Haftung für Glücksspielautomatenabgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der Stadt Wien, Rechnungs- und Abgabenwesen, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , MA6/ARL/***6***, betreffend Haftung gemäß §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO iVm §§ 3 und 7 BAO und § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, Konto ***1***, ***2***, ***3***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am erging an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.) folgenden Vorhalt
"Sie waren bis ***Datum1*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***XY*** GesmbH eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO, in der geltenden Fassung, haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBI. für Wien Nr. 63/2016, haften die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Im gegenständlichen Fall wurden die nachstehenden Abgabenbeträge nicht termingerecht entrichtet, wodurch die gesetzliche Voraussetzung für Ihre Haft- und Zahlungspflicht gegeben ist.
Aufgliederung der Rückstände:
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Rückstand | Zeitraum | Betrag in EUR |
Glücksspielautomatenabgabe Konto ***1*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse1***) | April-Mai 2017 | 5.600,00 |
Säumniszuschlag dazu | 112,00 | |
Pfändungsgebühren dazu | 85,68 | |
GIücksspielautomatenabgabe Konto ***2*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse2***) | 2.800,00 | |
Säumniszuschlag dazu | 56,00 | |
Pfändungsgebühren dazu | 57,12 | |
Glücksspielautomatenabgabe Konto ***3*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse3***) | 8.400,00 | |
Säumniszuschlag dazu | 168,00 | |
Summe | 17.278,80 |
Es wird Ihnen gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich, oder anlässlich einer persönlichen Vorsprache in der Magistratsabteilung 6, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben in Wien 1, Ebendorfstraße 2, 3. Stock, Zimmer 3.15, dazu zu äußern (TERMINVEREINBARUNG ERFORDERLICH)."
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Im diesbezüglichen Antwortschreiben vom führte der Bf. aus:
"In Reaktion auf Ihr Schreiben vom zu obiger Aktenzahl teile ich Ihnen folgendes mit:
Wie Sie richtig festgestellt haben, war ich bis ***Datum1*** Geschäftsführer der Firma ***XY***- GesmbH. Nachdem ich also ab ***Datum2*** nicht mehr Geschäftsführer dieses Unternehmens bin, habe ich auch keinen Zugang zu jenen Unterlagen, welche die Aufgliederung der Rückstände betreffen.
Es ist mir derzeit nicht möglich eine Stellungnahme zu Ihrem Vorhalt abzugeben und ersuche ich um Zusendung einer Aktenkopie.
Die Haft- Zahlungsverpflichtung erkenne ich vorerst nicht an."
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Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf. gemäß §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 3 und 7 der Bundesabgabenordnung - BAO, und § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, in der jeweils geltenden Fassung, als Geschäftsführer der ***XY*** GesmbH für den entstandenen Rückstand an Glücksspielautomatenabgabe samt Nebengebühren im Betrag von 17.136,00 Euro zur Haftung herangezogen.
Der Haftungsbetrag gliedert sich wie folgt:
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Rückstand | Zeitraum | Betrag in EUR |
Glücksspielautomatenabgabe Konto ***1*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse1***) | April-Mai 2017 | 5.600,00 |
Säumniszuschlag dazu | 112,00 | |
GIücksspielautomatenabgabe Konto ***2*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse2***) | 2.800,00 | |
Säumniszuschlag dazu | 56,00 | |
Pfändungsgebühren dazu | 57,12 | |
Glücksspielautomatenabgabe Konto ***3*** (für das Halten von 2 Spielapparaten in ***Adresse3***) | 8.400,00 | |
Säumniszuschlag dazu | 168,00 |
Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz haften die im § 80 bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegter abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Der Abgabenrückstand ist bei der Primärschuldnerin, der ***XY*** GesmbH, uneinbringlich.
Herr ***Bf1*** war im Zeitraum ***Datum3*** bis ***Datum1*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter. Die schuldhafte Verletzung der ihm gemäß § 80 BAO auferlegten Pflichten ist im gegenständlichen Fall dadurch gegeben, dass er es unterlassen hat, für die termingemäße Entrichtung der Steuern zu sorgen. Es ist daher die gesetzliche Voraussetzung für die Haft- und Zahlungspflicht gegeben.
Die Abgabepflichtige schuldet den im Spruch zitierten Betrag. Der gegenständliche Abgabenanspruch resultiert aus den in Kopie beiliegenden Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes vom zur Zahl RV/7400381/2018 bzw. der Magistratsabteilung 6, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom zur Zahl MA 6/ARL - ***4*** und vom zur Zahl MA 6/ARL - ***5***.
Gemäß § 3 Wiener Glücksspielautomatengesetz ist die Steuer erstmals spätestens einen Tag vor Beginn des Haltens und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Herr ***Bf1*** wird daher lediglich für die in seiner Funktionsperiode als Geschäftsführer der ***XY*** GesmbH fallenden Fälligkeiten zur Haftung herangezogen."
