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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2021, RV/2100789/2018

Masseurin als Dienstnehmerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Feilenreiter & Co. Wirtschaftsprüfungs GesmbH, Wiesackstraße 624, 8962 Gröbming, und B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH, Gußhausstraße 6, 1040 Wien,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Dienstgeberbeitrag 2012 - 2015 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2012 - 2015 zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf) betreibt ein Hotel, das in seinem Wellnessbereich auch Massagen anbietet.

Im Zuge einer Außenprüfung wurde "der bestehende Werkvertrag der Masseurin ***VN*** ***1*** gem. § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 in ein Dienstverhältnis umgewandelt".

Das Finanzamt erließ die angefochtenen Bescheide vom betreffend Dienstgeberbeitrag (kurz: DB) 2012 - 2015 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (kurz: DZ) 2012 - 2015, in denen die an Frau ***1*** gezahlten Entgelte den jeweiligen Abgaben unterworfen wurden und begründete die Bescheid mit dem Ergebnis der Außenprüfung.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom monierte die Bf. folgende Punkte:

Da die Masseurin über einen Gewerbeschein verfüge, sei es durch die Umqualifizierung zu einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben gekommen.

Durch die lange Verfahrensdauer sei es zu rechtlichen Unsicherheiten und Mehrbelastungen bzw. durch verfahrensrechtliche "Mehrgleisigkeit in derselben Sache " (Bereich GKK-Beiträge - Bereich Finanzamtsabgaben - Bereich Kommunalsteuer) sei es zu einer unzumutbaren Rechtsunsicherheit gekommen.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom fasste das Finanzamt den Sachverhalt folgendermaßen zusammen:

"Die Beschwerdeführerin (idF: BF) betreibt ein Hotel. Im Rahmen dieses Betriebes werden verschiedene Massagen angeboten. Die Art der Massage wurde durch den Kunden mit der BF vereinbart und in weiterer Folge der Masseurin ***VN*** ***1*** mitgeteilt. Die an die Kunden verrechneten Preise für die jeweiligen Massagen richteten sich nach der Art der Massage und nach der Behandlungsdauer. Die Abrechnung mit dem Kunden erfolgte durch die BF. In weiterer Folge wurde die Masseurin ***VN*** ***1*** von der BF entlohnt.

Die Massagen fanden in den Räumlichkeiten der BF statt. Die erforderlichen wesentlichen Arbeitsmittel (z.B. Massageliege, Handtücher) stellte die BF zur Verfügung.

Im Beschwerdezeitraum 2012 bis 2015 war ***VN*** ***1*** als Masseurin für die BF tätig.

Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit von ***VN*** ***1*** für die BF ist nicht abgeschlossen worden."

In der Sache kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass Frau ***1*** in einem Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit zur Bf. gestanden ist und organisatorisch in das Unternehmen der Bf. eingegliedert war. Da sie auch kein Unternehmerrisiko trug und kein generelles Vertretungsrecht bestand, sei jedenfalls von einem Dienstverhältnis auszugehen.

Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glaube sei ebenso wenig gegeben wie eine der Abgabenbehörde vorwerfbare rechtliche Unsicherheit.

Inhaltlich sah sich das Finanzamt durch eine Entscheidung des bestätigt, das für die Jahre 2009 - 2011 erkannte, dass ein Dienstverhältnis zwischen der Bf. als Dienstgeberein und Frau ***1*** als Dienstnehmerin vorlag. Das Erkenntnis wurde weder beim VwGH noch beim VfGH bekämpft.

Im Vorlageantrag vom rügte die Bf. zunächst die fehlende Sachverhaltsermittlung:

"Bei pflichtgemäßer Sachverhaltsermittlung durch die belangte Behörde hatte sich ergeben, dass ***VN*** ***1*** zu keinem Zeitpunkt in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu der Antragstellerin gestanden ist. Ware die belangte Behörde ihrer Pflicht nachkommen, hätte sich insbesondere ergeben, dass

(i) keine Verpflichtung zur Durchführung von Massagen für ***VN*** ***1*** bestand. ***VN*** ***1*** hatte keine Verpflichtung sich für Arbeitsleistungen zur Verfügung zu halten;

(ii) die Bezahlung an das Hotel lediglich aus Gründen des Kundenservices erfolgte, damit die Gaste nicht ihre Brieftasche oder Bargeld in den Wellnessbereich mitnehmen müssen;

(iv) in Fällen, bei denen zwei Massagen gleichzeitig erfolgten, ***VN*** ***1*** ihre eigene Massageliege verwendete;

