Verspätungszuschläge im Vorsteuererstattungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Jonasch-Platzer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, QBC 4, Am Belvedere 4, 1100 Wien über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Verspätungszuschlag für den Zeitraum 1-12/2010, 1-12/2011, 1-12/2012, 1-12/2013, 1-12/2014, 1-12/2015 und 1-12/2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) handelt es sich um ein im Drittland ansässiges Telekommunikationsunternehmen. In den angefochtenen Bescheiden wurden für die Festsetzung der Umsatzsteuer Verspätungszuschläge von 10% festgesetzt. Die Umsatzsteuerfestsetzung resultiert aus dem Finanzamt bekanntgewordenen Entgeltsminderungen für gewährte Rabatte auf verrechnete Telekommunikationsleistungen.
In ihrer Beschwerde führte die Bf. aus, sie schulde für die Veranlagungszeiträume keine österreichische Umsatzsteuer, sei nicht im Veranlagungsverfahren zu veranlagen und daher seien auch die Verspätungszuschläge aufzuheben.
Auch das Vorliegen von Entgeltsminderungen ändere nichts am Umstand, dass im gegenständlichen Fall ausschließlich das Vorsteuererstattungsverfahren anwendbar sei. Das Vorliegen von Entgeltsminderungen für mit österreichischer USt bezogene Eingangsleistungen führe nämlich nicht dazu, dass sie in Österreich steuerbare Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VO BGBl 1995/279 idgF ausführe, da es sich bei der Entgeltsminderung nur um eine Korrektur (Reduktion) des ursprünglichen Vorsteuerabzugs handle (vgl. auch § 16 Abs. 1 Z 2 UStG). Sie bleibe daher ein ausländischer Unternehmer, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VO BGBl 1995/279 idgF erfülle und über dessen Vorsteuerabzug ausschließlich im Erstattungsverfahren abzusprechen sei, wobei die im jeweiligen Erstattungszeitraum erhaltenen Eingangsrechnungen zu einer Erhöhung und die in diesem Zeitraum erhaltene Gutschriften zu einer entsprechenden Verminderung des Vorsteuerabzugs führen. Dieses Verständnis entspreche auch der Rechtsauffassung des BMF (vgl. die Ausführungen auf Seite 2 des amtlichen Vordrucks U5), welches davon ausgehe, dass Entgeltsminderungen für Eingangsrechnungen aus früheren Erstattungszeitraumen von drittländischen Unternehmern im Rahmen des Vorsteuererstattungsantrages für den Zeitraum, in dem die Entgeltsminderung eintritt, zu melden und die für diesen Zeitraum zu erstattenden Vorsteuern zu kürzen seien. Da die Entgeltsminderungen somit ausschließlich im Rahmen der Vorsteuererstattungsverfahren zu melden gewesen wären und derartige Vorsteuererstattungsanträge auch gestellt worden seien, seien die Voraussetzungen für die Verhängung eines Verspätungszuschlages nicht erfüllt: Durch Verspätungszuschläge gem. § 135 BAO dürfe nämlich ausschließlich die nicht fristgerechte Abgabe von Abgabenerklärungen durch einen Steuerpflichtigen sanktioniert werden, nicht aber deren inhaltliche Unrichtigkeit. Im gegenständlichen Fall lägen die Voraussetzungen für die Verhängung von Verspätungszuschlägen deshalb nicht vor. Sollte das Finanzamt demgegenüber an einer Festsetzung der Entgeltsminderungen im Veranlagungsverfahren festhalten, so weise sie darauf hin, dass das Finanzamt im Rahmen des Ermessens auch die Gründe für die bisherige Nichtabgabe der Abgabenerklärungen bei der Höhe der Verspätungszuschläge zu berücksichtigen habe. Der Umstand, dass selbst das BMF im amtlichen Vordruck U5 davon ausgeht, dass Entgeltsminderungen im Vorsteuererstattungsverfahren zu berücksichtigen und dementsprechend keine gesonderten Umsatzsteuererklärungen dafür abzugeben sind, schließe ihres Erachtens ein Verschulden an der bisherigen Nichtabgabe von USt-Erklärungen gänzlich aus, sodass auch aus diesem Grund die Verhängung eines Verspätungszuschlages unzulässig sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde der Sachbeschwerde in der Weise Folge gegeben, als die Rabatte entsprechend den vorgelegten Unterlagen berechnet wurden. Die Verspätungszuschläge wurden entsprechend den Bemessungsgrundlagen angepasst.
