Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2021, RV/4100429/2017

Ansässigkeit einer seit 1997 bei der gleichen Dienstgeberin in der Schweiz (saisonal) arbeitenden Angestellten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100429/2017-RS1
Da die Bf. Wohnsitze sowohl in Österreich als auch in der Schweiz innehatte, war anhand der engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu ermitteln. Aufgrund der in der Schweiz bezogenen nichtselbständigen Einkünfte war von überwiegenden wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz auszugehen, wobei infolge der inländischen Absicherung in der beschäftigungslosen Zeit (Arbeitslosen- und Krankengeld) auch zu Österreich wirtschaftliche Beziehungen zu erkennen waren. Die engsten persönlichen Beziehungen der Bf. waren hingegen aufgrund der Aufenthalte und Urlaube bei der Stammfamilie, der Beibehaltung des Gewohnheiten in Österreich, der mangelnden gesellschaftlichen Einbindung in der Schweiz sowie der nicht nachgewiesenen länger dauernden Partnerbeziehung in der Schweiz eindeutig Österreich zuzuweisen, sodass bei Würdigung aller vorgebrachten Umstände von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich auszugehen war. Da die Frage der Ansässigkeit der Bf. somit eindeutig für Österreich entschieden war, ist auch kein Verständigungsverfahrens gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. d DBA Schweiz durchzuführen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinI. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vogelsberger Hoffmann Wacker & Partner Steuerberatungs GmbH & Co KG, Olympiastraße 17, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 und 2012 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gleichzeitig werden die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 zum Nachteil der Beschwerdeführerin abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Das Einkommen beträgt 2011 € 36.585,40 und 2012 € 40.147,76.

Die festgesetzte Einkommensteuer beträgt 2011 € 6.211,00 und 2012 € 7.159,00.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die in der Schweiz bezogenen nichtselbstständigen Einkünfte der Jahre 2011 und 2012 (Verfahren GZ. RV/4100429/2017) sowie 2013 und 2015 (Verfahren GZ. RV/4100256/2018) in Österreich (auch "Ö") unter Anrechnung der Schweizer Quellensteuer und unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind oder nicht.

Die Beschwerdeführerin (Bf.), eine österreichische Staatsbürgerin, hat sich seit 1997 in der Schweiz (auch "CH") bei der gleichen Dienstgeberin eine leitende Position erarbeitet.

In den Jahren 2011 bis 2014 bezog die Bf. neben ihren nichtselbstständigen Einkünften in der Schweiz aus bis zum jeweils saisonal (Winter- bzw. Sommersaison) abgeschlossenen Dienstverhältnissen österreichisches Arbeitslosengeld und 2012 für einen Tag Krankengeld.

Die Bf. hatte für die Jahre 2011 bis 2013 und 2015 keine Steuererklärung abgegeben, dies mit der Begründung, dass mangels Ansässigkeit in Österreich hier keine Steuerpflicht gegeben und folglich keine Steuererklärung zu legen sei.

Das Finanzamt bejahte einen Wohnsitz der Bf. sowohl in der Schweiz als auch in Österreich, ging vom Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw. der Ansässigkeit in Österreich aus und erfasste in den Einkommensteuerbescheiden 2011 bis 2013 und 2015 die in der Schweiz bezogenen nichtselbstständigen Einkünfte mangels vorgelegter Erklärung gemäß § 184 BAO im Schätzungswege.

Folgende Eckdaten liegen vor:


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1992
Hatte die Bf. ihre erste Arbeitsstelle im Ferienanlage X in Ort Y (CH) als Rezeptionistin.
1997
Wechsel zu Dienstgeberin, Bf. war Verkäuferin
Mietvertrag über eine Wohnung in Ort CH-1 ("Ort CH-1"), bestehend aus einem Wohn-Schlafraum mit Küche, Bad und WC
Mietvertrag betreffend die Wohnung am Ort.CH-1, bestehend aus Wohnraum und Küche, Schlafzimmer, Bad und WC
- und -
AMS-Bezug in Ö
bis , bis und10.11.2012 bis
AMS-Bezug in Ö
Mai 2012
Kauf eines Kfz in Ö, Marke X, und Zulassung dieses Kfz in Ö
GKK-Bezug in Ö
bis und4.11.2013 bis
AMS-Bezug in Ö
bis 6.7.20141.11.2014 bis
AMS-Bezug in Ö
Abmeldung des Hauptwohnsitzes der Bf. in Ö, ab diesem Tag Nebenwohnsitz (Abfrage ZMR)
Datum des vorgelegten, unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrages als Abteilungsleiterin
Ab
wird die Wohnsitzdauer aufgrund einer B-Bewilligung in der CH bis auf Weiteres (gültig bis ) bestätigt.
Bis
war auf die Bf. ein KFZ in Österreich zugelassen (EKIS-Abfrage).

In der Wohnsitzbestätigung der Gemeinde CH-1 vom ist für die Jahre 2011 bis 2015 folgende Wohnsitzdauer der Bf. am Ort CH-1 angeführt:

- / -
. - / -
- / -
- / -
-
- bis auf weiteres mit B-Bewilligung gültig bis

Auch für die Vorjahre, beginnend mit , sind saisonale Unterbrechungen in der Wohnsitzmeldung ausgewiesen.

In den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 ermittelte das Finanzamt die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Schätzungswege und verwies auf die Begründung des Einkommensteuerbescheides 2014.

In der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2014 sprachen für das Finanzamt unter Hinweis auf diverse rechtliche Ausführungen die persönlichen Beziehungen der Bf. in Österreich für den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich. Laut Zentralem Melderegister sei die Bf. bis einschließlich in Ort A-1 (" Ort A-1") gemeldet und sei bis ihr Kfz in Österreich zugelassen gewesen; die Bezüge der Gebietskrankenkasse und des AMS würden für eine Ansässigkeit in Österreich sprechen. Es wies auch auf die Anwendung des Progressionsvorbehalts hin.

In der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 brachte die Bf. vor, dass es in Österreich an einem Wohnsitz fehle. Dieser sowie der Mittelpunkt der Lebensinteressen seien am Ort CH-1. Sie habe ihren Wohnsitz im Ort CH-1 angemeldet und lebe dort mindestens 10 Monate im Jahr in einer Mietwohnung. Bedingt durch das jahrelang aufrechte Dienstverhältnis sowie beispielsweise die Mitgliedschaft im örtlichen Fitnessstudio sei die Bf. seit geraumer Zeit auch gesellschaftlich im Ort CH-1 integriert; sie habe sich im Verlauf der Jahre einen beständigen Freundeskreis aufgebaut. Zudem lebe sie dort seit längerer Zeit in einer Beziehung. Aus den genannten Umständen verlasse die Bf. den Ort CH-1 nun nur in der Nebensaison und verbringe diese Zeit unter anderem in elterlichen Wohnhaus, wo sie das Kellerzimmer ihrer Schwester mitbewohnen könne. Diese Unterkunft hingegen werde an weniger als 70 Tagen pro Jahr benützt, was die Klassifizierung als Wohnsitz - bei Abgabenpflichtigen, deren Mittelpunkt der Lebensinteressen sich mindestens fünf Jahre im Ausland befand, gemäß Zweitwohnsitz-Verordnung (BGBI II 2003/528) - jedenfalls ausschließe. Für die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat bedürfe es - anders als im Zusammenhang mit dem Wohnsitzbegriff gemäß § 26 BAO - eines "qualifizierten Wohnsitzes" im Sinne des DBA. Laut deutscher BFH-Judikatur gelte ein Wohnsitz als "ständig", wenn er eine im allgemeinen Lebensrhythmus wichtige Anlaufstelle des Steuerpflichtigen darstellt. Ein solcher liege in Österreich nicht vor, weil die Bf. das elterliche Wohnhaus nur hin und wieder in der Nebensaison aufsuche; es fehle folglich an einer regelmäßigen Benutzung.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 im Wesentlichen mit den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Gründen.