(v) die Tatsache, dass ***VN*** ***1*** auch selbst Termine mit Kunden vereinbarte, der gelebten Praxis entsprach;

(vi) die Art der Massage auch nach Beratung mit der Masseurin ***VN*** ***1*** festgelegt oder geändert wurde, keinesfalls jedoch von der Antragstellerin vorgegeben wurde;

(vi) der Sachverhalt nicht unverändert blieb, sondern tatsächlich Änderungen aufgrund der Hotelerweiterung in Form von zusätzlichem Massageraum, Massagearten ua. erfolgten;

(vii) die Antragstellerin mit Frau ***VN*** ***1*** den bis zu diesem Zeitpunkt mündlich vereinbarten Werkvertrag über Massageleistungen schriftlich festhielt. In diesem Vertrag sind der Vertragsgegenstand, die Vertragsdauer, am das Entgelt für die erbrachten Massageleistungen, die Weisungsfreiheit sowie die Vertretungsmöglichkeit schriftlich geregelt.

Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt ermittelt, hätte sie basierend auf diesen Ermittlungsergebnissen die entsprechenden - korrekten - Feststellungen treffen können und hätte sich nicht auf die unrichtigen - basierend auf der Niederschrift aus dem Jahr 2013 - getroffenen Feststellungen stützen müssen. Die belangte Behörde wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass das Vertragsverhältnis zwischen ***VN*** ***1*** und der Antragstellerin als Werkvertrag zu qualifizieren ist und hätte keine Abgabennachzahlungen vorgeschrieben. Da die soeben dargelegten Feststellungen für die Qualifizierung des verfahrensgegenständlichen Vertragsverhältnisses wesentlich gewesen waren, handelt es sich um entscheidungsrelevante Tatsachen."

Durch die fehlende Sachverhaltsermittlung habe das Finanzamt das Parteiengehör verletzt.

Auch in rechtlicher Hinsicht irre das Finanzamt: Wie im Erkenntnis des liege auch im Beschwerdefall kein Dienstverhältnis vor.

Frau ***1*** habe immer den Wunsch gehabt, selbständig zu sein. Ein langjähriges Vertragsverhältnis begründe kein Dienstverhältnis. Die Gleichartigkeit der Leistungen sei kein Anhaltspunkt für eine Dienstnehmereigenschaft. Die Abrechnung durch die Bf. sei bloß eine Serviceleistung den Gästen gegenüber. Da Frau ***1*** fallweise eine eigene Massageliege verwende und die Massageöle selbst bereitstelle, arbeite sie unter Verwendung der eigenen Betriebsmittel. Sie habe die Termine auch selbst vergeben und seitens der Bf. habe es keine Vorgabe der Art und Dauer der Massage gegeben. Es habe die Möglichkeit der sanktionslosen Ablehnung einer Massage gegeben, jedoch keine Arbeitspflicht und kein Konkurrenzverbot.

In verfassungsrechtlicher Sicht liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sowie ein Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG) und Recht zum Abschluss privatrechtlicher Vertrage (Art 11.- ZPzEMRK) sowie Recht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) vor.

Durch die lange Verfahrensdauer sei auch das Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) verletzt worden.

Zusammengefasst ergibt sich laut Vorlageantrag:

"Die angefochtenen Bescheide der belangten Behörde sind mit qualifizierten Verfahrensfehlern behaftet. Darüber hinaus hat die belangte Behörde dem Bescheid eine unrichtige rechtliche Beurteilung zugrunde gelegt.

Ob im konkreten Fall ein echter Dienstvertrag, ein freies Dienstverhältnis oder aber ein Werkvertrag vorliegt, ist aus abgabenrechtlicher wie auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sichtweise gemäß § 539a Abs 1 ASVG bzw § 21 Abs 1 BAO primär nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts zu beurteilen.

Bei Berücksichtigung der ausschlaggebenden von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien überwiegen im vorliegenden Fall bei richtiger rechtlicher Beurteilung eindeutig die Merkmale eines Werkvertrages.

Aus der Ortsgebundenheit lässt sich keine Dienstnehmereigenschaft ableiten, da bestimmte Werkvertrage - wie Montagen, Reparaturen oder Massagen - einfach beim Auftraggeber vorgenommen werden. Auch die übrigen von der belangten Behörde angeführten Gründe überzeugen nicht. Im verfahrensgegenständlichen Fall sind gerade keine Weisungsgebundenheit, keine organisatorische Eingliederung in den Betrieb und kein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlichen Abhängigkeit gegeben. Bei fehlender Nachfrage hatte ***VN*** ***1*** keinerlei Zahlungen erhalten. Bei kurzfristigen Absagen durch Kunden erhielt ***VN*** ***1*** keinen Werklohn,auch wenn sie bereits vor Ort war. ***VN*** ***1*** trug im verfahrensgegenständlichen Zeitraum das volle Unternehmensrisiko.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass das Vertragsverhältnis zwischen ***VN*** ***1*** und der Antragstellerin als Werkvertrag zu qualifizieren ist und die Abgaben richtig entrichtet wurden.

