Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.08.2021, RV/5100195/2018

Studienbehinderung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis liegt nicht vor

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache Bf1, Bf1-Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe Oktober 2016 bis Februar 2017, Steuernummer BF1StNr1 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Am langte von der Beschwerdeführerin (Bf.) ein Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn A, geboren am TT.MM.JJJJ, ab Oktober 2016 wegen "Studium" beim Finanzamt ein. Dem Antrag beigelegt wurde das Prüfungszeugnis für das Bachelorstudium Buch und Dramaturgie vom .

2. Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. vom Finanzamt für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Februar 2017 mit der Begründung abgewiesen, dass bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, nur dann eine Berufsausbildung anzunehmen sei, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

3. Am brachte die Bf. fristgerecht Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid ein. Begründend führte sie aus, das Studium an der Filmakademie Wien sei ein künstlerisches mit starken praktischen Elementen. Für den Abschluss des Bachelorstudiums sei die selbständige Herstellung eines Filmes Voraussetzung. Entgegen früherer Zusagen sei der aus dem Ausland zurückkehrende Hauptdarsteller ihrem Sohn erst ab Herbst 2016 zu Verfügung gestanden, sodass sich der Filmdreh verzögert und bis November gedauert habe. Erst dann sei die Abschlussprüfung zum Bachelor möglich gewesen. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte ihr Sohn die Mindeststudiendauer um nicht mehr als 2 Semester überschritten. Eine Inskription mitten im Wintersemester 2016/2017 sei leider nicht möglich gewesen. Nach der Papierform wäre damit die Familienbeihilfe einzustellen, sie ersuche allerdings, im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles die Familienbeihilfe rückwirkend zuzuerkennen.

4. In der Beschwerdevorentscheidung vom begründete das Finanzamt seine abweisende Erledigung damit, dass der Sohn der Bf. das Studium Buch und Dramaturgie (Bachelor) an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien ab Oktober 2012 studiert habe. Der Abschluss sei am erfolgt, die gesetzliche Studiendauer liege bei 6 Semester. Bei Bachelorstudien müsse der Abschluss innerhalb von 8 Semestern Studienzeit erfolgen. Eine Fortsetzung im Masterstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst für Buch und Dramaturgie liege ab dem Sommersemester 2017 vor. Die Angaben der Bf. in der Beschwerde könnten nur insoweit interpretiert werden, als sich der Studierende selbst seines Risikos betreffend sein Verhalten zwecks Heranziehung eines bestimmten Hauptdarstellers bewusst sein hätte müssen. Bei einem derartigen Sachverhalt könne aber nicht die Rede davon sein, dass besondere Umstände vorlägen, die es dem Studierenden ohne sein Verschulden unmöglich machten, das Studium in der vorgesehenen Zeit zu absolvieren. Damit sei aber auch kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd FLAG 1967 im Ausmaß von drei Monaten vorgelegen, das zur Verlängerung des Familienbeihilfenbezuges um ein Semester führen könnte. Eine Studienbehinderung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis könne zwar grundsätzlich den "rechtzeitigen" Abschluss eines Studiums verzögern, nicht jedoch dem Zeitraum bis zum verspäteten Beginn einer weiteren Ausbildung die Eigenschaft einer Berufsausbildung geben, selbst dann nicht, wenn der Grund für den späteren Beginn des Masterstudiums nicht (allein) im Einflussbereich des Studierenden gestanden wäre. Damit sei im strittigen Zeitraum - nach Überschreitung der "zulässigen" Studienzeit - ab Oktober 2016 (bis zur Aufnahme des Masterstudiums im Sommersemester 2017) keine Berufsausbildung vorgelegen.

5. Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Sie vertrete weiterhin die Meinung, dass die Verzögerung des Bachelor-Filmes durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis (Nichtverfügbarkeit des Hauptdarstellers zum vereinbarten Zeitpunkt) bewirkt worden sei.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung xxxx zugewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Der Sohn der Bf. A, geboren am TT.MM.JJJJ, ist im November 2016 24 Jahre alt geworden. Er hat vom bis den Zivildienst absolviert (siehe Familienbeihilfenprogramm des Finanzamtes).

