Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2021, RV/2101192/2019

Ermessensübung wegen langer Dauer des Verfahrens

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2101192/2019-RS1
Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits lange verstrichenen Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides als auch die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens vor der Abgabenbehörde überwog im gegenständlichen Fall die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung, sodass unter weiterer Beachtung der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Entstehung der Abgabenansprüche die Einschränkung der Haftungsbeträge im Rahmen des Ermessens um 60% gerechtfertigt erscheint und der Beschwerde insoweit teilweise stattzugeben war (siehe bspw. ; , 2012/16/0140; , Ra 2014/16/0026; , Ro 2014/16/0066).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Richterin 1***, die Richterin ***Richterin 2*** sowie die fachkundigen Laienrichter Laienrichter 1 und Laienrichter 2 in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers, Adresse Bf., vertreten durch die steuerliche Vertretung GmbH, Adresse StV, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Inanspruchnahme zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers ***SF*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden in Höhe von insgesamt 10.026,07 Euro eingeschränkt. Die einzelnen Haftungsbeträge setzen sich wie folgt zusammen:


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Lohnsteuer
Zeitraum
Betrag in Euro
01/2010
1.084,44
02/2010
1.161,12
03/2010
659,56
04/2010
325,00
05/2010
325,00
08/2009
1.151,97
09/2009
1.319,78
10/2009
1.345,30
12/2009
955,68
Dienstgeberbeitrag
01/2010
294,02
03/2010
193,63
04/2010
10109,60
09/2009
13,61
10/2009
11,46
KöSt-VZ
0103/2010
139,84
04-06/2010
139,84
Umsatzsteuer
2008
716,65,
09/2009
13,48
12/2009
66,09
Summe
10.026,07

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (in der Folge =Bf.) gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***GmbH*** (in der Folge GmbH) in Anspruch genommen:

Der Bf. war alleiniger und selbständige Geschäftsführer sowie Alleingesellschafter der GmbH.
Mit Beschluss des Gerichtes vom wurde über die GmbH das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet.
Mit Beschluss des Gerichtes vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Die Sanierungsquote betrug 20%.

Infolge der Uneinbringlichkeit der offenen Abgabenforderungen bei der GmbH forderte das Finanzamt den Bf. mit Vorhalt vom auf, im Hinblick auf die offenen, von der Quote nicht gedeckten Abgabenschuldigkeiten der GmbH, die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers mit den übrigen Gläubigern an Hand der zu den Fälligkeitszeitpunkten vorhanden liquiden Mittel darzustellen.
Dieser Vorhalt wurde hinterlegt und vom Bf. nicht behoben, folglich auch nicht beantwortet.

A) Das Finanzamt erließ in der Folge am den angefochtenen Haftungsbescheid.

B) Innerhalb der verlängerten Beschwerdefrist brachte der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde gegen den Haftungsbescheid ein.
Der Bf. führte darin aus:
a) Verjährung:
Der Haftungsbescheid sei am ergangen.
Der Dienstgeberbeitrag (=DB) 2006 und 2007 sowie die Lohnsteuer 2007 seien nach einer Lohnsteuer - Prüfung mit Bescheiden vom erstmals gegenüber der GmbH geltend gemacht worden.
Nach § 224 Abs. 3 BAO sei die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt des der Verjährung des Rechtes auf Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Die Haftungsinanspruchnahme des Bf. mit dem angefochtenen Bescheid vom für diese Abgaben sei verjährt, weil die verlängerte Verjährungsfrist von sechs Jahren ( und ) gegenüber dem Bf. für diese Abgaben bereits abgelaufen sei.

b) Formelle Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides:
Der Haftungsbescheid lasse nicht erkennen, ob die Umsatzsteuer 07/2009 im Haftungsumfang von 47.541,77 bescheidmäßig festgesetzt und somit nach § 248 BAO bekämpfbar sei.
Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe der Haftungsbescheid diesen Hinweis zu enthalten.
Das Fehlen dieses Hinweises könne von der Abgabenbehörde im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden.