Beigelegt wurde: 1.) das Erkenntnis des , betreffend Glücksspielabgabe für die Monate April bis Juni 2017 für den Standort ***Adresse1***, 2.) Beschwerdevorentscheidung der Stadt Wien vom , MA6/ARL-***4***-6 betreffend Glücksspielabgabe für die Monate Mai bis Juni 2017 für den Standort ***Adresse2*** und 3) Beschwerdevorentscheidung der Stadt Wien vom , MA6/ARL-***5***-6 betreffend Glücksspielabgabe für die Monate März bis Juli 2017 für den Standort ***Adresse3***).
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Dagegen brachte der Bf. mit Schriftsatz vom Bescheideschwerde ein und führte zur Begründung aus:
"In dieser Angelegenheit habe ich, datiert mit folgendes Schreiben an Sie gerichtet:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
In Reaktion auf Ihr Schreiben vom zu obiger Aktenzahl teile ich Ihnen folgendes mit:
Wie Sie richtig festgestellt haben, war ich bis ***Datum1*** Geschäftsführer der Firma ***XY*** GesmbH. Nachdem ich also ab ***Datum2*** nicht mehr Geschäftsführer dieses Unternehmens bin, habe ich auch keinen Zugang zu jenen Unterlagen, welche die Aufgliederung der Rückstände betreffen.
Es ist mir derzeit nicht möglich eine Stellungnahme zu Ihrem Vorhalt abzugeben und ersuche ich um Zusendung einer Aktenkopie.
Die Haft- Zahlungsverpflichtung erkenne ich vorerst nicht an."
Bescheide, diese Abgaben betreffend, wurden im Jahr 2020 an die Firma ***XY*** GmbH zugestellt und entziehen sich meiner Kenntnis.
- Aus advokatischer Vorsicht erhebe ich gegen alle, in diesem Verfahren ergangenen Bemessungsbescheide, Beschwerde und beantrage die Zustellung dieser Bescheide;
- Da ich bereits 2017 aus diesem Unternehmen ausgeschieden bin, habe ich auch nicht die Möglichkeit anhand von Unterlagen nachzuweisen, dass das Unternehmen in den Zeiträumen März bis Mai 2017 zahlungsunfähig war und wird beantragt diese Unterlagen amtswegig zu beschaffen;
- Ich beantrage meiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, dies jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt mit welchem feststeht, dass die Steuerschuld gegeben ist und Firma zum Zeitpunkt der Abgabenpflicht zahlungsfähig war."
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde mit folgenden Ausführungen die Beschwerde als unbegründet ab.
"In der Beschwerde wird einerseits ausgeführt, dass die den Abgabenrückstand begründenden Bescheide erst nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers ergangen seien und er somit keine Kenntnis der Bemessungen hatte. Die Primärschuldnerin ***XY*** GesmbH sei im Haftungszeitraum März bis Mai 2017 überdies zahlungsunfähig gewesen, wofür der Nachweis allerdings lediglich amtswegig erbracht werden könne.
Die Glücksspielautomatenabgabe ist gemäß § 3 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz spätestens am Tag vor Beginn des Haltens eines Spielapparates zu entrichten. Der Beschwerdeführer war im Haftungszeitraum verantwortlicher Vertreter der ***XY*** GesmbH und hatte für die termingemäße Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Für die Behauptung, die Primärschuldnerin sei im Haftungszeitraum zahlungsunfähig gewesen, wurden keinerlei Beweise erbracht. Dass vom Beschwerdeführer insbesondere in Zeiten angeblicher Zahlungsunfähigkeit der vertretenen Gesellschaft keine Aufzeichnungen aufbewahrt wurden, die ihm auch nach seinem Ausscheiden aus der ***XY*** GesmbH ermöglichen könnten, eine allenfalls erforderliche Darstellung der Liquidität derselben vorzulegen, widerspricht dem Gebot kaufmännischer Vorsicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabebehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf ( 2002/13/0183; 2009/16/0108).
Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (z.B. 2003/13/0094; 2005/13/0040; "Gleichbehandlungsgrundsatz").
Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ( 2011/16/0184).
Die Behauptung, dass trotz festgestellten Haltens von beispielsweise allein im Zeitraum April 2017 zumindest vier Glücksspielautomaten an zwei der bekannt gewordenen Aufstellorte keine liquiden Mittel vorhanden gewesen sein sollen und die ***XY*** GesmbH somit zahlungsunfähig gewesen sei, widerspricht der Lebenserfahrung und ist als Schutzbehauptung zu werten.
