an der börse handeln, oder?

Skype-Nachrichten zwischen BfMitarbeiter1 und BfMitarbeiter2 am von 07:23 bis 07:30 Uhr betreffend Vor-Ort-Besuche bei Kunden (BFG-Akt Bl. I/374):

  • BfMitarbeiter1: hast du schon flüge für nächste woche? (habs vom SpitznameGeschäftsführer1[=Geschäftsführer1] gehört)

  • BfMitarbeiter2: nein, ich muss noch mit der Geschäftspartner38 koordinieren

  • BfMitarbeiter1: ok, und geschäftspartnerElf?

  • BfMitarbeiter2: is aber erst die 1. Maiwoche, davor hat der geschäftspartnerElf keine zeit, und ich würd halt gern gleich von hamburg nach brüssel - in einem aufwaschen quasi
    ich schätz du hast jetzt mal genug vom fliegen…

  • BfMitarbeiter1: absolut, aber wenn man zumindest in europa wäre. ich meine wir könnens uns auch aufteilen, aber ich würd das ganz kurzfristig koordinieren, ca 8 uhr weg, 3-4 stunden treffen, dann wieder um 4, 5, 6 wann immer möglich zurück, will nicht zu lange am boden bleiben. […]

  • BfMitarbeiter2: na würdest du mitfliegen wollen?

  • BfMitarbeiter1: na ich meine ob er will dass einer von uns da ist? wie gesagt, ich hätte es ja besser gefunden wenn man solche sachen zu zweit erledigt, aber das können wir ja mit ihm besprechen.

  • BfMitarbeiter2: ich werd heut sowieso nicht wirklich dazukommen - muss um 3 weg und davor liegt noch ein haufen arbeit
    aber morgen könnt ich das checken - ich werd auf jeden fall mal den
    geschäftspartner38 auch fragen, dann muss ich im geschäftspartnerElf 2 termine zur auswahl schicken, dann schauma

Yahoo-Messenger-Nachrichten zwischen Geschäftsführer2 und BfMitarbeiter2 am zwischen 13:56 und 13:57 (BFG-Akt Bl. I/561 f.):

  • Geschäftsführer2 (13:56): hab der y ein mail geschickt - und auch ad geschäftspartnerElf etwas geschwindelt damit sie eine ruhe geben:
    [Es folgt der Teil der E-Mail von Geschäftsführer2 an HerrD am um 13:55 hinsichtlich Treffen mit Herrn geschäftspartnerElf Anfang April. (Vgl. vor 2 Seiten)]

  • BfMitarbeiter2: alles klar, ich kenn mich aus

Yahoo-Messenger-Nachrichten zwischen Geschäftsführer2 und BfMitarbeiter1 am von 11:18 bis 11:53 Uhr, u.a. über ein Punkte-System zur Risikobewertung der Kunden, z.B. ab wann ein Besuch beim Kunden nötig ist (BFG-Akt Bl. I/563):

  • Geschäftsführer2: aber auch wenn der kunde >100 punkte erreicht kann man mit den soft fact am ende des excel das nochmal revidieren
    zb
    geschäftspartnerElf: der hätte mit seiner DE firma wahrscheinlich > 100 punkte
    aber da wir wissen dass da ev was eigenartig läuft --> besuch

  • BfMitarbeiter1: eine quälerei durch und durch die y
    Anwort: ja, stimmt schon - aber die wollen sich auch nur absichern

  • Geschäftsführer2: naja, wär halt gut wenn wir vorallem die wichtigen kunden bald besuchen also geschäftspartnerElf etc.
    aber der besuch darf halt nicht nur ein proforma visit sein

    wenns da echt nicht passt dann werden wir die kunden auch nicht wieder freischalten nur weil wir jetzt mal dort waren

Zum weiteren Weg der von der Bf. verkauften Treibhausgasemissionszertifikate wird im Aktenvermerk des Finanzamtes Frankfurt am Main I vom ausgeführt:

"… Die drei größten Hauptabnehmer der Emissionszertifikate waren die Geschäftspartner2 (rd. 27,8 Mio. Tonnen), Geschäftspartner31. (rd. 12,7 Mio Tonnen) und die Geschäftspartner29. (rd. 6,9 Mio. Tonnen). Diese Gesellschaften übertrugen sodann die Emissionszertifikate direkt und indirekt an verschiedene im Verfahren beteiligte deutsche Buffer und Missing Trader.
Die
[Bf.] übertrug jedoch auch direkt Emissionszertifikate an deutsche Buffer: Im April 2010 übertrug die [Bf.] 1.252.000 Tonnen EUA´s an die Geschäftspartner11. Diese Übertragungen wurden auch entsprechend der Geschäftspartner11 berechnet. …"

Zur zeitlichen Einordnung:

  • Im BP-Arbeitsbogen zur Nachschau am wegen Artikel V - Anfrage der britischen Botschaft betreffend Geschäftspartner1 gibt es eine Liste (S. 11 f.) mit Zertifikatsübertragungen zwischen und sowie das von der Bf. geführte Kundenkonto (S. 31-36) für die Geschäftspartner1 (Schweiz) mit Ausgangsrechnungen zwischen und .

  • Laut Beilagen 2 und 3 zur Schlussbesprechungs-Niederschrift verkaufte die Bf. vom bis zum Emissionszertifikate an die Geschäftspartner2 (Dubai).

  • Laut Beilagen 2 und 3 zur Schlussbesprechungs-Niederschrift verkaufte die Bf. vom bis zum Emissionszertifikate an die Geschäftspartner29. (Zypern).

  • Laut Beilage 3 zur Schlussbesprechungs-Niederschrift verkaufte die Bf. vom bis zum Emissionszertifikate an die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH (Deutschland).

E/q) Am trat gemäß § 323b Abs. 1 BAO das Finanzamt Österreich an die Stelle des Finanzamtes X.

E/r) In der mündliche Verhandlung wurde hinsichtlich Umsatzsteuer zusätzlich vorgebracht:

Seitens des Finanzamtes wurde ergänzt, dass § 44 Emissionszertifikategesetz, Bundesgesetzblatt 118/2011 normiere, dass Emissionszertifikate den Charakter einer Ware haben. Das Finanzamt vertrete die Auffassung, dass diese Bestimmung auf das Umsatzsteuergesetz durchschlage und auch mit Auswirkung auf die USt-Richtlinie dazu führen könnte, dass der Handel mit den Zertifikaten als innergemeinschaftliche Lieferung zu beurteilen sei, so wie das seit je her von der Betriebsprüfung vertreten worden sei.

Der steuerliche Vertreter der Bf. brachte vor, dass offenkundig und eindeutig festzustellen sei, dass eine nationale Norm, die noch dazu erst im Jahr 2011 in Kraft getreten sei, nicht auf die vom EuGH geprägte Rechtsprechung zum Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen durchschlagen könne. Sinn und Zweck der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie sei es, den Nationalstaaten diese umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit zu entziehen.

Der steuerliche Vertreter der Bf. führte allgemein zum Sachverhaltsvortrag aus, dass aus einer Flut von Korrespondenz und E-Mails einige verlesen worden seien. Daraus ergebe sich zwangsläufig ein Eindruck, der aus dem Gesamtzusammenhang gerissen erscheine. Trotz dessen könne aus dem Vortrag entnommen werden, dass die Bf. kein Mitwisser von Mehrwertsteuerbetrug war. gewesen sei. Es sei allgemein bekannt gewesen, dass der Emissionshandel mit einem hohen Risiko des Umsatzsteuerbetrugs behaftet gewesen sei. Die Bf. habe alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Eine Sachlage, aus der geschlossen werden könne, dass sie konkret von einem Mehrwertsteuerbetrug hätte wissen müssen, sei nicht dargestellt worden. Ob die E-Mails überhaupt echt seien, könne von der Bf. zudem nicht überprüft werden.

Das Finanzamt führte zur Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer an, dass die Begründung wörtlich auf die Niederschrift der Schlussbesprechung verweise. Damit sei die gesamte Niederschrift als Wiederaufnahmegründe heranzuziehen. In der Niederschrift sei das Betrugsszenario dargestellt worden. Damit sei auch dieses Faktum eine neu hervorgekommene Tatsache, auf die die Wiederaufnahmebescheide abstellten.

Der steuerliche Vertreter der Bf. brachte vor, dass nach ständiger Judikatur des VwGH ein allgemeiner Verweis auf eine Niederschrift als Wiederaufnahmegrund nicht hinreichend sei. Es sei keine ausreichende Begründung einer Wiederaufnahme, wenn der Steuerpflichtige aus dem verwiesenen Dokument nicht eindeutig feststellen könne, welche Tatsachen oder Beweismittel von der Behörde für die Wiederaufnahme herangezogen würden. Aus diesem Grunde seien die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide nicht rechtmäßig.

F) Verfahrensablauf hinsichtlich KESt, KöSt und Anspruchszinsen:

F/a) Außenprüfung

Bei der Bf. wurde im Jahr 2015 eine Außenprüfung u.a. über Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer 2011 bis 2013 durchgeführt, deren Schlussbesprechung am abgehalten wurde, und über welche ein mit datierter Bericht erstellt wurde.

In Tz. 4 führte seines Berichtes führte der Betriebsprüfer zum Streitpunkt aus:

[...]

Die Auswirkungen der verdeckten Ausschüttung samt Neutralisierung des Darlehens und der aktivierten Zinsen wurden zunächst am Ende von Tz 4 des Prüfungsberichtes folgendermaßen dargestellt:

Weiters wurden die steuerlichen Auswirkungen der Passivierung der Kapitalertragsteuer auf die verdeckte Ausschüttung in Tz 5 folgendermaßen darstellt:

Die Gewinnauswirkung für das Wirtschaftsjahr 2011/12 und zugleich die Einkünfteauswirkung für das Veranlagungsjahr 2012 aus Tz 4 und 5 ist per Saldo 117.973,02 - 133.333,33 = -15.360,31 €. Dies bedeutet, dass nur die verbuchten Zinserträge neutralisiert werden. Die Passivierung der Kapitalertragsteuer hat körperschaftsteuerlich im Ergebnis keine Auswirkung.

In einer Beilage zum Prüfungsbericht wird die Entwicklung der vortragsfähigen Verluste folgendermaßen darstellt:

F/b) Das Finanzamt X erließ nach der Außenprüfung folgende Bescheide an die Bf.:

  • Haftungsbescheid vom zur Geltendmachung der Haftung für Kapitalertragsteuer iHv 133.333,33 € betreffend den Zeitraum 2011 aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen an Geschäftsführer1, wobei begründend auf § 201 Abs. 2 Z 3 BAO (kein selbstberechneter Betrag bekanntgegeben oder Voraussetzungen für Wiederaufnahme sinngemäß vorliegend) verwiesen und zur Ermessensübung ausgeführt wurde: sie erfolge im Hinblick auf die Pflichtverletzung bei der Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer sowie im öffentlichen Interesse an der Durchsetzung und der Einbringung der Abgabe; entgegenstehende Umstände oder überwiegende Billigkeitsgründe lägen nicht vor;

  • Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom , mit welchem aufgrund von Einkünften iHv -384,93 € und eines Einkommens iHv 0,00 € sowie unter Anrechnung von einbehaltenen Steuerbeträgen (1.521,60 €) die Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 mit 228,00 € festgesetzt wurde;

  • Körperschaftsteuerbescheid 2012 vom , mit welchem aufgrund von Einkünften iHv 5.721.651,75 € abzüglich Verlustabzug iHv 4.291.238,81 € und aufgrund eines Einkommens iHv 1.430.412,94 € sowie unter Anrechnung der Mindest-KöSt aus dem Vorjahr (1.750,00 €) und von einbehaltenen Steuerbeträgen (357,69 €) die Körperschaftsteuer für das Jahr 2012 mit 355.496,00 € festgesetzt wurde;

  • Körperschaftsteuerbescheid 2013 vom , mit welchem aufgrund von Einkünften iHv 4.404.804,72 € abzüglich Verlustabzug iHv 729.560,04 € sowie aufgrund eines Einkommens iHv 3.675.244,68 € die Körperschaftsteuer für das Jahr 2013 mit 918.811,00 € festgesetzt wurde;

  • Bescheid vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2012 mit 13.906,46 €;

  • Bescheid vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2013 mit 18.645,68 €.

F/c) Mit Schreiben vom

  • wurde die Vollmacht (inkl. Zustellvollmacht) der Bf. für nunmehrSteuerlVertreter bekanntgegeben;

  • berief sich nunmehrSteuerlVertreter auf die ihm erteilte Vollmacht;

  • beantragte die Bf. die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum für die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 vom sowie für die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 und 2013 vom sowie für den Haftungsbescheid für den Zeitraum 2011 vom .

Über diesen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist wurde laut Aktenlage nicht bescheidmäßig abgesprochen. Gemäß § 245 Abs. 3 und 4 BAO ist jedoch die Verlängerung der Beschwerdefrist bis mittels Hemmung der Frist im Ergebnis eingetreten.

F/d) Mit Schreiben vom beantragte die Bf. - vertreten durch nunmehrSteuerlVertreter - die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum für die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 vom sowie für die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 und 2013 vom sowie für den Haftungsbescheid für den Zeitraum 2011 vom .

Über diesen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist wurde laut Aktenlage nicht bescheidmäßig abgesprochen. Gemäß § 245 Abs. 3 und 4 BAO ist jedoch die Verlängerung der Beschwerdefrist bis mittels Hemmung der Frist im Ergebnis eingetreten.

F/e) Mit Schreiben vom erhob die Bf. - vertreten durch nunmehrSteuerlVertreter - Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 vom sowie gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 und 2013 vom sowie gegen den Haftungsbescheid für den Zeitraum 2011 vom . Angefochten wurden die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für 2011 mit 133.333,33 € sowie die steuerlichen Folgewirkungen der Nichtanerkennung der Darlehensforderung in den Körperschaftsteuerbescheiden 2011 bis 2013 sowie in den erlassenen Bescheiden über Anspruchszinsen. Beantragt wurde die ersatzlose Aufhebung der Bescheide bzw. die Erlassung neuer Bescheide entsprechend der Beschwerde. Weiters wurden die Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. [Anm.: Soweit der KöSt-Bescheid 2011 angefochten worden ist, ist die Beschwerde wegen Nichterfüllung eines Mängelbehebungsauftrages zwischenzeitlich vom Berichterstatter als Einzelrichter mit Beschluss vom für zurückgenommen erklärt worden.]

Zum Sachverhalt wurde ergänzt:

  • Aus der P GmbH, FN FNpGmbH sei zwischenzeitlich (seit ) die P GmbH & Co KG, FN FNpGmbHCoKG geworden.

  • die Annahme des Anbots sei am durch die Gesellschafter der Bf. unter folgenden Auflagen beschlossen worden:
    (i) Geschäftsführer1 habe in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Darlehensnehmerin zur Stärkung des Eigenkapitals der Darlehensnehmerin die ihm zustehende Gesellschafterforderung iHv EUR 630.000,- dem Eigenkapital der Darlehensnehmerin zuzuführen oder dem abgeschlossenen Darlehen nachrangig zu stellen. Diese Auflage sei durch Unterschrift unter die Rangrücktrittserklärung und durch Einstellung des angeführten Betrages in die Kapitalrücklage im Jahresabschluss 2013 erfüllt worden. Die Rangrücktrittsvereinbarung sei durch einen Zuschuss des Gesellschafters im Jahr 2011 iHv EUR 630.000,- (Teilzahlungen im Zeitraum bis ) erfüllt worden.

