Gebrauchsabgabe für Öleinfüllstutzen in Gehsteig, der nicht mehr benutzbar ist.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 45/2013 (für 2013 bis 2016), bzw. ABl. der Stadt Wien Nr. 52/2016 (für 2017 und 2018) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 Abgabenstrafen vom , Zahl MA6/2019, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 2. VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 8 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu tragen.
III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 Abgabenstrafen vom , Zahl: MA6/2019, wurde ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschuldigter) für schuldig befunden,
"1. dass er im Jahr 2013 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2013 bis zum mit dem Betrag von € 22,00 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
2. dass er im Jahr 2014 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2014 bis zum mit dem Betrag von € 22,00 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
3. dass er im Jahr 2015 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2015 bis zum mit dem Betrag von € 22,00 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
4. dass er im Jahr 2016 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2016 bis zum mit dem Betrag von € 22,00 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
5. dass er im Jahr 2017 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2017 bis zum mit dem Betrag von € 22,90 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
6. dass er im Jahr 2018 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung eines Einfüllschachtes (< 0,25 m2) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2018 bis zum mit dem Betrag von € 22,90 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
7. dass er im Jahr 2013 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2013 bis zum mit dem Betrag von € 7,50 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
8. dass er im Jahr 2014 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2014 bis zum mit dem Betrag von € 7,50 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
9. dass er im Jahr 2015 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2015 bis zum mit dem Betrag von € 7,50 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
10. dass er im Jahr 2016 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2016 bis zum mit dem Betrag von € 7,50 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
11. dass er im Jahr 2017 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2017 bis zum mit dem Betrag von € 7,80 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
12. dass er im Jahr 2018 vor der Liegenschaft, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Belassung einer Rohrleitung (< 1 Längenmeter) genutzt habe, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2018 bis zum mit dem Betrag von € 7,80 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1. - 4.: § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 45/2013.
5. - 6.: § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 52/2016.
7. - 10.: § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 45/2013.
11. - 12.: § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 52/2016.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werden über Sie folgende Strafen verhängt:
12 Geldstrafen von je € 40,00, falls diese uneinbringlich sind, 12 Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden, gemäß § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBI. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBI. Nr. 45/2013.
Ferner habe der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen: € 120,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafen, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 600,00.
Als Begründung wurde wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 1 Abs. 1 GAG ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Im vorliegenden Fall geht aus einer Anzeige eines Kontrollorganes der Stadt Wien hervor, dass Sie den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, durch die oben angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen haben.
In Ihrem Einspruch wendeten Sie lediglich ein, Sie hätten nie eine Zahlungsaufforderung oder ähnliches erhalten, konkrete Einwände erfolgten nicht.
Einer folgenden Aufforderung zur Rechtfertigung leisteten Sie unentschuldigt keine Folge, sodass die Verfahren wie angedroht gemäß § 42 Abs. 1 VStG ohne weitere Anhörung durchzuführen waren.
Da die Taten letztlich unbestritten blieben, ist es als erwiesen anzusehen, dass Sie der Verpflichtung zur Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis und zur Zahlung der Gebrauchsabgabe nicht nachgekommen sind. Sie haben somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ( ZI.: 87/17/0349).
Gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der Fassung des LGBI. Nr. 45/2013 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis EUR 21.000,- zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird. im Falle der Uneinbringlichkeit ist gemäß § 16 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen festzusetzen.
Die Strafen nehmen ausreichend darauf Bedacht, dass keine Erschwerungsgründe vorliegen.
Mildernd war die nach der Aktenlage bestehende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit.
Eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen kam auch bei Annahme ungünstiger Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht in Betracht, da die verhängten Geldstrafen ohnedies im untersten Bereich der gesetzlichen Strafdrohung liegen.
Die Verschuldensfrage war aufgrund der Aktenlage zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden.
Der Ausspruch über die Kosten ist im § 64 Abs. 2 VStG begründet."
In der Rechtsmittelbelehrung wurde unter anderem wie folgt ausgeführt:
"... Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich bei uns einzubringen..."
Die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde von der Behörde mit Rückscheinbrief RSb angeordnet. Das Straferkenntnis wurde an der Abgabestelle (***1***) nachweislich am übernommen (Übernahmebestätigung RSb) und dagegen mit E-Mail des Beschwerdeführers vom Beschwerde erhoben mit folgendem Inhalt:
"Mit großer Verwunderung ist mir Ihr Straferkenntnis am zugegangen.
1. Ist mir zuvor nie ein Schreiben zugegangen, in dem ich Gelegenheit bekommen habe, mich zum Sachverhalt inhaltlich zu äußern.