c) Gläubigergleichbehandlung:
Der angefochtene Bescheid führe aus, dass der Bf. der Nachweis der ihm aufgetragenen Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht habe.
Die Gläubigergleichbehandlung habe nicht wie von der Behörde verlangt nach Stichtagen (Fälligkeitstagen), sondern Zeitraumbezogen zu erfolgen.
Außerdem komme es nicht auf die vorhandenen liquiden Mittel, sondern auf die erfolgten Zahlungen an (UFS RV/2322-W/05 u.a.).
Als Betrachtungszeitraum Zeitraum werde die Spanne von (Umsatzsteuer 07/2009) und (Insolvenzeröffnung) angesetzt.

Berechnung wie folgt:


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Liquide Mittel aus Bareinnahmen
180.970,09 Euro
Zuzüglich geschätzte Änderungen
von Forderungen

144.189,18 Euro
Summe liquide Mittel
325.159,27 Euro
Aufwendungen lt. Buchhaltung,
bereinigt um die unbaren
Aufwendungen im Schätzungswege
=bare Aufwendungen



454.732,89 Euro
Gesamtverbindlichkeiten inklusive Abgabenverbindlichkeiten
5.612.812,63 Euro
Gegenüberstellung der liquiden Mittel zu Gesamtverbindlichkeit
Entrichtete Quote
rund 5,8 %

Die baren Einnahmen und Ausgaben beinhalteten nicht nur freiwillige "Zug um Zug Geschäfte" sowie Zahlungen auf Grund von Exekutionen.
Der Abgabegläubiger habe im Betrachtungszeitraum rund 22,8% seiner Forderungen erhalten.
Es liege deshalb weder ein Quotenschaden, noch ein pflichtwidriges Verhalten des Bf. vor.
Aus diesen Gründen werde die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides verlangt.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom ersuchte das Finanzamt die übrigen Forderungen zu und nach dem Fälligkeitszeitpunkt der Abgabenschuldigkeiten darzustellen.
Eine monatsweise Darstellung genüge danach, obwohl nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stichtagsbezogene Aufstellungen vorzulegen seien.
Die vorgelegte zeitraumbezogene Aufstellung von nahezu einem Jahr sei nicht zulässig.
Bei den Aufstellungen sei von der Mitteltheorie () auszugehen.
Die Bankverbindlichkeiten seien nachzuweisen und etwaige Fälligstellungen zu übermitteln.

Der Bf. antwortete mit Schriftsatz vom wie folgt:

Nach ständiger Rechtsprechung ( iehe ) dürfe die Sorgfalts- und Mitwirkungspflicht nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden.
Nach diesem Erkenntnis sei auch eine überschlagsmäßige Ermittlung der Quote zulässig.
Die GmbH habe außerdem seit rund 2009 bis zur Insolvenzeröffnung ausschließlich mit dem vorhandenen Kreditrahmen gearbeitet, ein positiver Geldmittelstand sei nicht vorhanden gewesen (siehe dazu eingereichte Bilanzen zum und 2010).
Jede Zahlung von Abgabenschuldigkeiten hätte zur Erhöhung der Kreditverbindlichkeiten geführt. Nach herrschender Rechtsprechung müsse der Vertreter für die Entrichtung von Abgaben keine neuen Kredite aufnehmen.

Der Bf. ersuchte die Abgabenbehörde, ihm die Methode zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung bekanntzugeben.
Die Berechnung laut Beilage ./1 zur Beschwerde sei nach den UFS-Entscheidungen vom , RV/2322-W/05; , RV/1907-W/07, , RV/1409-L/07 erfolgt.
Die Behörde möge mitteilen, welche stichtags- und monatbezogenen Parameter bei der Ermittlung der Quote durch den Bf. vermischt worden seien, um diese richtig stellen zu können.


Das Finanzamt nahm mit Ersuchen um Ergänzung vom dazu wie folgt Stellung:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung - bezogen - auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte dem Vertreter der GmbH (vgl. Ritz, BAO , 5. Auflage, § 9 Rz 27 mit den dort zitierten Nachweisen).