  • (ii) Geschäftsführer1 verpflichte sich in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Darlehensnehmerin, diese auch in weiterer Folge mit Eigenkapital in dem Ausmaß auszustatten, dass die Gesellschaft jeweils zum Bilanzstichtag ein positives Eigenkapital ausweise oder Forderungen in entsprechender Höhe dem Darlehen nachrangig zu stellen. Diese Auflage sei durch folgende durch Geschäftsführer1 erfolgte Zuschüsse an die P GmbH, welche im Jahresabschluss 2013 in die Kapitalrücklage eingestellt worden seien, erfüllt worden:
    Zuschuss im Jahr 2012 iHv EUR 327.000,- ( EUR 22.000,-, EUR 280.000,-, EUR 25.000,-)
    Zuschuss im Jahr 2013 iHv EUR 145.000,- ( EUR 25.000,-, EUR 20.000,-, EUR 20.000,-, EUR 10.000,-, EUR 20.000,-, EUR 50.000,-)

  • Entsprechend den Darlehensbedingungen würden die Zinsen jeweils dem Darlehen hinzugerechnet und es würden die Zinsen tatsächlich durch Teilzahlungen bereits im Laufe des Darlehenszeitraums beglichen.

  • Entsprechend den Darlehensbedingungen habe die Darlehensnehmerin von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das Darlehen teilweise zurückzuzahlen (Zahlung am € 3.046,05 eingelangt am bei der Bf.; € 24.000,00 von 2-12/2014 und € 30.000,- in 8-12/2015).

  • Die Darlehensnehmerin habe der Darlehensgeberin schriftlich angekündigt, im Jahr 2016 eine Teilrückzahlung des Darlehens vorzunehmen.

Es sei nicht schlüssig begründet worden, welche Umstände auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht der P GmbH schließen ließen bzw. aus welchem Verhalten des Gesellschafters Geschäftsführer1 der Schluss gezogen worden sei, dass dieser sich mit einer Nichtrückzahlung abgefunden habe.

Es sei nicht aufgezeigt worden, inwiefern es zu einer Vermögensverschiebung zugunsten des Gesellschafters gekommen sei. Dazu hätte es einer Auseinandersetzung mit der Bonität des Gesellschafters und der dem Gesellschafter zuzurechnenden Gesellschaft P GmbH bedurft. Weder die Bonität des Gesellschafters noch der Gesellschaft P GmbH seien in Zweifel gestanden. Der Prüfer habe keine Bonitätsprüfung vorgenommen. Von der Bf. seien Unterlagen zur Bonität der Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Überdies habe der Gesellschafter Geschäftsführer1, dessen Bonität zweifelsfrei bestehe und im Rahmen der Prüfung niemals in Zweifel gezogen worden sei, sich gegenüber der darlehensnehmenden Gesellschaft verpflichtet, diese in seiner Funktion als Alleingesellschafter während der vollen Laufzeit mit Eigenkapital in dem Ausmaß auszustatten, dass die Gesellschaft jeweils zum Bilanzstichtag ein positives Eigenkapital ausweise oder Forderungen in entsprechender Höhe dem Darlehen nachrangig zu stellen. Die Rückzahlung der Kreditvaluta sei vom Gesellschafter und in der Folge der darlehensnehmenden Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt möglich und auch gewollt gewesen und sei dies noch immer. Die vom Finanzamt herangezogenen, im Jahr der Darlehensgewährung bereits absehbaren Verluste der Darlehensnehmerin seien Anlaufverluste gewesen, die beim Aufbau einer Einzelhandelskette zwangläufig entstünden und daher in die Bonitätsbeurteilung einer Bank nicht einfließen würden. Zum seien genügend kurzfristig liquide Mittel (EUR 512.488,29) vorhanden gewesen, um unter Berücksichtigung der Rangrücktrittserklärung des Gesellschafters Geschäftsführer1 betreffend einer Forderung iHv EUR 630.000,- beinahe das gesamte restliche kurz- und langfristige Fremdkapital sofort zu tilgen. Zusätzlich sei zum noch Anlagevermögen zum Buchwert von EUR 393.760,23 als Sicherheit für das Darlehen zur Verfügung gestanden. Basierend allein auf dem Reinvermögen der Darlehensnehmerin - selbst ohne Berücksichtigung der Nachschussverpflichtung des Gesellschafters - sei das Darlehen schon durch die Aktiva der Gesellschaft gesichert gewesen. Eine Sicherheit in dieser Form sei vergleichbar mit der Sicherheit, die eine Privatperson erbringe, wenn sie bei der Aufnahme eines Darlehens bei einer Bank über EUR 400.000,- nicht nur nachweise, dass sie bei derselben Bank über ein Sparbuch über EUR 400.000,- (kurzfristig liquide Mittel) verfügte, sondern auch noch nachweise, dass sie ein unbelastetes Grundstück über EUR 400.000,- (Anlagevermögen) besitze.

Die Annahme, dass bei der prüfungspflichtigen und wirtschaftsgeprüften Bf., deren Anteile von zwei gleichberechtigten Gesellschaftern gehalten werden, bereits bei der Vergabe des Darlehens von der Nichtrückzahlung des Darlehens ausgegangen worden sei, sei nicht nachvollziehbar.

Zur Beurteilung der Rahmenbedingungen des Darlehens auf Fremdüblichkeit:

  • Es sei banküblich, dass variabel verzinste Darlehen von Banken an Unternehmer (und Private) mit einer zehnjährigen Befristung ausgegeben würden. Befristungen im langfristigen Kreditgeschäft der Banken lägen im Bereich zwischen fünf und 25 Jahren. Aufgrund der bestehenden Sicherheiten sei eine zehnjährige Befristung jedenfalls nicht unüblich.

  • Das einseitige Kündigungsrecht der Darlehensnehmerin sei banküblich und werde bei Verbraucherkreditverträgen sogar vorgeschrieben. § 987 ABGB ermögliche jeder Vertragspartei (auch der Bf.) die jederzeitige, außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, wenn ihr die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar sei. In der herangezogenen Literatur habe kein Beispiel gefunden werden können, in dem ein einseitiges Kündigungsrecht zur Qualifizierung eines Darlehens als fremdunüblich herangezogen wurde, vielmehr sei eine vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit des Darlehensnehmers die Regel (d.h. fremdüblich) und nicht die Ausnahme.

  • Endfällige Darlehen seien eine im unternehmerischen Bereich sehr häufig gewählte Form der Finanzierung und bei bestehender Bonität bzw. entsprechender Verzinsung als fremdüblich anzusehen.

  • Die Zinsfälligkeiten seien im fremdüblich schriftlich ausgestalteten Darlehensvertrag definiert.

  • Zur Fremdüblichkeit der von der Bf. im Rahmen der Vergabe des Darlehens durchgeführten Bonitätsprüfung sein ein Vergleich zur Bonitätsprüfung von Banken angestellt worden. Im Rahmen einer dem Prüfer vorgelegten schriftlichen Darstellung sei ausgeführt worden, dass im Rahmen einer Bonitätsprüfung von Banken üblicherweise zur Bestimmung der Kreditwürdigkeit eines Darlehensnehmers neben einer zeitpunktbezogenen Betrachtung (Bilanz) auch eine Zukunftsprognose der Entwicklung eines Unternehmens angestellt werde. Dieser Prüfungsschritt sei auch von der Bf. durchgeführt worden. Zu diesem Zweck seien von den zur Verfügung stehenden Unternehmenskennzahlen wegen der im Zeitpunkt des Markteintritts (Start-up-Phase) schwer prognostizierbaren Cashflow-Kennzahlen, wie oben dargestellt vor allem die Liquiditätsanalyse zur Prognose der Rückzahlbarkeit von Darlehen herangezogen worden.

  • Bei der Beurteilung der Fremdüblichkeit der Zinsen sei auf die Verhältnisse des Kapitalmarktes bei Darlehensgewährung abzustellen. Als Richtschnur für die Bestimmung der marktkonformen Zinsen könne der Anleihezinsfuß herangezogen werden, daneben auch der Bankzinssatz. Im Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Oktober 2011 sei der 3-Monats-EURIBOR bei 1,557% gelegen. Österreichische Bundesanleihen hätten im Oktober 2011 mit einer Jahresrendite von unter 0,5% notiert. Bei Unternehmensanleihen sei in Österreich im Jahr 2011 die Spanne für Renditen zwischen 2,8% für mit AA bewertete Unternehmen sowie bis 9% für mit BB bewertete Unternehmen gelegen. Die Bf. habe sich nicht refinanzieren müssen, sondern habe 2011 einen wesentlichen Liquiditätsüberschuss gehabt. Auch nach der Darlehensvergabe seien der Bf. noch ausreichende liquide Mittel zur Verfügung gestanden. Die Bf. habe die liquiden Mittel mangels Investitionsalternativen in den Jahren 2011, 2012 und 2013 größtenteils ohne Aufschlag zum 3-Monats-EURIBOR veranlagen müssen, weshalb das Darlehen (mit 3% Zinsaufschlag auf den 3-Monats-EURIBOR) ein gewinnbringendes Geschäft sei.

  • Die Verbindlichkeitsstruktur der Darlehensnehmerin hätte eine vollständige Tilgung beinahe aller im 1. Rang stehenden Verbindlichkeiten allein durch das Umlaufvermögen ermöglicht. Unter Heranziehung dieser Liquiditätskennzahlen sei davon auszugehen, dass im Rahmen einer Bonitätsbewertung der Darlehensnehmerin durch eine Bank ein sehr hohes Bankrating (zwischen AA und BA) erzielt worden wäre. Dem Rating entspreche einer Verzinsung in der oberen Hälfte der Spanne für Renditen für Unternehmensanleihen, d.h. einer Verzinsung zwischen 2,8% und 6,2%. Die Darlehensgeberin habe in 2011 eine Rendite von 4,5% (3 Monats-EURIBOR +3%) erzielen können, welche innerhalb der Spanne für Unternehmensanleihen (2,8% bis 6,2%) liege.

Laut Gesellschaftsvertrag der Bf. seien Darlehensgewährungen größer als 300.000,00 € außergewöhnliche Geschäfte, welche der Beschlussfassung der Gesellschafter bedürfe. Solche Beschlüsse könnten nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden, sodass Geschäftsführer1 aufgrund seiner Beteiligung im Ausmaß von 50% nur mit dem zweiten Gesellschafter Geschäftsführer2 solche Beschlüsse fassen könne und können habe. Diese Beschlussfassung sei im vorliegenden Fall in einer Sitzung via Internettelefon einstimmig für die Darlehensvergabe erfolgt. (Der Gesellschafter geschäftsführerZwei sei Geschäftsführer der überseeischen Tochtergesellschaft in OrtÜbersee, Übersee.)

Entgegen dem Prüfungsbericht sei die Darlehensvergabe Betriebsgegenstand, weil sie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sei. Entgegen dem Prüfungsbericht habe Geschäftsführer1 nicht als Alleingeschäftsführer über die Darlehensgewährung entscheiden können.

Das Darlehen in der Bilanz der Bf. sei im Zuge der Wirtschaftsprüfung durch die WPgesellschaft kontrolliert worden. Der Geschäftsführer der Bf. habe die wirtschaftliche Entwicklung dem Wirtschaftsprüfer wie folgt dargelegt: "Die P GmbH hat sich entgegen der Prognoserechnungen vom Franchisegeber "Q" besser und schneller entwickelt als es die Erwartungen zugelassen haben. Es wurden in Zeitraum März 2011 bis Oktober 2012 drei neue Filialbetriebe eröffnet und eine Filiale in Ort40 im Oktober 2011 von einem Franchisepartner übernommen bzw. gekauft. Die Planungsrechnung im Bereich Branche gehen davon aus erst im 3. Jahr der Eröffnung einen positiven Cashflow zu erwirtschaften. Die Geschäftzahlen für 2015 entsprechen diesen Entwicklungen, sodass im Jahr 2016 voraussichtlich mit einem positiven Ergebnis zu rechnen ist. Ein positives Bilanzergebnis dieses Handelsbetriebes definiert sich ausschließlich über das Umsatzwachstum der Standorte, da die Größen wie Personal, Miete und Wareneinsatz konstante Größen sind, die nur geringfügig veränderbar sind."

Der Geschäftsführer der P GmbH habe laufend der Bf. über die wirtschaftliche Entwicklung des Branchesunternehmens berichtet. Da die Umsatzsteigerung in der P GmbH aufgrund der verschiedenen Standorte sich unterschiedlich schnell entwickelt habe, hätten sich die Darlehensgeberin und die Darlehensnehmerin in Ergänzung des Darlehensvertrags auf laufende Zinszahlungen geeinigt. Es seien auch tatsächlich vorzeitige Zinstilgungen erfolgt. Die Darlehensnehmerin und die Darlehensgeberin hätten sich räumlich zunächst am gleichen Firmensitz und später im gleichen Bürogebäude befunden, sodass eine Schriftform über eine Nebenabrede, wie geänderte Rückzahlungsmodalitäten - da rechtlich nicht gefordert - auch faktisch nicht für notwendig erachte worden sei.

F/f) Das Finanzamt X erließ eine abweisende, mit datierte Beschwerdevorentscheidung (BVE) zur Beschwerde vom gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013, die Anspruchszinsenbescheide 2012 und 2013, alle vom und den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer 2011 vom .

Das Finanzamt begründete die BVE durch den Verweis auf die der BVE beigelegte Stellungnahme des Betriebsprüfers vom .

Der Betriebsprüfer führte in der vorgenannten Stellungnahme vom zur Beschwerde vom aus, dass die Verpflichtung von Geschäftsführer1 zur Ausstattung der Darlehensnehmerin mit Eigenkapitel oder zur Nachrangigstellung von Forderungen in entsprechender Höhe eine nicht nachgewiesene Behauptung sei. Die behauptete eingegangene Verpflichtung durch den Gesellschafter sei aus den beim Firmenbuchgericht eingereichten Jahresabschlüssen der P GmbH für 2011 und 2012 nicht erkennbar, weil die Zahlungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten verbucht worden seien. Die Zahlungen seien in den Jahren 2011 und 2012 noch nicht als Einlagen angesehen worden, sondern erst 2013 (Umbuchung auf Kapitalrücklage).

Die Rückzahlung im Prüfungszeitraum habe nur 10,5% der Zinsen ausgemacht. Durch die Rückzahlungen bis Ende 2015 seien die Zinsen noch nicht zur Gänze beglichen. Kapitaltilgungen seien noch nicht erfolgt. Entscheidend für die Beurteilung der Fremdüblichkeit des Darlehens sei die vertraglich zugesicherte Möglichkeit der Darlehensnehmerin, keine Zinsen- und Kapitaltilgungen bis zur Endfälligkeit des Darlehens vornehmen zu müssen. Die für 2016 angekündigte Teilrückzahlung sei unerheblich.

