Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.06.2021, RV/5101117/2019

Geschäftsführerhaftung: Krankheit kein Schuldausschließungsgrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Bahnhofstraße 3, 3390 Melk, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Haftungsbetrag wird von 13.728,63 € um 6.505,17 € auf den Betrag von 7.223,46 € vermindert und schlüsselt sich nunmehr wie folgt auf.


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Abgabenschuld
aushaftender
Betrag in €
Fälligkeit
Gläubiger-
befriedigung
Angepasster
Betrag
Umsatzsteuer 2015
382,10
2,23 %
8,50
Umsatzsteuer 11/2015
19.631,47
2,69 %
528,10
Umsatzsteuer 12/2015
19.403,17
2,23 %
423,70
Lohnsteuer 2014
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 2015
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 1/2016
1.180,24
--
1.180,26
Körperschaftsteuer
1-3/2016
250,00
2,23 %
5,60
Kammerumlage
10-12/2015
310,55
2,23 %
9,90
Dienstgeberbeitrag 2013
243,00
100 %
243,00
Dienstgeberbeitrag 2014
279,37
100 %
279,37
Dienstgeberbeitrag 2015
279,37
2,69 %
7,50
Dienstgeberbeitrag 01/2016
844,90
2,23 %
18,80
Zuschlag zum DB 2013
21,60
100 %
21,60
Zuschlag zum DB 2014
24,83
100 %
24,83
Zuschlag zum DB 2015
24,83
2,69 %
0,70
Zuschlag zum DB 01/2016
75,10
2,23 %
1,70
Summe
47.420,36
7.223,46

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache der bislang zuständig gewesenen Gerichtsabteilung zum Stichtag abgenommen, da die Gerichtsabteilung infolge Versetzung des Richters in den Ruhestand unbesetzt ist, und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.

Mit Schreiben vom informierte das Finanzamt den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Geltendmachung der Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***A*** GmbH laut beigelegter Rückstandsaufgliederung.

Mit Schreiben vom legte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers dar, dass im beschwerdegegenständlichen Zeitraum drei Bauvorhaben, die relativ kurz vor der Fertigstellung gestanden seien, mit Hochdruck behandelt worden seien. Die Finanzierung dieser Vorhaben sei so geregelt gewesen, dass die Beträge zur Fertigstellung in Form entsprechender Garantien sichergestellt gewesen wären, die Abrufung der jeweiligen Teilbeträge jedoch vom Nachweis eines gewissen Baufortschrittes abhängig gewesen wäre. Es sei zu Vorausleistungen des Betriebes bzw. andererseits zu Vorauszahlungen des Bauherrn gekommen, wobei sich diese beiden Beträge stets aufgehoben bzw. ausgeglichen hätten. Grundsätzlich hätte jeder Baustopp zu einer enormen Schadenersatzforderung geführt bzw. zu einem Überhang der Leistung oder der Zahlung.
Dies würde nichts anderes bedeuten, als dass Leistungen und Zahlungen zur Fertigstellung dieses Bauvorhabens sich stets ausgeglichen hätten und als Zug-um-Zug Leistungen bzw. Zug-um-Zug Zahlungen zu qualifizieren seien.
Vorauszahlungen von Kunden oder des Bauführers seien dafür verwendet worden, um wiederum Vorauszahlungen bei Lieferanten vorzunehmen, um Material einzukaufen, dessen Lieferung und Beistellung durch die Vorausleistungen des Bauherrn ermöglicht worden seien.
Konkret bedeute dies, dass Zahlungen und Leistungen strikt voneinander abhängig gewesen wären. Wäre eine Leistung und eine Zahlung nicht erbracht worden, hätte dies einerseits strafgerichtliche Tatbestände verwirklicht bzw. andererseits Schadenersatzverbindlichkeiten bedungen.
Es habe große Anstrengungen seitens des Beschwerdeführers bedurft, um Bauherrn zu diesen Vorauszahlungen zu bewegen bzw. dazu zu bewegen, Mittel aus Garantien freizugeben, um es der Primärschuldnerin zu ermöglichen, damit Baumaterialien anzuschaffen und Löhne zu bezahlen.
Im Jänner 2016 seien die Lohnzahlungen eingestellt worden, da die vorausbezahlten - nicht einmal abgerechneten Materiallieferungen jedenfalls den Vorzug genossen hätten, da dem Beschwerdeführer andernfalls der Vorwurf gemacht worden wäre, er hätte die Geldgeber, die zweckgewidmete Beträge vorweg zur Verfügung gestellt hätten, betrügerisch geschädigt.
Für jeden einzelnen Betrag, der aus den folgenden Aufzeichnungen ablesbar sei, könnte der Nachweis der Vorauszahlung, Zug-um-Zug Zahlung bzw. Zug-um-Zug Leistung erbracht werden. Der Zeitraum von bis sei dadurch gekennzeichnet, dass der Großteil der Vorausleistungen und Vorauszahlungen in diesen Zeitraum gefallen sei, da geraden in diesem Zeitraum verstärkte Bemühungen gesetzt worden seien, diese Fertigstellungsarbeiten durchzuführen. Im Zeitraum 15.01. bis 15.02. und vom 15.02. bis 15.03. seien diese Leistungen spürbar zurückgegangen und hätten kleine bis kleinste Finalarbeiten zum Gegenstand.
Mit sei die erste unausgeglichenen Forderungen des Finanzamtes entstanden und offen geblieben. Umgekehrt sei am die Zahlung von 16.836,73 € an das Finanzamt gerichtet worden, wo hingegen in diesem Zeitabschnitt von 15.12. bis der erste Zahlungsrückstand an Umsatzsteuer in Höhe von 25.932,51 € fällig geworden sei. Beispielsweise werde auf die Rechnung der Firma ***B*** vom oder der Firma ***C*** vom verwiesen, die beide als Vorauszahlungen bezahlt werden mussten, um die Lieferung der Materialien zu erwirken. Mit diesen Vorauszahlungen sei der Stand der Verbindlichkeiten und des Vermögens stets gleich geblieben und für die Gläubigerschaft kein Nachteil entstanden, jedoch ein großer Vorteil dadurch, dass Schadenersatzforderungen vermieden worden seien, um die Summe der Verbindlichkeiten im folgenden Insolvenzverfahren geringer zu halten.
Ausdrücklich werde nochmals darauf verwiesen, dass in Ansehung jeder der größeren Zahlungen die Vorausleistung bzw. die Vorauszahlung nachgewiesen werden könne, woraus sich die Zug-um-Zug Eigenschaft ergeben würde.
In der ersten Beobachtungsperiode von 15.12. bis sei der Betrag von 238.797,16 € ausgegeben worden, in der zweiten Periode bis der Betrag von 11.497,62 € und in der dritten Periode bis der Betrag von 9.471,33 €, womit Gläubiger befriedigt worden seien, die jedoch alle unter dem Aspekt zu betrachten seien, dass die zur Befriedigung der Gläubiger dienenden Beträge in diesem Zeitraum vereinnahmt worden seien.
Für die jeweiligen Zeitperioden seien Verhältnisrechnungen angestellt worden, wobei diese aufgrund der Fälligkeiten des Finanzamtes jeweils zum 15. eines jeden Monats angestellt worden seien. Aus einem diesbezüglichen Aktenvermerk der Kanzlei des rechtlichen Vertreters gehe hervor, dass sich für die erste Periode eine Befriedigungsquote für das Finanzamt von 39,37 % ergeben würde, während die restlichen Gläubiger mit einer Quote von 34,80 % bedient worden seien. Für die zweite Periode würde sich für die allgemeinen Gläubiger eine Quote von 2,69 % ergeben, wobei das Finanzamt keine Quote erhalten habe. Für die dritte Periode würde sich eine Quote von 2,23 % ergeben, gegenüber dem Finanzamt eine Quote von 0 %.
Bei Betrachtung des Gesamtzeitraumes würde sich ergeben, dass das Finanzamt noch immer geringfügig begünstigt worden sei und somit mehr als jeder der Gläubigerschaft erhalten habe.
Die Folgeperioden von 15.03. bis 15.04. bzw. von 15.04. bis 15.05. seien in die Kalkulation nicht einbezogen worden, weil es auf dem Bankkonto keinerlei Bewegungen mehr gegeben habe und die Bewegungen, die jeweils mit 10,00 € zu beobachten gewesen wären, Rückbuchungen von Verfügungen bedeuten würden.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung möge berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer derzeit aufgrund seiner Erkrankung eine monatliche Vorauspension aus der Invalidität erhalte.
Allfällige Forderungen des Finanzamtes würden daher dazu führen, dass über das Vermögen des Beschwerdeführers das Konkursverfahren eröffnet werde müsste. Es würde ein Nettoeinkommen von 1.200,00 € verbleiben, woraus sich schon ergeben würde, dass die Geltendmachung der Haftung die Grundsätze von Billigkeit und Zweckmäßigkeit verletzen würde.
Dem Schriftsatz angeschlossen waren der Kontoauszug der Bankinstitut, eine Zusammenstellung von Zahlungen und Eingängen des Kontos der Bankinstitut, das Anmeldungsverzeichnis im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin, ein Aktenvermerk vom , Kassabuchaufzeichnungen betreffend Jänner und Februar 2016 sowie eine Zusammenstellung der Kontozu- und Abflüsse bezogen auf fünf Perioden vom 15.12. bis .