Für den Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger sei eine rechnerische Darstellung vorzulegen. Der Vertreter müsse nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allfällig vorliegende Gründe, die ihn an der Begleichung der Abgabenschuld am oder nach dem Fälligkeitstag gehindert haben ().
Es stehe ihm aber frei, die maßgebliche finanzielle Situation ab Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen auch auf andere Weise einwandfrei bekannt zu geben.
Bei Erbringung des Nachweises treffe den Vertreter eine qualifizierte Mitwirkungspflicht, widrigenfalls eine Haftungsinanspruchnahme zur Gänze gerechtfertigt sei (vgl. Ritz, BAO, 5.Auflage , § 9 Rz 27 mit Nachweisen).
Es seien nur fällige Forderungen in die Berechnung des Quotenschadens einzubeziehen ().
Diese Ansicht stütze sich daraus, dass ein Schuldner die ihm zur Verfügung stehenden liquiden Mittel gleichmäßig auf die fälligen Forderungen zu verteilen habe.
Bei einem Kredit, der nicht fällig gestellt wurde, habe das Kreditinstitut nur Anspruch auf die vereinbarten monatlichen Zahlungen (Raten plus Zinsen). Die gesamte Kreditverbindlichkeit sei deshalb nicht in die Quotenberechnung miteinzubeziehen.

Der Bf. liste in seiner Aufstellung, Beilage./1, Bankverbindlichkeiten von rund 5.000.000 Euro auf.
Um welche Bankverbindlichkeiten im Einzelnen handle es sich? Um Darstellung der Konten, Fälligkeitstage, monatlichen Raten und Vorlage der Kreditverträge werde gebeten.

Durchrechnungszeiträume würden anerkannt werden, aber nur monatsweise und nicht für elf Monate durchgehend.
Die von der Bf. vorgelegte Aufstellung sei zu konkretisieren. Die einzelnen Positionen seien monatsweise zu erörtern, bspw. die Zusammensetzung der Barmittel (Kassabestände, Bankguthaben, etc.).

Mit Schriftsatz vom beantwortete der Bf. das Ersuchen um Ergänzung vom wie folgt:
1) Mögliche und zumutbare Mitwirkungspflichten:
Aus der doppelten Buchhaltung erließe sich die von der Abgabenbehörde geforderte Geldflussrechnung nur mit hohem Aufwand erstellen.

Kleine Unternehmungen, wie das der GmbH würden die elektronischen Stammdaten der Kunden und Lieferanten nicht auf Fälligkeiten pflegen.
Eine nachträgliche Berechnung der Fälligkeiten und Quoten sei nur mit hohem materiellen Aufwand verbunden, der in keinem Verhältnis der zu erhaltenden Information stünde.

2) Selbst bei Außerachtlassung sämtlicher Bankverbindlichkeiten ergebe sich kein Quotenschaden für den Abgabengläubiger.
Aufstellung in Euro


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Erlöse laut Saldenliste 09/2009 bis 08/2020
180.970,09
Einbringliche Forderungen aus Lieferunegn leistungen
144.189,18
Zur Verfügung stehende Geldmittel
325.159,27
Fällige Verbindlichkeiten 09/2009 bis 08/2010
Gehaltsforderungen IEF Service GmbH
234.043,00
Zuzüglich Verbindlichkeiten laut Beilage
544.934,44
Abzüglich Kreditverbindlichkeiten Volksbank
-36.534,45
Abzüglich Kreditverbindlichkeiten Bank Austria
-157.905,00
Zuzüglich Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
552.747,80
Zuzüglich vereinnahmte Geldmittel (siehe oben),
da mit diesen Geldmitteln wohl Verbindlichkeiten bezahlt wurden
325.159,27
Summe der fälligen Verbindlichkeiten
1.462.445,06
Quote
22,33%

Wie bereits in der Beschwerde vorgebracht, wurden im Zeitraum 09/2009 bis 08/2010 die Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß 22,77 % getilgt.
Eine Gläubigerbenachteiligung des Fiskus habe es folglich nicht gegeben.