Im Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 führte die Bf. aus, 2011 328 Tage, 2012 322 Tage, 2013 und 2014 je 331 Tage in der Schweiz gewohnt zu haben, also ca. 90% des betreffenden Zeitraumes. Lediglich in der Nebensaison habe sich die Bf. zeitweise im Ort A-1 befunden, die andere Zeit in der Nebensaison urlaube sie an anderen Orten. In Ort A-1 habe sie eine Schlafmöglichkeit, die jedoch nicht als Wohnung geeignet sei. Aufgrund ihres Lebensmittelpunktes am Ort CH-1 benötige sie in Österreich auch keine Wohnung.

Durch die lange Dauer (20 Jahre), die die Bf. im Ort CH-1 lebe, seien die persönlichen Bindungen in der Schweiz stärker als in Osterreich. Hier können gerne Zeugenbefragungen angeboten werden. Die Postzustellung erfolge ebenfalls an die Adresse im Ort CH-1. Weiters übermittelte die Bf. die Anmeldung des Telefonanbieters in der Schweiz.

Aus Bequemlichkeit bzw. alter Gewohnheit habe sie das Kfz in Österreich angemeldet. Allein aus dieser Tatsache könne jedoch kein Lebensmittelpunkt abgeleitet werden, zumal sich das Kfz 90% der Zeit in Schweiz befinde.

Auch bezüglich der wirtschaftlichen Beziehungen sei der Lebensmittelpunkt in der Schweiz. Dort habe sie in den betreffenden Jahren den Großteil ihres Einkommens bezogen, mittlerweile beziehe sie es sogar zur Gänze. Über die Jahre habe sich die Bf. eine leitende Position erarbeitet. Für die kurzen Zeiten habe sie in Österreich lediglich AMS-Geld bezogen, das Haupteinkommen jedoch in der Schweiz.

Sollte der Meinung der Bf. zur Ansässigkeit in der Schweiz nicht entsprochen werden, beantrage die Bf. ein Verständigungsverfahren zur Lösung der Ansässigkeitsfrage (Art. 25 - DBA).

Das Finanzamt legte seine schon für 2011 und 2012 vertretene Ansicht den Einkommensteuerbescheiden 2013 und 2015 zugrunde, gegen die die Bf. mit den im Vorverfahren angeführten Gründen Beschwerde erhob. Gegen die abweisende BVE betreffend Einkommensteuer 2013 und 2015 brachte der Bf. den Vorlageantrag ein.

Das Finanzamt hielt im Vorlagebericht ergänzendfest, dass ein Quellensteuerabzug vom Lohn in der Schweiz nur bei Personen vorgesehen sei, die eine ausländische Staatsbürgerschaft und keine Niederlassungsbewilligung (C) besitzen (https://www.ch.ch/de/quellensteuer/). Es sei daher davon auszugehen, dass die Bf. bis in der Schweiz immer nur über Kurzaufenthaltsbewilligungen zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit verfügte.

Beim BFG hat es ein umfangreiches Vorhalteverfahren gegeben.

Die Bf. brachte folgende Unterlagen bei:

  • den Kaufvertrag vom über den Kauf des Kfz in Österreich

  • zur Frage nach den für 2010 bis 2015 maßgeblichen Dienstverträgen den Arbeitsvertrag vom ,

  • die Mietverträge vom und betreffend die Wohnung im Ort CH-1,

  • Stromrechnungen für den Zeitraum Winter 2010/2011 bis Sommer 2015, lautend auf die Dienstgeberin,

  • die Lohnkonten 2010 bis 2015,

  • eine "Bescheinigung über die Zusammenrechnung der Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten" für den Zeitraum ab ,

  • die Wohnsitzmeldung betreffend den Wohnsitz der Bf. im Ort CH-1, beginnend mit bis zum (=Ausstellungsdatum),

  • eine Bestätigung der swisscom, dass die Bf. vom bis bei dieser Gesellschaft einen Festnetzvertrag hatte, und

  • den Vertrag bei der swiss.com vom ,

  • Banknachweise über die Überweisung des Gehalts an die Bf. für 2010 bis 2015,

  • eine Rechnung eines Einrichtungshauses in der Schweiz vom über den Kauf eine Wohnlandschaft.

Die angeforderten

  • Steuerbescheide für 2010 bis 2015 sowie

  • die maßgeblichen Aufenthalts-/Niederlassungs-/ Arbeitsbewilligungen, für den gesamten Zeitraum ihrer Tätigkeit in der Schweiz brachte die Bf. NICHT bei.

Es konnten folgende Feststellungen zum Sachverhalt getroffen werden und wurden zu einzelnen Punkten ergänzende Begründungen vorgebracht:

  • Die Bf. war seit ihrer Geburt bis zum am Ort A-1 mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet; seither ist dieser Ort Nebenwohnsitz (Abfrage Zentrales Melderegister).

  • Seit 1997 ist die Bf. bei der gleichen Dienstgeberin angestellt. Sie verfügte bis zum über Kurzaufenthaltsbewilligungen; die erste auf fünf Jahre befristete Daueraufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung) liegt ab vor.
    (Anm.: zur Erläuterung:
    Aufenthalter einer B-Bewilligung sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich für einen bestimmten Zweck längerfristig mit oder ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten.
    Kurzaufenthalter mit einer L-Bewilligung sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich befristet, in der Regel für weniger als ein Jahr, für einen bestimmten Aufenthaltszweck mit oder ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten. (https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt/eu_efta/ausweis_b_eu_efta.html).

  • Im Zeitraum 2011 bis 2015 lebten im Elternhaus der Bf. am Ort A -1 die Eltern sowie die Schwester und der Schwager der Bf. Das Haus ist im seit 2000 im Eigentum der Schwester (unstrittig, Abfrage im Grundbuch).

  • Die Bf. konnte während und nach dem angefochtenen Beschwerdezeitraum ein Gästezimmer im Keller des Elternhauses, bestehend aus einem 14m2 großen Zimmer, ausgestattet mit einem Bett und Schränken, benützen. Sie hatte keine eigene Küche und kein eigenes Bad, konnte die Räumlichkeiten (der Eltern) mitbenützen. Sie behauptet, keinen eigenen Schlüssel zum Haus zu besitzen. Einen eigenen Stromzähler, TV-Anschluss, etc. gibt es nicht (seitens des Finanzamtes unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Bf.).

