Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.08.2021, RV/7102683/2019

Aufhebung unter Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch AUSTRIA TREUHAND Holding SteuerberatungsgmbH, Mariahilfer Straße 1c/Top 4a, 1060 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2015 und 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Die angefochtenen Bescheide sowie die in der Beschwerdesache ergangene Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Bf.) betreibt ein Unternehmen, das im Bereich der Eisenverlegung und als Eisenbieger tätig ist. Ihre Gesellschafter sind in diesem Unternehmensbereich auch als Gesellschafter der ***V*** KG engagiert.

Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA):

Im Rahmen einer die Jahre 2014 bis 2016 umfassenden GPLA wurden laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom - soweit im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von Interesse - folgende Feststellungen getroffen:

Im Zuge der GPLA seien die als Betriebsausgaben verbuchten Fremdleistungen überprüft worden. Dabei seien lediglich Rechnungen über Fremdleistungen, aber keine sonstigen Unterlagen (Werkverträge, Auftragsschreiben, Anbote, etc.) vorgelegt worden. Die Abrechnung der Leistungen sei meistens pauschal nach Regiestunden bzw. Tonnagen erfolgt.

Hinsichtlich der einzelnen Subfirmen wurde Folgendes festgehalten:

1. ***1*** Bau GesmbH:

Es bestünden begründete Zweifel, dass die abgerechneten Leistungen von der o. a. Gesellschaft erbracht worden seien, insbesondere deswegen, weil die Gesellschaft nicht über das entsprechende Personal im Leistungszeitraum verfügt habe.

2. ***2*** Bau GmbH:

Bei dieser Gesellschaft handle es sich um eine bereits rechtskräftig festgestellte Scheinfirma, deren Geschäftstätigkeit nicht in der Ausführung von Bauleistungen bestanden habe. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass die Leistungen von "eigenen Mitarbeitern der Firma ***V***" erbracht aber nicht in der Lohnverrechnung der Bf. abgerechnet worden seien.

3. ***3*** GmbH:

Auch bei dieser Gesellschaft handle es sich um eine bereits rechtskräftig festgestellte Scheinfirma, deren Geschäftstätigkeit ebenfalls nicht in der Ausführung von Bauleistungen bestanden habe. Aus diesem Grund sei ebenfalls davon auszugehen, dass die Leistungen von "eigenen Mitarbeitern der Firma ***V***" erbracht aber nicht in der Lohnverrechnung der Bf. abgerechnet worden seien.

4. ***4*** GmbH:

Auch bei dieser Gesellschaft sei von Scheinrechnungen auszugehen, weshalb auch hier davon ausgegangen werde, dass die Leistungen von eigenen Mitarbeitern der Bf. erbracht aber nicht in der Lohnverrechnung der "Firma ***V***" abgerechnet worden seien.

5. ***5*** Handel und Bau GmbH:

Es bestünden begründete Zweifel, dass die abgerechneten Leistungen von dieser Gesellschaft erbracht worden seien, insbesondere deswegen, weil die Gesellschaft nicht über das entsprechende Personal im Leistungszeitraum verfügt habe.

Es würden daher im Schätzungswege 70% der von den angeführten Firmen in Rechnung gestellten Leistungsentgelte als Lohnaufwand gewertet und dementsprechende Lohnabgaben festgesetzt, da davon ausgegangen werde, dass die Leistungen sehr wohl erbracht worden seien, jedoch nicht von den vorher genannten Unternehmen, sondern von Mitarbeitern der Bf.

Im Bericht über die Ergebnisse der Außenprüfung vom wird als Begründung für die Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben festgehalten, dass die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 303 BAO vorlägen, weil Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden seien. Die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel seien den im Bericht angeführten Sachverhaltsdarstellungen und der Niederschrift zu entnehmen.

In der Folge wird bei den einzelnen Feststellungen jeweils auf die Niederschrift über die Außenprüfung verwiesen.

Bekämpfte Bescheide:

Das Finanzamt erließ in der Folge die nunmehr bekämpften Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 2015 und 2016 und folgte darin den Feststellungen der GPLA. Als Begründung wurde auf den Bericht vom und "allenfalls" auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen.

Beschwerde:

In der fristgerecht eingebrachten Bescheidbeschwerde wurden die Bescheide "ihrem gesamten Inhalt nach (in vollen Umfang)" angefochten und beantragt, sie ersatzlos aufzuheben. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass der GPLA-Bericht samt Niederschrift über die Schlussbesprechung mit jener im Parallelfall der ***V*** KG inhalts-, ja wortgleich sei. Aus diesem Grund erscheine ein Pauschalverweis auf das dort erstattete Vorbringen bzw. dessen Erklärung zum integrierenden Bestandteil dieser Beschwerdeschrift ausreichend.

