Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2021, RV/5100172/2013

Firmenwertabschreibung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA XYZ vom betreffend Körperschaftsteuer 2002 bis 2010 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2002 bis 2008 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten sind die Körperschaftsteuerbescheide 2002 bis 2010 und die Anspruchszinsenbescheide 2002 bis 2008.

Die Beschwerdeführerin erzielte in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2002 bis 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Tätigkeit als Reiseveranstalter, Personenbeförderer und Reisebüro, die vom Finanzamt erklärungsgemäß veranlagt wurden (Bescheide vom , , , , , , , , , ).

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung über den Zeitraum 2009 bis 2010 anerkannte die Betriebsprüferin Zahlungen für den Erwerb des Firmenwertes nicht als Lizenzgebühren, aktivierte diese auf den bisher erfassten Firmenwert und anerkannte vom bisher geltend gemachten Aufwand lediglich die Abschreibung. In diesem Sinne erfolgte für das Jahr 2010 die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO; die Vorjahre wurden dementsprechend gemäß § 293 BAO berichtigt (Bescheide vom ).

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom Berufung und beantragte die Absetzung der Lizenzgebühren im Jahr der Bezahlung als Betriebsausgaben, da der Lizenzvertrag als Franchisevertrag zu beurteilen sei. Auf die näheren Ausführungen in der Berufungsschrift und dem in Beantwortung der Stellungnahme der Betriebsprüferin vom erfolgten Schriftsatz vom wird verwiesen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (***Bf1***) wollte Ende 2001 den bis dahin von der ***1*** GmbH geführten Gewerbebetrieb der Sparte Reiseveranstaltungen in Zukunft vollständig allein abwickeln. Um die dadurch notwendige Eingliederung in ihren Bereich durchzuführen, schloss sie am mit der ***1*** GmbH nachstehende Vereinbarungen ab:

Lizenzvertrag

1. Vertragsgegenstand

Die ***1*** GmbH betreibt einen Gewerbebetrieb mit den Sparten Immobilienverwaltung und Reiseveranstaltung. Die Vertragsparteien beabsichtigen, dass die Sparte Reiseveranstaltung der ***1*** GmbH nunmehr vollständig über die ***Bf1*** abgewickelt und in diese eingegliedert werden soll.

In Anbetracht der ungewissen bzw. schwankenden zukünftigen Umsatzerwartungen räumt die ***1*** GmbH (Lizenzgeber) der ***Bf1*** (Lizenznehmer) zur Abgeltung des Firmenwertes ein Nutzungsrecht betreffend sämtlicher Bereiche der Unternehmenssparte Reiseveranstaltung für die Dauer von 7,5 Jahren ein. Nach Ablauf dieses Zeitraumes geht dieser Firmenwert in das Vermögen des Lizenznehmers über.

Dieses Recht zur Nutzung des Firmenwertes wird in Form einer jährlich zu zahlenden Lizenzgebühr (siehe Punkt 3.), welche abhängig ist vom jeweils erzielten Deckungsbetrag, abgegolten.

2. Rechtsstellung des Lizenznehmers

Der Lizenznehmer ist selbständiger Unternehmer. Er ist verpflichtet, alle erforderlichen Schritte durchzuführen, um die erforderliche Gewerbeberechtigung zu erlangen bzw. zu erhalten. Er tätigt alle Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Der Lizenznehmer wird den Lizenzgeber regelmäßig, mindestens vier Mal jährlich (quartalsmäßig) über die Umsatzentwicklung schriftlich informieren. In diesem Zusammenhang ist der Lizenzgeber berechtigt, vom Lizenznehmer jede zweckdienliche Auskunft zu erhalten und bei Bedarf in die Buchhaltung Einsicht zu nehmen.

3. Entgelt

Zur Abgeltung des übertragenen Firmenwertes hat der Lizenznehmer dem Lizenzgeber bereits einen Betrag von 72.672,83 € bezahlt.