Mit Haftungsbescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 13.728,63 € geltend. Die Abgaben wurden wie folgt aufgeschlüsselt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2015
10,28
Umsatzsteuer
11/2015
6.831,75
Umsatzsteuer
12/2015
521,95
Lohnsteuer
2014
2.234,95
Lohnsteuer
2015
2.234,95
Lohnsteuer
1/2016
1.180,26
Körperschaftsteuer
01-03/2016
6,73
Kammerumlage
10-12/2015
8,35
Dienstgeberbeitrag
2013
243,00
Dienstgeberbeitrag
2014
279,37
Dienstgeberbetrag
2015
97,22
Dienstgeberbeitrag
01/2016
22,73
Zuschlag zum DB
2013
21,60
Zuschlag zum DB
2014
24,83
Zuschlag zum DB
2015
8,64
Zuschlag zum DB
01/2016
20,02
Summe
13.728,63

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in der Periode - die Fälligkeit der noch aushaftenden Umsatzsteuer 11/2015 von 19.631,00 () begründet sei. Es sei auch richtig, dass am eine Zahlung iHv 16.836,73 € eingelangt sei. Mit dieser Zahlung sei jedoch weisungsgemäß die Umsatzsteuer 10/2015 in Höhe von 16.836,73 € abgedeckt worden. Dieser Zahlungseingang könne daher nicht zum Beweis für die Gläubigergleichbehandlung für eine Abgabe, die erst einen Monat später ihre Fälligkeit begründet habe, herangezogen werden.
Festgehalten werde vielmehr, dass der letzte Zahlungseingang am Finanzamtskonto am zu verzeichnen gewesen wäre und mit dieser Zahlung weisungsgemäß die Lohnabgaben 12/2015 iHv 2.390,58 € abgedeckt worden seien. Somit stehe fest, dass für die Abgaben mit Fälligkeit , und keine Zahlungen an das Finanzamt geleistet worden seien.
Da jedoch plausibel dargestellt worden sei, dass die restlichen Gläubiger
- mit mit einer Quote von 34,80 %
- mit mit einer Quote von 2,69 % und
- mit mit einer Quote von 2,23 % befriedigt worden seien, seien die Haftungsbeträge von den Abgaben mit den angeführten Fälligkeiten auf diese Quoten einzuschränken.
Für die Abgaben, die ihre Fälligkeiten außerhalb dieser Fälligkeitstage begründet hätten, sowie für die aushaftende Lohnsteuer, bei der der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gelten würde, wäre die Haftung für die vollen ausständigen Beträge auszusprechen.
In Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung wurde mit Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf hingewiesen, dass derzeit von einer gänzlichen Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld nicht ausgegangen werden könne.
Dem Bescheid wurden Kopien des Umsatzsteuerbescheides 2015, des Körperschaftsteuerbescheides 2016 und des Berichtes über die Lohnsteuerprüfung vom inkl. Abgabenbescheide beigelegt.