  • Die Heimataufenthalte der Bf. erfolgten 2010 an 42 Tagen ( bis und bis ), 2011 an 34 Tagen ( bis und bis ), 2012 an 32 Tagen ( bis und bis ), 2013 an 31 Tagen ( bis und bis ) sowie 2014 an 31 Tagen ( bis und vom bis ). Sie besuchte u. a. ihre Eltern, ihre Schwester mit Mann sowie ihre in der Nähe wohnende Nichte (siehe (Beilage "Heimatbesuche Bf." zum) Schreiben vom ). An welchen anderen Orten die Bf. ihren Urlaub verbrachte und zu welchen Zeiten dies war, gab sie nicht bekannt.

  • Die Bf. hat in ihren Anträgen auf Arbeitslosengeld als "ordentlichen Wohnsitz" die Adresse im Ort A-1 angeführt (unstrittig, Antragsformular).
    Die Bf. begründete die Beantragung des Arbeitslosengeldes in Österreich mit der Empfehlung des damals zuständigen Steuerberaters. Es habe offensichtlich eine Fehlinformation gegeben. Aus heutiger Sicht wäre laut Bf. dieser Antrag mangels unbeschränkter Steuerpflicht in Österreich in der Schweiz zu stellen gewesen (Schreiben vom ).

  • Eine österreichische Kranken-Zusatzversicherung hat die Bf. nicht bekannt gegeben. In den Jahren 2013 und 2015 hat die Bf. Leistungen der Schweizer KrankenversicherungÖKK in Anspruch genommen und abgerechnet (vorgelegte Leistungsabrechnungen).

  • Der Kaufvertrag vom über das erworbene Kfz lautet auf die Bf. Als Adresse ist jene des Ortes A-1 angeführt. Über welches Kfz sie vor der Anmeldung dieses Kfz bzw. ab der Abmeldung am verfügte, gab die Bf. nicht bekannt.
    Den Kauf in Österreich begründete sie noch mit mehreren Empfehlungen und den starken Rabatten. Im Nachhinein erschien für die Bf. dieser Kauf nicht nur im Hinblick auf die falsche Staatszugehörigkeit als Fehlinvestition, die Besteuerung eines Kfz sei in der Schweiz vorteilhafter (Nova, Umsatzsteuer, motorbezogene Kfz-Steuer).

  • Das Gehalt in der Schweiz erhielt die Bf. im Beschwerdezeitraum auf ein Konto einer Schweizer Bank überwiesen (vorgelegte Bankauszüge).

  • Bis zum "Eintritt am ", dem bis Ende 2015 kein "Austritt" folgte, war das Dienstverhältnis immer nur befristet über die jeweilige Saison vereinbart (laut Lohnkonto 2011 z. B. "Eintritt /Austritt " bzw. "Eintritt /Austritt ", etc.).

  • Kirchensteuer hatte die Bf. in Österreich nicht zu leisten, weil sie bei der österreichischen Kirchenbeitragsstelle einen Abzug in der Schweiz mitteilte (Telefonat der Richterin mit der österreichischen Kirchenbeitragsstelle). Die Bf. bestätigte den Abzug über die Lohnsteuer, gab aber - weil die Bf. keine Einwendungen gegen die Bemessungsgrundlagen laut Finanzamt erhoben hat - keine für die Veranlagung zu berücksichtigende Kirchensteuer bekannt (Schreiben vom , Beschluss vom , Schreiben der Bf. vom ).

  • Zur Frage, seit wann sie - wie vorgebracht "seit längerer Zeit" - in der Schweiz in Beziehung lebe, teilte sie drei Namen samt Adresse von drei Männern mit. Sie hätten in jeweils in getrennten Haushalten gelebt. Zeitliche Angaben (zur Dauer der jeweiligen Beziehung) machte die Bf. nicht.

  • Vermieterin der Wohnung der Bf. am Ort CH-1 war die Dienstgeberin. In den Mietverträgen war kein Mietbetrag angeführt. Im "Mietzins" waren "Betriebskosten, wie Heizung, Wasser, Strom inkludiert". Zur Dauer des Mietvertrages war nichts ausgeführt. Im den beiden vorgelegten Mietverträgen ist festgehalten: "Der Mietzins beginnt am / und gilt vorläufig unbefristet."

  • Der Bf. hatte jedenfalls für die Zeiten ihrer Tätigkeit Beträge für "Kost und Logis" an die Dienstgeberin zu zahlen. Welcher Teilbetrag auf "Kost" und welcher auf "Logis" entfällt, gab die Bf. nicht bekannt (Abzug am vorgelegten Lohnkonto).

  • Die in der Wohnsitzbestätigung vom bzw. vom ausgewiesenen Abmeldungen am Wohnsitz im Ort CH-1 während der Zwischensaison in den Jahren 2010 bis 2014 begründete die Bf. mit dem Wunsch des Vermieters auf Abmeldung. Die Betriebskosten habe sie weiterzahlen müssen. Möbel sowie andere Utensilien habe sie nicht ausgeräumt. Die Wohnung im Ort CH-1 sei somit durchgehend bewohnbar gewesen.

  • Seit 2002 hat die Bf. im Ort CH-1 ein Abo in einemFitnessstudio in einem Hotel. Vereinen ist sie - begründet mit Zeitmangel wegen der beruflichen Tätigkeit - nicht beigetreten.

Das Finanzamt vertrat im Verfahren vor dem BFG folgenden Standpunkt:

Unter Hinweis auf die Einbehaltung von Quellensteuer und auf das Erkenntnis des , vertrat es die Ansicht, dass Personen, die nur mit Einkünften aus Quellen dieses Staates steuerpflichtig seien, demnach auch im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1, 2. Satz OECD-Musterabkommen nicht als in diesem Staat ansässig zu werten seien. Im Erkenntnis heißt es wie folgt: "Da die Beschwerdeführerin somit nach nationalen Regelungen im Streitjahr in der Schweiz nicht unbeschränkt steuerpflichtig, sondern nur quellensteuerpflichtig war, gilt sie nicht als in der Schweiz ansässig im Sinne des DBA CH."

Das Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsvertrags, die mit der Dienstgeberin der Bf. abgeschlossenen unbefristeten Mietverträge (ohne Angabe eines Mietentgelts, jedoch mit Abzug von Ersätzen für Kost und Logis am Lohnkonto), die Nachweise über die Abrechnungen ärztlicher Leistungen durch die ÖKK in der Schweiz sowie der Nachweis über den Ankauf eines Möbelstücks in der Schweiz könnten zu keiner anderen rechtlichen Würdigung führen.

Es beantrage die Besteuerung der Schweizer Einkünfte in Österreich laut seiner Darstellung der Bemessungsgrundlage unter Zugrundelegung der Angaben in den Lohnkonten (Stellungnahme des Finanzamtes vom ). Gegen die Zahlen in der Darstellung hat die Bf. keinen Einwand erhoben (weiteres Beschwerdeverfahren).