Eine zehnjährige, unkündbare Darlehensdauer sei außerhalb des Bankenbereichs nicht üblich. Die vereinbarte Zahlung der Zinsen am Ende der Laufzeit sei auch bei einer Finanzierung über eine Bank nicht üblich.

Hinsichtlich der Heranziehung des einseitigen Kündigungsrechtes zur Qualifizierung des Darlehens als fremdunüblich werde auf und verwiesen.

Unternehmensanleihen könnten nicht mit herkömmlichen Darlehen verglichen werden. Unternehmensanleihen würden von Großunternehmen begeben, welche über ein Rating verfügten. Zum Vergleich des gegenständlichen Darlehens mit Fremdwährungskrediten an Private: Bei Fremdwährungskrediten von Banken, die in der Regel endfällig seien, müssten die Zinsen während der Laufzeit bedient werden. Darüber hinaus müsse der Darlehensnehmer bei einem Fremdwährungskredit in einen Tilgungsträger (Lebensversicherung oder Wertpapierfonds) einzahlen.

Zur Einbeziehung der Warenvorräte in die kurzfristig liquiden Mittel: Liquide Mittel würden nach der "Liquidierbarkeit" (Umwandlungsfähigkeit in Geld/Bargeld) der Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens in drei Ordnungen aufgeteilt, die in einer Reihenfolge nach abnehmender Liquidität sortiert würden. Zu den liquiden Mitteln der 1. Ordnung (höchster Rang) gehörten die bereits vorhandenen Bargeld- und Kassenbestände sowie Bankguthaben. Einfach und kurzfristig zu transformierende Vermögenswerte wie Schecks, diskontfähige Wechsel, Wertpapiere des Umlaufvermögens, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bildeten die 2. Ordnung. Zu den liquiden Mitteln der 3. Ordnung gehörten relativ aufwendig und mittelfristig umwandelbare Vermögenswerte des Umlaufvermögens wie Warenbestände, Fertigfabrikate, Halbfabrikate sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Die Warenvorräte seien daher nicht den kurzfristig liquiden Mitteln zuzurechnen.

Das Anlagevermögen der P GmbH bestehe in erster Linie aus der Geschäftseinrichtung der Filialen (Regale, Kassen, etc.). Diese Einrichtung sei, wenn überhaupt, besonders aufwendig und langfristig verwertbar.

Die liquiden Mittel dienten in erster Linie dazu, die Zahlungsfähigkeit für die Zahlung der Personalkosten und der Filialmieten aufrechtzuerhalten und nicht als Sicherheit für ein Darlehen.

Eine Darlehensvereinbarung zwischen nahestehenden Unternehmen ohne Festlegung von Sicherheiten halte dem Fremdvergleich nicht stand, wozu auf , , , , verwiesen werden.

Der Ausschluss einer Forderungsabtretung an Dritte sei ebenfalls nicht fremdüblich.

Die P GmbH sei im Prüfungszeitraum 2011 bis 2013 abhängig von laufenden Zahlungen des Alleingesellschafters Geschäftsführer1 gewesen, um die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Die Verpflichtung zur Zuschussleistung werde lediglich behauptet. Deswegen sei auch schon im Zeitpunkt der Darlehensvergabe ein hohes Risiko für einen Forderungsausfall gegeben gewesen, weshalb eine Absicherung, z.B. durch eine Bürgschaft des Alleingesellschafters, unbedingt notwendig gewesen wäre.

Aufgrund des hohen Ausfallsrisikos, auch durch das Fehlen von Sicherheiten, hätte der Zinssatz eher im obersten Bereich der Renditen für Unternehmensanleihen (9%) angesiedelt sein müssen. Der verrechnete Zinssatz iHv von 3%-Punkten über EURIBOR halte daher dem Fremdvergleich nicht stand.

Laut dem im Firmenbuch eingetragenen Geschäftszweig der Bf. sei die Gewährung von Krediten und Darlehen nicht der Betriebsgegenstand der Bf. gewesen.

F/g) Mit Schreiben vom beantragte die Bf. - vertreten durch nunmehrSteuerlVertreter - hinsichtlich der Beschwerdevorentscheidung vom die Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages bis zum .

Über diesen Antrag auf Verlängerung der Vorlageantragsfrist wurde laut Aktenlage nicht bescheidmäßig abgesprochen. Gemäß § 264 Abs. 4 lit. a iVm § 245 Abs. 3 und 4 BAO ist jedoch die Verlängerung der Vorlageantragsfrist bis mittels Hemmung der Frist im Ergebnis eingetreten.

F/h) Mit Schreiben vom stellte die Bf. - vertreten durch nunmehrSteuerlVertreter - gegen die Beschwerdevorentscheidung vom einen Vorlageantrag (Antrag gemäß § 264 BAO auf Entscheidung über die Beschwerde vom durch das Verwaltungsgericht).

Die (seitens der Finanzverwaltung angezweifelte) Verpflichtung (des Geschäftsführer1) ergebe sich aus den bestehenden Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern. Haftungen eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft würden in der Bilanz nicht - als Eventualforderungen aus Haftungen - ausgewiesen.

Ob eine Verbindlichkeit der Gesellschaft (P GmbH) gegenüber einem Gesellschafter steuerlich als Eigenkapital (Einlage) oder als Fremdkapital zu werten sei, sei aus der nach UGB aufgestellten Bilanz nicht herauszulesen, weil nicht auszuweisen.

Aus dem Ausweis in der Bilanz der Darlehensnehmerin könne nicht geschlossen werden, zu welchem Zeitpunkt Geschäftsführer1 eine Zahlung oder einen Teil seines Verrechnungskontos wirtschaftlich als Einlage (d.h. als nachrangiges Eigenkapital) betrachtet habe. Vielmehr sei für die Bewertung bedeutend, dass er sich rechtlich mit allen gesicherten und ungesicherten Forderungen als Gesellschafter in die Position eines Nachranggläubigers begeben habe und bei einem eventuellen Zahlungsausfall der Gesellschaft seine persönlichen Forderungen (Verrechnungskonto bzw. sonstige Forderungen) erst nach Begleichung der Darlehensforderung geltend machen hätte können.

Es stehe der Darlehensnehmerin frei, auch lediglich Kapitalrückzahlungen vorzunehmen. Unrichtig sei, wie in der Stellungnahme des Außenprüfers unterstellt, dass bei einem endfälligen Darlehen vorzeitige Rückzahlungen als Zinszahlungen zu werten seien. Da die Zinsen endfällig seien, stellten alle Rückzahlungen Kapitalrückzahlungen dar. Richtig sei somit, dass bis zum eine Kapitalrückzahlung in Höhe von EUR 57.046,05 erfolgt sei.

Im derzeitigen Zinsumfeld sei es üblich, dass Banken unter Zuhilfenahme von Haftungen Unternehmen in der "Start up" Phase mittelfristig (d.h. fünf bis zehn Jahre) Mittel zur Verfügung stellten, die erst endfällig zurück zu zahlen seien. Auch hier hätte die Darlehensnehmerin in der Anlaufphase zu solchen staatlich geförderten Krediten Zugang gehabt. Die bloße Tatsache, dass der Gesellschafter der Darlehnsnehmerin in seiner Funktion als Geschäftsführer und Gesellschafter der Bf. ein für die Bf. lukratives (EURIBOR + 3% - Verzinsung) Geschäft abgewickelt habe und die Darlehensnehmerin die Zinsen an die Bf. zu zahlen habe, lasse nicht den Schluss auf ein fremdunübliches Geschäft zu.

Die Tatsache, dass die Liquiditätsgrade 1 und 2 nur knapp unter 1 lägen (der Wert 1 würde bedeuten, dass alle Verbindlichkeiten mit dem Umlaufvermögen getilgt werden könnten) sei ein Zeichen für eine hohe Sicherheit (kein Ausfallsrisiko oder nur geringes Risiko des Ausfalls von max. 10% des Kredits) und führe daher zu einer niedrigen Verzinsung. Das Risiko sei vergleichbar einer hypothekarisch besicherten Schuld.

Renditen von 9% könnten typischerweise nur bei Unternehmen erzielt werden, deren Liquiditätsgrade 1 und 2 unter 0,2 lägen (hohes Ausfallsrisiko verbunden mit dem Risiko des Ausfalls von bis zu 80% des Kredits).

Die Endfälligkeit der Zinsen sei gerade im Unternehmensbereich und gerade hier in der Start-Up-Phase banküblich.

F/i) Das Finanzamt legte die Beschwerde vom und einen diesbezüglichen Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor. Bei der Übermittlung der relevanten Aktenteile an das BFG wurden die Beschwerdevorentscheidung vom (vgl. F/f) und der Vorlageantrag vom (vgl. F/h) vergessen, weshalb innerhalb des Schreibens des (vgl. F/j) eine formlose Mitteilung gemäß § 281a BAO erfolgte.

F/j) Der Berichterstatter im erkennenden Senat des Bundesfinanzgerichtes richtete ein mit datiertes Schreiben (BFG-Akt Bl. I/42 ff.) an die Bf. und das Finanzamt X, welches auch die Umsatzsteuer betraf, wobei an dieser Stelle nur das die Körperschaftsteuer, Anspruchszinsen und Kapitalertragsteuer Betreffende referiert wird:

  • Es erfolgte eine formlose Mitteilung gemäß § 281a BAO, wonach laut vorgelegten Akten über die Beschwerde vom gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 sowie gegen die Anspruchszinsenbescheide 2012 und 2013 noch keine Beschwerdevorentscheidung ergangen sei und diesbezüglich noch kein Vorlageantrag gestellt worden sei.
    Dies wurde durch die Nachreichung (vgl. F/k) der betreffenden Beschwerdevorentscheidung und des diesbezüglichen Vorlageantrages widerlegt.

  • Es sei aus der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage nicht ersichtlich, welche Auswirkung der (einzige) Streitpunkt iZm der Darlehensgewährung an P GmbH auf das Wirtschaftsjahr 2010/2011 und damit (gemäß § 7 Abs. 5 KStG) auf den Körperschaftsteuerbescheid 2011 habe.

F/k) Das Finanzamt X legte dem Bundesfinanzgericht am u.a. vor:

  • die Beschwerdevorentscheidung vom zur Beschwerde vom gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 sowie gegen die Anspruchszinsenbescheide 2012 und 2013 sowie gegen den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer 2011 (vgl. F/f);

  • den diesbezüglichen Vorlageantrag vom (vgl. F/h).

F/l) Mit Schreiben vom informierte der Berichterstatter im Senat des Bundesfinanzgerichtes (BFG) die Bf. über die Eingabe des Finanzamtes X vom und teilte mit, dass damit die Mitteilung gemäß § 281a BAO im Schreiben vom obsolet sei.

F/m) Am trat gemäß § 323b Abs. 1 BAO das Finanzamt Österreich an die Stelle des Finanzamtes X.

F/n) Mit Beschluss vom erteilte das BFG der Bf. einen Mängelbehebungsauftrag hinsichtlich der Beschwerde vom , soweit sie gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2011 gerichtet war, sowie einen Vorhalt hinsichtlich der Beschwerde, soweit sie gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2012 und 2013 gerichtet war.

F/o) Der Beschluss vom (vgl. F/n) wurde am zugestellt. Die darin festgesetzte, sechswöchige Frist zur Mängelbehebung endete am , ohne dass eine Reaktion auf den Mängelbehebungsauftrag erfolgt wäre. Daraufhin erließ der Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 272 Abs. 4 BAO einen mit datierten Beschluss, laut welchem die Beschwerde vom - soweit sie gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom gerichtet ist - gemäß § 278 Abs. 1 lit. b iVm § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gilt.

F/p) In der mündlichen Verhandlung wurde hinsichtlich Körperschaftsteuer, Anspruchszinsen und Haftung für Kapitalertragsteuer zusätzlich vorgebracht:

Der steuerliche Vertreter der Bf. brachte vor, dass das Darlehen nach acht Jahren vollständig zurückbezahlt und dabei 80.000,00 € Zinsen geleistet worden seien. Rückblickend sei das insgesamt ein sehr gutes Geschäft für die Bf. gewesen. Das Rechtsgeschäft sei jedenfalls so fremdüblich gewesen, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung des gesamten Darlehens nicht hätte vorgenommen werden dürfen, sondern lediglich eine Zinsanpassung, wenn der vereinbarte Zinssatz als nicht marktgemäß beurteilt würde. Ob eine persönliche Haftung als Bürge oder die gewählte Sicherstellung mit einer Garantieerklärung der Gesellschaft vorgenommen werde, führe zu einer inhaltlich vergleichbaren Sicherheit und sei daher nicht von Relevanz.

Die Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide für 2012 und 2013 wurde mit dem steuerlichen Vertreter der Bf. erörtert. Da hinsichtlich allfälliger Änderungen der KÖSt Bescheide 2012 und 2013 auf Grund der erhobenen Beschwerde es zu entsprechend neuen Anspruchszinsenbescheiden komme, in denen diese Differenz erfasst würde, hätten die gegenständlichen Beschwerden dahingehend keine Auswirkung. Auf Grund der dargelegten betraglichen Geringfügigkeit der gegenständlichen Auswirkungen auf die Anspruchszinsenbescheide erklärte die Bf., die Bescheidbeschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide gem. § 256 BAO zurückzunehmen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

G) Erwägungen über die umsatzsteuerliche Rechtslage

G/a) Ursprünglich strittig war die Einstufung der gegenständlichen Leistungen (Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten) als Lieferungen (laut Außenprüfung bzw. Finanzamt X) oder als sonstige Leistung iSd § 3a UStG (laut Bf.), wobei das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung am wieder zu seiner ursprünglichen Position zurückgekehrt ist.

Die Ansicht der Bf. wurde schon von Anfang an durch folgende Leitlinie des europäischen MwSt-Ausschusses aus seiner 75. Sitzung gestützt:

Mit seinem Urteil vom , C-453/15 stufte auch der EuGH die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten als Dienstleistung (=europarechtlicher Begriff für sonstige Leistung) ein, indem er die Leistungsortbestimmung nach Art. 56 Abs. 1 lit. a MwStSystRL vornahm. Diese Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH ist für alle noch zu entscheidenden Fälle bindend. Entsprechend dieser Auslegung ist auch die innerstaatliche Rechtslage richtlinienkonform zu interpretieren.

Laut steuerrechtlicher Literatur zur österreichischen Rechtslage bis (Ruppe, UStG3 [2005] § 1 Tz 46/1) und zur österreichischen Rechtslage ab (Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 46/1) sind die Umsätze beim Handel mit CO2-Emissionszertifikaten als sonstige Leistungen zu qualifizieren.

Dagegen bringt das Finanzamt § 44 des Emissionszertifikategesetzes 2011 (EZG 2011, BGBl. I 118/2011) vor, welcher lautet: "§ 44. Die Emissionszertifikate haben den Rechtscharakter einer Ware und können an Warenbörsen gehandelt werden." Diese innerstaatliche, nicht für umsatzsteuerliche Zwecke normierte Gesetzesbestimmung kann die umsatzsteuerliche innerstaatliche Rechtslage, welche an die durch ausgelegte Unionsrechtslage gebunden ist, nicht ändern.