Die belangte Behörde hat das Gesetz denkunmöglich angewandt und kam - dazu noch ohne ausreichende Sachverhaltsermittlung - zu einer rechtlich unrichtigen Beurteilung.

Letztlich wurde die Antragstellerin in ihren subjektiven, insbesondere ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt."

Mit Schreiben vom hat die Bf. auf die Abhaltung der bereits für anberaumten mündlichen Verhandlung verzichtet.

Statt dessen legte die Bf. eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde der Bf. betreffend Sozialversicherungspflicht für Frau ***1*** vor und erklärte, dass die dort gemachten Einwendungen sinngemäß für das gegenständliche Verfahren gelten würden.

Die Beschwerdepunkte betreffen in rechtlicher Hinsicht das ASVG bzw. das Verfassungsrecht. Die Einwendungen zum Sachverhalt wurden im Beschwerdeverfahren bereits gemacht und in diesem Erkenntnis zum Vorlageantrag dargestellt.

Aus dem BFG-Akt zu RV/2100333/2013 ist aktenkundig, dass von der Bf. laut ihrer Hompage (Internet-Abfrage am , 9:22:37 Uhr) für die Ganzkörpermassage 57 Euro, die Teilkörpermassage 36 Euro, die Vital/Aromamassage 44 Euro und die Fußreflexzonenmassage 39 Euro verrechnet wurden. Im "Relax & Spa"-Angebot der Bf. wurden zusätzlich zu 3 oder 4 Nächtigungen wahlweise eine Massage oder Gesichtsbehandlung bzw. Maniküre/Pediküre zum Pauschalpreis angeboten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhaltsermittlung

Soweit die Bf. rügt, dass das Finanzamt den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht gemäß § 269 Abs 1 BAO im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse hat, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind.

Der Sachverhalt ist dabei nicht ausschließlich durch eigene Wahrnehmung zu ermitteln, sondern auch durch Würdigung der vorliegenden Unterlagen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Bf. selbst auf eine persönliche Darlegung des Sachverhaltes in einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet hat. Daraus lässt sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Schluss ziehen, dass die Bf. alle nicht ermittelten Sachverhaltselemente in ihrer Beschwerde bzw. in ihrem Vorlageantrag erschöpfend vorgebracht hat.

2. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung

Im Rahmen der Schlussbesprechung wurde der steuerliche Vertreter damit konfrontiert, dass das Finanzamt den für die Jahre 2009 - 2011 verwirklichten Sachverhalt (festgestellt auch durch das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/2100333/2013) den Streitjahren 2012 - 2015 ebenfalls zugrunde legt.

Die Bf. hat den Sachverhalt dem Grunde nach nicht bestritten, hat jedoch vorgebracht, dass sich einzelne Sachverhaltselemente geändert hätten.

Der Sachverhalt wird für dieses Verfahren laut Erkenntnis RV/2100333/2013 bzw. laut unbestrittener Ergänzungen durch die Bf. wie folgt festgestellt:

In den Streitjahren wurden im Betrieb der Bf. verschiedene Massagen (Teilkörpermassagen, Ganzkörper-, Vital/Aromaölmassagen, Fußreflexzonenmassagen) angeboten. Ein Programm der verschiedenen Massagen lag im Hotel auf (Erkenntnis BFG).

Die Kunden vereinbarten mit der Bf. (Erkenntnis BFG) bzw. der Masseurin Frau ***1*** (Ergänzung der Bf.) die Massagen.

Die Preise für die jeweiligen Massagen richteten sich nach der Art der Massage und nach der Behandlungsdauer, diese betrug zwischen 25 Minuten bei einer Teilkörpermassage und 55 Minuten bei einer Vollkörpermassage (Erkenntnis BFG). Das Entgelt für die Massagen zahlten die Kunden an die Bf., die die Vereinnahmung als "Kundenservice" ansah, damit die Gäste nicht ihre Brieftasche oder Bargeld in den Wellnessbereich mitnehmen müssen (Ergänzung der Bf.).

[...]