In der Beschwerde vom wurde ausgeführt, dass das Finanzamt nunmehr einen Kunstdreh zu machen versuche, in dem es eine Verschiebung der Zeitperioden um einen Tag durchgeführt habe und dabei zu Lasten des Beschwerdeführers nicht fällige Forderungen in die Abrechnung einbezogen habe bzw. die Zahlung vom außer Ansatz gelassen hätte, in dem diese Forderung und gleichzeitig diese Zahlung überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Tatsache sei, dass die Umsatzsteuerforderung für November 2015 am fällig geworden sei, jedoch zur Zeitperiode vom bis hinzugerechnet werde, in welcher die in der weiteren Folge vom Finanzamt angewendete Befriedigungsquote von 34,80 % zugunsten der Gläubiger stattgefunden habe. Dass das Finanzamt noch am eine Befriedigungsquote von 39,37 % erfahren habe, werde nicht berücksichtigt. Tatsache sei es daher, dass die Umsatzsteuerforderung vom November 2015, welche am zur Zahlung fällig geworden sei, in die zweite Abrechnungsperiode mit der Befriedigungsquote 2,69 % zu rechnen sei. Eine nicht fällige Forderung könne nicht in eine vorangehende Zeitperiode zurückbezogen werden.
Die Umsatzsteuerforderung für Dezember 2015 sowie die Umsatzsteuerforderung für 2015 generell mit der Fälligkeit per könne daher wiederum nicht in die zweite Periode mit der Befriedigungsquote von 2,69 % eingerechnet werden, sondern würde in die dritte Quote mit 2,23 % fallen.
Das gleiche Argument gelte auch für alle folgenden Steuerforderungen an Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, insoweit diese Forderungen des Finanzamtes per 15.01. und per fällig geworden seien.
Die Rückstandsaufgliederung, welche zum Haftungsbescheid vom Finanzamt vorgelegt worden sei, kenne Forderungen
mit der Fälligkeit per von 22.445,99 €
mit der Fälligkeit per von 22.170,62 €
und mit anderen Fälligkeiten von 2.803,75 €.
Die 2,23 %ige Quote zu Fälligkeitstermin per würde einen Betrag von 500,55 € ergeben, die 2,69 %ige Quote zum Fälligkeitstermin per einen Betrag von 596,39 € und die Restforderungen mit früheren Fälligkeiten würden einen Betrag von 2.803,75 € ergeben.
Die Geschäftsführerzeit des Beschwerdeführers sei dadurch gekennzeichnet, dass er im Jahr 2014 einen Schlaganfall erlitten habe, von dem er sich bis heute nicht erholt habe. Die Folgen dieses Schlaganfalles seien solche, dass der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig sei und deshalb auch eine Vorauspension aus der Invalidität genieße. Wenngleich diese Krankheitsfolgen erst relativ spät von der Sozialversicherung zum Anlass der Gewährung der Vorauspension anerkannt worden seien, könne kein Zweifel daran bestehen, dass diese Folgen seit dem Schlaganfall aufgetreten seien und den Geschäftsführer praktisch handlungs-, geschäfts- und entscheidungsunfähig gemacht hätten. Der Zeitraum der Geschäftsführung des Beschwerdeführers seit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am x.2016 wären in diesen zwei Jahren dadurch gekennzeichnet gewesen, dass die Geschäfte ausgelaufen seien, Aufträge mehr schlecht als recht abgeschlossen und erledigt worden seien und ansonsten die Gesellschaft einen vorbezeichneten Weg genommen habe. Es habe zwar immer wieder die Hoffnung der beteiligten Personen einschließlich des Beschwerdeführers bestanden, dass sich der Krankheitszustand ändern würde, doch wäre dies leider bis zum heutigen Tag nicht der Fall. Zum Verständnis werde nochmals auf den Bezug der Vorauspension verwiesen.
In Zusammenhang mit dieser Erkrankung werde weiters darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer durch dieses Ereignis geschäfts- und entscheidungsunfähig geworden sei und in diesem Zeitraum praktisch keine Entscheidungen darüber treffen konnte, die insbesondere dem Geschäftsführer bis zuletzt verborgen bleibende Steuerverbindlichkeiten betroffen hätten. Alle Steuerverbindlichkeiten mit einem früheren Fälligkeitstag als der seien erst anlässlich einer Prüfung des Unternehmens anlässlich der Insolvenzeröffnung festgestellt und vorgeschrieben worden. Dieser Betrag von 2.803,75 € sei dem Geschäftsführer daher nicht bekannt gewesen und ihm nicht vorwerfbar, da er aufgrund seines Krankheitszustandes weder im Stande gewesen sei, diese Steuerforderungen zu kennen oder auch nur die Möglichkeit gehabt hätte, sie kennenzulernen. Das Unternehmen sei durch einen Steuerberater vertreten und betreut worden, sodass der Geschäftsführer alles Mögliche getan habe, um seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Dieser Schuldausschließungsgrund würde auch jene Quotenforderungen des Finanzamtes betreffen, wie sie für die Fälligkeiten per bzw. 15.0.2016 errechnet worden seien.
Es werden die Anträge auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, Aufhebung des Haftungsbescheides bzw. in eventu auf Einschränkung des Haftungsbetrages auf 1.096,94 € gestellt.