Deshalb wird im Folgenden nur auf die Rechtslage betreffend sonstige Leistungen (Dienstleistungen) und nicht auf die Rechtslage betreffend Lieferungen (von Gegenständen) eingegangen.

Für die Bestimmung des Ortes von sonstigen Leistungen wurden mit dem Jahreswechsel 2009/2010 die Regelungen geändert, um die RL 2008/8/EG vom umzusetzen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 3a Tz 3). Es wird sich aber in Bezug auf die hier gegenständlichen Streitpunkte erweisen, dass die RL 2008/8/EG und ihre Umsetzung in österreichisches Recht keine hier relevanten materiellen Änderungen gebracht haben.

G/b) Zumindest ursprünglich divergierten auch die Ansichten über den Handel der Bf. mit Emissionszertifikation auf eigene bzw. fremde Rechnung zwischen Finanzamt X und Bf., ohne dass daraus Konsequenzen abgeleitet wurden.

Angesichts der europäischen und der innerstaatlichen Rechtslage macht es für die hier relevante Leistungsortbestimmung im Endeffekt ohnehin keinen Unterschied, ob die Bf. mit den gegenständlichen Leistungen auf eigene Rechnung oder auf fremde Rechnung tätig war:

Art. 28 MwStSystRL bestimmt: "Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten."

Maßgebend ist grundsätzlich das Außenverhältnis. Wer die Leistung im eigenen Namen erbringt, aber auf fremde Rechnung arbeitet (z.B. Kommissionär, Besorgung von Leistungen), dem wird die Leistung zugerechnet. (Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 262)

Die besorgte Dienstleistung wird wie eine eigene Dienstleistung angesehen; die für die Lieferung (Kommission) geltenden Grundsätze werden damit auf sonstige Leistungen erstreckt (sogenannte Leistungskommission; Ruppe/Achatz, UStG5, § 3a Tz 13 f.).

G/c) Europarechtliche Regelungen für die ggstdl. Leistungsortbestimmung vor dem :

Bis um 24:00 Uhr war die Richtlinie 77/388/EWG ("6. MwStRL" bzw. "6. EG-RL") in Kraft (vgl. Aufhebung durch Art. 411 Abs. 1 iVm Art. 413 der MwStSystRL, d.h. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom , ABl. 2006 L 347/1). Da die am in Kraft getretene Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (MwStSystRL) den Regelungen der 6. MwSt-RL nur eine neues Gewand ohne wesentliche inhaltliche Änderungen verlieh (vgl. Bieber/Tratlehner, Materialiensammlung, S. 5), ist die 6. MwSt-RL hier noch von Interesse, weil die o.a. Leitlinie aus der 75. Sitzung des MwSt-Ausschusses formal zur 6. MwSt-RL (=6. EG-RL) ergangen ist.

Art. 9 mit der Überschrift "Dienstleistungen" der 6. MwSt-RL (bzw. 6. EG-RL bzw. RL 77/388/EWG) enthielt bezughabend zwei Regelungen:

  • Gemäß der Grundregel des Abs. 1 galt als Ort der Dienstleistung "der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort."

  • Gemäß der spezielleren Regelung des Abs. 2 Buchstabe e erster Gedankenstrich galt als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:
    "- Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten".

Die Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (MwStSystRL, Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006 L 347/1) enthielt ursprünglich folgende bezughabende zwei Regelungen:

  • Artikel 43 (allgemeine Bestimmung, Grundregel): "Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort." [Anm.: Stimmt mit der der o.a. Grundregel der 6. MwSt- bzw. 6. EG-RL (77/388/EWG) überein.]

  • Artikel 56 (Sonstige Dienstleistungen, speziellere Regelung):
    "(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:
    a) Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten;"
    [Anm.: Stimmt mit der der o.a. Spezialregel der 6. MwSt- bzw. 6. EG-RL (77/388/EWG) überein.]

Aufgrund der identischen Formulierung der bezughabenden Textstellen einerseits in der 6. MwSt-RL (= sog. 6. EG-RL = RL 77/388/EWG) und andererseits in der ursprünglichen Fassung der MwStSystRL, kann die Leitlinie des europäischen Mehrwertsteuerausschusses zur Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten zweifellos auch auf die Anwendbarkeit von Art. 56 Abs. 1 lit. a MwStSystRL (Stammfassung) bezogen werden.

Auch der (betreffend das Jahr 2009; vgl. Rnr. 14 des Urteiles) für Recht erkannt: Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung genannten "anderen Rechte" die in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates definierten Treibhausgasemissionszertifikate einschließen.

[Anm.: Die genannte Richtlinie 2003/87/EG nimmt gemäß Art. 3 Buchstabe a folgende Begriffsbestimmung vor: Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) "Zertifikat" das Zertifikat, das zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt; es gilt nur für die Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie und kann nach Maßgabe dieser Richtlinie übertragen werden;]

Die Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem war "in allen ihren Teilen verbindlich und [galt] unmittelbar in jedem Mitgliedstaat" und wurde formal erst durch Art. 64 iVm Art. 65 der MwSt-DVO (vgl. G/e) per aufgehoben. Eine Anwendbarkeit der VO (EG) Nr. 1777/2005 auf den umsatzsteuerlichen Streitzeitraum, der zwar formal nicht mehr von der "6." Richtlinie 77/388/EWG, sondern von der MwStSystRL erfasst ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Dies kann aber hier dahingestellt bleiben, weil die Artikel 4 bis 12 der VO (EG) Nr. 1777/2005 zwar diverse Detailregelungen zum Ort des steuerbaren Umsatzes enthalten, aber keine davon etwas mit den hier streitgegenständlichen Angelegenheiten zu tun hat.

Nach der MwStSystRL liegt der Leistungsort der Übertragung von Emissionszertifikaten an einen "Steuerpflichtigen" (=europarechtlicher Begriff für "Unternehmer" iSd öUStG) mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat vor dem folglich am Empfängerort. Dasselbe gilt für die Übertragung von Emissionszertifikaten an Käufer, die außerhalb der EU ansässig sind.

G/d) Leistungsortbestimmung für die gegenständlichen Umsätze vor dem nach öUStG:

Für sonstige Leistungen, die vor dem ausgeführt worden sind, wird in § 3a Abs. 5 ff. UStG bestimmt:

"(5) Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach Maßgabe und in der Reihenfolge der folgenden Absätze.

(9) Die im Abs. 10 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:

a) Ist der Empfänger ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist statt dessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend;

b) ist der Empfänger kein Unternehmer und hat er keinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet ausgeführt;

(10) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 9 sind:

1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;

11. die Vermittlung der in diesem Absatz bezeichneten Leistungen;

(12) In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.

…"

Laut Ecker et al., Kommentierung zu § 3a UStG vor und laut Ruppe, UStG3 [2005] § 3a Tz 71/1) fiel die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten vor dem unter § 3a Abs. 10 Z 1 UStG (in der vor dem anwendbaren Fassung). Die weite Interpretation dieser Bestimmung kann mit der Formulierung "sowie ähnlichen Rechten" in der zugrundeliegenden Stammfassung der MwStSystRL (bzw. der sog. 6. MWSt-RL bzw. sog. 6. EG-RL) und begründet werden, d.h. durch richtlinienkonforme Interpretation.

Nach dem öUStG liegt der Leistungsort der Übertragung von Emissionszertifikaten an einen Unternehmer mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat vor dem folglich am Empfängerort. Dasselbe gilt für die Übertragung von Emissionszertifikaten an Käufer, die außerhalb der EU ansässig sind.

G/e) Europarechtliche Regelungen für die ggstdl. Leistungsortbestimmung ab dem :

Die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl. 2008 L 44/11, gab Titel V Kapitel 3 der RL 2006/112/EG, d.h. deren Art. 43 ff. mit Wirkung vom eine neue Fassung. Grundsätzlich wird damit bei Umsätzen zwischen Unternehmern (´B2B´ - Business to Business) zur Bestimmung des Dienstleistungsortes vom Herkunftslandprinzip zum Bestimmungslandprinzip übergegangen (vgl. Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2, S. 182 ff.):

Erweiterte Definition des Steuerpflichtigen (=europäischer Begriff für Unternehmer iSd öUStG) durch Art. 43 MwStSystRL (Richtlinie 2006/112/EG) idf RL 2008/8/EG: "Für die Zwecke der Anwendung der Regeln für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung gilt

1. ein Steuerpflichtiger, der auch Tätigkeiten ausführt oder Umsätze bewirkt, die nicht als steuerbare Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 angesehen werden, in Bezug auf alle an ihn erbrachten Dienstleistungen als Steuerpflichtiger;

2. eine nicht steuerpflichtige juristische Person mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer als Steuerpflichtiger."

Unter der Überschrift Allgemeine Bestimmungen gibt es mit Wirkung ab in Art. 44 und 45 der MwStSystRL zwei Grundregeln:

  • Art. 44: "Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers."

  • Art. 45: "Als Ort einer Dienstleistung an einen Nichtsteuerpflichtigen gilt der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch von der festen Niederlassung des Dienstleistungserbringers, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, aus erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Dienstleistungserbringers."

Ab kann die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Leistungsempfänger nicht unter die besondere Regel betreffend "Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten" (Art. 59 Buchstabe a) subsumiert werden, weil Art. 59 (betr. sog. Katalogleistungen) nur für außerhalb des Gemeinschaftsgebietes ansässige, dienstleistungsempfangende Nichtsteuerpflichtige anwendbar ist. (D.h. im ´B2C´-Bereich, also Business-to-Consumer; vgl. Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2, S. 187 und 373 f.). Die Einstufung der Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten als Katalogleistung hätte somit nur bei - hier nicht gegenständlichen - nichtunternehmerischen Dienstleistungsempfängern außerhalb der EU ihren Anwendungsbereich.

Während die Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom keine für den Streitfall relevanten Detailregelungen enthalten hatte (vgl. Abschnitt G/c), würde die - allerdings erst nach dem Streitzeitraum erlassene - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2011 L 77/1 (Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung, MwSt-DVO) detaillierte Definitionen zu einigen Begriffen der Art. 44 und 45 der MwStSystRL (Richtlinie 2006/112/EG) idF RL 2008/8/EG sowie einige Detailregelungen zum Ort der Dienstleistung enthalten:

  • Art. 10 MwSt-DVO zum Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit;

  • Art. 11 MwSt-DVO zur festen Niederlassung;

  • Art. 12 MwSt-DVO zum Wohnsitz;

  • Art. 13 MwSt-DVO zum gewöhnlichen Aufenthaltsort;

  • Art. 17 MwSt-DVO zum Status des Dienstleistungsempfängers (Steuerpflichtiger oder Nichtsteuerpflichtiger nach EU-Terminologie bzw. Unternehmer oder Nichtunternehmer nach österreichischer Terminologie);

  • Art. 18 MwSt-DVO: Wann kann der Dienstleistungserbringer "davon ausgehen",
    - dass (Abs. 1) ein in der Gemeinschaft ansässiger Dienstleistungsempfänger den Status eines Steuerpflichtigen hat,
    - bzw. dass (Abs. 2) ein in der Gemeinschaft ansässiger Dienstleistungsempfänger den Status eines Nichtsteuerpflichtigen hat,
    - bzw. dass (Abs. 3) ein außerhalb der Gemeinschaft ansässiger Dienstleistungsempfänger den Status eines Steuerpflichtigen hat;

  • Art. 19 MwSt-DVO zur "Eigenschaft des Dienstleistungsempfängers";

  • Art. 20 bis 24 MwSt-DVO zum Ort des Dienstleistungsempfängers;

  • Art. 25 MwSt-DVO: Allgemeine Bestimmungen zur Ermittlung des Status, der Eigenschaft und des Ortes des Dienstleistungsempfängers;

Die am im Amtsblatt der EU veröffentlichte MwSt-DVO "tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft" und "gilt [im Wesentlichen] ab " (Art. 63). Der Schlusssatz der MwSt-DVO lautet: "Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat."

Die Inkrafttretensbestimmung der MwSt-DVO (Inkrafttreten am und Geltung ab )ist anders als es in der österreichischen Steuerlegistik üblich ist (z.B.: "erstmals auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden"). Dennoch wird durch folgende Aussage in den einleitenden Erwägungen zur Erlassung der MwSt-DVO im Amtsblatt klar, dass bei der (erst nach dem Jahr 2011 durchgeführten bzw. noch durchzuführenden) umsatzsteuerrechtlichen Würdigung der vor dem Jahr 2011 verwirklichten streitgegenständlichen Sachverhalte die MwSt-DVO keine formal verbindliche Kraft hat: "(2) … Diese Durchführungsvorschriften sind erst vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung an rechtsverbindlich; sie berühren nicht die Gültigkeit der von den Mitgliedstaaten in der Vergangenheit angenommenen Rechtsvorschriften und Auslegungen." Hingegen würde die formal verbindliche Anwendung der MwSt-DVO auf den hier im Jahr 2010 endenden umsatzsteuerlichen Streitzeitraum die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes verletzen. Diese Grundsätze sind Teil der Unionsrechtsordnung und verlangen von EU-Organen und Mitgliedstaaten (bei Erlassung eines unter Unionsrecht fallenden Gesetzes) klare und transparente Rechtsvorschriften zu schaffen. Sie sollen es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, bereits im Zeitpunkt seines Handelns die sich hieraus ergebenden steuerlichen Folgen abzuschätzen (vgl. Berger/Toifl/Wakounig, MwStSystRL2, S. 27 f., Rz 47 f. mit Verweisen auf EuGH).

Nach den europäischen Regelungen (MwStSystRL) liegt der Leistungsort der Übertragung von Emissionszertifikaten an einen Steuerpflichtigen (=europarechtlicher Begriff für Unternehmer iSd öUStG) mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ab dem folglich am Empfängerort - genauso wie vor dem . Dasselbe gilt für Käufer (Steuerpflichtige und - wenngleich hier nicht relevant - Nichtsteuerpflichtige) mit Sitz außerhalb der EU.

G/f) Leistungsortbestimmung für Umsätze ab dem nach öUStG:

Für sonstige Leistungen (Umsätze und sonstige Sachverhalte), die nach dem (und bis einschließlich des , also jedenfalls bis Ende des umsatzsteuerlichen Streitzeitraumes) ausgeführt worden sind bzw. sich ereignet haben (vgl. § 28 Abs. 33 Z 1 UStG), wird in § 3a Abs. 5 ff. UStG idF BGBl. I 52/2009 bestimmt:

"(5) Für Zwecke der Anwendung der Abs. 6 bis 16 und Art. 3a gilt

1. als Unternehmer ein Unternehmer gemäß § 2, wobei ein Unternehmer, der auch nicht steuerbare Umsätze bewirkt, in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer gilt;

2. eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Unternehmer;

3. eine Person oder Personengemeinschaft, die nicht in den Anwendungsbereich der Z 1 und 2 fällt, als Nichtunternehmer.

(6) Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

(7) Eine sonstige Leistung, die an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.

(8) Eine Vermittlungsleistung an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 wird an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird.

(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:

a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;

b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.