Beschwerdevorentscheidung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, seitens der Abgabenbehörde stehe außer Streit, dass die Bf. tatsächlich Bauleistungen erbracht und Einnahmen erzielt habe, bzw. dass zusätzliche Lohnkosten angefallen seien. Die Bf. behaupte, dass diese Leistungen von Arbeitnehmern diverser Subfirmen erbracht worden seien. Die Ermittlungen der Finanzbehörde bei diesen Firmen hätten zum Ergebnis geführt, dass es sich bei diesen Firmen durchwegs um Scheinfirmen gehandelt habe, deren Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen wären, die in den Rechnungen angeführten Leistungen durchzuführen. Die dafür notwendigen Lohnaufwendungen seien in keinem Rechenwerk erfasst.

Zu den einzelnen Firmen wurde ergänzend ausgeführt:

***1*** Bau GmbH:

Wie bereits in der Niederschrift zur Schlussbesprechung angeführt, bestünden begründete Zweifel, dass die abgerechneten Leistungen von dieser Gesellschaft erbracht worden seien. Im Leistungszeitraum hätte die Gesellschaft keinen einzigen Arbeiter und nur einen Angestellten gehabt.

Über das Vermögen der Gesellschaft sei im März 2016 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Der Geschäftsführer sei im Zuge der durchgeführten Konkursprüfung nicht auffindbar gewesen.

Eine Vereinbarung zu den erbrachten Leistungen der ***1*** Bau GmbH sei anlässlich der GPLA nicht vorgelegt worden und liege auch der Beschwerdeschrift nicht bei.

***2*** Bau GmbH:

Bei dieser Gesellschaft handle es sich um eine bereits rechtskräftig festgestellte Scheinfirma. Die Geschäftstätigkeit dieser Firma habe nicht in der Ausführung von Bauleistungen bestanden. Aus diesem Grund sei davon ausgegangen worden, dass die Leistungen von eigenen Mitarbeitern der Bf. erbracht aber nicht in deren Lohnverrechnung abgerechnet worden seien.

Über das Vermögen der Gesellschaft sei im September 2016 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Den vorgelegten Verträgen mangle es an Vollständigkeit.

***3*** GmbH:

Bei dieser Gesellschaft handle es sich um eine bereits rechtskräftig festgestellte Scheinfirma. Die Geschäftstätigkeit dieser Firma habe nicht in der Ausführung von Bauleistungen bestanden. Aus diesem Grund sei davon ausgegangen worden, dass die Leistungen von eigenen Mitarbeitern der Bf. erbracht aber nicht in der Lohnverrechnung der Bf. abgerechnet worden seien.

Über das Vermögen der Gesellschaft sei im Oktober 2017 ein Konkursverfahr eröffnet worden. Den vorgelegten Verträgen mangle es an Vollständigkeit.

***4*** GmbH:

Bei der o. a. Gesellschaft handle es sich um eine bereits rechtskräftig festgestellte Scheinfirma. Die Geschäftstätigkeit dieser Firma habe nicht in der Ausführung von Bauleistungen bestanden. Aus diesem Grund sei davon ausgegangen worden, dass die Leistungen von eigenen Mitarbeitern der Bf. erbracht aber nicht in der Lohnverrechnung der Bf. abgerechnet worden seien.

Über das Vermögen der Gesellschaft sei im November 2016 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Den vorgelegten Verträgen mangle es an Vollständigkeit.

***5*** Handel- und Bau GmbH:

Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnungen sei bei dieser Gesellschaft laut Sozialversicherungs-Abfrage kein einziger Arbeitnehmer angemeldet gewesen. Es bestünden daher begründete Zweifel, dass die verrechneten Leistungen von der ***5*** GmbH ausgeführt worden seien.

Über das Vermögen der Gesellschaft sei im September 2017 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Eine Vereinbarung zu den erbrachten Leistungen der ***5*** Handel u. Bau GmbH sei nicht vorgelegt worden.