In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom wurde mit Schreiben vom bekanntgegeben, dass die medizinischen Unterlagen und Behandlungsergebnisse aus den Jahren 2016 und 2017 übermittelt würden, wobei sich auch im Jahr 2018 keine Änderung ergeben hätte. Der ausgehende Schlaganfall habe sich im Dezember 2015 ereignet und ab 2016 die körperliche Eignung des Geschäftsführers in Frage zu stellen gewesen sei. Die entsprechende Beeinträchtigung habe seit Dezember 2015 bestanden, es gäbe keine Sachwalterschaft. Die Aufgaben des Geschäftsführers seien in diesem Zeitraum gerichtsmäßig zwar vom Geschäftsführer wahrgenommen worden, er jedoch tatsächlich durch die Krankheit beeinträchtigt gewesen sei. Es habe sich um eine Reihe von Schlaganfällen gehandelt, die allesamt ambulant behandelt worden seien und nun zu der dauernden Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Die Höhe der zukünftigen Pension sei nicht abschätzbar, das vorweg bezahlte Rehageld unterliege Schwankungen und betrage monatlich ca. 2.000,00 €.
Dem Schriftsatz angeschlossen wurden die Bestätigung des Rehageldbezuges vom , Schreiben von Dr. Arzt1 an die PVA NÖ vom , vom , vom , Bestätigung von Arzt2 vom 02.06.2018und vom , Gutachten der PVA vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund des abgeschlossenen Insolvenzverfahrens die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin einwandfrei gegeben sei. Dem Beschwerdevorbringen wurde entgegengehalten, dass die Umsatzsteuerforderung 11/2015 (fällig am ) noch aushaftend in Höhe von 19.631,47 € entsprechend der Berechnung des Beschwerdeführers in die Periode bis eingerechnet worden sei. Warum nun in der Beschwerdevorgebracht werde, dass diese Periode nur bis dauern solle, sei nicht nachvollziehbar. Die Zahlung von in Höhe von 16.836,73 € sei daher außer Ansatz gelassen worden, weil damit laut Verrechnungsweisung die Umsatzsteuer 10/2015 abgedeckt worden sei.
Laut Stellungnahme des Beschwerdeführers vom hätte die zweite Periode den Zeitraum bis umfasst. Die Umsatzsteuerforderung 12/2015 sowie die Umsatzsteuerforderung 2015 mit Fälligkeit würden genau in diese Periode fallen und seien deshalb auf die vom Beschwerdeführer berechnete Quote von 2,69 € eingeschränkt worden.
Alle anderen Abgaben mit den Fälligkeitstagen 15.01. und seien entsprechen auf die vorgelegte Verhältnisrechnung vom eingeschränkt worden. Unter Verweis auf § 78 Abs. 3 EStG sei die Lohnsteuer nicht eingeschränkt worden.
In Zusammenhang mit der Krankheit des Beschwerdeführers wurde seitens des Finanzamtes auf § 80 Abs. 1 BAO iVm §§ 18 GmbH und die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Es sei nicht dargelegt worden, dass der Beschwerdeführer infolge schwerer Erkrankung daran gehindert gewesen wäre, die Geschäftsführerfunktion niederzulegen. In der Beschwerde sei behauptet worden, dass der Geschäftsführer bereits 2014 einen Schlaganfall erlitten hätte, von dem er sich bis heute nicht mehr erholt hätte. In weiterer Folge seien Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgehe, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2015 einen "kleinen" Schlaganfall erlitten hätte. Es sei zu keinem Klinikaufenthalt gekommen. Diese Unterlagen würden keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufzeigen, dass der Beschwerdeführer infolge Handlungsunfähigkeit gehindert gewesen wäre, entweder die abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen oder die Geschäftsführertätigkeit niederzulegen. Die geschilderten körperlichen Einschränkungen würden zwar die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten erschweren, aber jedenfalls nicht die Niederlegung der Geschäftsführertätigkeit unmöglich machen.
Schließlich wurde in der Beschwerdevorentscheidung darauf hingewiesen, dass bei Selbstbemessungsabgaben maßgebend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären, unabhängig davon, wann eine bescheidmäßige Festsetzung erfolgen würde.

Mit Schriftsatz vom brachte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein. Der Haftungsbescheid werde seinem gesamten Inhalt nach angefochten, geltend gemacht würden unrichtige Tatsachenfeststellungen, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung. Begründend wurde das Beschwerdevorbringen wiederholt.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Rahmen der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass unter Hinweis auf § 78 Abs. 3 EStG 1988 die Haftung für die Lohnsteuer zur Gänze bestehe. Die Umsatzsteuerforderung von November 2015 sei am zur Zahlung fällig gewesen. Erst zu (bzw. ab) diesem Zeitpunkt sei entscheidend, ob der Vertreter die Abgabenbehörde ungleich behandelt habe. Jene Mittel, welche dem Vertreter davor zur Tilgung von Forderungen anderer Gläubiger aufgewendet hätte, müssten daher unberücksichtigt bleiben. Der Beschwerde sei daher insofern stattzugeben, als die Umsatzsteuerforderung von November 2015 der Befriedigungsquote von 2,69 % zu unterziehen sei. Das gleiche gelte für den Zuschlag zum DB, welcher am fällig geworden sei. Die Abgabenforderungen, welche am fällig geworden seien, seien statt der Quote von 2,69 % jener von 2,23 % zu unterziehen.
In Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers wurde neuerlich darauf hingewiesen, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass er handlungs-, geschäfts- und entscheidungsunfähig gewesen sei. Insbesondere gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bestellung eines Erwachsenenvertreters notwendig wäre.

Am wurde von der zuständigen Richterin folgendes Schreiben an den Beschwerdeführer gerichtet:
"Aufgrund der von Ihnen im bisherigen Verfahren vorgelegten Unterlagen in Zusammenhang mit dem Ausmaß der Befriedigung der Gläubiger ist davon auszugehen, dass
Fälligkeiten per im Ausmaß von 2,69 %,
Fälligkeiten per im Ausmaß 2,23 % und
alle Fälligkeiten davor im Ausmaß von 100 % befriedigt worden sind.
Auf die Sonderstellung der Lohnsteuer (§ 78 Abs. 3 EStG) wurde vom Finanzamt im Haftungsbescheid, in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlagebericht bereits ausführlich hingewiesen.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben gliedern sich nunmehr wie folgt auf:


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Abgabenschuld
Aushaftender
Betrag in €
Fälligkeit
Gläubiger-
befriedigung
Angepasster
Betrag
Umsatzsteuer 2015
382,10
2,23 %
8,50
Umsatzsteuer 11/2015
19.631,47
2,69 %
528,10
Umsatzsteuer 12/2015
19.403,17
2,23 %
423,70
Lohnsteuer 2014
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 2015
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 1/2016
1.180,24
--
1.180,26
Körperschaftsteuer
1-3/2016
250,00
2,23 %
5,60
Kammerumlage
10-12/2015
310,55
2,23 %
9,90
Dienstgeberbeitrag 2013
243,00
100 %
243,00
Dienstgeberbeitrag 2014
279,37
100 %
279,37
Dienstgeberbeitrag 2015
279,37
2,69 %
7,50
Dienstgeberbeitrag 01/2016
844,90
2,23 %
18,80
Zuschlag zum DB 2013
21,60
100 %
21,60
Zuschlag zum DB 2014
24,83
100 %
24,83
Zuschlag zum DB 2015
24,83
2,69 %
0,70
Zuschlag zum DB 01/2016
75,10
2,23 %
1,70
Summe
47.420,36
7.223,46

Was schließlich die Behauptung anlangt, Sie seien in Folge eines Schlaganfalles arbeitsunfähig gewesen, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2000/15/0018, dargelegt, dass, ein Geschäftsführer, der behauptet, "er sei etwa durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert worden, so schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben bzw. die Umstände, welche zu der Behinderung führen, zu beseitigen - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen. Welcher Zeitraum zwischen dem Erkennen der Behinderung bzw. der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen und dem Rücktritt haftungsrelevant ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. dazu Ritz, Bundesabgabenordnung, Rz 17 zu § 9 BAO und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 89/14/0115, Folgendes ausgesprochen: "Eine Erkrankung des Vertreters, die zu seiner Handlungsunfähigkeit führt, bewirkt, dass ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht angelastet werden kann; Handlungsunfähigkeit macht den Vertreter auch unfähig, seine Geschäftsführerfunktion niederzulegen."
Unbestritten ist gegenständlich, dass Sie seit Jahren an einer Erkrankung leiden. Es wurde jedoch nicht dargelegt, aus welchen entschuldbaren Gründen Sie unter diesen Umständen die Geschäftsführerfunktion nicht zurückgelegt haben. Dass Sie aus gesundheitlichen Gründen am Rücktritt von der Geschäftsführungsfunktion gehindert waren, lässt sich weder dem Beschwerdevorbringen noch den vorgelegten ärztlichen Attesten entnehmen.
Aus der Bestätigung des Psychotherapeuten Arzt2, den Attesten von Dr. Arzt1 und auch aus dem ärztlichen Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt geht zwar hervor, dass Sie in Folge eines Zusammenbruches (Minor Stroke - Vorbote eines Schlaganfalles im Dezember 2015) arbeitsunfähig sind und waren, es liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkt für die Annahme vor, Sie wären infolge Handlungsunfähigkeit weder zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten noch zur Niederlegung der Geschäftsführerfunktion in der Lage gewesen.
In der Rechtfertigung vom wurde Ihre Krankheit als Grund für die Nichterfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen nicht einmal angeführt. Vielmehr wurde detailliert dargelegt, welche wirtschaftliche und geschäftliche Motivationen dazu geführt haben, dass bestimmte (Zug-um-Zug)Zahlungen geleistet worden sind. Es wurde explizit darauf hingewiesen, dass im Zeitraum von bis verstärkte Bemühungen gesetzt worden seien, Fertigstellungsarbeiten durchzuführen. Dass Sie in dieser Zeit in Ihrer Funktion als Geschäftsführer und somit Vertreter der Primärschuldnerin handlungsunfähig gewesen wäre, ist dieser Rechtfertigung nicht zu entnehmen.
Dass Ihnen der Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, behaupten Sie selbst nicht. Für eine derartige Annahme bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte. Somit besteht ein haftungsrelevantes Verschulden auch darin, dass Sie die Geschäftsführerfunktion bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen nicht zurückgelegt haben.
Auf Grund des derzeitigen Ermittlungsstandes ist beabsichtigt,
der gegenständlichen Beschwerde insofern teilweise stattzugeben, als die Haftungssumme auf den Betrag von 7.223,46 € eingeschränkt wird, und
im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Sie werden ersucht, dazu binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen und insbesondere bekannt zu geben,
ob der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrecht gehalten wird bzw.
ob einem Verfahren iSd § 300 Abs. 1 BAO (Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides und Erlassung eines neuen Haftungsbescheides hinsichtlich des Betrages von 7.223,46 € durch das Finanzamt) zugestimmt wird."

Mit Schreiben vom wurde seitens des rechtlichen Vertreters darauf hingewiesen, dass die im Schreiben vom dargestellten Beträge teilweise nicht nachvollziehbar seien. Dies gelte für die Umsatzsteuer 1/2015, die im Haftungsbescheid des Finanzamtes mit einem Betrag von 6.831,75 € ausgewiesen sei, nunmehr mit dem Betrag von 19.631,47 €. Die Umsatzsteuer 12/2015 scheine im Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes mit einem Betrag von 19.403,17 € auf, im Haftungsbescheid des Finanzamtes mit 521,95 €. Grundsätzlich werde wohl von den Haftungsbeträgen auszugehen sein, die im Haftungsbescheid ausgewiesen würden.
Des weiteren bestehe eine Unklarheit des Vorhaltes darin, dass zwar gleichsam zuerkannt werde, dass Haftungsbeträge, deren Fälligkeit zum eintreten würde, im Ausmaß von 2,96 % und Haftungsbeträge, deren Fälligkeit am eintreten würde, im Ausmaß von 2,23 % zu berücksichtigen seien.
Das Gegenteil würde sich bei den ausgewiesene Beträgen für Lohnsteuer 2015 von 2.234,95 € mit Fälligkeit und für Lohnsteuer 1/2016 mit Fälligkeit ergeben, die ohne Berücksichtigung der Quotenkürzung als volle Beträge in den Haftungsbetrag eingestellt würden.
Bei Berücksichtigung dieser fehlerhaften Darstellung in der Abgabengliederung würde sich folgende Darstellungergeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Steuerbetrag
Quote
Betrag in Euro
Umsatzsteuer 2015
382,10
2,23
8,50
Umsatzsteuer 11/2015
6.831,75
2,69
183,77
Umsatzsteuer 12/2015
521,95
2,23
11,64
Lohnsteuer 2014
2.234,95
100
2.234,95
Lohnsteuer 2015
2.234,95
2,69
60,12
Lohnsteuer 1/2016
1.180,24
2,23
26,32
Körperschaftsteuer1-3/2016
250,00
2,23
5,60
Kammerumlage 10-12/2015
310,55
2,23
9,90
Dienstgeberbeitrag 2013
243,00
100
243,00
Dienstgeberbeitrag 2014
279,37
100
279,37
Dienstgeberbeitrag 2015
279,37
2,69
7,50
Dienstgeberbeitrag 1/2016
844,90
2,23
18,80
Zuschlag zum DB 2013
21,60
100
21,60
Zuschlag zum DB 2014
24,83
100
24,83
Zuschlag zum DB 2015
24,83
2,69
0,70
Zuschlag zum DB 1/2016
75,10
2,23
1,70
Theoretischer Haftungsbetrag
3.138,30