(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:

1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;

2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;

3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;

4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;

5. die Datenverarbeitung;

6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;

7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;

8. die Gestellung von Personal;

9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;

10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;

11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;

12. die Telekommunikationsdienste;

13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;

14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;

15. die Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsverteilungsnetzen und die Fernleitung oder die Übertragung über diese Netze sowie die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.

…"

(Weitere - hier nicht eingearbeitete - Änderungen an § 3a UStG durch BGBl. I 34/2010 sind gemäß § 28 Abs. 34 Z 2 UStG erst auf Umsätze und sonstige Sachverhalte, die nach dem und somit jedenfalls nach dem umsatzsteuerlichen Streitzeitraum ausgeführt worden sind bzw. sich ereignet haben, anzuwenden.)

Laut Ecker et al., Kommentierung zu § 3a UStG ab (vgl. Rz 592 und "ABC") fällt die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten unter § 3a Abs. 6 (U) bzw. Abs. 7 oder Abs. 14 Z 1 UStG; d.h. Empfängerort, wenn Empfänger Unternehmer ist.
Ruppe/Achatz, UStG5, Tz 148 zur Bestimmung des Leistungsortes beim Handel mit CO2-Emissionszertifikaten nach § 3a Abs. 14 Z 1 UStG: Da diese Leistungen im ´B2B´-Bereich erbracht werden, ist § 3a Abs. 14 UStG seit nicht einschlägig. Der Empfängerort gilt bereits nach der Grundregel I (§ 3a Abs. 6 UStG).

Nach österreichischem UStG (öUStG) liegt der Leistungsort der Übertragung von Emissionszertifikaten an einen Unternehmer mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ab dem folglich am Empfängerort - genauso wie vor dem . Dasselbe gilt für Käufer (Unternehmer und - wenngleich hier nicht relevant - Nichtunternehmer) mit Sitz außerhalb der EU.

G/g) allfällige Rückverlagerung des Leistungsortes vom ausländischen Ort des Leistungsempfängers zum inländischen Ort des Leistungserbringers:

Ein Ort der sonstigen Leistung (Dienstleistung) im Ausland am Sitz des Leistungsempfängers, wie er sich aus dem geschriebenen Recht, d.h. den Regelungen des § 3a UStG im Einklang mit den europarechtlichen Regelungen ergibt, bedeutet (zumindest zunächst) die Nichtsteuerbarkeit dieses Umsatzes in Österreich.

Daran könnte auch das Fehlen einer gültigen UID-Nummer nichts ändern, denn §§ 5 und 6 der Verordnung BGBl. 401/1996 sehen nur für innergemeinschaftliche Lieferungen den Buchnachweis mit der Aufzeichnung der UID-Nummer des Abnehmers vor.

Art. 11 Abs. 2 UStG (Binnenmarktregelung), welcher in der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom vorgebracht wurde, sah zwar die Pflicht zur Angabe der UID-Nr. des Leistungsempfängers in Rechnungen über "sonstige Leistungen im Sinne des Art. 3a Abs. 1 bis 4 und 6" vor. Hierzu ist jedoch festzuhalten:

Die in der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom zitierte Fassung (vor BGBl. I 52/2009) galt für Umsätze, die vor dem ausgeführt wurden.

Art. 11 Abs. 2 Satz 1 zweiter Fall UStG idF vor BGBl. I 52/2009 bezog sich nicht auf alle sonstigen Leistungen, sondern nur auf "sonstige Leistungen im Sinne des Art. 3a Abs. 1 bis 4 und 6". Unter diese sonstigen Leistungen ist die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten aber nicht zu subsumieren, wie der Wortlaut von Art. 3a Abs. 1 bis 4 und 6 UStG idF vor BGBl. I 52/2009 zeigt.

Art. 11 Abs. 2 UStG idF BGBl. I 52/2009 betrifft sonstige Leistungen nicht mehr.

Die allfällige Pflicht zur Angabe der UID-Nummer des Leistungsempfängers gemäß § 11 Abs. 1 UStG betrifft nur Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG, d.h. im Inland ausgeführte, steuerbare Umsätze. Nach dem geschriebenen Recht handelt es sich gegenständlich aber nicht um steuerbare Umsätze.

Es stellt sich aber die Frage, ob die Verwendung einer derartigen sonstigen Leistung (Dienstleistung) in der weiteren Leistungskette zum Zweck einer Mehrwertsteuer-Hinterziehung bewirken kann, dass der Leistungsort nach Österreich zum Sitz der leistungserbringenden Bf. zurückverlagert wird. Diese Frage stellt sich, weil es in folgenden, in mancher Hinsicht ähnlichen Konstellationen entgegen dem geschriebenen Recht zum Entfall eines umsatzsteuerlichen Vorteiles (Vorsteuerabzug, Steuerbefreiung) kommt:


  • Auch wenn die objektiven (positivrechtlichen) Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt werden, steht nach der Rsp des EuGH (, Kittel, C-439/04) dem Unternehmer der Vorsteuerabzug nicht zu, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer vor- oder nachgelagerter Umsatz in der Lieferkette mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war. Das nach objektiven Gegebenheiten entstandene Recht auf Vorsteuerabzug steht somit unionsrechtlich dem Unternehmer nur dann zu, wenn er alle Maßnahmen trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen sind. (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 92/1). Diese EU-Rechtslage wurde mit dem AbgSiG 2007 in § 12 Abs. 1 Z 1 UStG (laut Materialien klarstellend) aufgenommen, wobei die Regelung mit dem StRefG 2015/16 unverändert in § 12 Abs. 14 UStG überführt wurde (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 92).

  • In seinem Beschluss vom , HR gegen Finanzamt Wilmersdorf, C-108/20, hat der EuGH unter Zusammenfassung seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges keine aktive Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Steuerhinterziehung voraussetzt.

  • Wenn ein Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen vornahm und wusste bzw. hätte müssen wissen, dass die Lieferung mit einer MwSt-Hinterziehung in Zusammenhang steht, so ist ihm laut Schoenimport "Italmoda", C-131/13) die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen, auch wenn das nationale Recht keine diesbezüglichen Bestimmungen enthält (Ruppe/Achatz, UStG5, Art 7 BMR Tz 19/1). Diese Rechtslage wurde mit dem StRefG 2015/16 als zweiter Satz von Art 6 Abs. 1 (Binnenmarktregelung) in das österreichische UStG aufgenommen.

Unter dem Begriff "hätte-wissen-müssen" ist zu verstehen, dass dem Unternehmer Indizien für die Einbeziehung seiner Umsätze in MwSt-Hinterziehungen vorliegen und der Unternehmer nicht alle Maßnahmen trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen werden.

Im Bereich von ´B2B´ zeigt der Vergleich einer innergemeinschaftlichen Lieferung, welche dem Schoenimport "Italmoda", C-131/13, zugrunde lag, mit einer grenzüberschreitenden Dienstleistung (von einem Steuerpflichtigen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an einen Steuerpflichtigen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat) einerseits Ähnlichkeiten, andererseits Unterschiede:

Ähnlichkeiten:

Innergemeinschaftliche Lieferungen und grenzüberschreitende Dienstleistungen innerhalb der EU betreffen jeweils zwei Mitgliedstaaten. Die unterschiedlichen Regelungen für diese beiden Arten von Leistungen bewirken im Bereich von ´B2B´ im Regelfall gleichermaßen, dass nur in dem Mitgliedstaat, in welchem der Leistungsempfänger ansässig ist, Steuerpflicht für die Leistungen besteht. Diese Steuerpflicht trifft im Regelfall den Leistungsempfänger, entweder als Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb oder als Steuer, die auf den Leistungsempfänger übergeht (Reverse Charge).

Diese Ähnlichkeiten können darauf hindeuten, dass die Richtlinie 2006/112/EG (in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG) hinsichtlich grenzüberschreitender Dienstleistungen analog zum Schoenimport "Italmoda", C-131/13, auszulegen ist.

Unterschiede:

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen liegt der Leistungsort im Regelfall am Sitz des Leistungserbringers, d.h. dort, wo sich der Gegenstand beim Übergang der Verfügungsmacht befindet bzw. dort, wo die Beförderung des Gegenstandes zum Empfänger beginnt.
Bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen liegt hingegen der Leistungsort im Regelfall am Sitz des Leistungsempfängers.

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen erfüllt derselbe Vorgang im Bereich von ´B2B´ zwei Besteuerungstatbestände, und zwar die innergemeinschaftliche Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb, wobei im Regelfall durch die Steuerbefreiung des erstgenannten die Doppelbesteuerung des Vorganges verhindert wird.
Hingegen ist für die grenzüberschreitende Dienstleistung nur ein Besteuerungstatbestand vorgesehen. Der Erwerb einer grenzüberschreitenden Dienstleistung stellt keinen steuerbaren Tatbestand dar. Gegebenenfalls wird die Steuerschuld für die Erbringung der Dienstleistung vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übertragen (Reverse Charge).

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen hat der Staat, in dem der Leistende ansässig ist, ein Besteuerungsrecht, welches im Regelfall durch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung neutralisiert wird.
Hingegen hat bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung, welche am Ort des Sitzes des Leistungsempfängers steuerbar ist, der Ansässigkeitsstaat des Leistenden kein Besteuerungsrecht, sodass eine Steuerbefreiung durch den Ansässigkeitsstaat nicht nötig ist.

Diese Unterschiede können darauf hindeuten, dass die Richtlinie 2006/112/EG (in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG) hinsichtlich grenzüberschreitender Dienstleistungen nicht analog zum Schoenimport "Italmoda", C-131/13 auszulegen ist.

Insgesamt scheint die richtige Auslegung des Unionsrechtes nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. , Rn. 110). Soweit folglich (in Abschnitt J/e) festgestellt wird, dass die Bf. von der Verwendung von ihr erbrachter Leistungen für MwSt-Hinterziehungen wusste oder hätte wissen müssen, ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH notwendig zur Klärung, ob dadurch der Leistungsort nach Österreich an den Sitz der Bf. zurückverlagert wird und damit die gegenständlichen sonstigen Leistungen (Dienstleistungen) in Österreich steuerbar sind, auch wenn das nationale Recht keine diesbezüglichen Bestimmungen enthält.

H) Erwägungen über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 und 2008

Wie die rechtlichen Überlegungen zur Umsatzsteuer (vgl. Abschnitt G) gezeigt haben, ist die vom Betriebsprüfer und - diesem folgend - vom Finanzamt X ursprünglich vertretene Auffassung, wonach die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten eine Lieferung darstelle, unrichtig. Die §§ 5 und 6 der Verordnung BGBl. 401/1996 sehen nur für innergemeinschaftliche Lieferungen den Buchnachweis mit der Aufzeichnung der (richtigen, gültigen) UID-Nummer des Abnehmers vor.
Vielmehr stellt die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten eine sonstige Leistung dar. Bei einer solchen ist das Vorhandensein einer richtigen, gültigen UID-Nummer kein Tatbestandsmerkmal für den Leistungsort und damit für die Steuerbarkeit in Österreich. Der vom Betriebsprüfer in seiner Stellungnahme vom herangezogene Art. 11 Abs. 2 UStG (Binnenmarktregelung) betreffend Pflicht zur Angabe der UID-Nr. des Leistungsempfängers in Rechnungen über "sonstige Leistungen im Sinne des Art. 3a Abs. 1 bis 4 und 6" erwies sich als nicht einschlägig für Treibhausgasemissionszertifikate. Bei der Bestimmung des Leistungsortes der Übertragung von Emissionszertifikaten ist das Vorliegen oder die Gültigkeit der UID-Nummer des Leistungsempfängers kein Tatbestandsmerkmal.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfordert gemäß § 303 BAO insbesondere, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Letzteres bedeutet, dass das Bekanntwerden des Wiederaufnahmsgrundes geeignet sein muss, einen anders lautenden Bescheid herbeizuführen.

Laut Begründungen der Wiederaufnahmsbescheide erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens jeweils "aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind."

Im diesbezüglichen Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom (BFG-Akt Bl. F/34 ff.) werden zur Umsatzsteuer nur die betragsmäßigen Auswirkungen der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung dargestellt.

Die Verweise in den Wiederaufnahmsbescheiden auf den Prüfungsbericht können daher nur auf betragsmäßigen Auswirkungen verweisen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob betragsmäßige Auswirkungen zur rechtlichen Würdigung gehören oder der rechtlichen Würdigung nachgelagert sind. Jedenfalls sind betragsmäßige Auswirkungen keine Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 BAO und folglich keine geeigneten Wiederaufnahmsgründe.

Die Verweise in den Wiederaufnahmsbescheiden auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung beziehen sich auf den dortigen Abschnitt "I. Umsatzsteuer". Der dortige Unterabschnitt "1. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID) allgemein" enthält keine Tatsachen iSd § 303 BAO. Der Unterabschnitt "3. Zusammenfassung USt-Korrekturen lt. Bp 2007-2010" enthält nur betragsmäßige Auswirkungen und keine Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 BAO.
Der Unterabschnitt "2 ig Lieferungen ohne gültige UID in den Jahren 2007-2010" enthält neben Ausführungen zur Nichterbringung des Beweises der gültigen UID der Abnehmer durch die Bf. als tatsachenbezogene Wiederaufnahmsgründe: Nachstehenden ig Lieferungen an folgende Firmen ist nach Ansicht der Betriebprüfung die Steuerfreiheit zu versagen, weil in diesen Zeiträumen deren angeführte UID falsch, nicht gültig oder überhaupt keine vorhanden war

  • 2007: Geschäftspartner21 - Keine UID; Geschäftspartner22 - UID ist falsch; Geschäftspartner23 - keine UID

  • 2008: Geschäftspartner24 - UID für Lieferzeitraum nicht gültig; Geschäftspartner25 - UID für Lieferzeitraum nicht gültig

Die Nichterbringung eines Beweises ist kein neuhervorgekommenes Beweismittel. Dass eine verwendete UID-Nummer falsch oder nicht gültig war oder überhaupt keine UID-Nummer vorhanden war, sind zwar Tatsachen, die durch die Außenprüfung neu hervorgekommen sind. Da die UID-Nummer aber kein Tatbestandsmerkmal für die Bestimmung des Leistungsortes der gegenständlichen Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten darstellt, fehlt es den in den angefochtenen Wiederaufnahmsbescheiden hinsichtlich USt 2007 und 2008 herangezogenen Wiederaufnahmsgründen (fehlende bzw. falsche bzw. ungültige UID-Nummer) an der Eignung, einen anderslautenden Bescheid herbeizuführen.

Im Sinne des Vorbringens des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung am sollen auch die vom Betriebsprüfer in der Beilage zur Niederschrift über die Schlussbesprechung dargestellten Betrugsschemas neu hervorgekommene Tatsachen sein. Wie in Abschnitt J/d dargestellt wird, hat die Bf. nicht von den Mehrwertsteuerhinterziehungen gewusst. Die Bf. bzw. die für sie handelnden Personen waren folglich keine Mittäter an den im weiteren Sinne als Betrug zu bezeichnenden Mehrwertsteuerhinterziehungen. Ohne den Betrugsvorsatz auf Seiten der Bf. fehlt es aber an einem feststellbaren, als Betrugsschema zu bezeichnenden Sachverhalt. Von Seiten der Bf. gab es kein Betrugsschema. Es mangelt daher an der Existenz der Tatsache, welche neu hervorgekommen sein soll.

