Kein Vorsteuerabzug für untergeordnet (privat) genutzten Gebäudeteil ab 1.1.2011
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/3100632/2020-RS1 | wie RV/3100010/2014-RS1 Mit der Umsetzung der Richtlinie 2009/162/EU (§ 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994) darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit gemischt genutzten Gebäuden nur mehr jene Vorsteuer abgezogen werden, die auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt, womit sich ab nach der MwStSyst-RL zwingend der Vorsteuerausschluss für alle, dh. auch für geringfügige nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ergibt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***6***, vertreten durch ***7***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2019 zu Recht erkannt:
I.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I.) Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.) Die Beschwerdeführerin (Bf) hat im Jahr 2019 ein Gebäude (***8*** Chalets und eine Privatwohnung) errichtet. Im Dezember 2019 wurde mit der Vermietung der Chalets (maximal ***1***) begonnen und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Das Gebäude wurde dem Betriebsvermögen zugeordnet.
2.) Mit Eingabe vom wurden die Umsatzsteuererklärung 2019 übermittelt und Vorsteuern in Höhe von € ***3*** geltend gemacht.
3.) Im Umsatzsteuerbescheid vom wurden die Vorsteuern mit € ***9*** festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, in der steuerlichen Jahreserklärung seien die gesamten Vorsteuern aus den Baukosten (Errichtung eines Gebäudes mit ***8*** Chalets und einer Privatwohnung) von € ***4*** geltend gemacht worden. Die Baukosten seien anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung um 19,84 % gekürzt worden. Daher seien die geltend gemachten Vorsteuern um € ***5*** (***4*** x 0,1984 = ***5***) zu kürzen. Die angesetzte Eigenverbrauchsbesteuerung werde auf null gesetzt. Im Übrigen werde auf die Niederschrift über die Umsatzsteuersonderprüfung verwiesen; der (betriebliche) Gebäudeanteil sei um 0,11 % auf 80,16 % gekürzt worden. Im Übrigen sei die Ansicht vertreten worden, dass ab der Vorsteuerabzug für privat genutzt Gebäudeteile (auch im Falle einer untergeordneten privaten Nutzung) nicht mehr zustehe.
4.) Gegen den genannten Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, die Bf vertrete die Ansicht, dass der volle Vorsteuerabzug (samt Eigenverbrauchsbesteuerung) zustehe. Bezüglich der Argumentation werde auf Rz 569a des beiliegenden Fachbuches [Beiser, Steuern (2020)] verwiesen.
Die Beschwerde wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung direkt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (§ 262 Abs. 2 BAO).
II.) Rechtslage und Erwägungen:
1.) Art. 168a Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (kurz: MwStSyst-RL) in der Fassung der Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom lautet:
"Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Steuerpflichtigen sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück höchstens der Teil der Mehrwertsteuer nach den Grundsätzen der Artikel 167, 168, 169 und 173 abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt."
Gemäß Art. 2 der Richtlinie 2009/162/EU setzen die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie am nachzukommen. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die Regelung des Art. 168a der MwStSyst-RL ab dem Kalenderjahr 2011 umzusetzen hatten.
2.) Nach herrschender Ansicht ist dieser Verpflichtung - jedenfalls im hier bedeutsamen Umfang - durch § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 entsprochen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl., § 12 Tzlen. 112, 134). Nach dieser Bestimmung ist die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für die Einfuhr von Gegenständen, soweit sie im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für die in § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 genannten Zwecke steht, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Mit der Umsetzung der Richtlinie 2009/162/EU darf somit bei Ausgaben in Zusammenhang mit gemischt genutzten Gebäuden nur mehr jene Vorsteuer abgezogen werden, die auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt, womit sich ab nach der MwStSyst-RL zwingend der Vorsteuerausschluss für alle nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ergibt (vgl. Schuchter/Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG, § 12 Rz 241).