3. Zeitraum für Berechnungsmethode
Es werde noch einmal auf die bereits in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des UFS verwiesen, wonach ein längerer Durchrechnungszeitraum als ein Monat zulässig sei.
Dies führe auch zu einem faireren Ergebnis für die Gläubiger und zu einem sachgerechteren Ergebnis.

Es werde die Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt.

C) Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte darin aus:

Rechtliche Würdigung

Zum Einwand der Verjährung der Lohnabgaben 2006 und 2007:

Gehe bei Selbstberechnungsabgaben, bei denen die GmbH zum Steuerabzug und zur Steuerabfuhr verpflichtet sei (zB Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer), einem Haftungsbescheid an den Geschäftsführer ein Abzugsteuerhaftungsbescheid an die GmbH voran, so sei die Behörde im Haftungsverfahren des Geschäftsführers auch an den Abzugsteuerhaftungsbescheid gebunden und habe sich in der Entscheidung über die Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Hohe der Abgabe grundsätzlich an den Abzugsteuerhaftungsbescheid zu halten (dies gelte ausdrücklich auch für Bescheide nach § 202 BAO, ).
Sei der GmbH gegenüber mit Abzugsteuerhaftungsbescheid (§ 202 BAO) eine Nachforderung betreffend Abzugsteuer geltend gemacht, so bedürfe es keines ,,gesonderten" Bescheides über den Abgabenanspruch, um die Haftung für diese Abgaben gegenüber dem Geschäftsführer geltend zu machen (siehe Rauscher, Die Haftung des Geschäftsführers für Steuern und Abgaben, 2016, S 17).

Entgegen der Auffassung des Bf. könne es sich hier nicht gemäß § 224 Abs. 3 BAO um die erstmalige Geltendmachung des Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides vom handeln, weil die Lohnabgaben erstmals schon am gemäß § 202 Abs. 1 iVm § 201 BAO bzw. § 201 BAO gegenüber der vertretenen (GmbH) festgesetzt worden seien.
Wäre die Geltendmachung des Abgabenanspruches betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1 BAO) gegenüber der GmbH zum damaligen Zeitpunkt (Erstfestsetzung) bereits verjährt gewesen, könnte dies der Haftungspflichtige im Rahmen einer Bescheidbeschwerde gemäß § 248 BAO mit Erfolg einwenden, weil die Formulierung ,,auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch" in § 248 BAO auch Haftungsbescheide umfasse (n. ErIRV 128 BlgNR 15. GP 39, zur Novelle BGBI. Nr. 151/1980).


Vorbringen zur Gläubigergleichbehandlung
Die Abgabenbehörde habe mittels dreier Vorhalte (Haftungsvorhalt, 2 Ergänzungsersuchen) versucht, den konkreten Nachweis der Gläubigergleichbehandlung anzufordern. Der Bf. argumentierte, das Finanzamt beharre auf einer "überspannten Mitwirkungspflicht" hinsichtlich der stichtagsbezogenen bzw. monatsweisen Darstellung der liquiden Mittel in Relation zu den fälligen Verbindlichkeiten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hafte der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dem Vertreter obliege es, entsprechende Beweisvorsorgen -etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten könne, sei schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. etwa mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen dürfe.
Habe der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so dürfe die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich gewesen sei (vgl. ).
Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung habe zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. ).
Dem Vertreter obliege es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen

Dem Bf. als Vertreter der GmbH sei es oblegen, den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (; , 2004/14/0030).

Da der Bf. trotz mehrfachen Aufforderungen keine rechnerische Darstellung der quotenmäßigen Gleichbehandlung aller Gläubiger übermittelt habe, habe er seine abgabenrechtlichen Pflichten als ehemaliger Vertreter der GmbH verletzt und weshalb die Schlechterstellung des Finanzamtes zu 100% anzunehmen sei.
Folglich sei die Haftung für den gesamten Abgabenrückstand auszuspechen ().