Die Zuschätzung sei zu Recht erfolgt, weil keine weiteren Belege vorgelegt worden seien. Ergebe sich bei einer Lohnsteuerprüfung, dass die genaue Ermittlung der auf einzelne Arbeitnehmer infolge einer Nachforderung entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sei, so könne die Nachforderung in einem Pauschbetrag erfolgen (§ 86 Abs. 2 EStG). Die Ungenauigkeit der angewandten Schätzungsmethode liege nicht in einer fehlerhaften Vorgangsweise der Abgabenbehörde, sondern im Fehlen der Arbeitszeitaufzeichnungen, anhand derer die Arbeitszeiten der einzelnen Dienstnehmer hätten nachvollzogen werden können. Je weniger konkrete Anhaltspunkte dem Finanzamt zur Verfügung stünden, desto ungenauer könne naturgemäß die Schätzung ausfallen. Aus einer Vielzahl von Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats und des Bundesfinanzgerichts sei ersichtlich, dass sich Betrugsunternehmen nach außen den Anschein der Seriosität gäben, sodass den Behörden zunächst ohne nähere Kenntnis der tatsächlichen Sachverhalte das Agieren eines Betrugsunternehmens nicht auffalle. Hingegen sei es einem Auftraggeber sehr wohl möglich und zumutbar, sich anlässlich der Auftragsvergabe und Auftragsdurchführung von der Seriosität des Auftragnehmers zu überzeugen. Die Beschwerdeführerin habe all das nicht einmal im Ansatz versucht, sondern habe sich mit der Übergabe von Kopien diverser Bestätigungen und Berechtigungen zufriedengegeben. Wäre es noch möglich, dass man aus welchen Gründen immer übersehe, bei einem einzelnen Unternehmen die gebotene Sorgfalt walten zu lassen, sei ein solches Verhalten bei den insgesamt fünf Unternehmen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht einmal im Ansatz vereinbar.

Vorlageantrag:

Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in dem sie wiederum auf den gleichzeitig für die ***V*** KG eingebrachten verwies.

Beschwerdevorlage:

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und hielt im Vorlagebericht fest, dass nach den in der GPLA getroffenen Feststellungen die bei der Beschwerdeführerin tätigen Arbeitnehmer bei "Scheinfirmen angemeldet" gewesen seien.

Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:

Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 85 Abs. 2 iVm § 2a BAO aufgetragen, den der Bescheidbeschwerde anhaftenden Mangel des Fehlens einer Begründung zu beheben.

In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Verweis auf die Begründung in einem Beschwerdeverfahren, das nicht von der Beschwerdeführerin sondern von einem anderen Steuersubjekt geführt werde, keine ausreichende Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO darstelle, da der zuständigen Richterin ein Einblick in diese Beschwerde verwehrt sei.

Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der festgesetzten Frist eine Begründung ihrer Beschwerde ein, in der sie im Wesentlichen folgendermaßen argumentierte:

Sowohl der GPLA-Bericht vom als auch die Niederschrift über die Schlussbesprechung sei "frei von schlüssigen Beweisen" und ohne konkrete und nachprüfbare Tatsachenkonstatierungen. Es sei stets nur von Vermutungen die Rede.

Die Bf. bestreite das Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen in Form neu hervorgekommener Tatsachen und/oder Beweise (und damit die Anwendbarkeit des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO).

Es fehle an tauglichen Wiederaufnahmsgründen und an geschilderten Sachverhalten. Die Ausführungen zu den beanstandeten Fremdleistern seien schon wegen ihrer Kürze von drei bzw. vier Zeilen für Besteuerungszwecke völlig unzureichend.

Die Feststellungsmängel hätten im Kern zwei Ursachen:

  • methodische Fehlerhaftigkeit: Obwohl es um die Bf. und ihre Sachverhalte gegangen wäre, komme sie in den Erledigungen de facto nicht vor.

  • Beweislosigkeit: Teils sei von begründeten Zweifeln die Rede, teils von Leistungserbringung durch das eigene Personal der Bf., ohne die Mitarbeiter befragt zu haben.

Die Bf. werde dem Gericht Erklärungen der damaligen Mitarbeiter kurzfristig zukommen lassen, verbunden mit der Zusage, dass sie - sofern erforderlich - dem BFG für eine Zeugenbefragung zur Verfügung stünden.

Hinsichtlich der beanstandeten Subfirmen werde festgehalten, dass es mangels Prüfungswürdigkeit keine zeitnahe Außenprüfung gegeben habe. Solcherart lägen dem hiesigen GPLA-Prüfer (und damit dem Finanzamt insgesamt) keine zuverlässigen Erkenntnisse über sie vor. Damit einher gingen Informationsdefizite, die nicht von der Bf. zu vertreten seien. Dazu komme auch noch deren eingeschränkte Verwertbarkeit aus den Gründen des § 48a BAO. Es gehe nicht an, einen Bescheid auf ein der Partei nicht zugängliches Beweismaterial zu stützen. Der Entscheidung dürfe nur zugrunde gelegt werden, was dem Betroffenen zugänglich gemacht worden sei bzw. werden dürfe. Dieser Grundsatz dulde keine Ausnahme. Das Verbot "geheimer" Beweismittel gelte auch dann, wenn das Material der Partei aus Gründen des Steuergeheimnisses weder bekannt noch zugänglich sei. Schon aus diesem Grund sei der Ansatz, über die beanstandeten Fremdleister zum Erfolg kommen zu wollen, wenig erfolgversprechend.

