Keine Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten, wenn der Wohnsitz in Polen nicht aufgegeben wird, obwohl keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung gegeben ist
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I) Verfahrensgang
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 machte der Abgabepflichtige den Alleinverdienerabsetzbetrag bei zwei Kindern sowie Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.160 € und für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672 € geltend. In der Beilage befanden sich zwei Formulare für die Kinder ***M*** (geb. tt.mm.1994) und ***A*** (geb. tt.mm.2003) sowie ein Formular in polnischer Sprache "Jährliche Steuerberechnung durch die Behörde" für seine Gattin. Demnach habe diese im Jahr 2018 eine Rente in Höhe von 13.091,38 PLN erhalten. Laut der Umrechnungstabelle in Euro-Beträge für 2018 ergibt sich für die Ehefrau somit eine (Kranken)Rente in Höhe von 3.025,93 €.
Die Abgabenbehörde erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2018 ohne die beantragten Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten.
In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für 2018 führte der Beschwerdeführer (Bf.) aus, dass seine Familie in Polen in einem Eigentumshaus wohne, die Kinder dort zur Schule gingen und seine Frau krank und dadurch oft in Behandlung sei. Er könne weder sein Eigentumshaus nach Österreich übertragen noch habe er in Polen eine Beschäftigung. Daher beantrage er die Neufestsetzung der Einkommensteuer laut der in der Beilage befindlichen "Steuerberechnung für das Jahr 2018" mit einer Gutschrift in Höhe von 2.208 €. Gleichzeitig stellte der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Ein Auszug aus dem "Steuerbuch" war beigelegt.
Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte die Abgabenbehörde den Bf. um Vorlage geeigneter Beweismittel für die Unmöglichkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes von Polen nach Österreich. In seiner Antwort vom teilte der Bf. mit, dass die Übersiedlung nach Österreich weder möglich noch sinnvoll sei. Seine ganze Familie wohne in Polen und weder seine Frau noch seine Kinder sprächen Deutsch. Die Kinder gingen in eine polnische Schule und würden bei einer Übersiedlung über ein Jahr verlieren. Seine Gattin benötige professionelle ärztliche Pflege, da sie in Krankenrente sei. In Polen besitze er ein großes Haus mit 150 m². Er wolle seiner Frau und seiner Familie nicht den Komfort eines ausreichend großen Hauses entziehen und sie in eine Zelle mit ihm zusammenpferchen, wenn dies einfach nicht notwendig sei. Ein Haus derselben Größe könne er sich in Österreich leider nicht leisten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da nach Ansicht des Finanzamtes keine Gründe für eine Anerkennung der Kosten einer doppelten Haushaltsführung und von Familienheimfahrten auf Dauer nachgewiesen worden seien. Da er seit bei der Firma "***GmbH***" beschäftigt sei, seien die Wahl und Aufrechterhaltung des Familienwohnsitzes ausschließlich durch private Motive verursacht.
Am brachte der Bf. neuerlich eine Beschwerde ein. Diese wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet. Der Bf. führte darin aus, dass er die Entscheidung vom als ungerecht empfinde. Seine Familie könne nicht nach Österreich übersiedeln, da er nicht im Stande sei für sie aufzukommen. Außerdem sei seine Frau pflegebedürftig und laut Steuerbuch habe er ein Recht auf die Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor. Es wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Nach einer Anfrage des BFG beim Zentralen Meldeamt vom verfügt der Bf. in Österreich über einen Nebenwohnsitz in ***Adr1***.
Zur mündlichen Verhandlung am sind die beiden Verfahrensparteien trotz zugegangener und übernommener Ladung nicht erschienen.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
II) Sachverhalt
Der Bf. hat seinen Familienwohnsitz in Polen in einem Eigenheim. Dort leben seine Ehegattin und seine beiden Kinder. Die beiden Kinder sind in den Jahren 1994 und 2003 geboren, waren also im Streitjahr 2018 24 Jahre und 15 Jahre alt.
Laut Meldeamtsanfrage hat der Bf. in Österreich einen Nebenwohnsitz inne.