Bereits mit den handschriftlich unterfertigten Anträgen auf Bezug von Arbeitslosengeld in den Jahren 2011 bis 2014 habe die Bf. mit der Bekanntgabe des ordentlichen Wohnsitzes - nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH jener Ort anzusehen, an dem sich die betreffende Person in der erweislichen Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen (vgl. VwGH vom 87/11/0238) - kundgetan, dass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich gelegen sei. Von einer Fehlinformation könne das Finanzamt daher nicht ausgehen (Stellungnahmen des Finanzamtes vom und vom ).

Demgegenüber liege nach Ansicht der Bf. dem zitierten Erkenntnis des , ein vollkommen anderer Sachverhalt zugrunde. Im Erkenntnisfall - Wohnort in Vorarlberg, Arbeitsort in der Schweiz - sei die Stecke zwischen diesen Orten deutlich kürzer als hier die Strecke zwischen dem vermeintlichen Wohnungsort in Österreich und dem Arbeitsort in der Schweiz (schnellste Route zwischen dem Ort CH-1 und dem unterstellten gewöhnlichen Aufenthalt/Mittelpunkt der Lebensinteressen ca. 400 km, Fahrzeit ca. 4h 25min, vgl. Google Maps). Ein mögliches Pendeln könne somit nahezu ausgeschlossen werden, ein wöchentliches Pendeln in Anbetracht der hohen Arbeitsintensität ebenso.

Weiters sei im Erkenntnisfall die Liegenschaft im Eigentum der Bf. gestanden, die sie ihrer Tochter unentgeltlich zur Verfügung stellte; hier sei die Liegenschaft im Ort A-1 im Eigentum der Schwester. Ein Pauschalbetrag für Betriebskosten könne durchaus als durchlaufender Posten angesehen werden.

Die Bf. meinte, beim Gästezimmer von einem Wohnsitz zu sprechen, sei mehr als großzügig ausgelegt (Vorhaltsbeantwortung vom ).

Sie konnte dem Finanzamt nicht folgen, dass bei Quellensteuerabzug keine Ansässigkeit in der Schweiz vorliegen könne. Sie legte das Schreiben der Gemeinde des Ortes CH-1 vom mit folgendem Inhalt vor:

"Hiermit wird bestätigt, dass bei Kurzaufenthaltsbewilligungen (L-Bewilligung) und bei Daueraufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligung) eine Quellensteuerpflicht besteht.

Mit der Niederlassungsbewilligung (C-Bewilligung) ist eine ordentliche Veranlagung zu machen."

Wie bereits aus dem Wortlaut "Daueraufenthaltsbewilligung" erkennbar, handle es sich dabei um eine durchgehende Aufenthaltsbewilligung, wobei dennoch Quellensteuer einbehalten werde. Aufgrund einer Abzugssteuer lasse sich somit nicht rückschließen, ob ein Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht bestehe, d. h. im Speziellen, ob ein Wohnsitz (gem. § 26 (1) BAO) sowie ein Mittelpunkt der Lebensinteressen (gem. Ar† 4 (2a) lit. a DBA CH) vorhanden sei.

Anders als im Erkenntnisfall würden auch weitere Indizien nicht fehlen, wie ein fester Mobiltelefonvertrag, unbefristete Mietverträge sowie Nachweise über die Abrechnungen ärztlicher Leistungen in der Schweiz. Das zitierte BFG-Erkenntnis bekräftige den Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. in der Schweiz (VB ).

Der Ansicht des Finanzamtes zum "ordentlichen Wohnsitz" im Antrag auf Arbeitslosengeld sei zu entgegnen, dass die Bezeichnung "ordentlicher" Wohnsitz unter Fachleuten sicherlich ein Begriff für den Verweis auf den gewöhnlichen Ort nach §26 BAO sein mag, jedoch könne ein Laie mit diesem Begriff nichts anfangen und begreife die Konsequenzen nicht. Man könne auch nicht erwarten, dass die Bf. beim Ausfüllen nochmals Rücksprache mit einem Fachexperten halte, da dieser Begriff sehr unscheinbar sei und sie sich auf die Vorinformationen verlassen habe. Dass der Bezug des Arbeitslosengeldes zu Unrecht erfolgt sei und refundiert werden müsse, sei außer Zweifel. Dies habe jedoch mit der Angelegenheit einer Steuerveranlagung nur eine bedingte Würdigung.

Im Schreiben vom zog die Bf. ihre Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

ÜBER DIE BESCHWERDE WURDE ERWOGEN:

SACHVERHALT

Das BFG legt seiner Entscheidung die in obiger Tabelle dargestellten Abläufe und die im Beschwerdeverfahren getroffenen Feststellungen zugrunde.

Für die Jahre 2011 und 2012 geht das BFG von folgendem Sachverhalt aus:

Die Bf. hatte sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wohnsitz.

Die Postzustellung von Schriftstücken aus Österreich in die Schweiz ist (jedenfalls für den das Arbeitslosengeld und das Kfz betreffenden Schriftverkehr) nicht nachgewiesen.

Seit 1997 hatte die bei der gleichen Dienstgeberin beschäftigte Bf. in der Schweiz nur Kurzarbeitsbewilligungen. Sie war nur saisonal beschäftigt. Der konkrete Inhalt der Arbeitsverträge für 2010 bis ist nicht bekannt.

Sie bezog in der Schweiz für die Zeit ihrer Beschäftigung ihr Gehalt und zahlte in der Schweiz Quellensteuer. Am Ort CH-1 hatte sie gegen einen nicht näher bestimmbaren Logisbeitrag eine Wohnung, bestehend aus den eingangs festgehaltenen Räumlichkeiten, von ihrer Dienstgeberin "gemietet". In der Zwischensaison meldete sie den Wohnsitz am Ort CH-1 ab. Sie musste die Wohnung in der Zwischensaison nicht räumen. Sie hatte am Ort CH-1 im Beschwerdezeitraum einen Festnetzanschluss bei einer Schweizer Telefongesellschaft.

Eine partnerschaftliche Beziehung in der Schweiz ist für 2011 und 2012 nicht erwiesen. Ein Nachweis für das Fitnessabo in einem Hotel am Arbeitsort liegt nicht vor. Vereinen ist die Bf. in der Schweiz nicht beigetreten. Eine gesellschaftliche Einbindung am Ort CH-1 bzw. der Aufbau eines Freundeskreiseses wird behauptet, ist jedoch nicht erwiesen.

Für 2011 und 2012 liegen keine Nachweise über die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in der Schweiz vor.

Die Zwischensaison verbrachte die Bf. am (Haupt)Wohnsitz im Ort A-1 im Kreise ihrer Familie, konkret bei Eltern, Schwester und Schwager und Nichte. Konkrete Angeben zu anderen Aufenthaltsorten (zu Urlaubszwecken) in der Zwischensaison liegen nicht vor.

In beiden Jahren hat die Bf. in der Zwischensaison österreichisches Arbeitslosengeld (2011 und 2012) bzw. Krankengeld (2012) bezogen. Im Antrag auf Arbeitslosengeld hat die Bf. den Ort A-1 als "ordentlichen Wohnsitz" angegeben.