Selbst wenn man doch davon ausgehen könnte - was man aber nicht könne -, dass die Behörde sehr wohl über zuverlässiges Material zu den beanstandeten Subfirmen verfüge, ende dieses logischerweise an der Außengrenze der Bf., also dort wo der Bereich der Bf. erst beginne. Solcherart hätte es einer "Übersetzung" des dortigen Materials auf die Bf. bedurft, die es aber nicht gebe, weil der Prüfer vermeine, mit bloßen Bekundungen zu den Fremdleistern das Auslangen zu finden. Dazu werde auf das Urteil des FG Berlin Brandenburg vom , 14K 14207/ 15 verwiesen, dessen Rz 36 laute:

"Erlangt das Finanzamt Informationen über eine angebliche Geldanlage eines deutschen Anlegers bei einer liechtensteinischen Bank aus einem kriminellen Umfeld und unternimmt das Finanzamt keine weiteren Ermittlungsmaßnahen, die die Existenz einer Geschäftsbeziehung zu dieser Bank beweisen bzw. wie die Geldanlage hätte erwirtschaftet werden können, lässt sich selbst bei einer Verlagerung des Wohnsitzes und der Mitnahme des Vermögens ins Ausland, nicht auf die Absicht zur Steuerhinterziehung schließen."

Es bleibe festzuhalten, dass Kontrollmaterial lediglich Indiz- und keinen Beweiswert habe. Dazu komme noch, dass eine vorgefundene Eingangsrechnung nichts darüber aussage, wie dieser Umsatz beim Rechnungsaussteller behandelt worden sei. Ob der Erlös in dessen Rechenwerk erfasst, deklariert und versteuert oder am Fiskus vorbeigeschleust worden sei, könne beim Empfänger der Rechnung keinen Unterschied machen. Es könne nur darauf ankommen, ob die abgerechnete Leistung tatsächlich erbracht worden sei.

Der methodisch verfehlte Ansatz auf Behördenseite erkläre hinreichend, dass und warum die angefochtenen Bescheide "fundiert beweis¬ und feststellungsfrei" gehalten seien: Wie solle der steuerrelevante Sachverhalt der Bf. zu Papier gebracht werden (können), wenn im Fokus der Arbeit nicht sie gestanden sei, sondern an deren Stelle die beanstandeten Subfirmen.

Es hapere aber auch bereits an den nötigen Beweisen zu den die Subfirmen betreffenden Sachverhaltsdarstellungen. Die getroffenen Sachverhaltsdarstellungen würden ausschließlich aus Vermutungen bestehen.

Die Behauptung, die gegenständlichen Leistungen seien von eigenen Mitarbeitern der Bf. gegen Zahlung von Schwarzlohn erbracht worden, sei eine beweisfreie Spekulation.

Es fehle einerseits bereits an der Schätzungsbefugnis. Zum anderen unterlägen auch Schätzungsergebnisse der Begründungspflicht. Die Begründung habe nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen Die Begründung müsse in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag finde, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des VwGH für diesen nachvollziehbar sei. Dabei sei auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen. Dieser Maßstab werde hier eindeutig und klar verfehlt.

Nachdem die für anberaumte mündliche Verhandlung aufgrund der Verhaltensmaßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden musste, teilte der steuerliche Vertreter der Bf., nachdem eine neuerliche Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangen war, in der die Bf. aufgefordert worden war, sämtliche strittigen Eingangsrechnungen und die damit in Zusammenhang stehenden Ausgangsrechnungen sowie alle über das jeweilige strittige Projekt vorhandenen Aufzeichnungen vorzulegen, mit, dass er vom Antrag auf eine mündliche Verhandlung Abstand nehme und er - sofern diese dennoch stattfinden sollte - nicht daran teilnehmen werde.

Beigelegt waren dem Schriftsatz u.a. vorformulierte von Dienstnehmern der Bf. unterfertigte Zeugenaussagen, denen zufolge sie weder Schwarzlohn gefordert oder erhalten hätten, noch dass ihnen auf den Baustellen Schwarzarbeiter aufgefallen wären.

Dieser Schriftsatz wurde der belangten Behörde mit Beschluss vom unter Anschluss der beigelegten Zeugenaussagen zur Kenntnisnahme gleichzeitig mit der Mitteilung der Verhandlungsabsage übermittelt.

Mit Schriftsatz vom wurde die belangte Behörde aufgefordert, zu nachfolgenden Punkten - gegebenenfalls nach Durchführung der dafür notwendigen Ermittlungen - eine Stellungnahme abzugeben:

"1. Da bislang zu den mit Beschluss vom übermittelten Beilagen, wie insbesondere zu den Ausführungen des steuerlichen Vertreters der beschwerdeführenden Partei, nicht Stellung bezogen wurde, wird ersucht, dies innerhalb der genannten Frist nachzuholen.

2. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wird stets davon ausgegangen, dass die Arbeiten von Arbeitnehmern der Firma ***V*** durchgeführt wurden. Es stellt sich daher die Frage, warum dann der beschwerdeführenden Partei gegenständliche Lohnabgaben vorgeschrieben wurden.

3. Die belangte Behörde behandelt 70% der nicht anerkannten Fremdleistungskosten als an Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Partei ausbezahlten Löhne. Es wird daher ersucht, die dieser Schätzung zugrundeliegenden Parameter darzustellen.

4. Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen ist weder ersichtlich, ob im Rahmen der Außenprüfung Feststellungen dazu getroffen wurden, ob für die von der beschwerdeführenden Partei ausgeführten Bauprojekte weitere - bislang nicht gemeldete - Arbeitnehmer benötigt wurden, oder ob es sich bei den Rechnungen der sogenannten Subunternehmer bloß um Scheinrechnungen gehandelt hat.

5. Es wird ersucht, anhand der Ausgangsrechnungen nachvollziehbar darzustellen, in welchem Ausmaß durch die bei der beschwerdeführenden Partei angemeldeten Arbeitnehmer weiterverrechnete Arbeitsstunden nicht geleistet werden konnten.

6. Die belangte Behörde wird auch ersucht, darzulegen, von wie vielen weiteren Arbeitnehmern sie im Rahmen ihrer Schätzung ausgegangen ist bzw. ausgeht, und welche durchschnittliche Höhe der Arbeitslöhne sie dabei angenommen hat."

Die belangte Behörde nahm dazu mit Schriftsatz vom folgendermaßen Stellung und fügte eine Stellungnahme des Prüfers mit Feststellungen zu den einzelnen Fremdleistern an, die mit den bisherigen oben angeführten Ausführungen der belangten Behörde übereinstimmt:

Eine Betriebsprüfung, welche die Jahre 2011 bis 2014 bei der Schwesternfirma ***V*** KG umfasst habe, und die dabei getroffenen Feststellungen im Bereich der Fremdleistungen hätten den Ausgangspunkt für die Überprüfung durch die GPLA gebildet. Soweit bekannt seien die Bescheide in Folge der Betriebsprüfung auch rechtskräftig.

Zu den Punkten 2. bis 6. des Beschlusses wurde Folgendes ausgeführt:

Zu Punkt 2.: Es handle sich um einen Ausfertigungsfehler im Bericht. Teilweise seien die gleichen Subunternehmen für ***V*** KG und für die Bf. tätig gewesen. Die Ausführungen würden in diesem Zusammenhang für das Unternehmen gelten, für das der Bericht erstellt worden sei. Bei der ***V*** KG sei zeitgleich ebenfalls eine Lohnabgabenprüfung mit nahezu identischen Feststellungen im Sachverhalt, jedoch unterschiedlichen Auswirkungen in den Bemessungsgrundlagen durchgeführt worden.

Zu Punkt 3.: Aus Sicht der Prüfung hätten wegen der in der angefügten Stellungnahme des Prüfers festgestellten Umstände erhebliche und begründete Zweifel bestanden, dass die Bauleistungen von den angegebenen Unternehmen und deren Mitarbeitern ausgeführt worden seien bzw. hätten werden können. Da aber das eigene Personal der Firma der Bf. für die Erfüllung der in den Büchern ersichtlichen Aufträge kaum hätte ausreichen können, weil sonst keine Fremdleistungen benötigt worden wären, sei der (zusätzliche) Lohnaufwand für eigene Mitarbeiter bzw. für nicht beim Unternehmen angemeldete Dienstnehmer in Anlehnung an mehrere Erkenntnisse des BFG mit einem Erfahrungswert von 70% der auf den Deckungsrechnungen ausgewiesenen Rechnungssumme geschätzt worden. In diesem Zusammenhang werde bemerkt, dass laut Angaben des Prüfers nähere Angaben und Unterlagen zu den Geschäftsfällen abverlangt worden seien, jedoch vom Unternehmen keine weiteren den Sachverhalt aufklärenden Ergänzungen geliefert worden seien. (z.B. Bautagebücher, Arbeitsberichte, Baustellenkalkulationen, Auftragsschreiben, Leistungsvereinbarungen, Baustellenabrechnungen).