In Zusammenhang mit der Krankheit des Geschäftsführers und der damit zitierten Rechtsprechung () wurde darauf hingewiesen, dass diese Begründung dann zutreffend sei, wenn der Geschäftsführer nicht durch seine Erkrankung auch daran gehindert sei, Rechtsbeistand zu suchen. Der Geschäftsführer sei durch seine Erkrankung nicht nur an der Ausübung der Geschäftsführung verhindert, sondern auch daran, seine Geschäftsführerfunktion zurückzulegen. Die Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion als solche sei letzten Endes nichts anderes als ein Akt der Geschäftsführung, da der Geschäftsführer in Stande sein müsse, dass er eine Geschäftsunfähigkeit erkenne und gemäß dieser Erkenntnis handeln könne. Bei der Erkrankung des Beschwerdeführers handle es sich aber um eine solche, die ihn damals auch daran gehindert habe, eine Geschäftsunfähigkeit zu erkennen. Diese Schlussfolgerung habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 89/14/0115, gezogen. Eine derartige Erkrankung wäre beim Beschwerdeführer vorgelegen. Es könne nicht Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes sein, einen Gesundheits- oder Krankheitszustand eines Beschwerdeführers zu beurteilen.
Zusammenfassend sei jedenfalls festzuhalten, dass der vom Bundesfinanzgericht errechnete Haftungsbetrag von 7.223,46 € nicht richtig sei, da er einerseits quotenmäßige Kürzungen unterlasse und andererseits Steuerbeträge als Basis annehmen würde, die nicht den Gegenstand des Haftungsverfahrens gebildet hätten.
Der Beschwerdeführer habe sich der Mühe unterzogen, mit seiner Hausbank Kontakt auszunehmen und es wäre möglich, einen Betrag von 3.138,30 € zur Einzahlung zu bringen, wenn damit sämtliche Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers aus dem gegenständlichen Verfahren errechnet wären.
Sollte das Bundesfinanzgericht dem theoretischen Haftungsbetrag von 3.138,30 € nicht folgen, werde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer sehr wohl durch seine Krankheit auch daran gehindert gewesen wäre, seiner Verpflichtung nachzukommen, die Geschäftsführung abzugeben und werde angekündigt, dass eine diesbezügliche ärztliche Begutachtung vorgelegt werde. Es werde der Antrag gestellt, die Frist zur Vorlage eines derartigen Gutachtens mit zu setzen.

Mit Schreiben vom legte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers ein nervenfachärztliches Attest des Dr. Arzt1 vom mit folgendem Wortlaut vor: "***Bf1*** steht bei mir seit 05.2016 in nervenfachärztlicher Begleitung. Seit 2013 ist er wegen schwerer Depressionen, Panikstörungen und einer Anfallserkrankung psychophysisch nicht mehr belastbar gewesen und ab 2015 völlig zusammengebrochen.
Schwere Schlafstörungen (OSAS) und Blutdruckkrisen führten zu Angina pectoris und 12.2015 zu einem kleinen Schlaganfall (TiA).
Er benötigt laufend bzw. regelmäßige Medikationen, Einzelpsychotherapie und Facharztbegleitung. Aufgrund des fehlenden (beruflichen) Leistungskalküls wurde er vorzeitig pensioniert
."

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom für den wurden dem Finanzamt die bisherigen Ermittlungsergebnisse (Schreiben des BFG vom 03.05.20121, Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom und vom ) übermittelt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am wurde seitens der beschwerdeführenden Partei wiederholend dargelegt, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, einen Betrag von 3.138,30 € zu bezahlen. Der schlechte Gesundheitszustand müsse im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 20 BAO berücksichtigt werden. Derzeit beziehe er eine Pension in Höhe von 1.200,00 €, er habe keine Unterhaltspflichten und lebe gemeinsam mit seiner Gattin in einem Einfamilienhaus, das vermutlich im jeweiligen Hälfteeigentum stehe.
Seitens der Amtspartei wurde darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Abschlagszahlung allenfalls in einem dem Haftungsverfahren nachgelagerten Verfahren auf Entlassung aus der Gesamtschuld berücksichtigt werden könne.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Firma ***A*** GmbH wurde am ***Datum*** gegründet und unter der Firmenbuchnummer FNR in das Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer war einziger Gesellschafter.
Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom x.2016 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben, die amtswegige Löschung erfolgte per .

***Bf1***, geboren am x.1964, war ab Gründung der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens alleiniger Geschäftsführer.

Mit Haftungsbescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 13.728,63 € geltend. Zu diesem Zeitpunkt hafteten am Abgabenkonto der Primärschuldnerin folgende haftungsrelevanten Abgaben unberichtigt aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
fällig am
Betrag
Umsatzsteuer
2015
382,01
Umsatzsteuer
11/2015
19.631,47
Umsatzsteuer
12/2015
19.403,17
Lohnsteuer
2014
2.234,95
Lohnsteuer
2015
2.234,95
Lohnsteuer
01/2016
1.180,26
Körperschaftsteuer
01-03/2016
250,00
Kammerumlage
10-12/2015
310,55
Dienstgeberbeitrag
2013
243,00
Dienstgeberbeitrag
2014
279,37
Dienstgebereitrag
2015
279,37
Dienstgeberbeitrag
01/2016
884,90
Zuschlag zum DB
2013
21,60
Zuschlag zum DB
2014
24,83
Zuschlag zum DB
2015
24,83
Zuschlag zum DB
01/2016
75,10
Summe
47.420,36

Diese Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin auch derzeit unberichtigt aus.