Die Beschwerde sei deshalb abzuweisen gewesen.

D) Die Bf. brachte in der Folge den Vorlageantrag vom ein.

Der Vorlageantrag enthält kein weiteres Vorbringen des Bf.

Das Bundesfinanzgericht beauftragte den Bf. mit Vorhalt vom19.08.2020 noch einmal die Nachweise für die Gläubigergleichbehandlung vorzulegen.

Mit Vorhaltbeantwortung vom legte der Bf. schließlich eine monatsweise Aufstellung (Beilage./10) der Zahlungsquoten betreffend die laufend fälligen Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum unter Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten des Finanzamtes sowie deren Entrichtung vor.
Die sich daraus ergebenden Quoten zeigen jeweils auf, ob und in welchem Ausmaß das Finanzamt gegenüber den übrigen Gläubigern benachteiligt wurde oder nicht.
Dieser Aufstellung sind diverse Auszüge aus der Buchhaltung beigelegt, die die Berechnungsgrundlage der Quoten darstellen.

In dieser Vorhaltbeantwortung vom an das Bundesfinanzgericht ging der Bf. erstmals auf das Ermessen ein.
Er verwies auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. und seine Krankheit.
Der Bf. befinde sich im 73 Lebensjahr, leide an Morbus Parkinson und hohem Blutdruck und einer Reihe weiterer gesundheitlicher Einschränkungen.
Der Bf. sei in zweiter Ehe verheiratet und habe noch Unterhaltspflichten für zwei Kinder im Alter von 23 und 16 Jahren.
Er habe außerdem Unterhaltspflichten gegenüber seiner ersten Frau in Höhe von monatlich ca. 1.400 Euro und zusätzlich würden monatlich 474 Euro von seiner Alterspension exekutiv zu Gunsten einer Bank einbehalten.
Darüber hinaus gebe es noch weitere offenen Exekutionen. Der Bf. besitze kein nennenswertes Vermögen.

Der Bf. verwies des Weiteren auf die lange Verfahrensdauer im Beschwerdefall.
Das Sanierungsverfahren über die GmbH sei am aufgehoben worden, der Haftungsbescheid sei aber erst am erlassen worden.
Er habe die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid am eingebracht und den letzten Vorhalt vor der Beschwerdevorentscheidung am beantwortet.

Die Beschwerdevorentscheidung sei schließlich erst am ergangen. Die Zeitspanne zwischen der Vorhaltbeantwortung am und dem Ergehen der Beschwerdevorentscheidung am betrage fast vier Jahre. Die lange Dauer sei alleine von der Abgabenbehörde verursacht.
Im Zuge der Verfahrensdauer von fast acht Jahren hätten sich der Gesundheitszustand und die wirtschaftliche Situation des Bf. derart verschlechtert, dass ihm eine Haftung nicht mehr zugemutet werden könne.
Das Bundesfinanzgericht möge im Rahmen des Ermessens berücksichtigen, dass der Bf. auf Grund seiner gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation keine finanzielle Dispositionsfähigkeit mehr habe. Die Inanspruchnahme zur Haftung würde die ohnehin schon fragliche Existenz des Bf. zur Gänze zerstören.

Das Bundesfinanzgericht legte die nunmehr vorgelegten Unterlagen dem Finanzamt zur Stellungnahme vor.
In einem E-Mail vom brachte das Finanzamt vor, dass hinsichtlich einiger Fälligkeiten noch Unklarheiten hinsichtlich der Quotenberechnung vorlägen.

In der mündlichen Verhandlung am konnten diese offenen Frage zum Teil geklärt werden und die Richtigkeit der Quotenberechnung festgestellt werden. Soweit eine Klarstellung nicht möglich war wurde vom Bf. anerkannt, dass die Gleichbehandlung nicht eindeutig nachgewiesen wurde.

II Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.


Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Erwägungen

I) Vertreterstellung
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Zu seinen Pflichten gehörte es daher, den abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nachzukommen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln Sorge zu tragen (siehe bspw. VwGH10.11.1993, 91/13/0181).

II) Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Über die GmbH als Primärschuldnerin wurde mit Beschluss vom das Sanierungsverfahren eingeleitet, welches mit Beschluss vom unter Festsetzung einer Sanierungsquote von 20% aufgehoben wurde.
Die Sanierungsquote im Ausmaß von 20% wurde entrichtet.

Folglich sind die die Quote übersteigenden zum Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungsverfahrens offenen Abgabenschulden (Abgaben laut Haftungsbescheid) bei der GmbH uneinbringlich. Die Abgabenbehörde kann sich nur bei etwaigen Haftungspflichtigen schadlos halten, wie dies im Beschwerdefall geschehen ist.

III) Verjährung
Der Bf. behauptet die Verjährung der vom Haftungsbescheid erfassten Lohnabgaben 2006 bis 2007.
Für diese Abgaben wird die Haftung, wie unten näher ausgeführt wird, aus anderen Gründen aufgehoben werden.
Hinsichtlich der Frage der Verjährung ist den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung beizupflichten, wonach die Verjährung der Geltendmachung der Haftung beim Bf. im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides noch nicht eingetreten war.

IV) Formelle Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides

Der Bf. führt aus, dass der Festsetzungsbescheid betreffend die Umsatzsteuervorauszahlung 07/2009 dem Haftungsbescheid nicht beigelegt worden sei, was im Hinblick auf die Möglichkeit der Bekämpfung des Abgabebescheides gemäß § 248 BAO zur formellen Rechtswidrigkeit führe.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei es dem Haftungspflichtigen ohne Kenntnis des zu bekämpfenden Bescheides und gegebenenfalls der sonstigen Aktenstücke, auf die er verweist, zumindest aber ihrer wesentlichen Inhalte nicht möglich Beschwerde zu erheben. Das Fehlen dieser Informationen sei im Rechtsmittelverfahren nicht verbesserbar.

Dazu ist auszuführen:
Unbestritten scheint der Bescheid vom , mit dem die Umsatzsteuervorauszahlung 07/2009 festgesetzt worden war, in der Liste der Beilagen zum angefochtenen Haftungsbescheid nicht auf, woraus zu schließen ist, dass der Bescheid auch nicht beigelegt worden war.

Das Finanzamt geht in der Beschwerdevorentscheidung davon aus, dass dem Bf. Kenntnis vom haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch verschafft worden sei. Dies gehe aus Seite 2 des Beschwerdeschriftsatzes hervor, indem der Bf. auf die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung 07/2009 am verweist.
Ohne Kenntnis des Bescheides hätte er diese Information nicht haben können, weshalb das Finanzamt seine Informationspflicht erfüllt habe.

Dieser Folgerung des Finanzamtes ist zu entgegnen, dass die Kenntnis des Bescheiddatums kein Nachweis für die Kenntnis des Inhaltes des Bescheides ist. Für die Bekämpfung des Bescheides sind jedenfalls Faktoren, wie die Bemessungsgrundlage, die anzuwendenden Steuersätze und die Höhe etwaiger Vorsteuern etc. erforderlich.
Das Bescheiddatum kann bspw. auch aus der Buchungsmitteilung entnommen werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Bekanntmachung des Bescheides durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen (Ritz, BAO³, § 248 Tz 8 mit Judikatur Nachweisen; RAE Rz 1216 und 1222). Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (siehe dazu , 2011/16/0053 und weitere).
Unabhängig von diesem wesentlichen Verfahrensmangel hat die GmbH im Monat September 2009 (Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung) nach Beilage ./10 zur Vorhaltbeantwortung vom unbestritten die übrigen Gläubiger nur mit 2,66%, den Fiskus hingegen mit 10,18 % befriedigt. Eine Gläubigerbenachteiligung des Fiskus hat im September 2009 nicht stattgefunden, sodass hinsichtlich der Nichtentrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung 07/2009 keine schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. vorliegt.

