Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2021, RV/3100615/2015

Vorliegen der Voraussetzungen einer Bescheidänderung nach § 209a BAO iVm § 295 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***14***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer 1999 und 2000 zu Recht erkannt:

I.) Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer 1999 und 2000 wird als unbegründet abgewiesen.

II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.) Der Bf (Beschwerdeführer) war ua als Kommanditist an der ***1*** (1999 und 2000) und an der ***2*** (2000) beteiligt.

2.) Der Bf hat im Februar 2001 die Einkommensteuererklärung für das 1999 übermittelt. Die negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligung an der ***1***) wurden mit - ***6*** S bekanntgegeben. Das Feststellungsverfahren für das Jahr 1999 betreffend die ***1*** erfolgte (zunächst) erklärungsgemäß (vorläufiger Feststellungsbescheid vom , Mitteilung über die gesonderte Feststellung vom ). Auch der Einkommensteuerbescheid 1999 des Bf erging (zunächst) erklärungsgemäß (Einkommensteuerbescheid vom ). Der Verlust aus Gewerbebetrieb wurde mit - ***7*** S (darin enthalten - ***6*** S aus der Beteiligung an der ***1***) festgesetzt.

2.1.) Der Einkommensteuerbescheid 1999 wurde (mehrmals) nach § 295 BAO geändert, ua. mit Bescheid vom . Im letztgenannten Bescheid wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit - ***8*** S ausgewiesen. Die Einkünfte von - ***6*** S aus der Beteiligung an der ***1*** blieben unberücksichtigt.

Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides lautet wie folgt:

"Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen (z.B. wenn Fehler aufgetreten sind bzw. wenn sie Positionen vergessen haben). Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides beim oben angeführten Finanzamt eingereicht oder bei der Post aufgegeben werden. In der Berufung sind der Bescheid zu bezeichnen (Einkommensteuerbescheid für 1999 vom ) sowie die gewünschten Änderungen anzuführen und zu begründen. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO). Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind."

2.2.) Die Änderung erfolgte aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes ***3*** vom 28. November 2006. In einem an den Bf (als nicht als Mitunternehmer anerkannter Gesellschafter der ***1***) gerichteten Bescheid des Finanzamtes ***3*** vom wurde festgestellt, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der KEG und der in der Beilage genannten Kommanditisten für das Jahr 1999 zu unterbleiben habe. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides lautet wie folgt:

"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem vorbezeichneten Amt das Rechtsmittel der Berufung schriftlich oder telegraphisch eingebracht werden. Die Berufung ist zu begründen".

Ein gleichlautender Bescheid wurde auch für das Jahr 2000 erlassen.

Mit an die ***1*** gerichteten Bescheiden vom des Finanzamtes ***3*** wurden Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 1999 bis 2001 festgestellt, und diese den Komplementären der KG, nicht aber den Kommanditisten zugewiesen. Mit Eingabe vom wurde dem ***FA*** mitgeteilt, dass am beim Finanzamt ***3*** Berufung gegen den Bescheid betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1999 der ***1*** eingebracht worden sei, weshalb der Bf die Aussetzung der Einhebung des Betrages von ***13*** € im Einkommensteuerverfahren 1999 beantrage. Die Aussetzung der Einhebung wurde dem Bf bewilligt.

3.) Mit Eingabe vom wurde dem Finanzamt die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 übermittelt. In den Beilagen zur Einkommensteuererklärung 2000 wurden ua. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Beteiligter (Kommanditist) der ***1*** in Höhe von ***15***, sowie der ***2*** im Betrag von - ***9*** S ausgewiesen. Die Veranlagung des Bf erfolgte erklärungsgemäß. Der Verlust aus Gewerbebetrieb wurde mit - ***10*** S festgesetzt (Einkommensteuerbescheid vom ).

3.1.) Das Feststellungsverfahren 2000 betreffend die ***1*** erfolgte (zunächst) erklärungsgemäß (Feststellungsbescheid vom ). Gleiches gilt für das Feststellungsverfahren betreffend die ***2*** für das Jahr 2000 (Gewinnfeststellungsbescheid vom ).