Der Vergleich der im Internet veröffentlichten Preislisten für Massagen im Betrieb der Bf., die zwar nicht den Beschwerdezeitraum 2012 - 2015, sondern das Jahr 2016 bzw. das Jahr 2021 zeigen, lässt den Schluss zu, dass auch in den Streitjahren Massagen zu um 2-7 Euro verminderten Preisen angeboten wurden: Da im Jahr 2016 die Ganzkörpermassage um 57 Euro, im Jahr 2021 um 63 Euro angeboten wurde, ist unter Annahme einer ähnlich gelagerten Preissteigerung zwischen 2012 und 2016 wie zwischen 2016 und 2021 der Schluss naheliegend, dass in den Streitjahren 2012 - 2015 beispielsweise die Ganzkörpermassage um mehr als 50 Euro angeboten wurde.

Das Entgelt, das Frau ***1*** im Streitzeitraum für die erbrachte Massageleistung erhielt, betrug laut Werkvertrag 33,50 Euro je Ganzkörpermassage, 19 Euro je Teilkörpermassage, 30 Euro je Vital/Aromamassage, 23 Euro je Fußreflexzonenmassage und 42 Euro je Lever-Lever-Massage.

Die Massagen fanden im Betrieb der Bf. in einem dafür eingerichteten Raum (Massageraum) statt (Erkenntnis BFG), wobei im Zuge der Hotelerweiterung ein zusätzlicher Massageraum und andere Massagearten dazukamen (Ergänzung durch Bf.). Die Massagen wurden von Frau ***VN*** ***1*** persönlich durchgeführt, wobei die Art der Massage auch nach Beratung mit der Masseurin ***VN*** ***1*** festgelegt oder geändert wurde (Ergänzung durch Bf.).
Sämtliche dafür notwendigen Betriebsmittel (Liegen, Handtücher, Reinigungsmittel etc.) mit Ausnahme der Massageöle und der Cremen wurden von der Bf. zur Verfügung gestellt (Erkenntnis BFG). Gelegentlich (wenn zwei Massagen gleichzeitig erfolgten) hat Frau ***1*** auch ihre eigene Massageliege verwendet (Ergänzung durch die Bf).

Zwischen der Bf. und der Masseurin waren im Vorhinein grundsätzlich fixe Nachmittage (Montag bis Samstag zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr) vereinbart, an denen Massagen durchgeführt wurden (Erkenntnis BFG), wobei laut Ergänzung der Bf. keine Verpflichtung zur Durchführung von Massagen für ***VN*** ***1*** bestand. Der Sonntag wurde als arbeitsfrei vereinbart. Die an den vereinbarten Tagen jeweils genauen Beginnzeiten wurden Frau ***1*** von der Bf. täglich telefonisch mitgeteilt. Die Dauer der Tätigkeit richtete sich nach der Art der Massage (Erkenntnis BFG).

Es ist grundsätzlich nicht vorgekommen, dass die von der Bf. mit den Kunden vereinbarten Termine von der Masseurin nicht wahrgenommen worden sind (Erkenntnis BFG). In Ausnahmefällen, wenn Frau ***1*** von vornherein nicht zur Verfügung stand, wurde sie von einer Masseurin der Bf. vertreten (Erkenntnis BFG).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage

§ 47 (2) EStG 1988:

Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 beziehen.

3. 2. Dienstverhältnis

Nach der Rechtsprechung des (verst.Sen), ist das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 anhand zweier Kriterien, nämlich der

- Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und der

- Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zu beurteilen.

Die beiden Merkmale lassen sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen und bedingen einander teilweise. Eine Person, die in den betrieblichen Organismus eingegliedert ist, wird auch dem Weisungsrecht unterliegen (Doralt, EStG § 47 Tz 23).

Nur in den Fällen, in denen diese beiden Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien, wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen (vgl. etwa , oder , Ra 2018/13/0045, ).

Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es im Einzelfall nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung wie Dienstvertrag oder Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten Vereinbarungen entscheidend. Für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung ist dabei stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit maßgebend (vgl. ; , ), wobei auch der im Wirtschaftsleben üblichen Gestaltungsweise Gewicht beizumessen ist (vgl. ).