Im Haftungsbescheid vom wurden die am fälligen Abgaben im Ausmaß von 34,80 % aufgenommen, die am fälligen Abgaben im Ausmaß von 2,69 % und alle anderen Abgaben mit 100 %. Ebenfalls mit 100 % sind die Lohnsteuerbeträge unter Hinweis auf § 78 Abs. 3 EStG 1988 im Haftungsbescheid enthalten. Dem Haftungsbescheid angeschlossen waren der Umsatzsteuerescheid 2015, Körperschaftsteuerbescheid 2016 und der Bericht über die Lohnsteuerprüfung vom inkl. Abgabenbescheide.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens wurden von der beschwerdeführenden Partei Unterlagen und Berechnungen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass bei einer Gleichbehandlung aller Verbindlichkeiten bzw. Gläubiger die am fällig gewordenen Abgaben mit einer Quote von 2,69 % zu befriedigen gewesen wären, die am fällig gewordenen Abgaben mit einer Quote von 2,23 %. Für alle davor fällig gewordenen Abgabenverbindlichkeiten wurde keine Berechnung vorgelegt.

Aus den vorgelegten medizinischen Gutachten und Bestätigungen geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit 2013 an Erschöpfungsdepressionen und Panikepisoden litt, begleitet von einer kardialen Erkrankung. Er war psychophysisch nicht mehr belastbar. Im Dezember 2015 erlitt der Beschwerdeführer einen leichten Schlaganfall, der ambulant behandelt wurde. Seit Mai 2016 ist er in fachärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung im Abstand von jeweils 2 bis 3 Wochen. Folgende Medikamente werden eingenommen: Wellbutrin XR 150 mg 1-1-0-0, Escitalopram 10 mg ½-0-1/2-0, Atarax 25 mg bei Panikkrisen, Quetiapin 25 mg 0-0-0-1.

Derzeit bezieht der Beschwerdeführer eine Pension in Höhe von 1.200,00 € monatlich, wohnt mit seiner Gattin in einem Einfamilienhaus und hat keine Unterhaltspflichten.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde bzw. des Beschwerdeführers sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

Dr. Arzt1 und Arzt2, welche die vorgelegten medizinischen Gutachten verfasst haben, behandeln den Beschwerdeführer beide erst seit Mai 2016 und können daher aus eigener Wahrnehmung keine Angaben über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im haftungsrelevanten Zeitraum (vor allem von Dezember 2015 bis Februar 2016) machen. Die Schreiben lassen nicht erkennen, dass bzw. inwieweit die Erkrankung die Ausübung der Geschäftsführertätigkeit unmöglich gemacht hätte.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

3.1.1. Zur Vertreterhaftung

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer von ***Datum*** bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Die abgabenrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der ***A*** GmbH war daher im haftungsgegenständliche Zeitraum gegeben.

3.1.2. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (; ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (; ). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (; ).

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit grundsätzlich unbestritten fest, da laut Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und schließlich die Firma gemäß § 40 FBG gelöscht worden ist.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin nur Gänze unberichtigt aus.

3.1.3. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (). Tritt er diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdingszur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (; ; ).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl zB ; ; ; ; ); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; ). Ausschlaggebend ist, dass die Abgaben im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet worden sind.

Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 10).

Weist der Vertreter nun nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenzzwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Beschwerdeführer ist dieser Behauptungs- und Beweispflicht nachgekommen. Er legte eine detaillierte vor, aus der hervorgeht, dass bei einer Gleichbehandlung aller Verbindlichkeiten bzw. aller Gläubiger die am fällig gewordenen Abgaben mit einer Quote von 2,69 % zu befriedigen gewesen wären, die am fällig gewordenen Abgaben mit einer Quote von 2,23 %. Für alle davor fällig gewordenen Abgabenverbindlichkeiten wurde keine Berechnung vorgelegt.

Betreffend die Haftung für die Lohnsteuer ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Abfuhrpflichtige bei nicht ausreichenden Mittel zur Entrichtung der Lohnsteuer, die auszuzahlenden Löhne entsprechend zu kürzen und vom niedrigeren ausbezahlten Lohn die Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen.

Daraus folgt, dass die Lohnsteuer von den ausbezahlten Löhnen immer zur Gänze zu berechnen und abzuführen ist. Das Gleichbehandlungsgebot gilt für die Lohnsteuer nicht.

Wird die abzuführende Lohnsteuer nicht oder nicht zu Gänze entrichtet, liegt darin ein pflichtwidriges Verhalten der für die Abfuhr der Lohnsteuer verantwortlichen Person. Wird die Lohnsteuer bei der lohnsteuerpflichtigen Gesellschaft uneinbringlich, so haftet gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO der oder die im Gesetz genannte Vertreter/Vertreterin für den Steuerausfall (-RS1). Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen ().

Es ist hinsichtlich der Lohnsteuer von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin auszugehen und der Haftungsanspruch besteht diesbezüglich daher zur Gänze, unabhängig vom Zeitpunkt der Fälligkeit.