Im Mai 2012 kaufte die Bf. ein Kfz in Österreich, wo es auch bis zum zugelassen war.

BEWEISWÜRDIGUNG

Die Feststellungen fußen auf dem Inhalt der vorgelegten Akten sowie den im Verfahren vor dem BFG geäußerten Vorbringen der Parteien und den von ihnen vorgelegten Unterlagen.

Die Aussage, dass die Bf. in den Anträgen den Ort A-1 als "ordentlichen Wohnsitz" angegeben hat, ist auf die diesbezüglichen seitens der Bf. unbeanstandet gelassenen Vorhalte des Finanzamtes zurückzuführen.

Die Wohnsitzan- und abmeldungen sind der Abfrage des Zentralen Melderegisters bzw. der Wohnsitzmeldung aus der Schweiz entnommen.

Das Nicht-Erwiesen-Sein einer länger andauernden Beziehung und des Aufbaus eines Freundeskreises basiert auf diesbezüglichen fehlenden konkreten (zeitlichen) Angaben der Bf.

Die Feststellungen zur Zustellung basieren auf der Rechnung für den Kauf des Kfz sowie dem Antragsformular betreffend das Arbeitslosengeld bzw. den fehlenden, die Postzustellung aus Österreich in die Schweiz dokumentierenden Schriftstücken.

RECHTLICHE BEURTEILUNG

Antrag auf MÜNDLICHE VERHANDLUNG:

Die Bf. hat den im Mängelbehebungsauftrag betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 vom gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Schreiben vom zurückgezogen. Da die Bf. diesen Antrag nicht gemäß § 274 Abs. 1 BAO in der Beschwerde oder im Vorlageantrag, sondern in einem ergänzenden Schreiben stellte, hätte ohnehin kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestanden. Die Richterin erachtet es beim vorliegenden Sachverhalt nicht für erforderlich, einen solchen Antrag nach § 274 Abs. 1 Z. 2 BAO zu stellen.

Eine mündliche Verhandlung wird daher nicht durchgeführt.

EINKOMMENSTEUER 2011 und 2012

WOHNSITZE der Bf.

Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nicht nach Doppelbesteuerungsabkommen, sondern ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften.

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. das Erkenntnis des ).

Beide Parteien gehen davon aus, dass die Bf. jedenfalls einen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Während die Bf. das Vorliegen eines Wohnsitzes in Österreich verneint, bejaht das Finanzamt einen solchen.

Unbeschränkt steuerpflichtig sind gemäß §1 Abs. 1 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Nach dem Schweizer Steuersystem sind natürliche Personen mit Wohnsitz oder steuerrechtlichem Aufenthalt in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig. Steuerrechtlicher Aufenthalt:
- Personen, die mind. 30 Tage in der Schweiz erwerbstätig sind, und
- Personen, die sich mind. 90 Tage ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten.

Staatsangehörige, welche die Niederlassungsbewilligung nicht besitzen, sich jedoch in der Schweiz aufhalten und einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen Quellensteuern bezahlen (https://www.ansiedlung-schweiz.ch/fokus-privatpersonen/besteuerung-privatpersonen/#unbeschraenkte-steuerpflicht).

Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand gemäß § 26 Abs. 1 BAO dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Eine Wohnung iSd § 26 Abs. 1 sind Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benützt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (zB ; , 95/13/0150; , 2002/15/0102; , 2007/15/0292; , 2011/15/0133). Die Wohnung muss nicht "standesgemäß" sein (; , 2002/15/0102; Tipke/ Kruse, AO, § 8 Tz 5; Koenig in Koenig, AO 3, § 8 Tz 9) [Ritz, BAO6, Kommentar, Rz. 1 zu § 26 BAO].

Damit Räumlichkeiten nach der Verkehrsauffassung als Wohnung geeignet sind, müssen sie so ausgestattet sein, dass sie es erlauben, sich nicht nur ganz kurzfristig dort aufzuhalten: Die Möglichkeiten zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein ().

Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können (; , 99/15/0104; , 99/15/0008; , 2004/16/0001; , 2007/15/0292). Die bloße Überlassung eines Zimmers zur vorübergehenden Nutzung reicht nicht ().

Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs. 1 MeldeG) ist nicht entscheidend (; , 95/13/0150; , 99/15/0104), kann aber in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten (; , 2004/16/0001). Ebenso Indizwirkung haben etwa die Abmeldung des Telefons und die Tatsache, dass die Wohnung außer einigen Einbaumöbeln leer ist ().

Die Wohnung muss nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden (). Man kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben (zB , 0229, 0230; , 99/15/0104; , 99/15/0008).

Eine ununterbrochene tatsächliche Benützung ist nicht nötig (; BFH , BStBl 1999 II 207; ; , 99/15/0008); es reicht nach dem VwGH-Erk vom , 89/16/0020, wenn die Wohnung jährlich mehrere Wochen (2 bis 3 Monate) benützt wird, wie es z. B. der Fall ist, wenn sich die Person in den Räumen zur Erholung, anlässlich eines Inlandsbesuches, zu Studienzwecken uÄ aufhält. Im Erk vom , 310/69, hat der VwGH eine tatsächliche jährliche Benützung von etwa vier Wochen (im Jahr 1963 und 1965) bzw. von zwei Monaten (im Jahr 1964) für die Annahme eines Wohnsitzes als ausreichend beurteilt (vgl. Ritz, BAO6, Kommentar, Rz. 5 und 9 zu § 26 BAO).

Hatte die Bf. 2011 und 2012 einen Wohnsitz iSd § 26 BAO (auch) in Österreich?

Die Bf. wendet ein, dass das Gästezimmer samt mitbenützten Räumlichkeiten im Haus der Schwester keine Wohnung bzw. kein Wohnsitz sei.

Vorauszuschicken ist, dass die Adresse am Ort A-1 seit Geburt der Bf. bis Mitte des Jahres 2015 der polizeilich gemeldete "Hauptwohnsitz" der Bf. war.

Mag die Bf. kein eigenes Bad und keine eigene Küche zur Verfügung gehabt, sondern diese nur mitbenützt haben, schließt dies das Vorliegen einer "Wohnung" nicht aus. Sollte eine Mitbenützung von Küche und Bad tatsächlich einen Wohnsitz ausschließen, würden letztendlich von z. B. von Eltern mit Kindern und Großeltern bewohnte Wohnungen mit nur einem Bad und einer Küche nach der Argumentation der Bf. keine Wohnung und kein "Wohnsitz" sein können, was aber völlig wirklichkeitsfremd ist. Dass die Bf. am Ort A-1 nicht "die Möglichkeiten zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände" gehabt hätte, ist ihren Vorbringen nicht zu entnehmen.