Zu Punkt 4.: Im Zuge der Prüfung sei versucht worden, ergänzende Unterlagen dazu zu erhalten. Dieses Bemühen sei jedoch nicht von Erfolg gewesen. In der Zusammenschau mit den Erkenntnissen der Betriebsprüfung und den eigenen Ermittlungen zu den "Fremdleistern" durch Abfragen in verschiedenen Datenbanken, sei jedoch davon ausgegangen worden, dass Scheinrechnungen vorgelegen seien.

Zu Punkt 5.: Es handle sich um ein Unternehmen in der Branche "Eisenverlegung", in der üblicherweise nach verlegten "Tonnagen" abgerechnet werde. Eine Ermittlung des tatsächlich benötigten Arbeitseinsatzes pro Auftrag sei wegen der fehlenden ergänzenden Unterlagen bzw. Aufklärungen durch den Betrieb schwer möglich.

Zu Punkt 6.: Bei der Schätzung der Arbeitslöhne sei von den auf den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Rechnungsbeträgen ausgegangen worden; eine Ermittlung der Anzahl der zusätzlich benötigten Arbeitnehmer und der durchschnittlichen Höhe ihrer Arbeitslöhne sei daher nicht vorgenommen worden. Der Arbeitgeber habe im Prüfungszeitraum auch eigenes Personal gehabt, sodass eine eindeutige Zuordnung des Zusatz-Lohnaufwandes durch die GPLA nicht hätte ermittelt werden können.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtliche Grundlagen der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1988 in der idF BGBl. I Nr. 34/2015 (EStG 1988) wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1988) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1988 auszahlt.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Gemäß § 66 Abs. 1 EStG 1988 wird die Lohnsteuer durch die Anwendung des Einkommensteuertarifes (§ 33 EStG 1988) auf das hochgerechnete Jahreseinkommen (§ 66 Abs. 2 EStG 1988) ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag ist nach Abzug der Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 und 2, Abs. 5 und Abs. 6 EStG 1988 durch den Hochrechnungsfaktor (§ 66 Abs. 3 EStG 1988) zu dividieren und auf volle Cent zu runden.

Gemäß § 82 erster Satz EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Gemäß § 86 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 hat das Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) die Einhaltung aller für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, der Abzugsteuer (§ 99 EStG 1988) sowie die für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 FLAG 1967) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1998) maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu prüfen (Lohnsteuerprüfung).

Ergibt sich bei einer Lohnsteuerprüfung, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer infolge einer Nachforderung entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, so kann gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 die Nachforderung in einem Pauschbetrag erfolgen. Bei der Festsetzung dieses Pauschbetrages ist auf die Anzahl der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer, die Steuerabsetzbeträge sowie auf die durchschnittliche Höhe des Arbeitslohnes der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen haben. Lediglich bei der Berechnung der Lohnsteuer, die auf diese Vorteile entfällt, kann pauschal vorgegangen werden, indem anhand der Merkmale des § 86 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 eine Durchschnittsbelastung ermittelt wird, die auf die Vorteile der "durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer" entfällt. Auch im Falle der pauschalen Nachforderung muss aber grundsätzlich für den Arbeitgeber ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt (vgl. z.B. ; sowie , mwN).

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben alle Dienstgeber den Dienstgeberbeitrag zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.

Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG 1967 sind Dienstnehmer Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

Gemäß § 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1998 gilt als Bemessungsgrundlage für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG 1967.

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des § 201 Abs. 2 BAO von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gilt § 201 BAO sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1 BAO) geltend zu machen.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO kann eine Festsetzung unter anderem erfolgen, wenn in sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Bezogen auf den "Neuerungstatbestand" ist somit erforderlich, dass für die Abgabenbehörde im Verfahren nicht geltend gemachte Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Voraussetzung für die Festsetzung ist daher, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen - etwa im Zuge einer Außenprüfung (vgl. Ritz, BAO6, § 201 Tz 37).

Erhebungen und Feststellungen der belangten Behörde:

Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Ermittlungen festgestellt, dass die angeführten Subfirmen nicht in der Lage waren, die verrechneten Leistungen auszuführen, weshalb sie davon ausgegangen ist, dass diese Leistungen von der Bf. mit eigenen Arbeitnehmern selbst erbracht wurden.

Diese Umstände und die im Rahmen der GPLA gewonnenen Beweismittel betreffend die genannten Subfirmen werden in den angefochtenen Bescheiden als Neuerungstatbestand genannt, weil sie der belangten Behörde anlässlich der von der Bf. bekanntgegebenen Selbstberechnung noch nicht bekannt waren.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, Ermittlungen dazu anzustellen, ob den angeführten Eingangsrechnungen auch entsprechende Ausgangsrechnungen zugeordnet werden können, d.h. ob diese Bauprojekte überhaupt von der Bf. betreut wurden. Darüber hinaus wurden auch keinerlei Ermittlungen angestellt, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß weitere Arbeitnehmer hätten beschäftigt werden müssen bzw. um wieviel mehr Arbeitsstunden die bereits beschäftigten Arbeitnehmer hätten leisten müssen, damit die von der Bf. abgerechneten Projekte auch von der Bf. hätten durchgeführt werden können.