2. A studiert seit dem Wintersemester 2012/2013 an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien die Studienrichtung "Buch und Dramaturgie" als ordentlicher Hörer (siehe Auskunft des Studiencenters der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien vom ).

3. Durch die spätere Verfügbarkeit des Hauptdarstellers im Bachelorfilm ist eine Verzögerung im Studienfortgang des Sohnes eingetreten (siehe Behauptung der Bf. in der Beschwerde vom ).

4. Am hat der Sohn der Bf. das Bachelorstudium "Buch und Dramaturgie" abgeschlossen (siehe Bachelorprüfungszeugnis vom ).

5. Ab dem Sommersemester 2017 ist der Sohn der Bf. das Masterstudium "Buch und Dramaturgie" an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien als ordentlicher Hörer inskribiert (siehe Studienbestätigung der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien vom ). Die Zulassungsprüfung zum Masterstudium Buch und Dramaturgie fand am statt (siehe Auskunft des Studiencenters der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien von ).

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer abgeführten Beweismitteln und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idF BudgBG 2016 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, Anspruch auf Familienbeihilfe. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Die Studienzeit wird unter anderem durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.

Die Altersgrenze wird gemäß § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verlängert, wenn der Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst bis zu Vollendung des 24. Lebensjahres geleistet wird oder wurde und wenn die in lit b vorgesehene Studiendauer eingehalten wird.

Bakkalaureats-/Bachelorstudien dauern sechs Semester.

Wird ein Studienabschnitt bzw das Bakkalaureats-/Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium innerhalb der laut FLAG zur Verfügung stehenden Studienzeit (vorgesehene Ausbildungszeit plus ein Ausbildungsjahr) nicht abgeschlossen und liegen keine Gründe für eine Verlängerung der Studienzeit vor, fällt der Anspruch auf Familienbeihilfe (vorerst) weg.

2. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis kann gemäß § 2 Abs 1 lit b 4. und 5. Satz FLAG 1967 die Studienzeit über die Toleranzzeit hinaus verlängern.

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (zB ; , 94/13/0236; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051 zu § 308 BAO).

Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (zB ; , 94/13/0236; , 2009/16/0098; , 2012/13/0051 ergangen zu § 308 BAO).

Eine Studienbehinderung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis kann nicht dem Zeitraum vom Abschuss eines Bakkalaureatstudiums bis zum verspäteten Beginn einer weiteren Ausbildung die Eigenschaft einer Berufsausbildung geben, selbst dann nicht, wenn der Grund für den späteren Beginn eines Masterstudiums nicht (allein) im Einflussbereich des Studierenden lag ().

Ein Studienbehinderungsgrund kann - neben einer krankheitsbedingten Studienbehinderung - auch im Bereich der Bildungseinrichtung gelegen sein. Besondere Umstände im Studien- oder Prüfungsbetrieb können es einem Studierenden unmöglich machen, das Studium bzw. den Studienabschnitt innerhalb der zur Verfügung stehenden Studienzeit abzuschließen. In solchen Ausnahmefällen bestätigt die Universität auf einem dazu eigens aufgelegten Formular, welche Prüfungen(en) der/die Studierende ohne eigenes Verschulden nicht ablegen konnte bzw. warum es zu einer Studienzeitverzögerung im konkreten Einzelfall gekommen ist.

3. In Verfahren zur Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen tritt der Grundsatz der amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes in den Hintergrund und der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt wird (vgl etwa ).

Der VwGH hat zum StudFG klar ausgeführt, dass es Sache des Antragstellers ist, nicht nur Art und Ausmaß des behaupteten Ereignisses konkret darzulegen, sondern auch dessen Auswirkungen auf den Fortgang seiner Studien (vgl. -I/10, unter Verweis auf ; , 2006/10/0001, sowie , 2003/10/0118).

