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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2021, RV/7102374/2020

Haftung eines Geschäftsführers "am Papier"

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1 und die weiteren Senatsmitglieder R2, R3 und R4 im Beisein der Schriftführerin S. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte GbR, Salztorgasse 2/15, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Geltendmachung einer Haftung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben.

Die Haftung wird hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:


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Abgabenart
Fälligkeit
Betrag in €
Dienstgeberbeitrag 10/2017
195,67
Dienstgeberbeitrag 11/2017
215,44
Dienstgeberbeitrag 12/2017
33,39
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2017
21,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2017
23,12
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2017
3,58
Lohnsteuer 10/2017
269,11
Lohnsteuer 11/2017
258,23
Lohnsteuer 12/2017
43,15
Summe
1.062.69

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid des vom , Abgabenkontonummer ***1***, wurde der Beschwerdeführer (Bf.) vom Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2*** GmbH, Firmenbuchnummer ***3***, ***Adr***, in Anspruch genommen und aufgefordert, den Betrag von € 3.188,13 (Lohnsteuer 2017: € 1.711,50; Dienstgeberbeitrag: € 1.333,52; Zuschlag zum DB: € 143,11) zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. von bis ***5*** 2018 Geschäftsführer der Firma ***2*** GmbH gewesen sei, welche nach Aufhebung des Konkursverfahrens nicht mehr tätig ist. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgabenschulden der Gesellschaft, wobei er die Lohnsteuer des Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen gehabt hätte. Hinsichtlich der ausstehenden Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberbeitragszuschläge hätte der Bf. für eine zeitgerechte Zahlung aus den Mitteln der Primärschuldnerin Sorge tragen müssen.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ***2*** GmbH ein Konstrukt von Herrn ***4*** gewesen sei, für den der Bf. Geschäftsanteile nur treuhänderisch gehalten habe und der von Beginn an faktisch die Gesellschaft führte. Die Zahlungsabwicklung sei ausschließlich von ***4*** vorgenommen worden, der alleine Zugriff auf das Geschäftskonto gehabt habe. Ende November 2017 habe ***4*** die vom Bf. treuhänderisch gehaltene Stammeinlage in der Höhe von € 8.000,00 übernommen, sich jedoch geweigert den Bf. als Geschäftsführer abzuberufen. Der Bf. habe sein Dienstverhältnis zur ***2*** GmbH mit Wirkung zum gekündigt. Mit Schreiben vom erklärte der Bf. den Rücktritt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung. Der Bf. habe im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig gehandelt, ein rechtmäßiges Verhalten habe ihm nicht zugemutet werden können, da ihm die faktischen Möglichkeiten dazu fehlten.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien Bruck Eisenstadt Oberwart vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, der Bf. sei bis ***5*** 2018 im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen gewesen. Dem Bf. sei von Anfang an klar gewesen, dass ihm die Möglichkeit verwehrt wurde, auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Als eingetragener Geschäftsführer treffe ihn jedoch eine Überwachungspflicht und er hätte für die Abgabenentrichtung Sorge tragen müssen. Der Treuhandvertrag enthalte keine Vereinbarung hinsichtlich der Geschäftsführerbestellung, weshalb das Schreiben vom nicht als Rücktritt von der Geschäftsführung gewürdigt werden könne. Dieser sei vielmehr erst mit Schreiben vom erfolgt, weshalb die Geltendmachung der Haftung auf die Abgaben mit Fälligkeitsdatum beschränkt worden sei.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Senat.