Am wurde nach Wiederaufnahme des Verfahrens ein (neuer) Gewinnfeststellungsbescheid 2000 betreffend die ***2*** erlassen. Gegen diesen Bescheid wurde am Berufung erhoben. Auch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 der ***1*** vom wurde am fristgerecht Berufung erhoben.

3.2.) Der Einkommensteuerbescheid 2000 des Bf wurde mehrfach nach § 295 BAO abgeändert. Im Einkommensteuerbescheid vom wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 31.168 S ausgewiesen. Die Verluste aus der Beteiligung an der ***2*** blieben außer Ansatz.

Begründend wurde ausgeführt, die Änderung gemäß § 295 BAO sei aufgrund der bescheidmäßigen Feststellung des Finanzamtes ***3*** zu Steuernummer ***5*** (***2***, Anmerkung des Bundesfinanzgerichtes) erfolgt. Auch die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides enthält (wiederum) den Hinweis, dass Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können.

In einem an den Bf (als nicht als Mitunternehmer anerkannter Gesellschafter der ***2***) gerichteten Bescheid des Finanzamtes ***3*** vom wurde festgestellt, dass ein Anteil des Bf an der angeführten Gesellschaft nicht in die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einzubeziehen ist. Eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO hat hinsichtlich des Bf zu unterbleiben. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides lautet wie folgt:

"Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides beim oben angeführten Finanzamt eingereicht oder bei der Post aufgegeben werden. In der Berufung sind der Bescheid zu bezeichnen (Bescheid, dass die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für 2000-2001 gem. § 92 (1) Zi b BAO zu unterbleiben hat, vom ), sowie die gewünschte Änderung anzuführen und zu begründen. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO). Liegen ein Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind."

3.3.) Gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 vom wurde mit Eingabe vom fristgerecht berufen. Weiters wurde die Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer in Höhe von ***11*** € und der Anspruchszinsen 2000 im Betrag von ***12*** € beantragt, weil zur Steuernummer ***5*** (***2***) am eine Berufung betreffend die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Jahr 2000 beim Finanzamt ***3*** eingebracht worden sei.

Wörtlich wurde in dieser Berufung Folgendes vorgebracht:

"Eine Maßnahme nach § 295 BAO setzt die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (zB "Nichtbescheid" als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassener Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) rechtswidrig (vgl. auch SWK 33, S 926). Der bekämpfte Bescheid beruft sich in seiner Begründung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes ***3*** zur Steuernummer ***5*** vom . Bei den vom Finanzamt ***3*** erlassenen "Feststellungsbescheid" handelt es sich aber aus nachstehendem Grund um einen Nichtbescheid: Dieser Feststellungsbescheid ist in einem mangels Vorliegen von neuen Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 BAO zu Unrecht wiederaufgenommenen Verfahren ergangen. Wird der Wiederaufnahmebescheid aufgehoben, so tritt das Verfahren nach § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus (Ritz, BAO, § 307 Tz 8 mit Verweis auf ). Daher basiert der gegenständliche Bescheid nicht auf einem rechtskräftigen Grundlagenbescheid. Ich erlaube mir ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass sich diese Berufung nicht gegen Entscheidungen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, richtet und ersuche daher zwecks Vermeidung einer entbehrlichen Aufblähung des Verfahrens von der Erlassung einer abweisenden Berufungs(vor)entscheidung abzusehen. Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang auf die untenstehenden Anregung auf Aussetzung des Verfahrens gem § 281 BAO zu verweisen."

Diese Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsvorentscheidung erwuchs in Rechtskraft.

4.) Die Berufungen betreffend die ***1*** und der ***2*** gegen die Feststellungsbescheide der Jahre 1999-2000 bzw. des Jahres 2000 wurden mit Entscheidung des UFS Klagenfurt vom , RV/0730-K/07, und vom , RV/0525-K/08, als unzulässig zurückgewiesen, weil gegen das Gebot der Einheitlichkeit (laut ) verstoßen worden ist. Gegen die angeführten Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates wurden keine höchstgerichtlichen Beschwerden eingebracht.

5.) Mit Eingaben vom und vom wurden Anträge auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1999 und 2000 (Einkommensteuerbescheid 1999 vom , Einkommensteuerbescheid 2000 vom , Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2000 vom ) gestellt. In eventu wurde angeregt, das Verfahren von amtswegen wiederaufzunehmen. Am wurde ein Antrag auf Bescheidänderung nach § 295 Abs. 4 BAO gestellt.