Die Eintragung der Übergabe des Elternhauses an die Schwester erfolgte bereits im Jahr 2000. Es ist nicht nachvollziehbar und nicht einsichtig, dass - von außen betrachtet - bei der durchgehend bis Mitte 2015 aufrechten Hauptwohnsitzmeldung der Bf. am Ort A-1 auf einmal dort jedenfalls ab 2011 kein "(Haupt)Wohnsitz" mehr vorliegen sollte. Auch wenn der polizeilichen Meldung nur Indizwirkung zukommt, hätte die Bf. doch die Möglichkeit gehabt, mit einer Nebenwohnsitzmeldung bzw. Abmeldung des Hauptwohnsitzes nach außen hin zu dokumentieren, dass sie am Ort A-1 keinen Hauptwohnsitz mehr haben wollte.

Was das "Innehaben" anlangt, so hat die Bf. niemals behauptet, dass ihr die Räumlichkeiten am Ort A-1 nur zeitlich eingeschränkt zur Verfügung gestanden wären oder die Benützung vom Willen ihrer Schwester abhängig gewesen wäre. Die Behauptung, dass die Bf. keinen Schlüssel zum Haus der Schwester gehabt haben und damit die jederzeitige Benützung der Wohnung der Bf. am Ort A-1 ausgeschlossen gewesen sein soll, sieht das BFG als nicht glaubhaft bzw. völlig widersprüchlich zu den Angaben der Bf. an. Hätte sie tatsächlich keinen Schlüssel gehabt bzw. wäre ihr tatsächlich die jederzeitige Benützung der Wohnung am Ort A-1 verwehrt gewesen, so hätte schon die Bf. von sich aus mangels eines "Wohnsitzes" am Ort A-1 diesen Ort niemals als "(ordentlichen) Wohnsitz" in den Anträgen auf Arbeitslosengeld (und vermutlich auch Krankengeld) angeben dürfen. Gerade diesen Ort hat die Bf. selbst aber als "ordentlichen Wohnsitz" deklariert.

Mag sein, dass der Bf. als Laiin die konkrete Bedeutung des "ordentlichen" Wohnsitzes" nicht bewusst war, doch hat sie jedenfalls einen "Wohnsitz" am Ort A-1 gegenüber den Behörden bekannt gegeben. Es darf bei der Bildung der Bf. sehr wohl angenommen werden, dass ihr bewusst war, mit der Deklaration des "ordentlichen Wohnsitzes" zu dokumentieren, in Österreich jedenfalls einen "Wohnsitz" zu haben, ist doch der Begriff des "Wohnsitzes" im Sprachgebrauch weder unüblich noch unklar.

Wenn die Bf. wiederholt einwendet, der Bezug des Arbeitslosen- und Krankengeldes wäre unrechtmäßig erfolgt, so ist zu bemerken, dass sie diesbezüglich in den letzten Jahren von sich aus keinerlei Aktivitäten unternommen hat, diesen aus ihrer Sicht unrechtmäßigen Bezug zu refundieren.

Da für die Qualifikation als Wohnsitz nicht ein dauernder Aufenthalt an diesem Ort gefordert ist, reicht nach Ansicht des BFG der über viele Jahre gepflogene zumindest zweimalige Aufenthalt in der Zwischensaison für das Bejahen eines "Wohnsitzes" am Ort A-1 aus.

Das BFG geht im vorliegenden Fall davon aus, dass die Bf. 2011 und 2012 am Ort A-1 sowohl eine "Wohnung" als auch ihren "Wohnsitz" hatte.

Ein Wohnsitz in der Schweiz ist zwischen den Parteien nicht strittig.

Angemerkt werden darf noch Folgendes:

Was das vom Finanzamt angeführte Erkenntnis vom , anlangt, so hatte die dortige Beschwerdeführerin einen Wohnsitz in der Schweiz nicht nachweisen können. Insoweit lag ein vollkommen anders gelagerter Sachverhalt vor, weil hier die Bf. in der Schweiz einen Wohnsitz hat(te). Demzufolge ist aus diesem Erkenntnis für das gegenständliche Verfahren nichts zu gewinnen. Es ist daher in weiterer Folge zu klären:

In welchem Staat ist/(gilt) die Bf. (als) ANSÄSSIG?

Zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft wurde zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen das Abkommen BGBl. 1975/64 in der Fassung der Abänderungsprotokolle BGBl. 1995/161, BGBl. III 2001/204, BGBl. III 2007/22 (in der Folge kurz: DBA-CH) geschlossen.

Für den vorliegenden Fall sind die Art. 4 Z. 1 und 2 und Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 23 Z. 1 und 2 DBA-CH für die Besteuerung der schweizerischen unselbständigen Einkünfte der Bf. bzw. die Vermeidung der Doppelbesteuerung relevant.

Art. 4 DBA-CH lautet wie folgt:

1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) ......"

b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragstaaten oder in keinem der Vertragstaaten, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragstaaten oder keines Vertragstaates, so verständigen sich die zuständigen Behörden der Vertragstaaten gemäß Artikel 25.

3. Gilt eine natürliche Person nur für einen Teil des Jahres als im Sinne dieses Artikels in einem Vertragsstaat ansässig (Wohnungswechsel), endet die Steuerpflicht, soweit sie an die Ansässigkeit anknüpft, in dem ersten Staate mit dem Ende des Kalendermonats, in dem der Wohnsitzwechsel vollzogen ist. Die Steuerpflicht beginnt, soweit sie an die Ansässigkeit anknüpft, im anderen Staate mit dem Beginn des auf den Wohnsitzwechsel folgenden Kalendermonats.

Art. 15 DBA-CH

Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen gemäß Art. 15 Z. 1 DB-CH Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Art. 23 DBA-CH

Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt gemäß Art. 23 Abs. 1 DBA-CH der erstgenannte Staat, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

Ungeachtet des Absatzes 1 darf Österreich gemäß Art. 23 Abs. 2 DBA-CHEinkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.

Zur "STÄNDIGEN WOHNSTÄTTE":

Eine "ständige Wohnstätte" setzt zum Wohnen geeignete Räume voraus, die der potenziell ansässigen natürlichen Person zur Verfügung stehen. Dabei kann es sich um eigene, gemietete, unentgeltlich zur Verfügung gestellte oder bloß mitbenutzte Räume handeln. Sie müssen allerdings jederzeit zu Wohnzwecken zur Verfügung stehen (vgl. Wassermeyer, in Wassermeyer/Lang/Schuch (Hrsg.), Doppelbesteuerung2, Rn 55; vgl. auch das Urteil des BFH, BStBl. 1986 II 133).

Grundsätzliches zu den "ENGSTEN PERSÖNLICHEN UND WIRTSCHAFTLICHEN BEZIEHUNGEN":

Im Erkenntnis des , ist festgehalten, dass für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ist, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , Ra 2016/15/0057, mwN).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. wiederum ; , Ra 2016/15/0057, mwN).

Für die Jahre 2011 und 2012 stellt sich die Sachlage wie folgt dar:

Aufgrund der Wohnsitze in Österreich und in der Schweiz und der damit verbundenen unbeschränkten Steuerpflicht ist nach Art. 4 Abs. 1 die Bf. in beiden Staaten "ansässig". Demnach ist nach Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH als erstes Kriterium zu prüfen:

In welchem Staat hatte die Bf. in den Jahren 2011 und 2012 eine "ständige Wohnstätte" (Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH)?