Bei Anwendung dieser Ausführungen auf die beschwerdegegenständliche Haftungsschuld ergibt sich folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenschuld
Aushaftender
Betrag in €
Fälligkeit
Gläubiger-
befriedigung
Angepasster
Betrag
Umsatzsteuer 2015
382,10
2,23 %
8,50
Umsatzsteuer 11/2015
19.631,47
2,69 %
528,10
Umsatzsteuer 12/2015
19.403,17
2,23 %
423,70
Lohnsteuer 2014
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 2015
2.234,95
--
2.234,95
Lohnsteuer 1/2016
1.180,24
--
1.180,26
Körperschaftsteuer
1-3/2016
250,00
2,23 %
5,60
Kammerumlage
10-12/2015
310,55
2,23 %
9,90
Dienstgeberbeitrag 2013
243,00
100 %
243,00
Dienstgeberbeitrag 2014
279,37
100 %
279,37
Dienstgeberbeitrag 2015
279,37
2,69 %
7,50
Dienstgeberbeitrag 01/2016
844,90
2,23 %
18,80
Zuschlag zum DB 2013
21,60
100 %
21,60
Zuschlag zum DB 2014
24,83
100 %
24,83
Zuschlag zum DB 2015
24,83
2,69 %
0,70
Zuschlag zum DB 01/2016
75,10
2,23 %
1,70
Summe
47.420,36
7.223,46

Den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei ist in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, dass im angefochtenen Bescheid die am fällig gewordenen Abgaben mit einem Prozentsatz vom 34,80 und jene, die am fällig geworden sind, mit einem Prozentsatz von 2,69 des jeweils aushaftenden Abgabenbetrages enthalten waren. Die nunmehr verminderten Prozentsätze von 2,69 bzw. 2,23 beziehen sich ebenfalls auf die ursprünglich aushaftenden Abgabenbeträge - und nicht auf die bereits eingeschränkten Beträge des Haftungsbescheides.

3.1.4. Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22). Haftungsbegründend ist die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten.

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Ansicht, der Beschwerdeführer sei im beschwerdegegenständlichen Zeitraum aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen, seinen Obliegenheiten als Geschäftsführer nachzukommen und für die vollständige und pünktliche Entrichtung der Abgabenforderungen zu sorgen.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2000/15/0018, Folgendes ausgesprochen: "Behauptet ein Geschäftsführer, er sei etwa durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert worden, so schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben bzw. die Umstände, welche zu der Behinderung führen, zu beseitigen - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen. Welcher Zeitraum zwischen dem Erkennen der Behinderung bzw. der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen und dem Rücktritt haftungsrelevant ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. dazu Ritz, Bundesabgabenordnung, Rz 17 zu § 9 BAO und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Betrauung Dritter (z. B. Angestellter) mit abgabenrechtlichen Pflichten reicht für sich nicht aus, um eine Behinderung an der Ausübung der Geschäftsführerfunktion zu beseitigen, da der Geschäftsführer das Personal in solchen Abständen zu überwachen hat, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgaberechtlicher Verpflichtungen, insbesondere die Verletzung abgaberechtlicher Zahlungsverpflichtungen verborgen bleiben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/14/0080)."

Bei der Haftung gemäß § 9 BAO handelt es sich um eine schadenersatzähnliche Verschuldenshaftung, die Verschulden bzw. Verschuldensformen verlangt, wie sie das bürgerliche Recht vorsieht (Stoll, BAO, 126 f). Den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkürliche Handlung verursacht hat, ist er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig (§ 1306 ABGB). Wird der Nachweis erbracht, dass der zur Haftung herangezogene Vertreter zufolge schwerwiegender Erkrankung völlig handlungsunfähig ist, sodass er nicht nur für die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht sorgen konnte, sondern auch nicht seine Entbindung als Geschäftsführer veranlassen konnte, wird von Schuldlosigkeit (im Sinne des § 9 BAO) auszugehen sein (Stoll, BAO, 128 mit Hinweis auf ).

Dr. Arzt1 und Arzt2 behandelten den Beschwerdeführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum nicht. Es liegt dem Gericht daher keine ärztliche Bestätigung vor, die eine völlige Handlungsunfähigkeit (Dispositionsunfähigkeit) des Beschwerdeführers im haftungsrelevanten Zeitraum feststellt.

Eine Erkrankung kann nur dann zur vollständigen Haftungsbefreiung führen, wenn sie eine gänzliche Dispositionsunfähigkeit des Geschäftsführers im haftungsrelevanten Zeitraum zur Folge hätte (vgl. ; ). Davon kann im gegenständlichen Fall aber nach den vorliegenden Arztbriefen nicht ausgegangen werden. Es liegen keinerlei Hinweise auf eine geistige oder sonstige Beeinträchtig des Beschwerdeführers vor, die den Schluss zuließen, dass der Beschwerdeführer im Haftzeitraum bzw. bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin am x.2016 nicht in der Lage gewesen wäre, seine Funktion als Geschäftsführer auszuüben bzw. die Funktion zurück zu legen. Vielmehr wurde im Schreiben vom ausführlich dargelegt, dass der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum versucht hat, drei Bauvorhaben fertigzustellen und dass daran mit Hochdruck gearbeitet worden ist. Bei Nachweis eines Baufortschrittes wurde die jeweilige Vorauszahlung vom Auftraggeber freigegeben. Aus diesem Schreiben geht zweifelsfrei hervor, dass er also durchaus dispositionsfähig war, zumal es beim geschilderten Ablauf notwendig war, dass pünktlich geliefert und zügig abgerechnet wurde.

Damit steht aber auch fest, dass die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers nicht so schwer war, dass er auch seine Entbindung als Geschäftsführer nicht mehr veranlassen hätte können, und deswegen von einem fehlenden Verschulden im Sinne des § 9 BAO auszugehen wäre.

Zusammenfassend muss daher festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine Gründe aufgezeigt hat, die der gebotenen termingerechten, zumindest anteiligen (dem Gleichbehandlungsgrundsatzentsprechenden) Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben bzw. einer krankheitsbedingen Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion entgegengestanden wären, sodass das Finanzamt vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO ausgehen durfte.

3.1.5. Kausalzusammenhang

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davonausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (; ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer konnte die Abgabenbehörde daher auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

3.1.6. Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 224 Anm. 2).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Von der beschwerdeführenden Partei wurde in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankung derzeit eine Pension in Höhe von 1.200,00 € bezieht. Er hat keine Unterhaltspflichten und wohnt mit seiner Gattin in einem Einfamilienhaus. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig erzielte Einkünfte oder künftig neu hervorgekommenes Vermögen zur Einbringlichkeit der Haftungsschuld führen. Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers (56 Jahre) kann mit der Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben noch gerechnet werden.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Das Verwaltungsgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen am eindeutigen Gesetzestext sowie an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101117.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at