5.1.) Mit Bescheid vom hat das Finanzamt die Anträge des Bf vom auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1999 und 2000 zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen wurde der Antrag des Bf vom betreffend die Bescheidaufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1999 und 2000 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen für Einkommensteuer 2000.

5.2.) Die gegen den genannten Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde vom wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100460/2014, als unbegründet abgewiesen.

5.3.) Gegen das angeführte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wurde am Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben. Die Behandlung der Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , E 908/2015-12, abgelehnt. Spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen waren zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesfinanzgericht zurecht davon ausgegangen ist, dass § 209a Abs. 2 und 4 BAO nicht anzuwenden gewesen ist, nach Ansicht des Höchstgerichtes nicht anzustellen. Die an den Verwaltungsgerichtshof erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss vom , Ra 2015/15/0031, zurückgewiesen.

6.) Mit Eingabe vom wurde ein Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung zur Einkommensteuer 1999 und 2000 gestellt. Begründend wurde ausgeführt, die erklärten und ursprünglich erklärungsgemäß in Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO festgestellten Verlusttangenten aus Kommanditbeteiligungen seien nunmehr endgültig in Rechtskraft erwachsen. Die Änderungen dieser Feststellungsbescheide habe sich als nichtig erwiesen. Sämtliche Änderungen würden auf "Nichtbescheiden" beruhen, weshalb die ursprünglichen Feststellungsbescheide für diese Jahre wieder in Rechtskraft seien und für die Veranlagung bindend seien. Für das Jahr 2000 sei das Berufungsverfahren noch offen, es greife die Verjährungssperre des § 209a Abs. 1 BAO. Für das Jahr 1999 greife die Verjährungssperre des § 209a Abs. 4 BAO, der Bescheid sei nach § 295 BAO anzupassen.

6.1.) Der Antrag vom auf erklärungsgemäße Veranlagung der Jahre 1999 und 2000 wurde mit Bescheid vom mangels verfahrensrechtlicher Regelung und wegen eingetretener Verjährung als verspätet zurückgewiesen.

6.2.) Gegen den genannten Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde im Wesentlichen ausgeführt, die neu erlassenen Feststellungsbescheide hätten den Bf ausdrücklich dazu angeleitet, allfällige Rechtsmittel gegen die Feststellungsbescheide zu richten. Gleiches gelte für die nach § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 1999 und 2000. Das ***FA*** habe den Bf ebenso wie das Finanzamt ***3*** ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der geänderten Feststellungen der Erfolgstangenten aus den Mitunternehmerschaften (Kommanditbeteiligungen) nur eine Berufung gegen die Feststellungsbescheide zielführend sei. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0024, festgestellt, dass die vom Finanzamt ***3*** neu erlassenen Feststellungsbescheide als Nichtbescheide zu qualifizieren seien.

Das AbgÄG 2011 habe zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke und zur Wahrung der vom Verfassungsgerichtshof nach dem Rechtsstaatsprinzip geforderten Effizienz des Rechtsschutzes die Verjährungssperre für streitverfangene Abgaben auf Rechtsmittelverfahren gegen Nichtbescheide ausgedehnt und auch im Fall von Nichtbescheiden eine Anpassung an die Rechtslage nach einer Zurückweisung von Rechtsmitteln gegen Nichtbescheide verankert.

Eine erklärungsgemäße Veranlagung sei mit der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 und 2000 im Sinne des § 209a Abs. 4 BAO beantragt worden; eine Verjährung sei nach § 209a Abs. 2 und 4 BAO damit ausgeschlossen. Die Einkommensteuer sei daher nach § 295 Abs. 3 und 4 BAO in Bindung an die rechtskräftigen Feststellungsbescheide erklärungsgemäß zu veranlagen.

6.3.) Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde mit Eingabe vom fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt.

II.) Rechtslage und Erwägungen:

1.) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdevorentscheidung oder in einem Erkenntnis zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen (§ 209a Abs. 1 BAO).

Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wird. Die Verjährung steht der Abgabenfestsetzung auch dann nicht entgegen, wenn eine Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 vor Ablauf der Frist des § 304 lit. b beantragt oder durchgeführt wird (§ 209a Abs. 2 BAO).