Das im Abschnitt J/e dargestellte "Hätte-Wissen-Müssen" auf Seiten der Bf. im Monat April 2010 ist im zuvor dargestellten Zusammenhang nicht als Vorsatz, sondern als Fahrlässigkeit anzusehen. Im Übrigen fehlen für die Jahre 2007 und 2008 auch konkrete aktenkundige Mehrwertsteuerhinterziehungen. Die Prüfungsfeststellungen für 2007 und 2008 betreffen nur fehlende, falsche oder ungültige UID-Nummern, woraus aber mangels Relevanz für die Besteuerungen keine anderslautenden Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 resultieren könnten.

Die Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 und 2008 vom sind daher stattgebend ersatzlos aufzuheben (Spruchpunkte ad 1 und ad 3).

I) Erwägungen über die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008

Durch die (gemäß § 279 BAO) ersatzlose Aufhebung der Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 und 2008 vom treten die Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2007 und 2008 gemäß § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der sie sich vor ihrer Wiederaufnahme befunden haben. Diese Verfahrenslage vor der Wiederaufnahme ist dadurch gekennzeichnet, dass die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom nicht im Rechtsbestand waren. Vielmehr waren der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom sowie der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom im Rechtsbestand.

Da infolge der Aufhebung der Wiederaufnahmsbescheide die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom nicht mehr im Rechtsbestand sind, geht die Beschwerde vom - soweit sie sich gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom richtet - ins Leere. Insoweit ist die Beschwerde gemäß § 261 Abs. 2 BAO beschlussmäßig als gegenstandslos zu erklären (Spruchpunkte ad 2 und ad 4)

J) Erwägungen über die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010

J/a) Es sind nur Vorgänge in den Veranlagungszeiträumen 1.1. bis und bis relevant.

Hierbei sind folgende Leistungen in Zusammenhang mit der ungeeigneten Argumentation betr. UID-Nummern in der Schlussbesprechungs-Niederschrift sowie mit der aktenmäßig nicht belegten Ansicht, dass es sich um Missing Trader handele, nicht von Belang:

  • Juli 2009 betr. Leistungen an Geschäftspartner27;

  • 31.8. bis betr. Leistungen an Geschäftspartner26;

  • Jänner bis März 2010 betr. Leistungen an Geschäftspartner27;

  • Jänner bis März 2010 betr. Leistungen an Geschäftspartner28.;

  • März 2010 betr. Leistungen an UID GB1 (Geschäftspartner33);

  • März 2010 betr. Leistungen an UID GB2 (britGeschäftspartner/britischerGeschäftspartner);

  • März 2010 betr. Leistungen an UID IT1 (Geschäftspartner39);

  • 31.3. bis betr. Leistungen an Geschäftspartner38.

Aus dem BP-Verfahren verbleiben somit als gegebenenfalls relevante Vorgänge: Die Leistungen der Bf. an Geschäftspartner36 Ltd. (Zypern) vom 4.9. bis sowie die Leistungen der Bf. an die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH (Hamburg) vom 1.4. bis . Letztere war laut deutscher Steuerfahndung ein "Buffer", d.h. Bestandteil eines MwSt-Karussells.

Laut deutscher Steuerfahndung waren die vorgenannte Geschäftspartner36 Ltd sowie die Geschäftspartner2 (Dubai) und die Geschäftspartner31. direkte und indirekte Vorlieferanten deutscher Buffer und Missing Trader. Gegebenenfalls relevante Vorgänge sind daher auch die Lieferungen der Bf. an Geschäftspartner2 vom bis sowie die Lieferungen der Bf. an die Geschäftspartner1 (Schweiz) vom bis .

J/b) Die Unternehmereigenschaft der Geschäftspartner in den jeweils relevanten Zeiträumen (vgl. J/a) ist unstrittig.

Es ist unstrittig, dass diese Gesellschaften die streitgegenständlichen Emissionszertifikate, die sie von der Bf. kauften, sodann weiterverkauften. Schon dadurch waren diese Gesellschaften Unternehmer im Sinne des öUStG bzw. Steuerpflichtige iSd Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

J/c) Das Geschehen innerhalb der Bf. ist aus den vom Finanzamt X vorgelegten Unterlagen der deutschen Steuerfahndung rekonstruierbar. Letztere hat die Daten aus den in Österreich im Wege der Amtshilfe bei der Bf. beschlagnahmten Computern bzw. Datensicherungen ausgewertet.

J/d) Zum "Wissen" von Mehrwertsteuer-Hinterziehungen

Die Geschäftsführung der Bf. hatte Angst vor folgender Situation: Ein inländischer Verkäufer von Emissionszertifikaten stellt der Bf. Umsatzsteuer in Rechnung; die Finanzverwaltung stuft diesen Verkäufer als Mehrwertsteuer-Betrüger ein und versagt der Bf. den Vorsteuerabzug aus der Rechnung dieses Verkäufers.

Deshalb lehnte die Bf. Geschäftsbeziehungen zu österreichischen Handelsgesellschaften ab. Die Bf. nahm Geschäftsbeziehungen zu österreichischen Industrieunternehmen auf, bei welchen die Bf. nicht befürchtete, dass darunter ein Mehrwertsteuerbetrüger sein könnte.

Der Bf. bzw. den für sie handelnden Personen war also das Risiko bewusst, dass ein Geschäftspartner ein Mehrwertsteuerbetrüger sein könnte. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bf. beim Abschluss eines Geschäftes wusste, dass der Geschäftspartner ein Mehrwertsteuerbetrüger war.

Die Bf. wurde ab Februar 2010 von der Börse Y gedrängt, ihre Kunden genauer zu überprüfen und gegebenenfalls Geschäftsbeziehungen abzubrechen. Ob die zugrundeliegenden Sorgen der Y auf MwSt-Betrug oder Geldwäsche fokussiert waren, gab die Y nicht bekannt. Die Y bezeichnete keinen Geschäftspartner der Bf. ausdrücklich als Teilnehmer an einem MwSt-Betrug.

Die Bf. wusste also nicht, dass die von ihr gehandelten Zertifikate zu betrügerischen Zwecken missbraucht wurden.

J/e) Zum "Hätte-Wissen-Müssen" von Mehrwertsteuer-Hinterziehungen:

Ob bzw. ab wann die Bf. von der Einbeziehung eines Teiles ihrer Umsätze in MwSt-Hinterziehungen durch Kunden bzw. Kunden von Kunden "hätte wissen müssen" ist folgendermaßen zu beurteilen:
Lagen der Bf. Indizien für die Einbeziehung ihrer Umsätze in MwSt-Hinterziehungen vor und ab wann?
Wenn ja, traf die Bf. alle Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen wurden?

Der Geschäftsführung der Bf. war bewusst, dass es betrügerische Geschäftspartner geben kann. Sie befürchtete, dass sich ein inländischer Geschäftspartner als Betrüger herausstellen könnte mit dem Ergebnis, dass die Bf. die vom Geschäftspartner in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen hätte können. Die bloße Möglichkeit, dass der Geschäftspartner ein Betrüger ist, war aus dem damaligen Blickwinkel der Bf. aber kein Indiz für MwSt-Hinterziehung.

Die Bf. nahm KYC ("Know Your Customer") - Überprüfungen vor, auch wenn diese eine zu geringe Intensität hatten. Der Geschäftsführung der Bf. war also durchaus bewusst, dass die Bf. sich selbst um die Seriosität ihrer Kunden kümmern musste. Sie konnte sich nicht nur darauf verlassen, dass staatliche Stellen und die Börse verdächtige Geschäftspartner erkennen und der Bf. melden würden.

Die Bf. hat bei Kunden aus dem EU-Raum die Gültigkeit der UID-Nummern kontrolliert; dies geschah jedoch nur ein- bis zweimal pro Jahr, wie aus den Beilagen zur Berufungsergänzung vom hervorgeht.

Auffällig war am Kunden der Bf. namens Geschäftspartner., dass dessen Geschäftsführer HerrE "durcheinander" war und sich nicht gut auskannte. Aus dem damaligen Blickwinkel der Bf. war dies aber kein Indiz für MwSt-Hinterziehung.

Auffällig war am Kunden der Bf. namens Geschäftspartner35, dass zu dessen Gunsten häufig Zahlungen von dritter Seite einlangten. Aus dem damaligen Blickwinkel der Bf. war dies aber kein Indiz für MwSt-Hinterziehung.

Die Bf. wurde ab Februar 2010 von der Börse Y gedrängt, ihre Kunden genauer zu überprüfen und gegebenenfalls Geschäftsbeziehungen abzubrechen. Die Bf. reagierte zögerlich auf diese Forderungen der Y. Sie wollte verhindern, dass ihre Einnahmen infolge der Sperre allzu vieler Geschäftspartner völlig einbrechen. Da die Y die Verantwortung für die Seriosität der Kunden der Bf. in der Sphäre der Bf. ansiedelte, musste die Bf. spätestens im Februar 2010 bemerken, dass es unrealistisch war, dass die Börse mit Hilfe staatlicher Informationen unredliche Geschäftspartner der Bf. identifizieren und der Bf. melden würde. Schließlich bringt die Bf. selbst auf Seite 20 der Berufungsergänzung vom vor, dass man während des Audits der Y bei der Bf. (3.-) Herrn HerrD, den Compliance Officer der Y gefragt habe, ob die Y ein elektronisches Kontrollprogramm habe, das die Rotation der Zertifikate an der Börse erkenne, um eventuelle Unregelmäßigkeiten aufzuzeigen. Wider Erwarten habe die Bf. erfahren, dass kein solches System implementiert worden sei.

Der Bf. verstärkte zwar im März und April 2010 ihre Maßnahmen etwas, um die Seriosität ihrer Geschäftspartner zu überprüfen. So wollte die Bf. sicherstellen, dass das Konto des Geschäftspartners, von welchem Geld überwiesen wurde, auf den Geschäftspartner lautete und direkt bei einer echten Bank eingerichtet war. Jedoch handelte die Bf. schon vor Abschluss der Überprüfung mit dem Geschäftspartner.
Und die Bf. plante, Anfang Mai 2010 einen ihrer Angestellten zu einem Vor-Ort-Besuch zu den Geschäftspartnern Geschäftspartner38 sowie geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH zu entsenden. Jedoch handelte die Bf. mit diesen Geschäftspartnern bereits, bevor der Vor-Ort-Besuch stattfand bzw. stattfinden sollte.

Durch den Entwurf des Berichtes über das Audit, das die Y bei der Bf. durchgeführt hatte, und durch die Telefonkonferenz am musste der Bf. klar geworden sein, dass jegliche Aufweichung der Anforderungen an bestehende und neue Kunden zu vermeiden war. Aus der Auswertung der beschlagnahmten Computerdaten geht hervor, dass tatsächlich im März 2010 innerhalb der Geschäftsführung der Bf. starke Zweifel an der Redlichkeit der Geschäftspartner aufkamen.
So schrieb Geschäftsführer geschäftsführerEins am an Geschäftsführer geschäftsführerZwei: "… langsam habe ich auch kein gutes Gefühl mehr, du hast das nicht so mitbekommen, aber es sind schon viele seltsame Dinge passiert …"
Und am schrieb Geschäfsführer geschäftsführerZwei: "… Ja, mir kommt auch schön langsam vor dass die sich alle untereinander kennen und austauschen…
Würde mich nicht wundern, wenn sich
KurzformVornameGeschäftspartnermitarbeiter1, VornameGeschäftspartnermitarbeiter2, VNmitarbGeschäftspartner2 usw. einmal pro Woche in Palermo bei Don Cardinale zum dinner treffen…"

Mit der Suspendierung von sieben bestehenden Kunden im Zeitraum 11. bis ist die Zeitspanne festgelegt, ab welchem der Bf. so starke Indizien auf den Missbrauch der von ihr verkauften Treibhausgasemissionszertifikate für MwSt-Hinterziehungen vorlagen, dass von der Bf. verlangt werden konnte, mit Kunden nur noch zu handeln, nachdem die Bf. sich in den Geschäftsräumen der Kunden von deren reeller Geschäftstätigkeit in Zusammenhang mit den Treibhausgasemissionszertifikaten überzeugt hatte. Eine Ausnahme davon hätte nur bei Kunden bestanden, deren diesbezügliche reelle Geschäftstätigkeit zweifellos gegeben war, d.h. Industriekunden wie z.B. den Stadtwerken deutscheStadt.

Am um 13:55 Uhr schickte Geschäftsführer geschäftsführerZwei dem Compliance-Beauftragten der Y (HerrD) eine E-Mail, worin er ein informelles Treffen mit Herrn geschäftspartnerElf Anfang April 2010 behauptete. Dabei sei Herrn geschäftspartnerElfs Wissen über den Zertifikatehandel überzeugend und seine Begründung für die Handelsaktivitäten - spekulativer Handel im Interesse von Investoren, die persönlich von Herrn geschäftspartnerElf überprüft worden seien - vernünftig gewesen.
Bereits eine Minute später informierte geschäftsführerZwei seinen Mitarbeiter BfMitarbeiter2 über Yahoo-Messenger: "hab der y ein mail geschickt - und auch ad geschäftspartnerElf etwas geschwindelt damit sie eine ruhe geben".

Vom 1. bis verkaufte die Bf. Treibhausgasemissionszertifikate an die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH, obwohl die Bf. davor keinen Vor-Ort-Besuch der Geschäftsräume der geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH vorgenommen hatte und obwohl der Geschäftsführer geschäftsführerZwei am mittels Yahoo-Messenger über diesen Geschäftspartner schrieb: "aber da wir wissen dass da ev was eigenartig läuft". Das zeitweise über dem von der Bf. gesetzten Limit liegende Handelsvolumen mit der geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH beunruhigte die Bf. zwar, führte aber nicht zu einem Handelsstopp. Die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH war von der Bf. am zum Handel zugelassen worden, obwohl nichts über eine Reputation des Kunden im Emissionshandel ersichtlich war. Dass die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft m.b.H. ein dänisches Registerkonto innehatte, ändert nichts am Status eines Risikokunden aus dem Blickwinkel der Bf., denn die bloße Vermutung von einer angemessenen Kontrolle durch den Administrator des dänischen Zertifikateregisters ersetzt nicht die Kontrolle des Kunden durch die Bf. selbst. Schließlich bringt die Bf. in ihrer Berufungsergänzung vom selbst vor, dass die von der Bf. durchgeführten KYC-Kontrollen jene Kontrollen überstiegen hätten, die der Registerführer bei Beantragung eines Kontos durchführen musste.

Zu dem von der Bf. vorgebrachten Nachweis über die rechtskonforme Abführung von Steuern durch die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH (Bescheinigung in Steuersachen des Finanzamtes W vom , wonach die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH die festgesetzten und fälligen Steuern entrichtet habe, pünktlich zahle, und dass die Umsatzsteuer-Voranmeldungen bis einschließlich Februar 2010 vorlägen; Anlage 46 zur Berufungsergänzung vom ): Eine solche Bescheinigung stellt eine Wissenserklärung des Finanzamtes dar. Das Wesen von Hinterziehungen (hier: der USt = MwSt) ist es, dass sie vor dem Finanzamt verheimlicht werden. Bis zu einer allfälligen Entdeckung der Hinterziehungen weiß das Finanzamt nichts von diesen. Das Vorliegen einer solchen Bescheinigung kann daher Zweifel an der Redlichkeit des Geschäftspartners nicht ausräumen.