Die Inanspruchnahme zur Haftung für die Umsatzsteuervorauszahlung 07/2009 ist sowohl wegen der formellen Rechtswidrigkeit als auch wegen fehlenden schuldhafter Pflichtverletzung aufzuheben. Eine Zurückverweisung erfolgt mangels schuldhafter Pflichtverletzung (siehe unten, Gleichbehandlung) nicht.

V) Schuldhafte Pflichtverletzung
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der Bf. war im haftungsrelevanten Zeitraum unbestritten alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH.
Nach § 80 Abs. 1 BAO oblag dem Bf. damit die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere hatte er im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (VwGH 150.5.1997, 96/15/0003).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (,0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls darf von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl.

Es ist am Geschäftsführer der Primärschuldnerin, der ausreichend Einblick in die Gebarung der GmbH hatte, gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der an den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden flüssigen Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel ).

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach
§ 78 Abs. 3 EStG 1988 der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Im Beschwerdefallbedeutet das, dass die haftungsgegenständliche Lohnsteuer für die Zeiträume 08-10/2009 und 12/2009 bis 05/2010 zur Gänze zu entrichten war.
Da die geschuldete Lohnsteuer nicht entrichtet wurde, liegt jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung vor.

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. nunmehr mit Vorhaltbeantwortung vom vorgelegt: Hinsichtlich einiger Fälligkeiten haben sich aus der Berechnung Unklarheiten ergeben, weshalb in der mündlichen Verhandlung der mangelnde Nachweis der Gleichbehandlung vom Bf. anerkannt wurde und für diese Monate die offenen Beträge ungekürzt anzusetzen sind.

VI) Aufgliederung der Beträge Lohnabgaben 2006 bis 2008:
Die Lohnabgaben 2006 bis 2008 wurden im Haftungsbescheid ausschließlich in Jahresbeträgen angegeben.
Auch die dem Haftungsbescheid angeschlossenen Beilagen enthalten keine nähere Aufgliederung der Abgabenbeträge auf die monatlichen Beträge.
Auf Grund der fehlenden Aufschlüsselung der Lohnabgaben 2006 bis 2008 wurde der Bf. nicht in die Lage versetzt, die von ihm als Vertreter zu erstellende Liquiditätsrechnung zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten als Nachweis der Gleichstellung des Abgabengläubigers zu erstellen und die monatliche Quote zu berechnen. Die Lohnabgaben 2006 bis 2008 waren daher aus der Haftung auszuscheiden (; , 2013/16/0199; , 2013/16/0208).

VII) Durchrechnungszeitraum:
Der Bf. vertat in der Beschwerde den Standpunkt, dass für die Berechnung der Gläubigergleichbehandlung von der Zahlungstheorie und nicht von der Mitteltheorie auszugehen sei. Im Übrigen sei eine durchschnittliche Betrachtung der Zahlungen während gesamten Haftungszeitraumes als Nachweis für die Gläubigergleichbehandlung ausreichend.
Eine monatweise Aufstellung wie vom Finanzamt gefordert, sei nicht zumutbar.
Die nach dieser Methode errechnete Zahlungsquote laut Beschwerde weise nach, dass die Abgabenbehörde nicht benachteiligt worden sei.

Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Vertreter dann jedenfalls für die nicht entrichteten Abgaben der vertretenen GmbH haftet, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (siehe bspw. ; , 2011/16/0075; , 2012/16/0100, )
Die vom Bf. geforderte Durchrechnung findet danach keine Deckung in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Aus der Vorhaltbeantwortung vom geht jedoch ohnehin hervor, dass der Bf. auf der Durchrechnungsmethode nicht mehr beharrt.

VIII) Ermessen:
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (), dies schon deswegen, weil meist eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt.

Zudem kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen.

Persönliche Umstände
wie Alter, Krankheit, die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" oder Vermögenslosigkeit des Haftenden stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (siehe bspw. ).