2. Ist der Einfüllschacht - meines Wissens nach - technisch unbenutzbar.
3. Bin ich nicht Eigentümer dieser Liegenschaft.
Ich gehe davon aus, daß es sich bei Ihrem Schreiben um einen Irrtum handelt und daß die Sache damit erledigt ist.
Sehen Sie dieses Schreiben folglich als fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Um meine Rechte zu wahren, ergreife ich alle Rechtsmittel, die in der Rechtsmittelbelehrung angeführt sind."
Wie schwierig es war, mit dem Beschwerdeführer in Kontakt zu treten zeigt die Tatsache, dass insgesamt fünf Versuche unternommen werden mussten, um Informationen zur Frage der fristgerechten Einbringung der Beschwerde oder des Vorliegens eines Zustellmangels zu erlangen, die der Beschwerdeführer schließlich mit E-Mail vom übermittelte.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Zur Frage der Zustellung:
§ 2 Zustellgesetz (ZustG): Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. "Empfänger": die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;
2. "Dokument": eine Aufzeichnung, unabhängig von ihrer technischen Form, insbesondere eine behördliche schriftliche Erledigung;
3. "Zustelladresse": eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5);
4. "Abgabestelle": die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;
Die Abgabestelle "Arbeitsplatz" setzt voraus, dass der Erwerbstätige dort regelmäßig zur Verrichtung von Arbeiten anwesend ist (zB ). Arbeitsplatz ist nur der Platz, an dem der Empfänger tatsächlich arbeitet (). Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, ZustellG, § 2, III. Abgabestellen [Rz 24]
§ 16 Abs. 1 ZustG: Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
§ 16 Abs. 5 ZustG: Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
§ 7 ZustG: Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
§ 7 Abs. 4 1. Satz VwGVG: Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen.
Aus dem vom Magistrat vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Zustellung des mit datierten Straferkenntnisses von der Behörde durch die Post mit Rückscheinbrief RSb veranlasst wurde. Das Straferkenntnis enthielt eine rechtsrichtige Rechtsmittelbelehrung. Das Erkenntnis der Magistratsabteilung 6 wurde nachweislich laut unterfertigtem RSb-Rückscheinabschnitt am übernommen.
Die Behörde hat, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, entweder von Amts wegen (§ 39 Abs. 2 AVG) zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist oder dem Rechtsmittelwerber die Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. , , , , , vgl. weiters die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 66 AVG E 82 bis E 88 zitierte hg. Rechtsprechung).
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde den Beschuldigten mit Verspätungsvorhalt vom über das nach der Aktenlage verspätete Rechtsmittel (Beschwerde) in Kenntnis gesetzt und ihm für den Fall, dass er einen Zustellmangel geltend mache, eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens für die Beibringung von Beweismittel eingeräumt. Allerdings konnte dieser Vorhalt wegen Ortsabwesenheit nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Behörde hat auch die Zurückweisung der Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom wegen Ortsabwesenheit nicht zustellen können.
Das Bundesfinanzgericht hat daher mit Vorhalt vom den Beschuldigten um allfällige Stellungnahme und Vorlage von Beweismitteln ersucht für den Fall, dass ein Zustellmangel vorgelegen sein sollte. Der RSb-Rückscheinbrief ist vom Arbeitgeber mit dem Vermerk retourniert worden, dass der Beschwerdeführer bis auf weiteres nicht mehr arbeitet, sodass auch dieses Schreiben nicht zugestellt werden konnte.
Der Beschwerdeführer hat auch auf die E-Mail vom an die von ihm für die Einbringung der Beschwerde verwendete E-Mail-Adresse (***2***) nicht reagiert. Es kam zunächst nicht einmal eine technisch angeforderte Bestätigung, dass die E-Mail den Beschwerdeführer erreicht hat geschweige denn eine Lesebestätigung.
Ein vierter Versuch vom eines Vorhaltes an den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers laut Zentralem Melderegister konnte mit dem Vermerk der Ortsabwesenheit (ohne dass eine Frist angeben wurde) ebenfalls nicht zugestellt werden.
Ein fünfter Versuch eines Vorhaltes vom an den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers laut Zentralem Melderegister, diesmal mit normaler Post ohne Rückschein in der Hoffnung, dass der Beschwerdeführer einen Nachsendeauftrag eingerichtet hätte, kann unbeantwortet bleiben, da mit E-Mail vom eine Antwort eingelangt ist mit folgendem Inhalt:
"Seit dem Frühjahr 2020 gibt es für ***1***-Mitarbeiter die Dienstanweisung, die ***1***-Dienststellen nur zu betreten, wenn dies aus dienstlichen Gründen unbedingt nötig ist. Eine diesbezügliche Interne Mitteilung kann ich gerne nachreichen. In meinem Fall bedeutet das, daß ich maximal einmal pro Woche in das ***1***-Zentrum komme und wenn, dann an einem Freitag.