Für das ältere Kind wurde noch bis 03/2018 Familienbeihilfe bezogen. Das jüngere Kind geht in die (Pflicht)Schule.
Die Ehegattin verfügt im Heimatland im Kalenderjahr 2018 über kein aktives Erwerbseinkommen, sondern erhält eine (Kranken)Rente in Höhe von umgerechnet jährlich 3.025,93 €.
Der Bf. ist seit Oktober 2014 in Österreich bei der Firma "***GmbH***" (bis dato) beschäftigt.
In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2015 bis 2017 wurden die Kosten der doppelten Haushaltsführung sowie Familienheimfahrten als Werbungskosten berücksichtigt.
III) Beweiswürdigung
Der Sachverhalt geht aus den vorgelegten Akten der Abgabenbehörde und den eingereichten Unterlagen des Bf. sowie einer Anfrage des BFG am Zentralen Melderegister hervor.
IV) Rechtslage
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Ausgaben oder Aufwendungen, die getätigt werden, um Einnahmen zu erwerben, zu erhalten oder zu sichern. Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften ua Wohnungs- und Haushaltskosten nicht abgezogen werden. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
V) Erwägungen
Strittig ist die Anerkennung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und der Familienheimfahrten als Werbungskosten für das beschwerdeanhängige Jahr 2018.
Doppelte Haushaltsführung:
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. ).
Damit Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können, muss also ein Familienwohnsitz bestehen. Ein Familienwohnsitz liegt vor, wo ein Arbeitnehmer seine engsten persönlichen Beziehungen (Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat.
Liegt ein Familienwohnsitz vor, können Kosten der doppelten Haushaltsführung in Abzug gebracht werden, wenn zwei Unzumutbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind:
1. Die tägliche Rückkehr von der Arbeitsstätte an den Familienwohnsitz muss für den betroffenen Arbeitnehmer unzumutbar sein. Der VwGH hat die tägliche Rückkehr bei einer Wegstrecke von 130 Kilometern und einer Fahrzeit von 70 Minuten für unzumutbar erklärt. Im Streitfall ist der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort soweit entfernt, dass eine tägliche Rückkehr zweifelsfrei nicht zugemutet werden kann.
2. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort oder in dessen Nahebereich muss unzumutbar sein. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers oder in der Erwerbstätigkeit des Ehepartners haben. Dabei sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu würdigen und auch die Ursache der doppelten Haushaltsführung in Betracht zu ziehen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass daher der Bf. aus den sehr allgemein gehaltenen Informationen aus dem "Steuerbuch" keine Rechte für sich ableiten kann.
Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass Arbeitnehmern nach einer gewissen Zeit, die nur im Einzelfall beurteilt werden kann, die Verlegung ihres Wohnsitzes in den Nahebereich ihrer Arbeitsstätte zuzumuten ist. Die Lohnsteuerrichtlinien nennen als Faustregel einen Zeitraum von zwei Jahren bei verheirateten Arbeitnehmern. Für Zeiträume, in denen die Unzumutbarkeit nicht gegeben ist, ist ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
Umstände des Einzelfalles können jedoch auch langfristig die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung mit sich bringen. Nach der Judikatur des VwGH ist eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung in folgenden Fällen gerechtfertigt:
Steuerlich relevante Einkünfte des Ehepartners am Familienwohnsitz, die verloren gingen.
Die Erzielung steuerlich relevanter Einkünfte am Familienwohnsitz durch den Arbeitnehmer selbst.
Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder am Arbeitsort.
Besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger, deren Mitübersiedlung unzumutbar wäre.
Behält der Arbeitnehmer dagegen den entfernt gelegenen Familienwohnsitz trotz der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ausschließlich aus persönlichen Gründen bei (zB gute Wohnlage, Eigenheim, Schulbesuch der Kinder bei ausreichender Schulbesuchsmöglichkeit am Arbeitsort), fallen die Ausgaben für doppelte Haushaltsführung grundsätzlich unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG.
Für den vorliegenden Fall ist daher zu beurteilen, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes für den Bf. im Streitjahr zumutbar ist oder nicht.
Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl. ). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. ).
Zu den einzelnen Beschwerdeeinwendungen stellt das BFG fest:
Minderjährige Kinder:
Als Unzumutbarkeitsgründe hat der Bf. angeführt, dass seine Kinder die deutsche Sprache nicht sprechen, eine polnische Schule besuchen und über ein Jahr verlieren würden, wenn sie aufgrund der Sprachbarriere den Stoff nachholen und neu lernen müssten. Sie müssten aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden.
Dazu stellt das BFG fest, dass sich im Jahr 2018 im gemeinsamen Haushalt nur ein unterhaltsberechtigtes und betreuungsbedürftiges minderjähriges Kind befand.
Weiters ist anzuführen, dass ein Wohnortwechsel und eine Übersiedlung mit dem erforderlichen Einleben am neuen Wohnort immer ein Verlassen des sozialen Umfeldes für alle darstellt. Dies ist einem Wohnortwechsel immanent.
Erfahrungsgemäß finden sich Kinder nach einigen Wochen in einer neuen Situation zurecht. Die Übersiedlung stellt nur ein einmaliges Ereignis dar, das mit der Eingewöhnung durch das Kind abgeschlossen ist. Allfälligen Problemen kann durch die Eltern begegnet werden, indem sie dem Kind vorübergehend eine besondere Fürsorge zukommen lassen.
Es ist dadurch nicht nachvollziehbar, warum damit ein einmaliges, relativ kurzes Ereignis die mehrjährige Beibehaltung des Wohnsitzes in Polen rechtfertigen sollte, insbesondere warum dies die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich unzumutbar machen sollte.
Hinsichtlich Sprache ist anzuführen, dass Kinder umso leichter eine weitere Sprache erlernen, je früher sie in dem neuen Sprachumfeld aufwachsen.
Das BFG geht davon aus, dass seine Tochter zweifelsfrei die Möglichkeit gehabt hätte, eine zum polnischen Ausbildungssystem gleichwertige Ausbildung in Österreich weiter zu absolvieren.
Die Betreuung von minderjährigen Kindern macht die Verlegung des Wohnsitzes steuerlich grundsätzlich nicht unzumutbar. Eine besondere über die normale Fürsorge hinausgehende Betreuung wurde nicht eingewendet.
Mangelt es an der Unzumutbarkeit, so ist die Entscheidung, den Wohnsitz über Jahre beizubehalten, privat veranlasst. Ist die Beibehaltung des Wohnsitzes privat veranlasst, so fallen die damit verbundenen Ausgaben unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG.
Berufstätigkeit der Gattin:
Die Gattin verfügte im Heimatland im Kalenderjahr 2018 über kein aktives Erwerbseinkommen. Sie bezog eine (Kranken)Rente in Höhe von umgerechnet jährlich 3.025,93 €.
Nach der Rechtsprechung ist eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung dann nicht privat veranlasst, wenn der Ehegatte am Familienwohnsitz Einkünfte aus einer aktiven Erwerbstätigkeit erzielt und diese nicht bloß ein untergeordnetes Ausmaß aufweisen (vgl. ). Nach der Verwaltungspraxis kann eine Berücksichtigung der Tätigkeit erst erfolgen, wenn daraus tatsächlich Einkünfte in Höhe von mindestens 6.000 € erzielt werden (Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 16, Rz 25). Bei der (Kranken)Rente handelt es sich um keine aktiven relevanten Erwerbseinkünfte iSd § 2 Abs. 3 Z 1 - 4 EStG des Ehepartners am Familienwohnsitz, die bei Verlegung verloren gingen und eine Unzumutbarkeit des Wechsels des Familienwohnsitzes im Streitjahr bewirken könnten (vgl. Jakom/Lenneis, EStG, 10. Auflage 2017, § 16, Doppelte Haushaltsführung, Die Verlegung des Familienwohnsitzes).