Wie der UFS in seiner Berufungsentscheidung vom , RV/0362-F/07, festgehalten hat, deckt sich der Begriff "ständige Wohnstätte" im Sinne des Art. 4 DBA-CH weitgehend mit dem Begriff "Wohnsitz" im Sinne des § 26 BAO. Eine Wohnung, die zeitlich unbefristet zur Verfügung steht, muss nicht in einem bestimmten Mindestumfang genutzt werden. Es genügt, wenn der Steuerpflichtige über die Wohnung ständig verfügen kann und diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit benützt.

Zumal der "Mietzins vorläufig unbefristet" vereinbart war, der Festnetzvertrag für die Wohnung am Ort CH-1 jeweils über das gesamte Jahr lief und die Bf. auch die Wohnung nicht räumen musste, verfügte sie - auch wenn sie in der Zwischensaison, möglicherweise aufgrund der Kurzarbeitsbewilligungen, auf Wunsch des Vermieters eine Wohnsitzabmeldung vornahm - nach Ansicht des BFG in den Jahren 2011 und 2012 am Ort CH-1 über eine "ständige Wohnstätte" iSd DBA-CH.

Wie bereits oben festgehalten, lag in den Jahren 2011 und 2012 am Ort A-1 aufgrund der jederzeitigen Möglichkeit, die Räumlichkeiten zur Befriedigung ihrer Wohnbedürfnisse nutzen zu können, auch in Österreich eine "ständige Wohnstätte" vor.

Da die Bf. in den Jahren 2011 und 2012 in beiden Staaten über eine "ständige Wohnstätte" verfügte, ist in einem weiteren Schritt zu klären:

In welchem Staat hatte die Bf. ihre engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen?

Zu den persönlichen Beziehungen für 2011 und 2012:

Die engsten familiären Beziehungen der Bf. sind in Österreich gelegen. Eine persönliche Nahebeziehung zu ihrem Heimatort ist insbesondere darin gelegen, dass die Bf. über einen Beobachtungszeitraum von jedenfalls mehreren Jahren dort alle ihre Urlaubszeiten mit ihrer "Stammfamilie" verbrachte. Dass und wann sie an anderen Orten Urlaub machte, konnte das BFG mangels konkreter Angaben nicht beurteilen.

Bezüglich der ins Treffen geführten Partnerbeziehung(en) in der Schweiz konnte das BFG mangels konkreter (zeitlicher) Angaben nicht zur Auffassung gelangen, dass die Bf. in der Schweiz "seit längerer Zeit", wenn auch in getrennten Haushalten, in einer Beziehung lebte. Warum es der Bf. nicht möglich war, diesbezüglich konkrete(re) zeitliche Angaben zu machen, hat sie nicht dargetan.

Eine gesellschaftliche Einbindung in Vereine gab es 2011 und 2012 nicht. Selbst wenn das Fitnessabo dergestalt, dass die Bf. die Fitness-Einrichtungen eines Hotels nutzen konnte, in den Jahren 2011 und 2012 bestanden haben soll, ist es für das BFG noch nicht als Zugehörigkeit zu einem Verein zu werten.

Zumal die Bf. mit Beschluss vom zur Vorlage von "4. Angaben samt Unterlagen, die zu dokumentieren vermögen, wo - in der Schweiz oder in Österreich - Ihre "familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen" gelegen sind." aufgefordert wurde, wäre es Sache der Bf. bzw. ihrer steuerlichen Vertretung gewesen, konkrete (!) und nachvollziehbare Beweisanträge zu den möglichen Zeugen - also Namen und Adressen - mit konkreten (!) Beweisthemen zum zwischenzeitig aufgebauten Freundeskreis bzw. zum gesellschaftlichen Eingebunden-Sein in den Ort CH-1 zu stellen. Konkrete Zeugen nannte die Bf. nicht, die zu befragen gewesen wären.

Die Anschaffung des Kfz und seine Anmeldung aus Gründen der Gewohnheit, Bequemlichkeit, mehrerer Empfehlungen und starker Rabatte spricht ebenfalls für die persönlichen Beziehungen der Bf. zum bisher Gewohnten in Österreich. Mag sich im Nachhinein die Anmeldung des Kfz in Österreich als nachteilig herausgestellt haben, so gilt es, das Faktische zu beurteilen. Der Einwand des finanziellen Nachteils vermag nicht die Nähe zu den Gewohnten in Österreich "aus der Welt zu schaffen". Auch ist den gesetzlichen Grundlagen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass die Dauer des Aufenthalts eines Kfz in dem einen oder anderen Staat für die Lösung der Doppelbesteuerung heranzuziehen wäre.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zeigen folgendes Bild:

Unstrittig bestehen starke wirtschaftliche Beziehungen der Bf. zur Schweiz aufgrund ihrer in der Schweiz bezogenen nichtselbstständigen Einkünfte.

Wenn auch vom Sachverhalt anders gelagert, war im Erkenntnis des 3, der Bezug des Arbeitslosengeldes in Österreich unmittelbar anschließend an das Dienstverhältnis im anderen Staat ein gewichtiges Indiz für den in Österreich gelegenen Mittelpunkt der Lebensinteressen.

Demzufolge spricht nach Ansicht des BFG auch hier die wirtschaftliche Absicherung in der Zwischensaison durch Bezug des österreichischen Arbeitslosengeldes zumindest in den Jahren 2011 und 2012 sowie des Krankengeldes im Jahr 2012 für enge wirtschaftliche Beziehungen zu Österreich. Sollte tatsächlich die Auskunft des damaligen Vertreters zur Beantragung des Arbeitslosengeldes in Österreich unrichtig gewesen sein, so ändert dies nichts an der faktischen Inanspruchnahme über einen mehrjährigen Zeitraum. Auf die bis dato nicht erfolgte Refundierung "in Eigenregie" der Bf. darf verwiesen werden.

Die ins Treffen geführte Zustelladresse in der Schweiz lässt sich nur für die Schweizer Angelegenheiten bejahen, ist doch am Festnetzvertrag und am Mietvertrag die Schweizer Adresse ausgewiesen. Für die Angelegenheiten betreffend das Kfz und das Arbeitslosengeld liegt kein Nachweis für eine Schweizer Zustelladresse vor. Andere, die Zustellung in die Schweiz dokumentierenden Unterlagen liegen dem BFG nicht vor. Daher vermag das BFG dem Vorbringen, die Postzustellung würde in die Schweiz erfolgen, nicht zu folgen.

Wenn die Bf. durchklingen lässt, dass aufgrund der langjährigen Beschäftigung in der Schweiz der Mittelpunkt der Lebensinteressen nur in der Schweiz sein konnte, so sind den gesetzlichen Bestimmungen keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass für die hier zu prüfende Ansässigkeit eine Aufenthaltsdauer (nach der Zweitwohnsitzverordnung) heranzuziehen wäre. Auch sprechen die bis zumindest November 2014 nur befristet abgeschlossenen saisonalen Dienstverhältnisse nicht für einen solchen Schluss. Mag auch das BFG im Erkenntnis vom , RV/3101279/2016, bei einem Saisonier in der Schweiz den Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz zugesprochen haben, so lag dem doch ein vom vorliegenden Fall deutlich abweichender Sachverhalt zugrunde. Dort waren eine partnerschaftliche Beziehung und das soziale Umfeld in der Schweiz erwiesen. Ebenso wenig ist ein Arbeitslosen- und Krankengeldbezug in Österreich des dortigen Beschwerdeführers oder eine Kfz-Anmeldung in Österreich evident.