Zur Abgeltung des weiteren Firmenwertes zahlt der Lizenznehmer dem Lizenzgeber zudem ein Entgelt in Form einer Lizenzgebühr. Die Höhe beträgt 10 % des jährlichen Deckungsbeitrages mindestens jedoch 12.000,00 € jährlich. Der Deckungsbeitrag errechnet sich aus dem jährlichen Umsatz des Lizenznehmers betreffend die Sparte Reiseveranstaltung abzüglich des jährlichen Aufwandes, welcher für die Reisedurchführung entstehen. Die entsprechenden Werte sind der Buchhaltung des Lizenznehmers zu entnehmen, wobei sich der Umsatz aus dem Gesamtumsatz abzüglich Retailerumsatz und der Aufwand, welcher für die Reisedurchführung entsteht, sich aus dem Gesamtreiseaufwand (ausgenommen Personalaufwand und Kosten der allgemeinen Verwaltung) abzüglich des Aufwandes für den Bereich Retailer zusammensetzt.

Die so errechnete Lizenzgebühr ist bis spätestens 31.3 des folgenden Geschäftsjahres zur Zahlung fällig.

Der Lizenznehmer verpflichtet sich, eine jährliche Abrechnung zu erstellen und die errechnete Lizenzgebühr dem Lizenzgeber bis spätestens 31.12 eines Jahres bekanntzugeben.

Der Lizenzgeber ist berechtigt, die jährlichen Abrechnungen zu überprüfen und etwaige Unklarheiten innerhalb von 8 Tagen schriftlich anzuzeigen. Nach Ablauf dieser Frist ist die vom Lizenznehmer erstellte Abrechnung für beide Teile verbindlich.

4. Vertragsdauer

Das Vertragsverhältnis beginnt am und wird auf die Dauer von 7,5 Jahren abgeschlossen.

Die Vertragspartner haben das Recht, das Vertragsverhältnis jederzeit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn der Vertragspartner eine wesentliche Vertragsbestimmung verletzt.

Solche wichtigen Gründe sind insbesondere:

  • wenn der Lizenznehmer mit der fälligen Lizenzgebühr trotz schriftlicher Mahnung und zweiwöchiger Nachfristsetzung in Verzug ist;

  • wenn über das Vermögen eines der Vertragspartner das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder die Einleitung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde;

  • wenn gegen einen der Vertragspartner Exekutionsmaßnahmen eingeleitet werden und dieses Exekutionsverfahren nicht innerhalb eines Monats eingestellt wird.

Sonstige Auflösungen des Vertrages haben zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich durch separate Vereinbarung zu erfolgen.

Auf die nicht zitierten Vertragspunkte 5. Und 6. wird verwiesen.

Sachverhaltselemente, die auf das Vorliegen eines Franchisevertrages hinweisen, liegen nicht vor.

Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ist unstrittig. Es handelt sich um eine reine Rechtsfrage.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Rechtslage

Gemäß § 8 Abs. 3 EStG 1988 sind die Anschaffungskosten eines Firmenwertes bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und bei Gewerbebetrieben gleichmäßig verteilt auf fünfzehn Jahre abzusetzen.

  • Rechtliche Erwägungen

Körperschaftsteuerbescheide 2002 bis 2010

Mit Vertrag vom räumte die ***1*** GmbH der Beschwerdeführerin in Anbetracht der ungewissen bzw. schwankenden zukünftigen Umsatzerwartungen zur Abgeltung des Firmenwertes ein Nutzungsrecht betreffend sämtlicher Bereiche der Unternehmenssparte Reiseveranstaltungen auf die Dauer von 7,5 Jahren ein; nach den Bestimmungen sollte der Firmenwert nach Ablauf dieses Zeitraumes auf die Beschwerdeführerin übergehen.

Strittig ist, ob die aufgrund der als Lizenzvertrag bezeichneten Vereinbarung vom zu leistenden Zahlungen Entgelte für den Erwerb des Firmenwertes darstellen oder es sich um sofort abzusetzenden Aufwand handelt.

Als Firmenwert gilt jener Wert des Betriebes, der nicht einzeln betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgütern zugeordnet werden kann, sondern sich als Mehrwert über den Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter hinaus ergibt und durch das Unternehmen als Ganzes vermittelt wird. Dieser Wert ist gleichmäßig verteilt auf fünfzehn Jahre abzusetzen (Jakom, Kanduth-Kristen, EStG, 2019, § 8 Rz 46, 50).