Die Verspätung sei jedoch unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 135 Abs. 1 BAO nicht entschuldbar, weil die Bf. ihre nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen habe. Dem Vorbringen, dass auf Grund der gewählten Abrechnungs- und Darstellungsweise des Telekommunikationsanbieters erhaltenen Gutschrift auch für einen sorgfältigen Sachbearbeiter in keine USt-Implikationen ersichtlich gewesen wären, könne nicht gefolgt werden, zumal die Bf. steuerlich vertreten war und die Rabattbeträge nach Ländern immer gesondert ausgewiesen gewesen wären. Die Entgeltsminderungen seien weder mittels Voranmeldung noch in den Erstattungsanträgen berücksichtigt worden. Im Hinblick auf die Höhe der Rabatte (Discounts) mehr als 82% des Vorjahresumsatzes, sei der Verspätungszuschlag von 10% angemessen.
In ihrem Vorlageantrag verwies die Bf. unter anderem darauf, sie habe in sämtlichen Zeiträumen Erstattungsanträge eingereicht und damit Abgabenerklärungen abgegeben. Durch Verspätungszuschläge dürfe ausschließlich die nicht fristgerechte Abgabe von Abgabenerklärungen, nicht aber Unrichtigkeiten sanktioniert werden. Im Übrigen seien beim Ermessen auch die Gründe für die bisherige Nichtabgabe von Abgabenerklärungen zu berücksichtigen. Insbesondere der Umstand, dass selbst das BMF im amtlichen Vordruck U5 davon ausgeht, dass Entgeltsminderungen im Vorsteuererstattungsantrag anzuführen und dementsprechend keine gesonderten Umsatzsteuervoranmeldungen oder -Erklärungen dafür abzugeben seien, schließe ein Verschulden an der bisherigen Nichtabgabe von USt-Erklärungen gänzlich aus, sodass auch aus diesem Grund die Verhängung eines Verspätungszuschlages unzulässig sei. Dies erscheine auch vor dem Hintergrund und angesichts der bisher ungeklärten Rechtsfrage, in welchem Verfahren Entgeltminderungen durch Drittstaatsunternehmer überhaupt zu erklären seien, in Höhe von 10% überschießend.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. hat es nach Ansicht der belangten Behörde offenbar unterlassen, die Entgeltsminderungen aus Roaminggebühren in entsprechenden Voranmeldungen zu erklären.
Beweiswürdigung
Der objektive Sachverhalt kann unbestritten der Aktenlage entnommen werden.
Rechtliche Beurteilung
Rechtsquellen:
Bundesabgabenordnung (BAO)
§ 135:
Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 222/2009
Art. 1: § 3a
Erstattungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer
(Anm.: § 3a) (1) Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.
(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen.
(3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Graz-Stadt in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.
Formular U 5, Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer (Auszug)
Fußnote 1 lautet:
"1) Minderungen der Umsatzsteuer infolge des Rechnungsbetrags (zum Beispiel durch Skonti, Rabatte, Storni) sind wie folgt zu berücksichtigen:
a) Ist die betreffende Rechnung in dieser Einzelaufstellung aufgeführt, ist der gekürzte Umsatzsteuerbetrag anzugeben.
b) Ist die betreffende Rechnung in der Einzelaufstellung eines früheren Vergütungsantrages enthalten, ist die Minderung der Umsatzsteuer am Schluss der Einzelaufstellung anzugeben. Es ist auf die zugrundeliegende Rechnung Bezug zu nehmen."
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Ausländische Unternehmer, ohne Sitz und Betriebstätte im Inland, haben diese im Rahmen des Erstattungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies ist auch im amtlichen Vordruck - wie die Bf. zutreffend verweist - so vorgesehen. Daraus kann eine entsprechende Verpflichtung zur (zusätzlichen) Abgabe von Voranmeldung in Rahmen des (vereinfachten) Erstattungsverfahrens nicht abgeleitet werden. Eine weitere Verschuldensprüfung ist daher gegenständlich entbehrlich.
Die Bf. hat objektiv betrachtet unrichtige Vorsteuererstattungsanträge eingereicht, zumal die Rabatte als Vorsteuerminderung (Entgeltsberichtigungen) unberücksichtigt geblieben waren. Für eine Verhängung von Verspätungszuschlägen findet sich in den oa. Gesetzesbestimmungen keine Deckung. Unrichtigkeiten in Abgabenerklärungen können nicht durch Vorschreibung von Verspätungszuschlägen sanktioniert werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Lösung des Beschwerdefalles wird direkt aus dem Gesetzestext und der ergangenen Verordnung abgeleitet.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Zitiert/besprochen in | Haller in SWK 26/2022, 1033 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2101319.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at