Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.08.2021, RV/2100389/2021

Vorsteuererstattung trotz fehlender UID-Nummer auf einzelnen Rechnungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Ungarn, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2019 (Vorsteuererstattung 1-12/2019) Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. Nr. II 222/2009 (158/2014) für den Zeitraum 1-12/2019 erfolgt mit 5.510,18 Euro.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF), ein Unternehmen aus Ungarn, beantragte die Erstattung von Vorsteuern für das Jahr 2019 idHv € 5.510,18. Dieser Antrag wurde abgewiesen, da trotz Aufforderung keine sachverhaltsaufklärenden Unterlagen vorgelegt worden seien.
In der dagegen erhobenen Beschwerde gab die BF an, den Vorhalt nicht erhalten zu haben und legte die Originalrechnungen im Anhang mit der Bitte um Erstattung vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde ab, wiederum mit dem Hinweis, dass das Ergänzungsersuchen vom (Frist ) bis dato nicht beantwortet worden sei.
Im als Vorlageantrag zu wertenden Schreiben vom wurde wiederum darauf hingewiesen, das Ergänzungsersuchen nicht erhalten zu haben, vermutlich wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Adressänderung.
Im Anhang wurden die Belege vorgelegt und mit der offene Vorhalt beantwortet: Zweck und Ziel der Wohnungsmietung in Österreich sei die Unterkunft für die nach Österreich entsendeten Mitarbeiter. Der Wohnsitz der Mitarbeiter sei oft mehrere hundert Kilometer von den einzelnen Projekten entfernt.
Kopien der Verträge zu den Aufträgen (Werkverträge als Subunternehmer bei diversen Bauvorhaben in Österreich) wurden übermittelt.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes an das BFG führte das Finanzamt aus, dass die Rechnungen der Firmen ***1*** ***2*** und der ***1*** ***3*** nicht erstattungsfähig seien, da die nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 erforderlichen Angaben fehlen würden bzw. unvollständig seien. Auf den Rechnungen würde die UID-Nummer des Rechnungsausstellers fehlen.
Um teilweise Abweisung werde gebeten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die BF betreibt ein Installationsunternehmen in Ungarn und hat als solches zahlreiche Baustellen in Österreich als Subunternehmer auf Werkvertragsbasis übernommen, wo seine Mitarbeiter immer wieder für längere Zeiträume tätig werden und diesen die Unterkünfte bezahlt werden.
Die Umsatzsteuerschuld geht aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zur Rechnungslegung gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 auf die Leistungsempfänger über.
Aus diesen betrieblich veranlassten Beherbergungen stammen die beantragten Vorsteuern, die dem Grunde nach auch vom Finanzamt (nach Sachverhaltsaufklärung durch die BF) nicht mehr bestritten werden.
Einzelne Rechnungen weisen jedoch keine UID-Nummer auf, daher sieht das Finanzamt den Vorsteuerabzug hier als nicht zulässig an.
Dass diese Leistungen in der fakturierten Art nicht für den betrieblichen Bereich der BF und von Unternehmern erbracht worden wären, wird aber vom Finanzamt nicht behauptet.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den vorgelegten Werkverträgen und Rechnungen, sowie den glaubwürdigen Ausführungen der BF im Rechtsmittelverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ausgeführt hat. ...

§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer)
Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist

§ 12 (1) UStG 1994: Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1.a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
(…)

Nach § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 müssen Rechnungen - soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist - die folgenden Angaben enthalten:
a) den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;
[…]
i) soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die strittigen Rechnungen weisen zwar keine UID-Nummer der Leistenden auf, allerdings führt das Finanzamt nicht aus, dass an deren Unternehmereigenschaft Zweifel bestünden oder die fakturierten (Beherbergungs)Leistungen nicht für das Unternehmen der BF erbracht worden wären.

Es ist davon auszugehen, dass es sich um Rechnungen über eine Leistung von einem Unternehmer an die BF für deren Unternehmensbereich handelt.

Nach Ansicht des EuGH ist Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er die nationalen Steuerbehörden daran hindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht die Voraussetzungen von Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie erfüllt, obwohl diese Behörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen (, Barlis 06).