Gemäß § 209a Abs. 4 BAO gelten Abgabenerklärungen als Anträge im Sinn des Abs. 2, wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde.

Im Beschwerdefall sind keine Rechtsmittelverfahren offen ist. Die Verjährungssperre nach § 209a Abs.1 BAO kann daher nicht greifen. Die gegenteiligen Ausführungen im Antrag vom erweisen sich als unzutreffend. Darüber hinaus liegt bei einem Rechtsmittel gegen ein Dokument, das ein Bescheid, wonach eine Feststellung nach § 188 BAO zu unterblieben hat, sein soll, aber keinen Bescheidcharakter aufweist, keine Abhängigkeit iSd § 209 Abs. 2 BAO vor ().

2.) § 295 Abs. 4 BAO in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung lautete wie folgt:

"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines - Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."

Mit Erkenntnis vom , G 159/2019, hat der Verfassungsgerichtshof den letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben. Die Aufhebung trat mit in Kraft.

§ 295 Abs. 4 BAO normiert ein Antragsrecht zur Aufhebung von Bescheiden. Über den diesbezüglichen Antrag des Bf vom wurde aber bereits rechtskräftig entschieden. Auf Punkte I.5. dieses Erkenntnisses wird verwiesen.

Die Übermittlung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 und 2000 stellt keinen (rechtzeitigen) Antrag im Sinne des § 295 Abs. 4 BAO iVm § 304 dar und lässt sich die vom Bf vertretene Rechtsansicht auch nicht aus der zitierten Literaturstelle (Ritz, BAO5, § 209a, Tz 7 und 11a) ableiten. Im Übrigen wird auf das Erkenntnis des verwiesen.

3.) § 209a Abs. 2 und Abs. 4 BAO sollen ergänzend sicherstellen, dass eine lang andauernde Verletzung der Entscheidungspflicht für den Steuerpflichtigen nicht zum Verlust des Rechtsanspruchs auf bescheidmäßige Erledigung führt. Verletzungen der Entscheidungspflicht kamen etwa dadurch zustande, dass die Behörde erklärungsgemäß Feststellungsbescheide erlassen hat, diese aber nicht für alle Beteiligten wirksam werden konnten. Nach dieser Bestimmung gelten Abgabenerklärungen dann als Antrag, wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führt (vgl. Knechtl in SWK 22/2013, 997, vgl. 1212 BlgNR 24, GP 30).

Der Anwendungsbereich des § 209a Abs. 4 BAO betrifft sohin jene Fallkonstellationen, in denen die Abgabenbehörde (erstmals) und zwar nach Eintritt der Verjährung der abgeleiteten Abgaben wirksam über Feststellungserklärungen abzusprechen hat. Im Beschwerdefall liegt keine derartige Verletzung der Entscheidungspflicht vor. Die Feststellungsbescheide der ***1*** für die Jahre 1999 und 2000 ergingen (zunächst) erklärungsgemäß (Feststellungsbescheide vom und vom ). Auch das Feststellungsverfahren 2000 der ***2*** erfolgte zunächst erklärungsgemäß (Gewinnfeststellungsbescheid vom ). Über die vom Bf eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 und 2000 wurde ebenfalls erklärungsgemäß abgesprochen (vgl. Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 vom und vom ). Wird aber ein (wirksamer) Feststellungsbescheid durch einen (unwirksamen) Feststellungsbescheid ersetzt, und stellt sich dieser Umstand im Rechtsmittelverfahren heraus, dann sind Abänderungen von Bescheiden nicht einfach mit dem Hinweis auf § 209a Abs. 2 und Abs. 4 BAO möglich. § 209a BAO erlaubt zwar Abgabenfestsetzungen nach "Eintritt der Verjährung", regelt aber keine Durchbrechungen der Rechtskraft. Wann diese auch nach "Eintritt der Verjährung" in Betracht kommen, regelt § 295 BAO ().