Es mag daher zwar der aufgrund der Feststellungen zu den Subfirmen von der belangten Behörde gezogene Schluss durchaus zutreffend sein, dass die Selbstberechnung der Bf. zugrundeliegenden Lohnzahlungen nicht mit den tatsächlich ausbezahlten Lohnzahlungen übereinstimmen, es wurden aber jegliche Ermittlungen unterlassen, die zu tauglichen Feststellungen betreffend das Ausmaß der von der belangten Behörde vermuteten Schwarzarbeit hätten führen können. Auch nach Vorlage von Zeugenaussagen, in denen jegliche Schwarzarbeit abgestritten wird, hat es die belangte Behörde nicht für notwendig befunden, diese Zeugen persönlich zu befragen, um sich zumindest darüber zu informieren, ob die Zeugen überhaupt bei den hier strittigen Bauprojekten tätig waren, sodass es ihnen erst tatsächlich möglich gewesen wäre, darüber Aussagen zu treffen. Hätten sich diese Aussagen aber bestätigt, so wäre davon auszugehen, dass niemand weiterer für die Bf. an diesen Baustellen tätig gewesen wäre, und damit auch keine Arbeitnehmer von Subfirmen, weshalb die beanstandeten Eingangsrechnungen nur dazu gedient hätten, um tatsächlich nicht angefallene Betriebsausgaben abzurechnen.

Es fehlen somit jegliche Ermittlungen, aufgrund derer man erkennen könnte, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Lohnzahlungen im Rahmen der Selbstberechnung der lohnabhängigen Abgaben nicht in die jeweilige Bemessungsgrundlage aufgenommen wurden.

Rechtliche Schlussfolgerung:

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, normiert § 278 Abs. 1 BAO (abgesehen von den in lit. a und b vorgesehenen Formalentscheidungen) den Vorrang der Entscheidung in der Sache vor einer ausnahmsweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Eine solche Aufhebung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Ausnahmebestimmung (der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung) ist, an den Zielsetzungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 orientiert, restriktiv (im Sinne eines engen Anwendungsbereiches) zu verstehen (vgl. ; , Ra 2015/16/0037; , Ra 2015/15/0063; , Ra 2017/15/0017).

Auch die Aufhebung unter Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes. Zulässig ist sie nach dem Gesetz aber erstens nur dann, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Diese "im Rahmen" der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. ; , Ra 2015/15/0063; , Ra 2014/17/0049; , Ra 2016/13/0018; , Ra 2017/15/0017; , Ra 2017/13/0087).

Aufgrund der oben dargestellten Ermittlungsdefizite ist es nicht möglich, zutreffende Aussagen über die Richtigkeit der angefochtenen Bescheide zu treffen. So wäre es einerseits möglich, dass sich die Bf. lediglich zwecks Gewinnminimierung Scheinrechnungen ausstellen ließ und die Lohnabrechnungen korrekt erfolgt sind. Genauso ist es auch möglich, dass die Bf. nicht alle Lohnzahlungen im Rahmen der Selbstbemessung der lohnabhängigen Abgaben berücksichtigte.

Die belangte Behörde hat sämtliche Ermittlungen dazu unterlassen, ob die Bf. tatsächlich weitere Arbeitnehmer oder die bereits angemeldeten in einem höheren Ausmaß beschäftigt hat. Bei ordnungsgemäßer Durchführung dieser Ermittlungen hätte eine Bescheiderteilung unterbleiben können, wenn sich herausgestellt hätte, dass kein Bedarf an weiteren Arbeitnehmern oder einer Ausdehnung der Arbeitszeit der bereits im Betrieb der Bf. angemeldeten Arbeitnehmer bestanden hat, oder es hätten anders lautende Bescheide erlassen werden müssen, wenn sich aufgrund einer Überprüfung der für die Erfüllung der von der Bf. verrechneten Leistungen notwendigen Arbeitsstunden und der dafür aufzuwendenden Lohnzahlungen von den bekämpften Bescheiden abweichende Bemessungsgrundlagen ergäben hätten. Dazu fehlen im Hinblick auf die Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer auch jegliche Anhaltspunkte dafür, für wie viele Arbeitnehmer und unter Zugrundelegung welchen Arbeitslohnes die Bf. zur Haftung für Lohnsteuer in den einzelnen Jahren mit den angefochtenen Bescheiden herangezogen werden sollte.