In diesem Sinne auch , Y-GmbH, wonach ein Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer, der keine fortlaufende Rechnungsnummer, sondern eine andere Nummer enthält, anhand deren die Rechnung und so der betreffende Gegenstand oder die betreffende Dienstleistung identifiziert werden können, die Steuerverwaltung des Erstattungsmitgliedstaats diesen Antrag als im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG in der durch die Richtlinie 2010/66/EG geänderten Fassung "vorgelegt" betrachten und ihn prüfen muss.

Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Fehlen einzelner Rechnungsmerkmale ein Vorsteuerabzug zustehen kann, hat der EuGH zur Rechtslage vor Ergehen der Rechnungs-RL festgehalten, dass die Anforderungen nicht so weit gehen dürfen, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird ( "Jeunehomme", Slg 4517; vgl. a. "Gabalfrisa", Slg I-1577 sowie , Rs. C-90/02 "Bockemühl", Slg I-3303: die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen, dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist; sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie systematisch das Recht auf Vorsteuerabzug in Frage stellen).

Im Urteil , Rs C-25/03 "HE", Slg I-3123 kommt der EuGH vor diesem Hintergrund zu dem jedenfalls im Spannungsverhältnis zur bis dahin ergangenen Rechtsprechung stehenden Ergebnis, dass es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar wäre, den Vorsteuerabzug nur deshalb zu verweigern, weil die Rechnung nicht die vom anwendbaren nationalen Recht vorgeschriebenen Angaben enthält.

Im Urteil "Dankowski" () betont der Gerichtshof zur Rechtslage nach Ergehen der Rechnungs-RL, dass Rechnungen insbesondere diejenigen Angaben enthalten müssen, "die notwendig sind, um die Person, die die Rechnungen ausgestellt hat, und die erbrachte Dienstleistung zu identifizieren"; die Angabe der in Art. 22 Abs. 3 lit. b 6. MWSt-RL vorgesehenen UID sei hiezu nicht erforderlich, wenn die Identifizierung durch die dem (nicht für MWSt-Zwecke registrierten) Steuerpflichtigen von Amts wegen für andere Zwecke zugeteilte Steueridentifizierungsnummer sichergestellt ist (EuGH aaO Rn 29 f).

Der EUGH hat in seiner Rechtsprechung dargelegt, dass Verstöße gegen formelle Bestimmungen, wie sie die Regelungen des § 11 UStG und Art 226 MwStSystRL beinhalten, bei gleichzeitigem gesicherten Vorliegen der materiellen Voraussetzungen nicht zum Verlust des Vorsteuerabzuges führen müssen (EUGH v. , C-516/4 Barlis 06).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Ansicht angeschlossen (VwGH Ra 2020/13/0068 vom ; Ro 2019/13/0030 vom ; Ro 2017/13/0011 vom ; Ra 2016/15/0068 vom ).

Diese Rechtsprechung ist auf die in der MWSt-RL vorgesehenen Voraussetzungen übertragbar. Hieraus folgt, dass ein Vorsteuerabzug, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen, uU auch bei Vorliegen einer formell nicht ordnungsgemäßen Rechnung zustehen kann (Ruppe/Achatz, UStG5 , § 12 Tz 42/1).

Es besteht daher kein Grund, den Vorsteuerabzug ausschließlich deshalb zu verweigern, weil der Rechnungsaussteller in der Rechnung keine UID-Nummer angegeben hat.
Dies gilt im Besonderen dann, wenn die Behörde dem leistenden Unternehmer (noch) keine UID-Nummer erteilt hat oder hätte (vgl. und ).

Die Erstattung aus den strittigen Rechnungen wird daher gewährt und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Angemerkt wird aber, dass die BF in Zukunft bei den Rechnungsausstellern bereits ordnungsgemäße Rechnungen mit Angabe von deren UID-Nummer verlangen sollte, um unnötige Verzögerungen bzw. das Nichtgewähren des Vorsteuerabzuges zu vermeiden; oder aber rechtzeitig diesbezügliche Berichtigungen zu veranlassen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 11 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 19 Abs. 1a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise





VwGH, Ra 2020/13/0068
VwGH, Ro 2019/13/0030
VwGH, Ro 2017/13/0011
VwGH, Ra 2016/15/0068

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100389.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at