In der mündlichen Verhandlung vom schilderte der Bf. und sein rechtsfreundlicher Vertreter erneut den Vorgang. Demnach sei der Bf. als Polier bei einer früheren Baufirma des ***4*** beschäftigt gewesen, als dieser ihm vorschlug, sich mit einer Firma selbständig zu machen. Mit ***4*** sei abgesprochen gewesen, dass dieser die "Büroarbeit" übernehme und der Bf. sich um die Aufsicht über die Baustellen kümmere. Der Bf. habe keine Einsicht in Geschäftsunterlagen, keinen Zugriff auf die Firmenkonten und keine Weisungsbefugnis an die Lohnverrechnung gehabt. Als dem Bf. Probleme mit den Lohnzahlungen von Mitarbeitern bekannt wurden, habe er nach Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter die Auslösung des Treuhandvertrages in die Wege geleitet. Als weitere Gespräche mit ***4*** zu keinem Erfolg führten, habe er auch die Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf., geb. am ***5*** 1992, schloss am als Treunehmer einen Treuhandvertrag mit ***4*** als Treugeber ab, nach welchem der Bf. den Geschäftsanteil einer zur Hälfte bar einbezahlten gründungsprivilegierten Stammeinlage von € 8.000,00 der noch zu gründenden Firma ***2*** GmbH nicht für eigene Rechnung, sondern als Treuhänder des Treugebers hält. Der Treugeber unterbreitete in Punkt VIII. dem Treuhänder das Anbot zum Abschluss eines Abtretungsvertrages, mit dem der Treugeber die Stammeinlage an der ***2*** GmbH ohne Anspruch auf eine Gegenleistung übernimmt. Die Annahme dieses Anbots hat schriftlich (auch per E-Mail) zu erfolgen.

Die Firma ***2*** GmbH, ***Adr***, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und unter der Firmenbuchnummer ***6*** am im Firmenbuch eingetragen. Am selben Tag wurde der Bf. als handelsrechtlicher Gesellschafter der ***2*** GmbH im Firmenbuch eingetragen.

Mit E-Mail vom nahm der Bf. das Anbot zum Abschluss eines Abtretungsvertrages laut Punkt VIII. des Treuhandvertrages vom an. Die entsprechenden Änderungen der Gesellschafteranteile wurden im Firmenbuch am ***5*** 2018 eingetragen.

Mit Schreiben des Bf. an ***4*** vom erklärte der Bf. den Rücktritt als Geschäftsführer der Firma ***2*** GmbH. Die Funktion wurde am ***5*** 2018 im Firmenbuch gelöscht.

Der Bf. hatte als Geschäftsführer der ***2*** GmbH von Anfang an keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Firma und keinen Zugriff auf das Geschäftskonto der Gesellschaft. Sämtliche Entscheidungen wurden von ***4*** getroffen, der faktisch die Geschäftsführung innehatte.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom ***5*** 2018, ***7***, wurde über die ***2*** GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Die Gesellschaft wurde infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom ***8*** 2019 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben.

Von der Primärschuldnerin wurden folgende Selbstbemessungsabgaben gemeldet, aber nicht entrichtet:

Dienstgeberbeitrag 10/2017 Fälligkeit: € 587,02

Dienstgeberbeitrag 11/2017 Fälligkeit: € 646,32

Dienstgeberbeitrag 12/2017 Fälligkeit: € 100,18

Zuschlag zum DB 10/2017 Fälligkeit: € 63,00

Zuschlag zum DB 11/2017 Fälligkeit: € 69,36

Zuschlag zum DB 12/2017 Fälligkeit: € 10,75

Lohnsteuer 10/2017 Fälligkeit € 807,34

Lohnsteuer 11/2017 Fälligkeit € 774,70

Lohnsteuer 12/2017 Fälligkeit € 129,46

Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vorgelegten Verwaltungsakten und die Aussagen des Bf. und seines rechtsfreundlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom . Das Bundesfinanzgericht erachtet es dabei für erwiesen, dass der Bf. als Geschäftsführer der ***2*** GmbH von Anfang an keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Firma und keinen Zugriff auf das Geschäftskonto der Gesellschaft hatte. Sämtliche Entscheidungen wurden von ***4*** getroffen, der faktisch die Geschäftsführung innehatte.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs.1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Nach der Aufhebung des Konkursverfahrens der ***2*** GmbH mangels Kostendeckung steht fest, dass die offenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Zur Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO müssen die Verletzung von Pflichten, ein Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit gegeben sein.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört, insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Verfügt der Vertretene nicht über ausreichende Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (zB VwGH15.12.2009, 2005/13/0040). Es kann aber nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen (). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Eine Haftung zur Gänze kommt daher nur in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt (zB ).