Krankheit der Ehegattin:
Der Bf. führt aus, dass seine Gattin zwar professionelle ärztliche Hilfe und Pflege in Österreich in Anspruch nehmen könne. Nach Ansicht des BFG können die eingewendeten Verständigungsprobleme aber keine Unzumutbarkeit des Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken. Es entspricht den Erfahrungen im täglichen Leben, dass nicht der deutschen Sprache mächtige Patienten zu Beginn einer Behandlung von Familienangehörigen begleitet werden, die sich mit dem Arzt in deutscher Sprache verständigen können. Das BFG geht zudem davon aus, dass ein österreichischer Arzt auf Grund des von einem polnischen Arzt verfassten Arztbriefes trotz Verständigungsproblemen eine adäquate Behandlung vornehmen kann. Das BFG sieht auch die häusliche Pflege als nicht gefährdet an. Ein Dolmetscher und damit zusätzliche Kosten sind nicht erforderlich.
Wirtschaftliche Nachteile durch eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich:
Der Bf. führte wiederholt aus, dass er seiner Frau und den Kindern den Komfort eines ausreichend großen Hauses nicht entziehen wolle. Es wäre für seine Familienangehörigen sehr enttäuschend, wenn sie mit ihm in einem kleinen Zimmer zur Untermiete wohnen müssten. Ein Haus in derselben Größe wie in Polen könne er sich in Österreich nicht leisten.
Dieses Vorbringen vermag eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nicht aufzuzeigen. Nach Lehre und Rechtsprechung stellt ein bloßer wirtschaftlicher Nachteil für sich alleine noch keinen Grund für die Anerkennung der Aufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten dar (vgl. ).
Momente bloß persönlicher Vorlieben reichen für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes nicht aus. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichen objektiven Gewicht sind.
Internetabfragen bei Immobilienfirmen zeigen, dass im Bezirk Lilienfeld Wohnungen im Ausmaß von 70 m² mit rund 500 € monatlicher Miete inseriert werden. Es ist jedenfalls den Ehegatten zumutbar, eine ausreichende, finanziell erschwingliche und der Einkommenssituation angepasste Wohnung am Beschäftigungsort anzumieten. Ergänzend und nicht entscheidungswesentlich ist diesbezüglich noch anzuführen, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung nicht zwingend die Veräußerung des Eigenheimes gebietet. Dieses könnte allenfalls vorübergehend vermietet werden.
Sonstige Umstände:
Die Erzielung steuerlich relevanter Einkünfte am Familienwohnsitz durch den Arbeitnehmer selbst sowie besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger, deren Mitübersiedlung unzumutbar wäre, liegen im zu beurteilenden Streitfall nicht vor.
Familienheimfahrten:
Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten allerdings dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird).
Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen oder nicht anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Rz 220 Familienheimfahrten sowie Rz 200/14).
Da die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt werden, können die Kosten für Fahrten zwischen Familienwohnsitz und Unterkunft am Arbeitsort ebenfalls als Werbungskosten nicht berücksichtigt werden.
Gesamtbild:
Für die Jahre 2015 - 2017 wurden die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten als Übergangszeit anerkannt. Das ist ohnehin um ein Jahr mehr, als verheirateten Abgabepflichtigen mit Kindern nach der Verwaltungspraxis zugestanden wird (vgl. Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2008, § 16, S 180).
In Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse war dem Bf. ab dem streitgegenständlichen Jahr die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus den oben angeführten Gründen zuzumuten. Eine berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung liegt damit im konkreten Fall nicht vor. Das BFG kommt bei einer Zusammenschau aller Umstände zum Schluss, dass die geltend gemachten Aufwendungen und Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG 1988 (= Zuordnung zur privaten Lebenssphäre) fallen. Die Aufwendungen können somit ab dem Streitjahr nicht mehr berücksichtigt werden. Dem Beschwerdebegehren ist somit ein Erfolg zu versagen.
Nicht in Beschwerde gezogen wurde, dass der Kinderfreibetrag und der Zuschlag zum Alleinverdienerabsetzbetrag für das Kind ***M*** nicht gewährt wurde, weil im Jahr 2018 für ***M*** nicht für mindestens 7 Monate die Familienbeihilfe bezogen wurde.
VI) zur Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, diese schlichte Rechtsanwendung berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100153.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at