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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.06.2021, RV/2200003/2021

Verbringung von Bier zu gewerblichen Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rathausstrasse 11, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 700000/36107/2015, betreffend Biersteuer zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zl. 700000/36107/2015, setzte das Zollamt Graz gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß §§ 23, Abs.1 und 2, 7 Abs.1 Z.3, 8 Abs.1 Z.1, 15 Abs.1 Z.1 und 2 Biersteuergesetz (BierStG) iVm § 201 Abs.1, Abs.2 Z.3 und Abs.4 BAO für sieben von der ***1*** an sie im Verfahren der Steueraussetzung erfolgte Lieferungen Biersteuer in Höhe von € 21.255,70 sowie einen Säumnis- und einen Verspätungszuschlag in Höhe von je € 425,11 fest. Die Bf. habe keine der sieben Sendungen in ihr Bierlager aufgenommen, sondern direkt an ihre Abnehmer in Italien und in den Niederlanden geliefert. Aufgrund dieser Unregelmäßigkeit im Verkehr unter Steueraussetzung sei für die einzelnen Lieferungen jeweils die Biersteuerschuld entstanden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte die Bf. im Wesentlichen vor, der Umstand, dass im Verfahren der Steueraussetzung befördertes Bier von ihr nicht körperlich aufgenommen worden sei, stelle keine Unregelmäßigkeit dar, die das Steueraussetzungsverfahren beende und die Steuerschuld entstehen lasse. Da feststehe, dass die Bierlieferungen von den italienischen und holländischen Kunden der Bf. übernommen worden seien und damit ihr jeweiliges Bestimmungsland erreicht hätten, sei eine Vorschreibung der Verbrauchsteuer im Abgangsmitgliedstaat nicht zulässig.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Zollamtes Graz vom , Zl. 700000/36752/2015, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Eingabe vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/2200010/2016, wurde der Beschwerde hinsichtlich einer Lieferung stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass die Biersteuer mit € 18.219,17 sowie der Säumnis- und Verspätungszuschlag mit je € 364,38 festgesetzt wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Lieferung von 1.296 Flaschen Bier am sei in der Verbrauchsteueranmeldung Juli 2014 ordnungsgemäß versteuert worden. Hinsichtlich der übrigen sechs Lieferungen an Kunden in Italien oder in den Niederlanden sei das erste Beförderungsverfahren mangels Aufnahme des Bieres in das Steuerlager der Bf. nicht ordnungsgemäß beendet worden. Zum Vorbringen, dass die Kunden in Italien und in den Niederlanden im zweiten Beförderungsverfahren den Empfang des Bieres bestätigt hätten, wurde festgehalten, dass diese in einem Verfahren der Steueraussetzung angemeldeten Beförderungen nie begonnen hätten, habe doch das verfahrensgegenständliche Bier mangels dessen Aufnahme in das Bierlager der Bf. das in den e-VD angegebene Abgangssteuerlager nie verlassen können.

Gegen dieses Erkenntnis hat die Bf. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0129-6, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung der EuGH (, Rn. 24 und 25) der Abgangsmitgliedstaat nicht für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig ist, wenn sich die Ware bereits zu gewerblichen Zwecken im Bestimmungsmitgliedstaat befindet. Eine Festsetzung der Verbrauchsteuer im Abgangsmitgliedstaat kommt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***1*** hat als Inhaberin eines Steuerlagers EDV-gestützte Verfahren (e-VD) zur Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigem Bier im Verfahren der Steueraussetzung aus ihrem im Steuergebiet liegenden Steuerlager in das Steuerlager (Bierlager) der Bf. eröffnet. In diesen e-VD ist die ***1*** als Versender und deren Steuerlager als Abgangsort ausgewiesen. Als Empfänger der Waren ist die Bf. und als Ort der Lieferung deren Steuerlager (Bierlager) in ***2*** angegeben:


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14ATN0528B00000381508
14ATN0526B00000362816
14ATN0523B00000356590
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14ATN0327B00000069147
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14ATN0207B00000856054

Die Lieferung vom mit einem Lieferumfang von 54 Kartons (1.296 Flaschen) Bier "***3*** 0,355 Liter" wurde von der Bf. in das Steuerlager in ***2*** aufgenommen und mit der Verbrauchsteueranmeldung Juli 2014 ordnungsgemäß versteuert.

Bei den übrigen sechs verfahrensgegenständlichen Lieferungen wurde das Bier von einer Spedition im Auftrag der Bf. am Abgangsort, dem Steuerlager der ***1*** übernommen und noch am selben Tag mit der Lieferung direkt an die Kunden der Bf. in Italien oder in den Niederlanden begonnen. Die Bf. hat den Eingang in ihrem Bierlager in ***2*** gemeldet. Das gemeldete Eingangsdatum ist mit dem im jeweiligen e-VD von der ***1*** angegebenen Versanddatum ident. Eine körperliche Übernahme des Biers in das Bierlager der Bf. hat jedoch nicht stattgefunden. Vielmehr wurde das Bier entgegen den Angaben in den e-VD direkt (bei einer Sendung erst nach erfolgter Zwischenlagerung) vom Steuerlager der ***1*** an die Kunden der Bf. in Italien und in den Niederlanden geliefert. Dazu wurde von der Bf. jeweils ein zweites Beförderungsverfahren eröffnet, in dem die Bf. als Versender und deren Bierlager in ***2*** als Abgangsort ausgewiesen ist. Als Empfänger sind die Kunden in Italien oder in den Niederlanden und als Ort der Lieferung die Steuerlager dieser Kunden angegeben. In allen Fällen wurden von den Kunden in Italien und in den Niederlanden Meldungen über den Eingang des Bieres übermittelt.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Zollamt Graz vorgelegten Verwaltungsaktes, den Verwaltungsakt samt dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/2200010/2016, sowie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0129-6. Der festgestellte Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach Art. 7 Abs.1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 29008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG entsteht der Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt nach Art. 7 Abs.2 Buchstabe a der RL 2008/118/EG die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung.

Die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung aus einem Steuerlager zu einem anderen Steuerlager oder zu einem zugelassenen Empfänger beginnt gemäß Art. 20 Abs.1 der RL 2008/118/EG, wenn die Waren das Abgangssteuerlager verlassen, und endet gemäß Art. 20 Abs.2 leg. cit., wenn der Empfänger die Waren übernommen hat.

Der EuGH hat bereits mehrfach ausgesprochen (, Rn. 35; , C-175/14, Rn. 20 und 21; , C-95/19, Rn. 44), dass eine verbrauchsteuerpflichtige Ware, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist, und sich zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat befindet, im letztgenannten Staat besteuert wird. Der Steueranspruch entsteht somit im Bestimmungsmitgliedstaat der Ware und nicht im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Der Abgangsmitgliedstaat bleibt nur unter der Voraussetzung für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten werden (). Gemäß dem Erkenntnis des ist diese Rechtsprechung auf den gegenständlichen Fall übertragbar. Die Republik Österreich ist zur Erhebung der Verbrauchsteuer in diesen 6 Fällen nicht zuständig.

Da auch der Warenbezug vom zu Unrecht vorgeschrieben wurde, war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde die anhängige Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0129-6, entschieden, eine Revision ist im fortgesetzten Verfahren daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 7 RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom S. 12
Verweise
Ra2018/16/0129
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2200003.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
VAAAC-28387