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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 14.07.2021, RV/7102581/2015

Zeitpunkt der Berücksichtigung von Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den SenatsvorsitzendenRi, die Richterin 1 als weiteres Mitglied sowie die fachkundigen Laienrichter 2 und 3 im Beisein der Schriftführerin 4 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 nach am durchgeführter Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zunächst wurde die Bf. mit Bescheid vom erklärungsgemäß zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010 veranlagt, wobei festzuhalten ist, dass laut dem Inhalt eines, bei der belangten Behörde ebenfalls am eingelangten Schriftsatz, im Rahmen der Abgabenfestsetzung - bei der Bf. ebenso wie bei einer Arbeitskollegin - zusätzliche Werbungskosten von 17.140,00 Euro anzuerkennen seien.

Die Aufwendungen seien im Zusammenhang mit einem - schlussendlich in der Akzeptanz der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zum - mündenden Arbeitsprozess gestanden.

Aus der dem Schriftsatz beigelegten, mit datierten, auf den Bruttobetrag von 17.140,00 Euro lautenden Honorarnote Dris. ***1*** ist ersichtlich, dass dieser- laut Leistungsverzeichnis - zur Gänze auf im Jahr 2010 erfolgte rechtsfreundliche in Konnex mit der Auflösung des Dienstverhältnisses der Bf. stehende Vertretungshandlungen basiert.

Die Bf. gab ergänzend an, dass eine Bezahlung der rechts anwaltlichen Leistungen im Jahr 2010 nicht möglich gewesen sei, da ihr ehemaliger Dienstgeber seinerseits die ihr zustehenden Leistungen nicht vorweg befriedigt habe.

In Ansehung der Tatsache, dass auf Grund obig dargestellter Zeitüberschneidung - sprich der Identität des Zeitpunktes von Bescheiderlassung einerseits und der Einbringung des Ergänzungsschriftsatzes andererseits eine Behandlung des Antrages der Bf. nicht erfolgen konnte, wurde im Zuge der am erfolgten Erhebung einer Bescheidbeschwerde - unter grundsätzlicher Bezugnahme auf den Inhalt des Ergänzungsschriftsatzes das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sowie die an die ehemalige Arbeitskollegin Frau ***2*** gerichtete, den Status berufsbedingter Zivilprozesskosten als Werbungskosten bestätigende E- Mail - die Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 17.140,00 Euro als Werbungskosten beantragt.

Die Bf. reichte am - in Beantwortung eines Vorhaltes - dem Finanzamt eine Ablichtung des Beleges betreffend die am erfolgte Überweisung des Betrages von 17.140,00 Euro auf das Konto Dris. ***1*** nach.

In der Folge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung, dass Werbungskosten, wie die streitgegenständlichen - am zur Überweisung gebrachten - Rechtsanwaltskosten nur im Veranlagungszeitraum ihrer Verausgabung, sprich sohin im Jahr 2011 absetzbar seien, abgewiesen.

Am brachte die Bf. einen Vorlageantrag nachstehenden Inhalts ein:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit stelle ich den Vorlageantrag über die Beschwerdevorentscheidung vom durch das FA beim Bundesfinanzgericht. Ich beantrage eine mündliche Senatsverhandlung.

Da ich kein Anwalt bin möchte ich daher aus eigenen Worten den Sachverhalt bzw. die Darstellung der Situation vorbringen:

Einleitung:

Ich habe fast 30 Jahre für den Staat (Verstaatlichte) im Treasury-Bereich gearbeitet, davon fast 17 Jahre bei der ***4***.

Ich habe mich vom "kleinen Lehrling", durch sehr viel Einsatz, Engagement und Interesse, sowie Zeit (jahrelang sehr viele Überstunden) hochgearbeitet und meine Aufgaben sehr emst genommen. Ich habe mich über den Job identifiziert.

Lange Zeit wurde mein Einsatz und meine von mir erworbenen Fähigkeiten auch sehr geschätzt und geachtet.

1998 wurde bei mir eine bis dato unheilbare Autoimmunkrankheit (primär ***3***) diagnostiziert. Trotzdem habe ich in der Arbeit weiter versucht mein Bestes und Alles geben und habe mich oft krank ins Büro geschleppt.

2010 hat die ***4*** entschieden den Personalstand zu reduzieren. Davon betroffen waren auch der Treasury-Bereich und die Buchhaltung und diese Tätigkeiten bzw. Aufgaben über externe Provider zuzukaufen. (Beilage 1/Auszug ***4*** Geschäftsbericht 2010).

Um für den Erhalt der Arbeitsplätze der Betroffenen zu kämpfen wurde der Anwalt Herr Dr. ***5*** beauftragt. (Beilage 2/Zeitungsartikel Der Standard v.).