Aus diesem Grund ist es mir unverständlich, wieso ich die Zusendung laut Rückschein am Montag, übernommen haben sollte. An diesem Tag war ich laut meinem Dienststundenblatt nachweislich im Homeoffice. Tatsächlich ist mir das Schriftstück am Freitag (!), 2.10. zugegangen, da war ich im ***1***-Zentrum. Möglicherweise war der 21.9. der Tag der Hinterlegung, keinesfalls aber der Tag der Abholung. Somit habe ich das Rechtsmittel fristgerecht am eingebracht.
Was den angeblichen Zustellversuch am an der Abgabestelle ***1*** betrifft, teile ich mit, daß ich davon nie Kenntnis erlangt habe. Kommt ein amtliches Schreiben oder ein Paket an der Poststelle 1136 im ***1*** an, so bekommt der Adressat mittels interner Kommunikation ein mail. Ein solches hat mich nie erreicht, somit konnte ich das Schriftstück auch nicht beheben.
Mittlerweile gestaltet sich mein home-office derart, daß ich in manchen Wochen auch nicht an Freitagen das ***1***-Zentrum betrete. Auch verbringe ich die Tage des home-office nicht durchgehend in Wien, daher habe ich mich sowohl für den Dienstort als auch für meinen Hauptwohnsitz ortsabwesend gemeldet, genau deshalb, um allfällige Fristen nicht zu verpassen. Für meinen Dienstgeber bin ich selbstverständlich jederzeit per mail und Telefon erreichbar.
Damit komme ich zur Beantwortung ihrer Fragen:
1. Ist mir das Schreiben der MA 6 - wie oben ausgeführt - nicht am , sondern am zugegangen, meine Beschwerde vom 20.10. war daher fristgerecht eingebracht
2. Bin ich derzeit nicht garantiert an einer Adresse durchgehend anwesend, sodaß die beste Kommunikation mit mir über mail läuft, die Sie nun auch genutzt haben."
Heilung des Zustellmangels
Aufgrund der Dienstanweisung für ***1***-Mitarbeiter, die ***1***-Dienststellen nur zu betreten, wenn dies aus dienstlichen Gründen unbedingt nötig ist, sodass der Beschwerdeführer maximal einmal pro Woche in das ***1***-Zentrum kam und wenn, dann an einem Freitag, kann im Sinne des oben zitierten § 16 Abs. 5 ZustG davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer wegen Abwesenheit von der Abgabestelle (***1***) nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, sodass die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam wurde. Ausgehend von einer Zustellung frühestens am ist die Beschwerde - wie sich erst jetzt aus den Informationen des Beschwerdeführers vom ergeben hat - fristgerecht eingebracht worden, sodass erst aufgrund dieser ergänzenden Informationen überhaupt in der Sache entschieden werden konnte.
Rechtslage:
§ 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nur auf Antrag zulässig. Wenn für die Durchführung eines Vorhabens eine Gebrauchserlaubnis erforderlich ist, gilt als Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis
1. das Ansuchen um Erteilung der baupolizeilichen oder straßenpolizeilichen Bewilligung,
2. die Einreichung nach § 70a der Bauordnung für Wien.
Gemäß § 9 Abs. 1a GAG ist derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.
Gemäß § 12 Abs. 1 GAG ist die Selbstbemessungsabgabe im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. b vom Abgabepflichtigen für jeden Kalendermonat nach dem sich aus dem Tarif ergebenden Hundertsatz bis zum 15. des darauffolgenden Monats zu entrichten.
Gemäß § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 21.000 Euro zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.
Objektive Tatseite:
In vergleichbaren Fällen wurde von der Baupolizei MA 37 Gruppe BB eine Stellungnahme übermittelt, in der zu ersehen ist, dass "bei der Besichtigung vor Ort festgestellt wurde, dass die oben genannte Ölfeuerungsanlage (das sind der Ölbrenner, der Heizkessel, der Öllagerbehälter sowie die Versorgungsleitungen im Kellerbereich) augenscheinlich nicht mehr vorhanden sind. […]
Lediglich die alte Füllstelle und der Füllleitungsteil im Bereich des öffentlichen Gutes (Gehsteig) waren als konsenslose Bestandteile vorhanden. […]
Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde mitgeteilt, dass seines Wissens der Einfüllschacht technisch unbenutzbar ist und er zudem nicht Eigentümer dieser Liegenschaft ist.
Laut Grundbuch steht die Liegenschaft, derzeit im Eigentum von Mag. ***3***. Allerdings war der Beschwerdeführer zu den Tatzeitpunkten bis Eigentümer von 7/10 der Liegenschaft. Der Hinweis, er wäre nicht Eigentümer ist, kann sich daher nur um die aktuelle Situation beziehen.