Die Verkäufe an die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH vom 1. bis im Ausmaß von 1.252.000 Stück Treibhausgasemissionszertifikaten um 17.115.890,00 € fanden daher statt, während die Indizien für die Verwendung der verkauften Zertifikate für Mehrwertsteuerhinterziehungen so stark waren, dass die Bf. von der Einbeziehung in Mehrwertsteuerhinterziehungen hätte wissen müssen. Vernünftigerweise hätte man von der Bf. verlangen können, dass sie mit der geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH vor der Durchführung eines Vor-Ort-Besuches keinen Handel treibt.

Durch die Ermittlungen in Deutschland stellte sich heraus, dass die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH als sogenannten "Buffer" ein Teilnehmer an MwSt-Karussell-Betrügereien war.

Hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2009, d.h. für den Veranlagungszeitraum 1.1. bis , kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsführung der Bf. schon hätte wissen müssen, dass mit von ihr verkauften Emissionszertifikaten USt-Hinterziehungen begangen würden. Der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2009 wird daher stattgegeben. Zusätzlich wird dieser Bescheid zur Klarstellung dahingehend abgeändert, dass er die Umsatzsteuer für den Zeitraum 1.1. bis festsetzt.

Hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2010, d.h. für den Veranlagungszeitraum - , welcher den Zeitraum der an die geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH erbrachten Leistungen umfasst, ist derzeit noch keine Entscheidung möglich. Wie in Abschnitt G/g dargestellt, könnte es der Sinn des Mehrwertsteuersystem gebieten, analog zu Schoenimport "Italmoda", C-131/13, den Leistungsort vom ausländischen Ort der leistungsempfangenden geschäftspartnerElf Handelsgesellschaft mbH (laut geschriebenem Recht) zum inländischen Ort der leistungserbringenden Bf. zu verlagern. Ob dies rechtlich zutrifft, ist unsicher, weshalb ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nötig ist (vgl. gesonderte Beschlussausfertigung).

J/f) Zur vorgebrachten formellen Mangelhaftigkeit der Umsatzsteuerbescheide:

Die Bescheide sind nach der BAO und nicht nach dem AVG als Verfahrensordnung ergangen. Während § 59 Abs. 1 AVG als Spruchbestandteil eines Bescheides die "Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen" fordert, enthält die BAO keine derartige Anforderung. Das allfällige Unterlassen der Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen kann daher keinen Mangel der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide darstellen.

Der Bf. ist zuzugestehen, dass die Begründung des Umsatzsteuerbescheides 2009 unpassend ist, weil sie eine Begründung für die (diesbezüglich nicht erfolgte) Wiederaufnahme des Verfahrens ist. Sie enthält aber einen Verweis auf Niederschrift und Prüfungsbericht. Auch seitens der Bf. wurde die Niederschrift über die Schlussbesprechung als Fundort der Begründung erkannt, wie aus Seite 7 f. der Rechtsmittelschrift vom hervorgeht. Zu der dort überdies geäußerten Kritik der Bf., wonach die Nachforderung laut Umsatzsteuerbescheid 2009 iHv 11.797.584,12 € von der Prüfungsfeststellung iHv 11.809.466,67 € abweiche und dieser kaum zuzuordnen sei, ist anzumerken:

Die Berechnung der Abgabennachforderung nach dem Spruch des Bescheides basierte auf der Gegenüberstellung von einerseits Zahllast (=festgesetzte Umsatzsteuer) iHv 11.722.201,36 € und andererseits der bisher vorgeschriebenen Umsatzsteuer, d.h. hier den bisher für Jänner bis September 2009 verbuchten Vorsteuerüberschüssen im Ausmaß von -75.382,76 € (Negativbeträge auf dem Steuerkonto sind zugunsten des Steuerpflichtigen). Dieser verbuchte Betrag enthält nicht die UVA 4/2009, welche aus unerfindlichen Gründen nicht verbucht worden ist. Wäre die UVA 4/2009 mit ihren -12.117,48 € (Vorsteuerüberschuss) verbucht worden, so wäre für Jänner bis September 2009 insgesamt -87.500,24 € verbucht gewesen. Die Berechnung der Nachforderung hätte dann 11.722.201,36 -(-87.500,24) = 11.809.701,60 ergeben.

K) Erwägungen hinsichtlich KESt 2011 und KöSt 2012-2013

K/a) Der ertragsteuerliche Streitpunkt hatte keine Auswirkung auf das Wirtschaftsjahr 2010/2011, welches am endete, während die streitgegenständliche Darlehensgewährung erst danach am . Somit hatte der ertragsteuerliche Streitpunkt auch keine Auswirkung auf den Körperschaftsteuerbescheid 2011.

K/b) Auswirkungen auf die noch strittigen KSt-Veranlagungsjahre 2012 und 2013:

Gemäß § 7 Abs. 5 KStG ist bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr der Gewinn (bzw. Verlust) des Wirtschaftsjahres bei der Ermittlung des Einkommens für jenes Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Somit ist

  • der Gewinn des vom bis dauernden Wirtschaftsjahres bei der Einkommensermittlung und Körperschaftsteuerermittlung für das Jahr 2012 im Körperschaftsteuerbescheid 2012 zu berücksichtigen,

  • der Gewinn des vom bis dauernden Wirtschaftsjahres bei der Einkommensermittlung und Körperschaftsteuerermittlung für das Jahr 2013 im Körperschaftsteuerbescheid 2013 zu berücksichtigen.

Die Gewährung des streitgegenständlichen Darlehens an die P GmbH erfolgte am . Die steuerliche Nichtanerkennung des der P GmbH gewährten Darlehens in der Außenprüfung hatte steuerliche Folgewirkungen, indem durch die Ausbuchung des Darlehens inklusive der diesbezüglich aktivierten Zinsen im Ergebnis die Zinserträge aus dem Darlehen für die Wirtschaftsjahre 2011/12 und 2012/13 storniert wurden. Daraus resultierten jeweils niedrigere Einkünfte in den Körperschaftsteuerbescheiden 2012 und 2013, weshalb die für 2012 bzw. 2013 festgesetzte Körperschaftsteuer niedriger wurde. Die Ausbuchung des Darlehensbetrages ohne Zinsen war erfolgsneutral. Die (handelsrechtliche) Passivierung der KESt im Wirtschaftsjahr 2011/12 ist durch die Außenprüfung steuerlich sofort wieder neutralisiert worden, sodass sie keine Auswirkung auf den Körperschaftsteuerbescheid 2012 hatte.

K/c) Zum streitgegenständlichen Darlehen:

Mit Schreiben vom bot die P GmbH der Bf. den Abschluss eines Darlehensvertrages zu folgenden Bedingungen an:

  • § 1: Darlehenshöhe 400.000,00 €, endfällig.

  • § 2: "Die Laufzeit des Darlehens beginnt mit dem Tag der Überweisung des Darlehensbetrags auf das Konto der Darlehensnehmerin (voraussichtlich der ) und endet nach Ablauf von zehn Jahren am . Das Darlehen wird einschließlich Zinsen (vgl § 3) am zurückbezahlt (im Folgenden "Fälligkeitstag").
    Die Darlehensnehmerin ist berechtigt, das Darlehen samt bis dahin angefallener Zinsen ganz oder zum Teil vor dem Fälligkeitstag zu tilgen. Die Darlehensnehmerin wird die Darlehensgeberin über die vorzeitige Tilgung im Voraus informieren."

  • § 3: "Der Zinssatz des Darlehns errechnet sich aus einem Aufschlag von 3% Punkten auf den jeweiligen EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) für dreimonatige Zwischenbankgelder gemäß Verlautbarung der Österreichischen Nationalbank.
    Der von der Österreichischen Nationalbank für die Monate Februar, Mai, August und November verlautbarte EURIBOR für dreimonatige Zwischenbankgelder ist maßgebend für den Zinssatz des nächstfolgenden Kalenderquartals (zB Februar 2012 für April, Mai, Juni 2012). …
    Die während der Laufzeit des Darlehens angefallenen Zinsen sind am Fälligkeitstag zu begleichen."

  • § 4: "Allfällige Steuern, Abgaben und Gebühren aller Art, die mit der Annahme, Ausführung oder Durchführung dieses Anbots verbunden sind, einschließlich aber nicht beschränkt auf Gebühren gemäß dem Gebührengesetz, trägt die Darlehensnehmerin."

  • § 5: Zahlungen haben spesenfrei ohne Abzüge zu erfolgen.

  • § 6: "Die Darlehensgeberin ist nicht berechtigt, Rechte und/oder Ansprüche aus diesem Anbot oder das Anbot selbst an Dritte zu übertragen."

  • § 7: "Änderungen oder Ergänzungen der Bedingungen dieses Anbots oder einzelner Teile bedürfen der Schriftform und der Unterzeichnung durch die Parteien."

  • § 8: Salvatorische Klausel

  • § 9: Rechtswahl (österreichisch) /Gerichtsstand (Wien)

  • Annahme des Anbots: "Dieses Anbot zum Abschluss eines Darlehensvertrags kann von der Darlehensgeberin ausschließlich durch Überweisung des Darlehensbetrags auf das Konto der Darlehensnehmerin … angenommen werden."

Die für die steuerliche Beurteilung relevanten Umstände der Gewährung des Darlehens von der Bf. an die P GmbH am sind zum Teil in dem schriftlichen Anbot vom enthalten. Auch die Rangrücktrittserklärung vom ist schriftlich vorhanden: "Geschäftsführer1 verpflichtet sich, seine ihm gegen die P GmbH (FN …) zustehende Gesellschafterforderungen iHv EUR 630.000,- erst nach Befriedigung der Darlehensforderung der [Bf.] gegen die P GmbH sowie nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewährungsansprüchen geltend zu machen."

Zu einer weiteren Verpflichtung ist keine ursprünglich schriftliche Vereinbarung vorhanden, sondern folgendes Vorbringen in der Beschwerde zu einer (fern)mündlichen Sitzung der Gesellschafter: "die Annahme des Anbots wurde am durch die Gesellschafter der [Bf.] unter folgenden Auflagen beschlossen: …
(ii)
Geschäftsführer1 verpflichtet sich in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Darlehensnehmerin, diese auch in weiterer Folge mit Eigenkapital in dem Ausmaß auszustatten, dass die Gesellschaft jeweils zum Bilanzstichtag ein positives Eigenkapital ausweist oder Forderungen in entsprechender Höhe dem Darlehen nachrangig zu stellen."

Diese (zweite) Verpflichtung ist nicht ganz deutlich, weil die "entsprechende Höhe" der nachrangig zu stellenden Forderungen nicht klar ist. Es ist aber zuzugestehen, dass die aus dem Firmenbuch abrufbaren Jahresabschlüsse der P GmbH, FN FNpGmbH, zum und der P GmbH & Co KG, FN FNpGmbHCoKG für die Jahre 2014 bis 2018 jeweils ein positives Eigenkapital ausweisen. Zum war die Kapitalrücklage mit 1.102.000 € dotiert, das ist die Summe der Zuschüsse in 2011 (630.000,00 €), in 2012 (327.000,00 €) und in 2013 (145.000,00 €). Zum und war zwar noch keine Kapitalrücklage dotiert und somit die Gesellschafterzuschüsse noch als Verbindlichkeiten ausgewiesen und infolgedessen das Eigenkapital negativ; die Zahlung der Gesellschafterzuschüsse in 2012 und 2013 zeigt aber, dass die zweite Verpflichtung ihrem Sinn gemäß erfüllt wurde. Darauf deutet auch die weitere Rangrücktrittserklärung des Geschäftsführer1 vom hin.

Die Bonität des Geschäftsführer1 war durch seine 50%ige Beteiligung an der Bf. und angesichts des aus der Bf. an ihn ausgeschütteten Gewinnanteiles als hoch einzustufen. Eine Gewinnausschüttung an ihn iHv 2.300.000,00 € im Wirtschaftsjahr bis ist aus dem Absinken des Bilanzgewinnes von 4.698.485,12 € per um 4.600.000,00 € auf einen Gewinnvortrag per iHv 98.485,12 € (bei steuerlichen Einkünften iHv -384,93 €) zu schließen. Laut Kapitalertragsteuer-Anmeldung vom (Vlg.akt Bl. 7/2009) erfolgte am eine Gewinnauschüttung iHv 4.600.000,00 € an die Gesellschafter.

Aus all dem ergibt sich, dass die Absichtserklärungen des Geschäftsführer1 im Oktober 2011 vertrauenswürdig und realistisch waren. Damit war eine ausreichende Bonität der P GmbH im Zeitpunkt der Darlehensgewährung am für die Gewährung des samt Zinsen endfälligen Darlehens mit zehn Jahren Laufzeit gegeben. Die Vermögens- und Liquidätslage der P GmbH zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens wäre hingegen angesichts ihrer Verluste - auch wenn es sich um Anlaufverluste handelte - keine ausreichende Bonität für zehn Jahre Laufzeit gewesen.

Sicherheiten im Sinn von Pfandrechten und Bürgschaften hat es für das Darlehen nicht gegeben.

Die Ermittlung des Zinssatzes ist klar geregelt. Die Fälligkeit der Zinsen ist klar geregelt, wobei die Darlehensnehmerin die Zinsen freiwillig vor Fälligkeit zahlen kann.

Die Beurteilung der Fremdüblichkeit der Höhe des Zinssatzes hat einerseits gegenüber den Verhältnissen auf dem Kapitalmarkt und andererseits in Relation zum Ausfallrisiko zu erfolgen.

Der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) ist ein Referenzzinssatz für Termingelder im Geschäft zwischen Banken. Der gegenständlich als Grundlage vereinbarte 3-Monats-EURIBOR ist eine Art Durchschnittszinssatz, zu welchem Banken untereinander Einlagen mit drei Monaten Laufzeit verzinsen.

Der Jahresabschluss der Bf. zum weist unter der Position "Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Kreditinstituten" 1.612.212,59 € aus. Der Jahresabschluss der Bf. zum weist unter dieser Position 5.631.211,73 € aus. Die Bf. musste sich somit nicht refinanzieren, um das streitgegenständliche Darlehen gewähren zu können.

Durch den Aufschlag von 3 Prozentpunkten auf den 3-Monats-EURIBOR konnte die Bf. für das Darlehen um 3 bis 4 Prozentpunkte höhere Zinsen als für alternative Anlageformen (Bankeinlagen, Bundesanleihen) erhalten. Gegenüber diesen alternativen Anlageformen ist das streitgegenständliche Darlehen mit einem höheren, wenngleich moderaten Ausfallsrisiko behaftet. Der dafür erforderliche Risikoaufschlag ist durch den höheren Zinssatz gedeckt. Die Höhe des Zinssatzes erweist sich somit als fremdüblich und angemessen.