Eine Bescheidänderung nach § 295 Abs. 3 BAO erfolgt subsidiär zu § 295 Abs. 1 oder Abs. 2 BAO. Nach dieser Gesetzesbestimmung erfolgt eine nachträgliche Anpassung von Bescheiden an grundlagenbescheidähnliche Bescheide (zB Bescheide nach § 44 Abs. 2 BAO, Auskunftsbescheide § 188 BAO, Einheitswertbescheide, Ritz, BAO 6, § 295, Rz 14 ff). Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor.

4.) § 295 Abs. 1 BAO räumt dem Abgabepflichtigen kein subjektives Recht zur Stellung eines Antrages ein. Auch von Amts wegen kann kein neuer Bescheid nach der angeführten Gesetzesstelle erlassen werden, wenn sich herausstellt, dass der Grundlagenbescheid nicht wirksam geworden ist. § 295 Abs.1 erfordert nämlich die nachträgliche Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides. Sofern ein abgeleiteter Einkommensteuerbescheid - zwar rechtswidrig, aber - rechtskräftig geworden ist, bestand vor Inkrafttreten der Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO keine (weitere) Möglichkeit der Abänderung (, Knechtl in SWK, 7/2021, 487).

Zutreffend ist - wie der Bf ausführt -, dass das Erkenntnis des zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AbgÄG 2011 ergangen ist. Eine Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO erfordert aber auch nach dem Inkrafttreten des AbgÄG 2011 eine nachträgliche Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

5.) Unrichtig ist, dass die Abgabenbehörde eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erlassen hat. Ein Anwendungsfall des § 93 Abs. 6 BAO liegt nicht vor. Aus den von der Abgabenbehörde verwendeten Rechtsmittelbelehrungen ist nicht abzuleiten, dass bei Zweifeln am Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung keine Beschwerde gegen einen (diesfalls zu Unrecht) davon abgeleieteten Einkommensteuerbescheid erhoben werden soll, zumal in einem solchen Fall § 252 Abs. 1 und 2 BAO gerade nicht anwendbar sind (
Ra 2015/15/0031).

Aus der gegen Einkommensteuerbescheid 2000 vom eingebrachten Berufung vom ergibt sich, dass dem Bf bzw. seinem steuerlichen Vertreter sehr wohl bekannt war, dass das Vorliegen von "Nichtbescheiden" nicht in den Feststellungsverfahren, sondern nur in den jeweiligen Einkommensteuerverfahren eingewendet werden kann. Dem Bf bzw. seinem steuerlichen Vertreter war bewusst, dass die Bindungswirkungswirkung des § 252 Abs. 2 BAO einen Bescheid erfordert, der gegenüber dem Bescheidadressaten wirksam geworden ist. Der Bf wurde sohin nicht durch die Rechtsmittelbelehrung des Finanzamtes am Einbringen von Berufungen bzw. eines Vorlageantrages gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 und damit an einer erklärungsgemäßen Veranlagung gehindert. Ebenso wenig können Rechtsmittel, die gegen Feststellungsbescheide eingebracht wurden, als Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide qualifiziert werden und ergibt sich ein derartiges Verständnis auch nicht aus dem vom Bf zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (). Im Beschwerdefall wurde verabsäumt, Rechtsmittel gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 einzulegen. Was die überlange Verfahrensdauer anbelangt, ist festzuhalten, dass der Bf die (rechtlichen) Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung nicht genutzt hat. Bei einem derartigen Sachverhalt ist eine Bescheidänderung weder nach Art 7 B-VG noch im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs () geboten.

Insoweit der Bf darauf hinweist, dass alle in ***4*** ansässigen Mitunternehmer im Zuge einer Wiederaufnahme erklärungsgemäß veranlagt worden seien, ist ihm zu erwidern, dass eine (allfällige) rechtswidrige Anwendung des Gesetzes bei der Erlassung von Verwaltungsakten gegenüber anderen Betroffenen niemandem ein Recht gibt auf diesbezügliche Gleichbehandlung "im Unrecht" (zB ).

6.) Abschließend sei erwähnt, dass die gegenständliche Beschwerde inhaltsgleich mit der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde vom und der außerordentlichen Revision vom ist. Auf Punkt I. 5. dieses Erekenntnisses wird verwiesen.

III.) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die zugrundeliegende Rechtsfrage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Abgabenfestsetzung nach § 209a BAO iVm § 295 BAO bereits durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt ist (
Ro 2015/13/0005).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100615.2015

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