Das Bundesfinanzgericht ist daher in Anbetracht dessen, dass die belangte Behörde tatsächlich keine Ermittlungen vorgenommen hat, mit denen die bekämpften Bescheide begründet werden könnten, und auch die Höhe der vorgenommenen Schätzung in keiner Weise begründet wurde, berechtigt, die Beschwerde gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde zu erledigen.

Dies ist nur zulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Dazu ist auszuführen:

Um den maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können, sind folgende Ermittlungen notwendig:

  • Eine Überprüfung anhand der von der belangten Behörde beanstandeten Eingangsrechnungen, ob und an wen die darin abgerechneten Leistungen weiterverrechnet wurden.

  • Erhebungen bei den Auftraggebern dieser Leistungen, welche Personen für die Bf. bzw. Subfirmen der Bf. an diesen Baustellen tätig wurden.

  • Überprüfung der Aufzeichnungen der Auftraggeber über die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer.

  • Erhebungen bei der Finanzpolizei, welche Arbeitnehmer anlässlich von etwaigen Überprüfungen der Baustellen angetroffen wurden.

  • Erhebungen bei den Auftraggebern der Bf. sowie der Bf. betreffend die den Rechnungen zugrundeliegenden Kalkulationen der m2-Preise bzw. Tonnagen, insbesondere in welcher Höhe bei den angegebenen Preisen der Arbeitslohn der die Leistungen ausführenden Arbeitnehmer einfließt.

Im Hinblick darauf, dass der damalige Vertreter der Bf. nicht bereit war, dem Bundesfinanzgericht die angeforderten Unterlagen zu übermitteln, gleichzeitig auch die belangte Behörde dem Wunsch des Bundesfinanzgerichtes nach weiteren Ermittlungen nicht nachkam, und das Bundesfinanzgericht über keine Außendienstmitarbeiter verfügt, wären diese Ermittlungen durch die Richterin allein mit weitwendigen Ermittlungsaufträgen und Ersuchen um Übermittlung von Unterlagen zu führen. Dem Finanzamt stehen im Gegensatz dazu verschiedenste Informationsquellen, die im Rahmen der weitläufigen Prüfungstätigkeit gesammelt wurden, zur Verfügung. So kann das Finanzamt auf Datenbanken u.a. auch über Erhebungen der Finanzpolizei zurückgreifen, in die das Bundesfinanzgericht keinen Einblick nehmen darf. Im Übrigen kann das Finanzamt auch bei der Bf. oder ihrem steuerlichen Vertreter in die jeweiligen Unterlagen Einsicht nehmen und diese Daten mit den Daten der einzelnen Auftraggeber vergleichen bzw. Informationen bei anderen Dienststellen - wie auch der Finanzpolizei - formlos "im kurzen Weg" erhalten.

Unter der Prämisse, dass es für die belangte Behörde wesentlich einfacher ist, zu den angeführten Ermittlungsergebnissen zu kommen, als für das Bundesfinanzgericht, dem die Einsicht in die Datenbanken des Finanzamtes Österreich verwehrt ist, und das überdies auch nicht über die notwendigen Informationen verfügt, an welche Auskunftspersonen man sich wenden muss, um ein effizientes Ermittlungsverfahren zu gewährleisten, wiegt das Faktum, dass eine Bescheidaufhebung und die etwaige neuerliche Erlassung von Bescheiden zu einer nicht unwesentlichen Verlängerung des Verfahrens führt, bei weitem auf, zumal in dieses Verfahren die Bf. eingebunden werden muss und dieses damit möglicherweise auch ohne neuerliches Beschwerdeverfahren abgeschlossen werden könnte.

Da dem Bundesfinanzgericht nach den angeführten Gründen in absehbarer Zeit eine Entscheidung in der Sache selbst nicht möglich sein wird, der belangten Behörde es aber möglich sein sollte, die anstehenden Erhebungen zeitnah durchzuführen, um deren Ergebnisse möglicherweise auch bei Folgeprüfungen verwerten zu können, erscheint die Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde im Sinne des § 278 Abs. 1 BAO zweckmäßig, da die Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht weder rascher noch im Hinblick darauf, dass sämtliche Ermittlungstätigkeit von der Richterin vorzunehmen wäre, kostengünstiger durchgeführt werden könnten.

Im Hinblick darauf, dass die Bf. in das Ermittlungsverfahren eingebunden werden muss und ihr Rechtschutz im vollen Umfang gewährleistet ist, kann auch keine Unbilligkeit in dieser Vorgangsweise erkannt werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich das Bundesfinanzgericht im Rahmen der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Ermessensübung an den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorgegebenen Ermessensrichtlinien orientiert hat, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 47 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 86 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 202 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102683.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at