4. Der Sohn der Bf. hat den Zivildienst geleistet und mit dem Sommersemester 2016 neben der vorgesehenen Ausbildungszeit von 6 Semestern auch schon das zusätzliche Ausbildungsjahr verbraucht.

Somit ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob eine einen Familienbeihilfenanspruch bewirkende Verlängerung der Studienzeit aufgrund einer Studienbehinderung iSd § 2 Abs 1 lit b 4. und 5. Satz FLAG 1967 vorliegt.

Die Bf. behauptet weder eine Studienbehinderung durch Krankheit noch eine solche im Studien- oder Prüfungsbetrieb der Universität. Sie gibt als Studienbehinderungsgrund an, dass der Hauptdarsteller im Bachelorfilm ihres Sohnes entgegen "früherer Zusagen" erst ab Herbst 2017 zur Verfügung gestanden sei. Damit mag es zwar zu einer Verzögerung im Studienablauf des Sohnes gekommen sein, eine Studienbehinderung iSd § 2 Abs 1 lit b 4. und 5. Satz FLAG 1967 wurde aber in keiner Weise nachgewiesen. Die Bf. behauptet im Vorlageantrag zwar, dass die Nichtverfügbarkeit des Hauptdarstellers des Bachelorfilmes zum vereinbarten Zeitpunkt ein unvorhergesehenes und ein unabwendbares Ereignis war. Sie macht aber keine Angaben dazu, worin genau die Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit gelegen ist. Die Bf. gibt weder an, wann genau der ursprüngliche Filmdreh geplant war und wie lange er gedauert hätte, noch wann der Sohn vom Hauptdarsteller darüber informiert wurde, dass er erst ab Herbst zur Verfügung stehen würde, oder warum genau der Hauptdarsteller erst ab Herbst zur Verfügung gestanden ist. Auch behauptet die Bf. nicht, dass der vom Sohn für seinen Film engagierte Hauptdarsteller nicht durch einen anderen, verfügbaren Schauspieler ersetzbar gewesen wäre. Weiters hat sie keinerlei Angaben über die genaue Dauer der Umstände, die zu der Verzögerung im Studienablauf ihres Sohnes geführt haben, gemacht.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist der Grund für den verspäteten Abschluss des Bakkalaureatsstudiums vielmehr in der individuellen Studienplanung des Sohnes der Bf. zu sehen. Es lagen keine Umstände vor, die es dem Studierenden ohne sein Verschulden unmöglich gemacht haben, das Studium in der vorgesehenen Zeit zu absolvieren. Somit kann von einer Studienbehinderung im streitgegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden, weshalb es nicht zur Zuerkennung eines Verlängerungssemesters kommen kann.

5. Nach § 54 UG 2002 ist ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen. Für die Berechnung der gesetzlichen Studiendauer ist daher ein (daran anschließendes) Masterstudium nicht miteinzubeziehen (vgl. ; die Behandlung der dagegen gerichteten VfGH-Beschwerde wurde mit Beschluss vom , B 1275/11, abgelehnt). Mit dem Abschluss des Bachelorstudiums hat der Studierende seine Berufsausbildung abgeschlossen und ein (später begonnenes) Masterstudium stellt ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche weitere Berufsausbildung dar (vgl. , unter Hinweis auf ), für die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Familienbeihilfeanspruch wieder auflebt (vgl. etwa ).

Im Zeitraum zwischen Abschluss einer Berufsausbildung, die keine Schulausbildung ist, und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung steht jedenfalls keine Familienbeihilfe zu. Da nach § 54 UG 2002 ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen ist, kann auch für den Zeitraum zwischen dem Abschluss des Bachelorstudiums und dem Beginn eines daran anschließenden Masterstudiums keine Familienbeihilfe gewährt werden (vgl. ).

Das Masterstudium hat der Sohn der Bf. erst mit März 2017 begonnen. Somit besteht auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe ab November 2016 (bis Februar 2017).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
unvorhersehbares Ereignis
unabwendbares Ereignis
Studienbehinderung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100195.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at