Im vorliegenden Fall gelangt nach Würdigung aller Vorbringen das BFG zu folgender Auffassung:

Die Bf. bezog ihre nichtselbstständigen Einkünfte aus ihrer Arbeit in der Schweiz. Demgemäß sind die wirtschaftlichen Beziehungen zum größeren Teil in der Schweiz gelegen.

Die engsten privaten Beziehungen sind aufgrund der Aufenthalte bei der "Stammfamilie" am Heimatort und der Beibehaltung des Gewohnten beim Kfz in Österreich gelegen. Zu Österreich besteht aber auch eine nicht außer Acht zu lassende wesentliche wirtschaftliche Beziehung aufgrund der Absicherung in der beschäftigungslosen Zeit durch den Bezug des Arbeitslosen- und Krankengeldes (inkl. Zustellung der diese Angelegenheiten betreffenden Schriftstücke).

Das BFG erachtet in einer Gesamtbetrachtung in den Jahren 2011 und 2012 die persönlichen und teilweise auch wirtschaftlichen Beziehungen der Bf. zu Österreich enger als jene aufgrund der Beschäftigung zur Schweiz. Mangels Überzeugung des BFG von einer länger dauernden Beziehung in der Schweiz und der nicht näher dokumentierten gesellschaftlichen Einbindung am Ort CH-1 vermochte die Bf. für das BFG nicht (hinreichend) ihre Behauptung zu dokumentieren, die engsten persönlichen Beziehungen seien in den Jahren 2011 und 2012 in der Schweiz gelegen und enger als jene zu Österreich gewesen.

Demzufolge konnte dem diesbezüglichen Begehren der Bf. nicht gefolgt werden, weshalb die Beschwerde dem Grunde nach als unbegründet abzuweisen war.

Zum Begehren der Bf. auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens darf noch angemerkt werden:

Ein solches ist im Art. 4 Abs. 2 lit. d DBA CH vorgesehen. Dieses Verständigungsverfahren ist erst durchzuführen, wenn nicht anhand vorheriger Kriterien (Art. 4 Abs. 2 lit. a. bis c. leg. cit.) die Feststellung getroffen werden kann, in welchem Staat die Bf. als ansässig gilt.

Im gegenständlichen Fall hat die Beurteilung bereits nach der lit. a leg. cit. ergeben, dass die Bf. aufgrund der engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen als in Österreich ansässig gilt. Das im Art. 4 systematisch später vorgesehene Verständigungsverfahren ist daher nicht durchzuführen.

Zu Höhe der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

In den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 (und der BVE) setzte das Finanzamt die nichtselbstständigen Einkünfte mangels vorgelegter Unterlagen im Schätzungswege fest (jährlich € 20.000,00). Im Beschwerdeverfahren legte das Finanzamt aufgrund der Angaben in den Lohnkonten die seiner Ansicht nach maßgeblichen Bemessungsgrundlagen samt Umrechnungsfaktor in seiner Stellungnahme vom dar. Die Bf. hat gegen die vom Finanzamt angesetzten Beträge keine Einwendungen erhoben. Demnach werden diese Zahlen der Veranlagung zugrunde gelegt und sind die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 zum Nachteil der Bf. abzuändern.

Zum Progressionsvorbehalt:

Die Bf. hat 2011 Arbeitslosengeld in Höhe von € 749,70 (für 17 Tage, - ) und € 749,70 (für 17 Tage, - ), zusammen € 1.499,40, sowie 2012 Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.066,28 (für 23 Tage, - ), € 370,88 (für 8 Tage, - ), €417,24 (für 9 Tage, - ), sowie Krankengeld für 1 Tag Krankenstand während der Arbeitslosigkeit (€ 46,36), zusammen € 1.900,76, erhalten. Diese Beträge sind für die Ermittlung des Steuersatzes heranzuziehen. Diese Vorgehensweise ist dem Grunde nach nicht strittig.

Begründend darf zur nachfolgend dargestellten Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Einkommensteuer festgehalten werden, dass bei der Ermittlung des Steuersatzes {Progressionsvorbehalt) zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet wurden, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf das Einkommen der Bf. angewendet wurde {Umrechnungsvariante). Danach war anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs.2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergibt. Dies hat im gegenständlichen Fall zugetroffen. Es wurde daher auf das ermittelte Einkommen (2011 € 36.525,40, 2012 € 40.147,76) der Tarif angewendet.

Durch das vorliegende Erkenntnis ändern sich die Bemessungsgrundlagen sowie die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer wie folgt:

Einkommensteuer 2011:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug
37.889,00
Aufgrund der Kontrollrechnung nach
§ 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende Einkünfte
1.499,40
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung
auf den Pauschbetrag
- 2.671,00
Pauschbetrag für Werbungskosten
- 132,00
36.585,40
Gesamtbetrag der Einkünfte
36.585,40
Sonderausgaben (§18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
- 60,00
Einkommen
36.525,40
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1
EStG 1988 beträgt:
(36.525,40 - 25.000,00) x 15.125,00/35.000,00
+ 5.110
10.090,62
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
10.090,62
Verkehrsabsetzbetrag
- 291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag
- 54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
9.745,62
Gem. § 67 (1) u. (2) EStG 1988, 6% von 1.733,00
103,98
Einkommensteuer
9.849,60
Ausländische Steuer
- 3.639,00
0,40
Festgesetzte Einkommensteuer
6.211,00

Einkommensteuer 2012:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug
42.189,00
Aufgrund der Kontrollrechnung nach
§ 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende Einkünfte
1.900,76
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung
auf den Pauschbetrag
- 3.750,00
Pauschbetrag für Werbungskosten
- 132,00
40.207,76
Gesamtbetrag der Einkünfte
40.207,76
Sonderausgaben (§18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
- 60,00
Einkommen
40.147,76
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1
EStG 1988 beträgt:
40.147,76 - 25.000,00) x 15.125,00/35.000,00
+ 5.110
11.656,00
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
11.656,00
Verkehrsabsetzbetrag
- 291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag
- 54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
11.311,00
Gem. § 67 (1) u. (2) EStG 1988, 6% von 2.238,00
134,28
Einkommensteuer
11.445,28
Ausländische Steuer
- 4.286,00
- 0,28
Festgesetzte Einkommensteuer
7.159,00

3.3. UN/ZULÄSSIGKEIT einer REVISION

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zumal im gegenständlichen Fall die Gesamtbeurteilung aufgrund der Prüfung von Sachverhaltselementen und der Würdigung vorgelegter Beweismittel vorzunehmen war, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 4 Abs. 1 lit. a DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100429.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at