Es gab Gerichtsverhandlungen, meine bereits ausgesprochene Kündigung musste die ***4*** aufgrund meiner Krankheit (50% Behinderung Bescheid Bundessozialamt durch meine o.e. Krankheit) zurückziehen, bzw. war rechtsunwirksam. (Gerichtsurteil v. bereits übermittelt).

Trotzdem war es ein Kampf David gegen Goliath und wir konnten leider die Kündigungen nicht aufhalten und ich musste eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses mit in Kauf nehmen.

Die ***4*** hat dann den Antrag über Zustimmung beim Behindertenausschuss zu meiner Kündigung zurückgezogen. (Beilage 3/Mitteilung Behindertenausschuss v. ).

Die Rechnung des RA Herrn Dr. ***1*** über EUR 17.140,00 wurde mit erstellt und von mir am überwiesen. (Unterlagen bereits übermittelt). Die gesamten Leistungen des RA wurden 2010 erbracht.

Die Zahlung, die ich 2011 an Herrn Dr. ***1*** veranlasst habe, kann ich bei meiner Arbeitnehmerveranlagung 2011 als Werbungskosten Pos. KZ 724 nicht beantragen (wie im FA-Bescheid Hinweis v. erwähnt), da ich sehr krank wurde.

Durch meinen Jobverlust war ich 2011 ca. 2 Monate arbeitslos und konnte den für mich ungerechtfertigten Jobverlust bei der Verstaatlichten ***4*** nicht überwinden.

Dadurch beging ich am ***8*** einen Selbstmordversuch, musste per Rettung ins ***6*** und habe bis heute psychische Probleme und benötige bis dato immer noch Hilfe in Form von Psychotherapie und Medikamenten. Zusätzlich habe ich einen zweifachen Bandscheibenvorfall 2011 in der Halswirbelsäule erlitten (laut Ärzten ebenfalls eine Folge der psychischen Verfassung). Auch diese Schmerzen begleiten mich bis heute und keine Therapie hat bis jetzt Erfolge gebracht.

Alles in allem konnte ich daher keine weiteren beruflichen Tätigkeiten ausführen und musste vorerst in Krankenstand gehen und bezog Krankengeld von der ***7*** bis . Da keine Besserung in Aussicht war hat mir die ***7*** empfohlen einen Berufsunfähigkeitspensionsantrag bei der Pensionsversicherung zu stellen, welchen ich am eingereicht habe.

Dieser wurde rückwirkend mit von der PV auf 2 Jahre gewährt, ein weiterer Antrag auf Verlängerung 2013 wurde bis gewährt.

Weiters war nicht klar, wann die ***4*** meine Ansprüche überweisen würde, da ich 3 Tage Urlaub ausbezahlt bekam und mein Entgeltanspruch laut Abmeldung bei der ***9*** am endete. (Beilage 4/Abmeldung bei der ***10*** v. ).

Ich habe zwar von der ***4*** (Staat) eine Vergleichszahlung erhalten, musste aber die Hälfte gleich wieder an den Staat (FA) durch Steuern zurückzahlen.

Da ich sehr von Emotionen bewegt bin, ist wahrscheinlich die Darstellung nicht ganz strukturiert aufgebaut und ich ersuche um Verständnis, da ich durch die ganzen Ereignisse auch meine Konzentrationsfähigkeit, meine Kraft und meine Sachlichkeit verloren habe.

Ich ersuche daher um Vorlage beim Finanzgericht, da ich nicht verstehen kann, dass ich als Einzige der sieben Betroffenen Ex-Kolleginnen der ***4***, die alle die Anwaltskosten absetzen konnten, ein weiteres Mal ungerecht behandelt werde.

Ich leide bis heute unter den Folgen der Veränderungen meines Lebens und für mich kann es doch nicht sein, dass hätte der Anwalt die Rechnung 2010 gestellt, ich mir EUR 8.570,00 an Steuer erspart hätte, hätte die ***4*** meine Ausgleichszahlung mit 03-01-2011 überwiesen, hätte ich mir 2011 EUR 8.570,00 an Steuern erspart. Beide Vorgänge lagen nicht in meiner Hand, aber muss ich dafür zahlen und wieder leiden???

Ich ersuche daher nochmals, meinen Fall vor Gericht zu überprüfen und die doch komplizierten Verstrickungen der Ereignisse zu begutachten."

In der am durchgeführten Verhandlung verwies die Bf. auf ihr bisheriges Vorbringen und führte ergänzend aus, den Jobverlust bis heute nicht verwunden zu haben.