Im Abgabenrecht sind entsprechend der dort geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise Rechtsgeschäfte nach dem tatsächlichen Inhalt steuerlich zu beurteilen. Es ist daher die Bezeichnung der zu prüfenden Vereinbarung als "Lizenzvertrag" von keiner rechtlichen Relevanz. Aus der getroffenen Vereinbarung ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerdeführerin die Sparte Reiseveranstaltungen von der ***1*** GmbH übernehmen solle. Für den bis dahin aufgebauten Firmenwert wurde in Pkt. 3 eine Abgeltung in Form einer Kombination aus einem fixen und einem variablen Kaufpreis vereinbart:

  • fix: einmalige Zahlung von 72.672,83 €

  • variabel: Anknüpfungspunkt ist die Umsatzentwicklung der Sparte Reiseveranstaltungen bei der Beschwerdeführerin in den nächsten 7,5 Jahren (10 % des jährlichen Deckungsbeitrages, mindestens 12.000 €).

Aufgrund der Tatsache, dass nach Ablauf der 7,5 Jahre der Firmenwert ohne eine weitere Entgeltsleistung in das Vermögen der Beschwerdeführerin übergehen solle, kann von einer bloßen Überlassung des Firmenwertes zur Nutzung nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist bereits aufgrund der Vereinbarung vom eine Veräußerung des Firmenwertes durch die ***1*** GmbH erfolgt; die Beschwerdeführerin ist zu diesem Zeitpunkt bereits wirtschaftliche Eigentümerin der Sparte Reiseveranstaltungen (samt Firmenwert) geworden.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, es liege ein Franchisevertrag vor (Hintergrund der Vereinbarung sei gewesen, eine ganz bestimmte Art von Reisen, die der Seniorchef aufgebaut habe, in den Betrieb der Beschwerdeführerin zu integrieren), ist dies - nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - mangels Vorliegens der typischen Merkmale eines Franchisevertrages zu verneinen:

  • Der Beschwerdeführerin wurde nicht das Recht eingeräumt, bestimmte Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung von Namen, Marke, Ausstattung etc. sowie der gewerblichen und technischen Erfahrung des Franchisegebers und zwar unter Beachtung des von diesem entwickelten Organisations- und Werbesystems zu vertreiben (vgl. Würth in Rummel, ABGB3, § 1090 Rz 16a). Vielmehr sieht die getroffene Vereinbarung nur die Übernahme der Sparte Reiseveranstaltungen gegen Abgeltung des von der ***1*** GmbH geschaffenen Firmenwertes vor, wobei hinsichtlich der Führung der übergebenen Sparte die ***1*** GmbH keine Vorgaben vorschrieb.

  • Die ***1*** GmbH hat mit Übergabe der Sparte Reiseveranstaltungen keine Verpflichtungen zur Beistandsleistung, zur Erteilung von Rat und zur Abhaltung von Schulungen übernommen.

Die in der Beschwerde dargestellten Umstände (Aufbau einer besonderen Art von Reiseveranstaltungen) zeigen lediglich, dass hinsichtlich der Abgeltung des Firmenwertes Unsicherheiten bestanden haben. Dies wurde dadurch gelöst, dass der Kaufpreis in eine fixe und variable Komponente gesplittet wurde.

Unter diesen Voraussetzungen ist dem Finanzamt zuzustimmen, dass es sich bei den jährlichen Zahlungen um nachträgliche Erhöhungen des Kaufpreises handelt, die sich erst im Zeitpunkt auswirken, zu dem das die Anschaffungskosten ändernde Ereignis (Ermittlung des jeweiligen Jahresumsatzes abzüglich des diesbezüglichen Aufwandes) eingetreten ist.

Da der Firmenwert gemäß § 8 Abs. 3 EStG 1988 zwingend auf 15 Jahre abzuschreiben ist, sind die jährlichen Zahlungen über die jeweilige Restnutzungsdauer zu berücksichtigen (vgl. ; Puchner, Steuerliche Implikationen auf die Firmenwertabschreibung bei nachträglichen Kaufpreisanpassungen, ZUS 2011/90, 25).

Anspruchszinsenbescheide 2002 bis 2008

Gemäß § 205 BAO sind Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Spruch der bekämpften Körperschaftsteuerbescheide ausgewiesenen Nachforderungen gebunden. Sie sind daher nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, dass die Grundlagenbescheide inhaltlich rechtswidrig wären (zB ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage der Abschreibung von Firmenwerten liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100172.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at