Der Bf. konnte keine Angaben hinsichtlich des Fehlens und der anteiligen Verwendung liquider Mittel machen, da er keinen Einblick in die Geschäftsführung hatte. Der Bf. war nur "am Papier" vertretungsbefugter Geschäftsführer, die faktische Geschäftsführung hat ***4*** ausgeübt. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person Berufener an der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen gehindert, schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus. Der Geschäftsführer wäre verhalten gewesen, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (Ritz, Bundesabgabenordnung § 9 Rz. 17; ; , 2001/13/0168; , 2005/13/0084).

Welcher Zeitraum zwischen Erkennen der Behinderung und Rücktritt haftungsrelevant ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (). Der Bf. war nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Treuhänder der Geschäftsanteile des ***4***. Er hatte von Anfang seiner Bestellung als Geschäftsführer an keinen Einfluss auf die Geschäftsführung und keinen Zugriff auf das Geschäftskonto. Der Bf. hat also bereits zu Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit erkannt, dass er diese nicht ausüben kann, er hat aber keine Maßnahmen getroffen, diese Behinderungen zu beseitigen. Selbst die Kündigung des Treuhandvertrages hatte auf seine Geschäftsführertätigkeit keinen Einfluss.

Geschäftsführer einer GmbH können ihren Rücktritt erklären. Liegt ein wichtiger Grund vor, kann der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden. Der Rücktritt ist gegenüber der Generalversammlung, wenn dies in der Tagesordnung angekündigt wurde, oder gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig vom Firmenbuch (VwGH 30.5.1090, 89/14/0044). Im vorliegenden Fall sind zwischen der Bestellung des Bf. als Geschäftsführer am bis zu seinem erklärten Rücktritt am sechs Monate vergangen, in denen der Bf. seinen Pflichten als Geschäftsführer nicht nachgekommen ist bzw. nicht nachkommen konnte. Das Zuwarten durch einen Zeitraum von 6 Monaten bis zur Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion ist als zu lange anzusehen (), es liegt daher eine schuldhafte abgabenrechtliche Pflichtverletzung vor.

Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrages für die Jahre 10/2017, 11/2017 und 12/2017 ist auszuführen, dass es sich dabei um Selbstbemessungsabgaben handelt. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (Fälligkeitstermin). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (zB ; , 2001/16/0291).

Hinsichtlich der Lohnsteuer als Abfuhrabgabe würde dem Bf. nicht einmal eine Gleichbehandlung der Gläubiger zum Vorteil gereichen (zB ).

Gemäß § 78 Abs.3 EStG hat der Arbeitgeber, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer nach dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (ZB ). Gemäß § 20 BAO ist die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgaben zu.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Bf. von ***4*** für dessen Zwecke benutzt wurde, trotzdem aber nicht völlig untätig geblieben ist, sondern zumindest seine treuhänderisch gehaltenen Firmenanteile abgetreten hat. Weiters ist zu berücksichtigen, dass auch ***4*** als faktischer Geschäftsführer gemäß § 9a BAO zur Haftung herangezogen werden kann. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 9a BAO schließen die Haftungen nach § 9 und § 9a einander nicht aus. Es liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, welche dieser Haftungen geltend gemacht wird. Dem faktischen Geschäftsführer wird ein überwiegendes Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben anzulasten sein, ohne Zutun des Bf. bei der Verwirklichung des Treuhandvertrages und der formellen Geschäftsführertätigkeit hätte die Gesellschaft in dieser Form aber nicht tätig werden können und wäre auch kein Abgabenausfall eingetreten. Der erkennende Senat gelangt unter Berücksichtigung all dieser Umstände zur Entscheidung, dass der Bf. nur für ein Drittel des aushaftenden Abgabenbetrages zur Haftung heranzuziehen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt und die Ermessensentscheidung keine solche Rechtsfrage darstellt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102374.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at