Berücksichtigt man die Tatsache, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur im Haftungswege beim Bf. einbringlich gemacht werden können, so war im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) der Vorzug gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung) zu geben, da eine andere Möglichkeit der Einbringlichkeit nicht besteht (siehe bspw. ).
Auch die Erkrankung des Bf., so bedauerlich diese ist, steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung.
Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.
Im gegenständlichen Fall wurde das Sanierungsverfahren am aufgehoben.
Im Falle der Aufhebung des Sanierungsverfahrens steht die Uneinbringlichkeit der nicht von der Sanierungsquote getilgten Abgaben fest.
Der Vorhalt über eine etwaige Heranziehung zur Haftung erging erst am , der Haftungsbescheid rund drei Jahre später am , sodass man nicht von einer zeitnahen Bescheiderlassung sprechen kann.
Die noch haftungsrelevanten Abgaben stammen aus den Jahren 2009 und 2010 und liegt deren Entstehen schon über zehn Jahre zurück.
Es sind keine Umstände aktenkundig, die die Inanspruchnahme des ehemaligen Geschäftsführers nach rund drei Jahren zur Haftung rechtfertigen könnten.
Es ist die daher Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit gegenüber der vom Finanzamt ins Treffen geführten Zweckmäßigkeitserwägung jedenfalls zu berücksichtigen.
Zudem sind zwischen der Beantwortung des Vorhaltes am14.10.2015 durch den Bf. bis zum Ergehen der Beschwerdevorentscheidung am fast vier Jahre vergangen.
Laut ist im Zuge des Ermessens auch die Saumseligkeit der Behörde im Berufungsverfahren zu berücksichtigen.

Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits lange verstrichenen Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides als auch die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens vor der Abgabenbehörde überwog im gegenständlichen Fall die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung, sodass unter weiterer Beachtung der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Entstehung der Abgabenansprüche die Einschränkung der Haftungsbeträge im Rahmen des Ermessens um 60% (Beträge unter 5 Euro bleiben außer Ansatz) gerechtfertigt erscheint und der Beschwerde insoweit teilweise stattzugeben war (siehe bspw. ; , 2012/16/0140; , Ra 2014/16/0026; , Ro 2014/16/0066;).

Die Berechnung der Haftungsbeträge für Dienstgeberbeiträge, Umsatzsteuer und die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer stellt sich wie folgt dar:


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Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
in €
Quote
allgemein
in %
Quote
Finanzamt
in %
Lt. Bf.
Davon 40%
DB
01/2010
735,06
Nicht nachgewiesen
735,06
294,02
02/2010
758,14
2,36
1,35
7,66
3,06=Null
03/2010
484,08
Nicht nachgewiesen
484,08
193,63
04/2010
274,00
Nicht nachgewiesen
274,00
109,60
05/2010
202,94
2,92
0,00
5,93
2,37=Null
06/2010
55,80
0,57
0,00
0,32=Null
Null
09/2009
1.149,47
6,92
3,96
34,02
13,61
10/2009
1.229,78
2,33
0,00
28,65
11,46
12/2009
685,34
1,26
0,47
5,40
2,16=Null
KöSt-Vz
01-03/2010
349,60
Nicht nachgewiesen
349,60
139,84
04-06/2010
349,60
Nicht nachgewiesen
349,60
139,84
07-09/2010
56,60
3,27
0,00
1,85=Null
Null
10-12/2009
351,20
2,33
0,00
8,18
3,28=Null
USt
2008
19.231,64
15,93
6,64
1.786,62
716,65
07/2009
47.541,77
2,66
11,33
Null
Null
09/2009
1.446,50
2,33
0,00
33,70
13,48
12/2009
165,22
Nicht nachgewiesen
165,22
66,09
Summe
1.698,22

Die Berechnung der Haftungsbeträge für Lohnsteuer 08/2009 bis 10/2009 sowie 12/2009 bis 05/2010 erfolgte durch den Ansatz von 40% der bisherigen Haftungsbeträge.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht jedoch auf der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war und folglich auch die Revision unzulässig ist.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at