3.) Bei den in § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 genannten Zwecken handelt es sich um solche, die außerhalb des Unternehmens liegen, dh. als unternehmensfremd anzusehen sind. Sie sind gegeben, wenn der Unternehmer einen Gegenstand vorübergehend für eigene nichtunternehmerische Zwecke verwendet oder einen Gegenstand vorübergehend einem Dritten zur Nutzung überlässt, ohne eigene unternehmerische Zwecke zu verfolgen. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks nach dem letzten Satz des § 3a Abs. 1a UStG 1994 einer "sonstigen Leistung gegen Entgelt nicht gleichgestellt" ist. § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 erfordert nur die "Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für die in § 3a Abs. 1a Z 1 genannten Zwecke" und keine Steuerbarkeit.
4.) Bei der Regelung des § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 handelt es sich um eine spezifisch umsatzsteuerliche Bestimmung, die auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung keinen Einfluss hat und umgekehrt. Damit ist seit dem "jedenfalls der ertragsteuerliche Bezug bei gemischt genutzten Gebäuden beendet. Damit wäre auch die in der Literatur aufgezeigte ,Konsumbesteuerungslücke' der Nutzungsentnahme bei untergeordneter privater Nutzung von Gebäuden des Betriebsvermögens geschlossen (Beiser, ÖStZ 2010, 232)" (Schuchter/Kollmann, aaO., § 12 Rz 243).
5.) Die - auf Beiser [ua. SWK 2012, 1492, Steuern (2020), USt, Rz 565 ff] gestützte - Ansicht der Bf, dass der Vorsteuerabzug für Gebäude nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH auf der Basis der Judikatur des VwGH zu § 12 UStG 1972 "versteinert" sei, mag bis Ende des Jahres 2010 Bedeutung gehabt haben. Für Zeiträume ab dem ist ihr - jedenfalls hinsichtlich der hier strittigen Fragestellung - nicht mehr zu folgen (vgl. Wurm, SWK 2013, 983).
6.) Wenn Art. 176 Abs. 2 der MwStSyst-RL vorsieht, dass die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten können, die am bzw. (im Falle der nach diesem Datum der Gemeinschaft beigetretenen Mitgliedstaaten) am Tag ihres Beitritts in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen waren, so gilt dies ausdrücklich nur "bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen im Sinne des Absatzes 1" (des Art. 176 der MwStSyst-RL). Danach legt der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig fest, welche Ausgaben kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen. Ein solcher Ausschluss ist mit der Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom auf Vorschlag der Kommission erfolgt. Wie sich aus dem Erwägungsgrund Nr. 10 der Richtlinie ergibt, sollte das Recht auf Vorsteuerabzug "hinsichtlich der Lieferung von Grundstücken und der damit zusammenhängenden Ausgaben klarer gefasst und verschärft werden, damit Steuerpflichtige in Fällen, in denen ihrer unternehmerischen Tätigkeit zugeordnete Grundstücke nicht ausschließlich für die Zwecke dieser Tätigkeit Verwendung finden, gleich behandelt werden".
7.) Die bis auf die Stand-Still-Klausel (vorerst des Art. 17 Abs. 6 der 6. MwSt-RL) gestützte "Versteinerung" des Vorsteuerabzugs für Gebäude (vgl. ) verdrängt somit den Vorsteuerausschluss gemäß § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 ab dem nicht (mehr).
III.) Zulässigkeit der Revision:
Die Rechtsfrage nach dem Umfang des zulässigen Vorsteuerabzugs aus den Errichtungskosten eines in untergeordnetem Ausmaß nichtunternehmerisch genutzten Betriebsgebäudes ab dem wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Da noch keine Rechtsprechung des VwGH zu dieser - durch § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 iVm Art. 168a Abs. 1 der MwStSyst-RL idF der Richtlinie 2009/162/EU gestalteten - Rechtslage vorliegt, ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 168a RL 2009/162/EU, ABl. Nr. L 10 vom S. 14 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100632.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at