Die Höhe des Darlehens und der Rückzahlungstermin sind klar geregelt.

Die zehnjährige Laufzeit des Darlehens ohne Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung durch die Bf., welche keine Bank ist, erscheint als eher unüblich. Ebenso erscheint die Endfälligkeit der Zinsen als eher unüblich.

Der Ausschluss der Forderungsabtretung ist zwar zwischen Nahestehenden üblich, nicht aber zwischen Fremden.

K/d) Rechtslage:

Infolge des Trennungsprinzips zwischen Körperschaft (GmbH) und Anteilsinhabern (bzw diesen Nahestehenden) sind Darlehensgewährungen mit steuerlicher Wirkung grundsätzlich möglich (Raab/Renner in Quantschnigg et al., Die Körperschaftsteuer, Anhang zu § 8, 24. Lfg., Rz 66). Eine Ausnahme von der steuerlichen Anerkennung besteht, wenn die Darlehensgewährung eine verdeckte Ausschüttung (vA) ist.

"Verdeckte (Gewinn)Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form außer der Dividende oder sonstigen offenen Gewinnverteilung, gleichviel unter welcher Bezeichnung gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde." ( mit Verweis auf )

§ 8 Abs. 2 KStG bestimmt: "Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen
- im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder
- entnommen oder
- in anderer Weise verwendet wird."

Verdeckte Ausschüttungen (und die auf ihnen basierenden Geschäftsfälle) dürfen das Einkommen der Körperschaft weder erhöhen (z.B. durch Zinsertrag) noch vermindern.

Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gehören gemäß § 27 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen des GmbH-Gesellschafters. Verdeckte Ausschüttungen gehören zu den vorgenannten sonstigen Bezügen (Jakom/Marschner EStG, 2011, § 27 Rz 36). Bei inländischen (ggfs. verdeckten) Ausschüttungen wird die Einkommensteuer des Gesellschafters durch Abzug vom Kapitalertrag (Steuerabzug, Kapitalertragsteuer) erhoben. Die Kapitalertragsteuer (KESt) für Ausschüttungen im Jahr 2011 beträgt 25%. Die ausschüttende Gesellschaft hat die KESt von der Ausschüttung abzuziehen, einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Da die ausschüttende Gesellschaft für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt haftet sowie weil bei einer verdeckten Ausschüttung in der Regel kein Steuerabzug und keine Abfuhr an das Finanzamt erfolgt ist, wird die ausschüttende Gesellschaft beim Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung mittels Haftungsbescheides zur KESt herangezogen.

Die darlehensnehmende Gesellschaft steht ihrem Alleingesellschafter nahe. Wenn dieser Gesellschafter zugleich Gesellschafter der darlehensgewährenden Gesellschaft ist, steht er auch letzterer nahe. Im Ergebnis steht die darlehensnehmende Gesellschaft der darlehensgebenden Gesellschaft nahe. Die steuerliche Anerkennung der Darlehensgewährung erfordert bei dieser Konstellation die Erfüllung der Kriterien für die steuerliche Anerkennung von Geschäften zwischen nahestehenden Personen. Im Falle der Nichtanerkennung ist der tatsächlich eingetretene Geldfluss an die darlehensnehmende Gesellschaft, welcher einen Vorteil für deren Alleingesellschafter darstellt, als verdeckte Ausschüttung von der darlehensgewährenden Gesellschaft an den solcherart begünstigten Gesellschafter anzusehen. Allfällige Zinserträge aus diesem Darlehen werden steuerlich ebenfalls nicht anerkannt und sind daher gegebenenfalls zu stornieren (neutralisieren).

Von den drei Kriterien für die Anerkennung von Geschäften zwischen einander nahestehenden Personen (Klarheit, Publizität, Fremdüblichkeit) ist hier insb. die Fremdüblichkeit von Interesse, denn die anderen beiden Kriterien sind hier einerseits weitgehend erfüllt und werden andererseits in der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur steuerlichen Anerkennung von Darlehen (vgl. , Ra 2019/13/0075) kaum beachtet. Das Kriterium der Klarheit ist hier weitgehend durch die Regelungen mittels des angenommenen schriftlichen Anbots sowie die Publizität durch die Überweisung des Geldbetrages und die Verbuchung erfüllt. Das Kriterium der Fremdüblichkeit ist im Sinne von Literatur und Rechtsprechung angepasst auf die Situation bei einer Darlehensgewährung zu beurteilen. Einem fremden (außenstehenden) Dritten wird ein Darlehen nur dann gewährt, wenn die Rückzahlung und die Bezahlung der Zinsen ausreichend wahrscheinlich erscheint sowie wenn die vereinbarten Konditionen, insb. Zinsenhöhe und Fälligkeit(en) angemessen sind.

Bei der Beurteilung der steuerlichen Anerkennung eines Darlehens ist vom Gesamtbild der Verhältnisse auszugehen. Abgesehen von zwingenden Gründen für die steuerliche Nichtanerkennung des Darlehens (von vornherein nicht gewollte oder unmögliche Rückzahlung) ist ein einzelner, für die Nichtanerkennung sprechender Umstand noch nicht ausreichend. Je mehr solche Umstände zutreffen, desto eher ist das Darlehen nicht anzuerkennen und von einer verdeckten Ausschüttung auszugehen. Die für bzw. gegen die steuerliche Anerkennung der Darlehensgewährung sprechenden Umstände müssen bereits im Zeitpunkt der Darlehensgewährung gegeben sein. Rückwirkende Vereinbarungen sind unbeachtlich. (Vgl. Raab/Renner in Quantschnigg et al., Die Körperschaftsteuer, Anhang zu § 8, 24. Lfg., Rz 67). Etwaige tatsächlich nach der Darlehensgewährung eingetretenen Umstände können aber ein Indiz dafür sein, dass diesbezügliche Absichtserklärungen von Anfang an ernst gemeint waren.

Die aktuelle Rechtslage wird im jüngst ergangenen Erkenntnis des (mit den Gesellschaftern als unmittelbaren Schuldnern) verdeutlicht:

"[11] Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es in Fällen der vorliegenden Art, wenn - wie hier angenommen - zu vermuten ist, dass auf Grund des zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft bestehenden Naheverhältnisses Zahlungen erfolgten, die an einen Außenstehenden nicht unter den gleichen Bedingungen geleistet worden wären, der Prüfung, worin der dem Gesellschafter dadurch allenfalls zugewendete Vorteil besteht. Ein wesentliches Element dieser Prüfung ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge von vornherein nicht gewollt oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war (…)

[12] In diesen Fällen wäre im Vermögen der Gesellschaft entweder gar keine (wenn die buchmäßige Erfassung der vollen Forderung nur zum Schein erfolgt ist) oder zumindest keine durchsetzbare Forderung an die Stelle der ausgezahlten Beträge getreten (…). Diesfalls lägen verdeckte Ausschüttungen in Höhe der verbuchten Beträge und nicht nur in Höhe eines allfälligen Vorteils aufgrund nicht getroffener Vereinbarungen über eine fremdübliche Verzinsung vor (…)

[13] Es ist daher zu prüfen, ob aus den Umständen zu schließen ist, dass die Erfassung auf dem Verrechnungskonto nach Ansicht der Gesellschaft einer tatsächlich aufrechten und durchsetzbaren Verbindlichkeit des Gesellschafters entspricht (…). Dies hängt vom Gesamtbild der jeweils im Einzelfall gegebenen Verhältnisse ab (…), wobei der Ernstlichkeit der Rückzahlungsabsicht hinsichtlich der von der Gesellschaft empfangenen Beträge sowie der Bonität des Gesellschafters besondere Bedeutung zukommt (…)

[14] Das Bundesfinanzgericht begründet die Einstufung der Zahlungen als verdeckte Ausschüttungen damit, dass nach dem Gesamtbild der Umstände eine ernst gemeinte Rückzahlungsverpflichtung (bzw. eine ernsthafte Rückzahlungsabsicht) der Gesellschafter nicht angenommen werden könne; aufgrund der nicht fremdüblichen Gestaltung der Mittelzuwendungen sei eine verdeckte Ausschüttung gegeben.

[15] Wenn das Bundesfinanzgericht die Umstände der Darlehenshingabe und dabei insbesondere fehlende Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinssatz, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten als nicht fremdüblich rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund dieser Umstände nicht von vornherein auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht der Gesellschafter geschlossen werden kann …

[16] Ebenso wenig rechtfertigt das Fehlen von Sicherheiten für sich allein diesen Schluss oder den Schluss, die verbuchten Forderungen gegen die Gesellschafter seien ohne Wert (…). Das Fehlen von Sicherheiten kann zwar die Annahme rechtfertigen, dass eine Rückzahlung der Forderung wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war, dies allerdings nur bei einer unzureichenden Bonität der Gesellschafter. Für eine solche Feststellung hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der Bonität der beiden Gesellschafter bedurft, die allerdings im angefochtenen Erkenntnis unterblieben ist (…)"

K/e) Diese Rechtslage bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet:

Einige wesentlichen Umstände (ernsthafte Rückzahlungsabsicht, Bonität der Darlehensnehmerin, Höhe der Zinsen, Klarheit der Regelungen über Zinshöhe und Rückzahlung) sind im vorliegenden Fall fremdüblich.

Es gibt aber auch einen wesentlichen Umstand (zehnjährige Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit für die Darlehensgeberin) sowie einige unwesentliche Umstände (Endfälligkeit der Zinsen, Ausschluss der Forderungsabtretung), die nicht fremdüblich sind.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei im Sinne von die ernsthafte Rückzahlungsabsicht sowie die Einbringlichkeit der Darlehensforderung besonders relevant sind, ist die gegenständliche Darlehensgewährung steuerlich anzuerkennen. Es gab daher die strittige verdeckte Ausschüttung nicht und es ist diesbezüglich keine Haftung für KESt geltend zu machen.

Die belangte Behörde hat als Begründung der abweisenden Beschwerdevorentscheidung auf die Stellungnahme des Betriebsprüfers vom verwiesen und sich damit dessen Argumente zu eigen gemacht. Diesen Argumenten ist entgegenzuhalten:

In jener Stellungnahme wird auf das Erkenntnis des , verwiesen. Darin führe der VwGH aus, dass ein Verzicht der Gesellschaft als Darlehensgeberin auf eine Kündigungs- bzw. Eintreibungsmöglichkeit eine Begünstigung des Gesellschafters darstelle und zu einer verdeckten Ausschüttung führen könne.
Dieses Erkenntnis des VwGH betrifft aber nicht den Fall, dass schon ursprünglich kein Kündigungsrecht der Darlehensgeberin vereinbart war, sondern den Fall, dass die Darlehensgeberin trotz Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation auf die ihr vertraglich oder rechtlich zustehenden Möglichkeit der Kündigung des Darlehens und der Eintreibung des Darlehensbetrages verzichtet.

Weiters wird in jener Stellungnahme vorgebracht, dass der VwGH auch im Erkenntnis vom , 2006/13/0069, das Fehlen von Kündigungsbestimmungen als nicht fremdüblich angesehen habe.
Dieses Erkenntnis des VwGH betrifft einen Fall, in welchem der dem Gesellschafter mit einer Rahmenvereinbarung eingeräumte Kredit ohne zeitliche Befristung gewährt wurde, wobei Kündigungsbestimmungen und eine Zinsvereinbarung fehlten. Der VwGH bestätigte die Beweiswürdigung des UFS, wonach dies dem Fremdvergleich nicht standhalte.

Es ist der belangten Behörde zuzugestehen, dass laut dem vorgebrachten Erkenntnis des bei völlig fehlenden Kreditsicherheiten kein fremder Darlehensgeber zu Geldhingaben in der dort gegenständlichen Höhe (12 Mio. öS) bereit sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die jüngste Rechtsprechung des VwGH diesbezüglich wesentlich weniger streng geworden ist und dass - seit jeher - das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend ist.

In den weiters vorgebrachten Erkenntnissen , , , waren die fehlenden Kreditsicherheiten nicht die einzigen Umstände, welche zur Annahme einer verdeckten Ausschüttung führten. (Anm.: , ist im RIS nicht auffindbar.)

K/f) Zu den vorgebrachten Verfahrensmängeln und Begründungsmängeln:

Allfällige derartige Mängel bewirken im Abgabenverfahren keine Nichtigkeit (im Sinne des Abgabenverfahrensrechtes) der Bescheide. Anders als im gerichtlichen Strafverfahren vor dem OGH würde Nichtigkeit eines Bescheides im Abgabenverfahren bedeuten, dass der Bescheid rechtsunwirksam, d.h. rechtlich nicht existent, also absolut nichtig wäre.

Mängel in dem von der Abgabenbehörde durchgeführten Verfahren sind in der Regel (außer bei Formalentscheidungen) im Beschwerdeverfahren durch das Bundesfinanzgericht zu sanieren. Mängel in der Begründung der angefochtenen Bescheide sind in der Begründung der Entscheidung in der Sache über diese Bescheide durch das Bundesfinanzgericht zu sanieren. Ein isoliertes Eingehen auf erstinstanzliche Verfahrensmängel und Begründungsmängel ist daher nicht erforderlich.

K/g) Berechnungen infolge der Stattgabe im ertragsteuerlichen Streitpunkt:

Hinsichtlich Haftung betreffend KESt für den Zeitraum 2011 ist keine Berechnung nötig, weil im Rahmen der Stattgabe der angefochtene Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben ist.

Neuberechnungen hinsichtlich Körperschaftsteuer 2012 und 2013:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2012
2013
Einkünfte laut angefochtenem Bescheid
5.721.651,75 €
4.404.804,72 €
Stornierung der Auswirkung des Streitpunktes
+15.360,31 €
+10.564,77 €
Einkünfte laut BFG
5.737.012,06 €
4.415.369,49 €
75%-Grenze für den Verlustvortrag
4.302.759,05 €
3.311.527,12 €


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2012
2013
Verlustvortrag vor der jeweiligen Veranlagung
5.020.798,85 €
718.039,80 €
abzüglich Verbrauch des Verlustvortrages
-4.302.759,05 €
-718.039,80 €
verbleibender Verlustvortrag
718.039,80 €
0,00 €

L) Erwägungen hinsichtlich Anspruchszinsen 2012 und 2013:

§ 256 Abs. 1 und 3 BAO bestimmen:

"§ 256. (1) Beschwerden können bis zur Bekanntgabe (§ 97) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.

(3) Wurde eine Beschwerde zurückgenommen (Abs. 1), so ist sie mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären."

Die Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2012 und 2013 wurden am mündlich zurückgenommen, was in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung protokolliert wurde.

Folglich wird die Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2012 und 2013 beschlussmäßig als gegenstandslos erklärt (Spruchpunkte ad 10 und ad 11).

M) Zur (Un)Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis (und gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG auch gegen einen Beschluss) des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die hier zu lösenden Rechtsfragen konnten entweder im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder anhand einer klaren Rechtslage gelöst werden. Auch letzterenfalls liegt laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
Die zu lösenden Tatfragen (Sachverhaltsfragen) sind keine Rechtsfragen und somit nicht revisibel.
Eine (ordentliche) Revision gegen die in dieser Ausfertigung enthaltenen Entscheidungen ist somit nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102167.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at