Auf die Frage des Senatsvorsitzenden, ob an den Rechtsanwalt Dr. ***1*** im Jahr 2010 Akontozahlungen geleistet worden seien, gibt die Bf. an, dass derartige Zahlungen leider nicht erfolgt seien.

Der Finanzamtsvertreter, Herr Dr. ***11***, verweist auf den § 19 Abs. 2 EStG 1988, welcher im Bereich der Werbungskosten normiert, dass diese nur im Jahr der Verausgabung zu berücksichtigen seien.

Auf die Frage des Laienrichters, Herrn ***12***, betreffend die "ertragsteuerliche Situation der Arbeitskolleginnen", führte die Bf. aus, dass diese zum Teil im Jahr 2010, zum Teil im Jahr 2011, gekündigt worden seien, wobei sie betreffend den Abfluss deren Rechtsanwaltskosten keine Angaben machen könne.

Abschließend führte die Bf. aus, dass ihr die ertragsteuerliche Behandlung der Rechtsanwaltskosten in Anbetracht der Tatsache, dass sie Steuern geleistet habe, nach wie vor unklar sei, da ihre Absicht darin bestand habe, einen Teil der versteuerten Kosten im Wege der Veranlagung zurückzuerhalten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Streitgegenstand

Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt, demgemäß die Bf. die am fakturierten Anwaltskosten im Ausmaß von 17.140,00 Euro am zur Überweisung gebracht hat, steht deren Abzugsfähigkeit als Werbungskosten im Jahr 2010 in Streit.

2. Rechtliche Würdigung

2.1. Rechtsgrundlagen

Nach der Bestimmung des § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

2.2. Rechtliche Beurteilung

2.2.1. Ertragsteuerliche Behandlung der Kosten eines Zivilprozesses

Kosten eines Zivilprozesses sind grundsätzlich Werbungskosten, sofern der Prozessobjektiv mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt (z.B. über die Höhe des Arbeitslohnes bzw. einer Kündigungsentschädigung, Schadenersatzforderungen aus dem Dienstverhältnis, Anfechtung einer Entlassung) (siehe Lenneis in JAKOM, EStG 2020, § 16 ABC der Werbungskosten, Tz 56 - Prozesskosten).

Ausgehend von vorstehenden Ausführungen ist im vorliegenden Fall ein Zusammenhang der Rechtsanwaltskosten von insgesamt 17.140,00 Euro mit der beruflichen Tätigkeit der Bf. zu bejahen.

2.2.2. Berücksichtigung des Zeitpunktes des Abflusses der Anwaltskosten

Die Regelungen des unter Punkt 2.1. dargestellten § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 gelten auch für den Abfluss von Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG (Jakom, EStG, § 19 Rz 5 mwN), da die Begriffe Einnahmen bzw. Ausgaben ihren Inhalt aus ihrem Anwendungsbereich nehmen: Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben angesprochen, bei den außerbetrieblichen Einkunftsarten die Einnahmen nach § 15 und die Werbungskosten nach § 16 (Doralt, EStG, § 19 Tz 6).

Der für die zeitliche Zuordnung von Ausgaben in § 19 Abs. 2 erster Satz EStG verwendete Begriff "geleistet" ist im Sinn von Übertragung der tatsächlichen und rechtlichen (besser wirtschaftlichen) Verfügungsmacht über Geld oder Geldeswert zu verstehen; es kommt nicht darauf an, welches Jahr die Ausgabe wirtschaftlich betrifft (Doralt, EStG, § 19 Tz 31 mwN; LStR 2002 Rz 640). Eine Ausgabe liegt vor, wenn der geleistete Betrag aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ausgeschieden ist ( mwN).

In Ansehung vorstehender Ausführungen sind die von der Bf. für das Jahr 2010 geltend gemachten Werbungskosten aufgrund des vorgelegten Beleges von dieser im Jahr 2011"geleistet" und ergo dessen daher nämlichem Jahr zuzuordnen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die anwaltlichen, - schlussendlich in eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zum mündenden - Leistungen samt und sonders im Jahr 2010 erbracht wurden, sprich mit anderen Worten ausgedrückt wirtschaftlich dieses Jahr betroffen haben.

Zusammenfassend vermag das BFG - ungeachtet der dem Streitfall unzweifelhaft anhaftenden menschlichen Tragik - in Ansehung des in § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 determinierten, auf Werbungskosten anwendbaren Zufluss- Abflussprinzips in der Nichtberücksichtigung der Anwaltskosten als Werbungskosten im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2010 keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da Nichtberücksichtigung der Anwaltskosten als Werbungskosten im streitgegenständlichen Jahr direkt auf der Norm des § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 fußt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102581.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at