Der Umstand, dass der Öleinfüllschacht sowie die Rohrleitung nicht mehr zur Betankung einer Ölfeuerungsanlage verwendet worden sind ist für das Entstehen der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebrauchsabgabe nicht maßgeblich, da der Tatbestand des § 9 Abs. 1a GAG auf die Nutzung des öffentlichen Grundes abstellt. Der öffentliche Grund wurde im Beschwerdefall aber durch die Anbringung und das fortgesetzte Bestehen von besagtem Öleinfüllschacht samt Rohrleitung, also durch die Gebrauchsarten der Tarifpost B 1 und der Tarifpost B 8, im Sinne des GAG 1966 benutzt.
Die Abgabepflicht nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz und die Höhe der Abgabenbemessung bestehen zB auch unabhängig davon, ob die Abgabepflichtigen von der ihnen erteilten Gebrauchserlaubnis Gebrauch gemacht haben oder nicht (). Der Festsetzungsbescheid MA 46 wurde am an die Miteigentümer erlassen.
Die objektive Tatseite der Verwaltungsübertretungen der Jahre 2013 bis 2018 ist somit erfüllt.
Subjektive Tatseite
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Zur subjektiven Tatseite bringt der Beschwerdeführer vor, dass der Einfüllschacht seines Wissens technisch nicht benutzbar ist und es sich nur um einen Irrtum der Behörde handeln könne.
Verschulden (wenn es um die unrichtige Beurteilung einer Rechtsfrage oder Unkenntnis von Bestimmungen geht) ist nur dann grundsätzlich zu bejahen, wenn der Entscheidung eine nach den Umständen unvertretbare Rechtsauffassung zugrunde liegt. Nicht jede Rechtsunkenntnis oder jeder Rechtsirrtum ist als Sorgfaltsverletzung oder als schuldhaftes Verhalten zu beurteilen. Wenn es um die unrichtige Beurteilung einer Rechtsfrage geht, ist Verschulden daher nur dann grundsätzlich zu bejahen, wenn der Entscheidung eine nach den Umständen unvertretbare Rechtsauffassung zugrunde liegt. Ob dies der Fall ist, ist stets nach der konkreten Besonderheit des Einzelfalles zu beurteilen (Hinweis ; ).
Angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer wusste, dass der Einfüllschacht technisch unbenutzbar ist, wusste er auch von dessen Existenz. Allerdings ist aufgrund der technischen Unbenutzbarkeit davon auszugehen, dass im Bereich der Liegenschaft, keine Ölheizung mehr vorhanden ist und somit weder ein Bedarf noch die Möglichkeit besteht, die Rohrleitungen zu nutzen. Daher bestand für den Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht bis zur Erlassung des - auch an ihn adressierten - Festsetzungsbescheides der Gebrauchsabgabe für die Jahre 2013 bis 2018 mit Bescheid der Magistratsabteilung 46 vom , GZ. MA 46, auch keine Veranlassung, für einen "Nichtgebrauch" eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und entsprechend Gebrauchsabgaben zu entrichten.
Nicht zuletzt wurden auch vom Magistrat der Stadt Wien keine Vorschreibungen für den Gebrauch des öffentlichen Gemeindegrundes, der dem öffentlichen Verkehr dient, vor der Liegenschaft, an die damaligen Grundstückseigentümer (Mag. ***3*** bzw. den Beschwerdeführer) versendet, sodass dem Beschwerdeführer seine Unkenntnis nicht vorgeworfen werden kann.
Der Vollständigkeit halber bleibt festzuhalten, dass sich aus dem Akt nicht ergibt, wem bei noch benutzbarem Einfüllstutzen und Ölleitung seinerzeit eine Gebrauchserlaubnis bewilligt wurde und von wem die Gebrauchsabgabe entsprechend entrichtet wurde. Im Zweifel - da auch dem angefochtenen Erkenntnis in der Begründung diesbezüglich nichts zu entnehmen war - ist davon auszugehen, dass dies nicht der Beschwerdeführer war.
Da bei Aufwendung jener Sorgfalt, wie sie ein mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundener, besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Täters aufwenden würde, um die Gefahr einer Rechtsgutbeeinträchtigung zu erkennen und hintanzuhalten, für den Beschwerdeführer nicht erkennbar war, dass hier eine Rechtsgutbeeinträchtigung bzw. eine Abgabepflicht entstanden wäre, liegt ein für die Verwaltungsübertretungen der Jahre 2013 bis 2018 geforderte subjektive Tatseite nicht vor.
Kostenentscheidung
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens waren somit nicht festzusetzen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor. Auf die zitierte Judikatur wird verwiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 16 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 16 Abs. 5 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7500859.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at