Der Ausgang der den Rückständen an Glücksspielautomatenabgabe zugrundeliegenden Bemessungsverfahren wurde dem Beschwerdeführer bereits zur Kenntnis gebracht und werden ihm beiliegend nunmehr auch die ursprünglichen Bemessungsbescheide übermittelt. Soweit diese von ihm mittels Beschwerden gesondert bekämpft werden, wird darauf hingewiesen, dass über die Bemessungsverfahren erst entschieden wird, wenn geklärt ist, ob der Beschwerdeführer für die Rückstände der Primärschuldnerin tatsächlich haftet und damit zur Einbringung derartiger Beschwerden berechtigt ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Beilagen: 1.) Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend Glücksspielabgabe für die Monate April bis Juni 2017, Standort ***Adresse1***, 2.) Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom für die Monate Mai und Juni 2017, Standort ***Adresse2*** und 3) Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend Glücksspielabgabe für die Monate März bis Juli 2017, Standort ***Adresse3***).
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Der Bf. brachte am einen Vorlageantrag ein:
"Mit Schreiben vom habe ich die Zusendung einer Aktenkopie beantragt, diese habe ich bis heute nicht bekommen, warum es mir nur schwer möglich ist, eine qualifizierte Stellungnahme abzugeben.
Wenn Sie mir zur Last legen, dass ich keine Unterlagen für die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens aufbewahrt hätte, so muss ich entgegnen, dass
1.) ich gegen geltendes Recht verstoßen würde, wenn ich Unterlagen dieses Unternehmens hinter dem Rücken des neuen Geschäftsführers anfertigen würde und
2.) die Beschaffung dieser Unterlagen ohne viel Aufwand ja sowieso behördenmäßig kein Problem darstellt und dies wird hiermit beantragt.
Ich beantrage meiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen"
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtsgrundlagen
Geltendmachung von Haftungen:
Gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz haften die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.
Gemäß § 2 Abs. 3 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz haben, soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
Gemäß § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz haften die in Abs. 3 bezeichneten Personen für die Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die sie treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
In § 2 sind somit 2 Haftungstatbestände normiert.
Die Haftung gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz trifft wie § 9 BAO Vertreter gemäß §§ 80 bis 83 BAO somit u.a. Geschäftsführer einer GmbH. Vgl. dazu Ritz BAO6, Tz 1 zu § 9 und die dort angeführte Rechtsprechung des VwGH).
Die Haftung gemäß § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz trifft die in § 2 Abs. 3 genannten Personen, und trifft Personen, die entweder faktische Geschäftsführer sind (somit die de facto an der Stelle des Vertreters die abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters erfüllen oder verletzen) oder den Vertreter dahingehend beeinflussen, dass abgabenrechtliche Pflichten durch den Vertreter verletzt werden. Vgl. dazu Ritz BAO6, Tz 1 zu § 9a.
Anmerkung BFG: § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz entspricht im Wesentlichen § 9 BAO und § 2 Abs 3 und 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz § 9a BAO.
Einziger - hier nicht relevanter - Unterschied: Im Gegensatz zu §§ 9 und 9a BAO sind die Haftungen des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes keine Ausfallshaftungen.
Es kann daher zur Frage, welcher Personenkreis von § 2 Abs. 2 und 3 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz erfasst ist, die Rechtsprechung und Literatur zu § 9 und § 9a BAO herangezogen werden.
Der Bf. wurde laut Spruch des angefochtenen Bescheides gemäß § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz zur Haftung herangezogen.
Der Bf. fungierte jedoch unbestrittenermaßen vom ***Datum3*** bis ***Datum2*** als im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH und wäre demzufolge gemäß § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz zur Haftung heranzuziehen gewesen. Es gibt keinerlei Hinweise dahingehend, dass der Bf. nach seiner Abberufung als Geschäftsführer, somit nach dem ***Datum2*** auf den Nachfolger Einfluss nahm, somit faktischer Geschäftsführer war. Dies war schon deshalb nicht möglich, da der Bf. am ***Datum2*** seine Geschäftsanteile an den Nachfolger abgetreten hat.
Gemäß Spruch des angefochtenen Bescheides erfolgt die Heranziehung auch gemäß § 9 Abs. 1 BAO. Dies ist schon deshalb nicht möglich, da § 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz eigene Haftungstatbestände hat.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Änderungsbefugnis "nach jeder Richtung" ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet hat.
Aufgrund des Spruches des gegenständlichen Haftungsbescheides wurde der Bf. gemäß § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz zur Haftung herangezogen. Obwohl die belangte Behörde die Haftung mit der Geschäftsführertätigkeit des Bf. und nicht mit einer faktischen Geschäftsführung begründet wird, somit lediglich ein Irrtum vorliegt, ist ein Austausch des Haftungstatbestandes in einem Erkenntnis des BFG nicht möglich.
Da die Voraussetzungen für die Heranziehung des Bf. zu einer Haftung gemäß § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, aber auch zu § 9 Abs. 1 BAO nicht vorlagen, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das gegenständliche Erkenntnis nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich die Lösung der Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz ergab, kam ihr keine grundsätzliche Bedeutung zu, weshalb die Revision nicht zulässig war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 2 Abs. 4 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005 § 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 3 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400110.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at