Wie das BFG für die Vorjahre schon festgestellt hat (vgl BFG RV/2100333/2013) ist Frau ***1*** nach dem tatsächlich verwirklichten Gesamtbild in den geschäftlichen Organismus der Bf. eingebunden und verpflichtet, die Weisungen der Bf. zu befolgen, was sich an der Vereinbarung der Arbeitszeit ("Der an diesen Tagen jeweilige Arbeitsbeginn wurde jedoch laut Aussage der als Zeugin einvernommenen Masseurin von der Beschwerdeführerin telefonisch vorgegeben. Selbst ein kurzfristiges einvernehmliches Vereinbaren der Arbeitszeit würde nicht entscheidend für die Selbständigkeit der Mitarbeiter sprechen (). Darüber hinaus erfolgten auch die Vorgabe der Art der vorzunehmenden Massagen sowie die Dauer der jeweiligen Massage durch die Beschwerdeführerin. Der Masseurin war es damit nicht freigestellt, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, ob und wann sie tätig wird"), der Abrechnung der Leistungen durch die Bf., die Bereitstellung der wesentlichen Arbeitsmittel (Raum, Liegen, Handtücher) und die Bindung an den Arbeitsort Hotel zeigt.
Frau ***1*** trifft auch kein Unternehmerrisiko, tatsächlich ist es zu keinen Vertretungen gekommen und Frau ***1*** verfügt über keine für die Leistungserbringung notwendige Infrastruktur.

Die Veränderungen im tatsächlichen Geschehen sind allerdings nicht geeignet, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Gesamtbildes zu kommen:

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. ; ; ; 2012/13/0059; ; ; ).

Unverändert hat die Bf. mit Frau ***1*** ausgemacht, zu welcher Zeit sie in den Räumlichkeiten der Bf. ihre Massagetätigkeit ausübt. Selbst wenn generell - wie von der Bf. vorgebracht - für ***VN*** ***1*** keine Verpflichtung zur Durchführung von Massagen bestand, so hat sie diese, sobald sie vereinbart waren, auch in den Räumlichkeiten der Bf. ausgeführt, die im Beschwerdezeitraum laut eigenen Angaben der Bf. sogar noch modernisiert und vergrößert wurden. Bei der Fixierung der Massagetermine hat sie auf die Bedürfnisse der Bf. Rücksicht genommen. So wurden bereits laut Erkenntnis des BFG RV/2100333/2013 im Vorhinein fixe Nachmittage (Montag bis Samstag zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr) vereinbart, die sich offenbar nach den Bedürfnissen von Gästen eines Schi- bzw. Wanderhotels richten. Daraus auf eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Bf. zu schließen, hält der VwGH für unbedenklich (vgl. ).

Es macht für die rechtliche Beurteilung auch keinen Unterschied, ob sie diese Tätigkeiten mündlich (wie im Erkenntnis RV/2100333/2013 festgestellt) oder schriftlich (mit Vertrag vom ) vereinbart wurden, da es ja nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt ankommt.

Der schriftlich vereinbarten Weisungsfreiheit kommt im Beschwerdefall kein entscheidungswesentliches Gewicht zu, weil die Erteilung von (nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an sich unterscheidungskräftigen) Weisungen betreffend die Arbeitszeit, den Arbeitsort und das arbeitsbezogene Verhalten seitens der Bf. unterbleiben konnte, da Frau ***1*** von sich aus wusste, wie sie sich "im Betrieb" des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat: Die Massagezeiten waren mit den Kunden hinsichtlich Begin und Dauer fixiert, die Räumlichkeiten vorgegeben etc., sodass Frau ***1*** wusste, was zu tun war. Dieses von der Rechtsprechung mit der Bezeichnung "stille Autorität des Arbeitgebers" umschriebene Weisungsrecht ist für die Beurteilung als Dienstnehmer ausreichend (vgl. z.B. das , mit weiteren Judikaturhinweisen sowie ).

Die Tatsache, dass ***VN*** ***1*** auch selbst Termine mit Kunden vereinbarte oder die Art der Massage auch nach Beratung mit Frau ***1*** festgelegt oder geändert wurde, entspricht dem typischen Berufsbild einer Masseurin: Im Vornerhein ist nicht bekannt, welche Verspannungen oder Vorlieben die Kundin oder der Kunde hat. Auf diese einzugehen, ist Aufgabe jeder Masseurin, so wie auch beim Friseur der Haarschnitt eher mit der (uU als Dienstnehmerin tätigen) ausführenden Friseurin als mit der nicht in die Leistungserbringung eingebundenen Betriebsinhaberin besprochen wird. Auch die Terminfixierung direkt mit einer Masseurin ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht unüblich.

Der schriftlich geregelten "Vertretungsmöglichkeit" kommt im Beschwerdeverfahren nur eingeschränkte Bedeutung zu, weil Frau ***1*** diese im Streitzeitraum nicht in Anspruch genommen hat (vgl. ).

Das Vorbringen, dass die Bezahlung an das Hotel lediglich aus Gründen des Kundenservices erfolgte, ist kein Indiz für eine Selbständigkeit von Frau ***1***, zumal die Bf. auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Vereinnahmung der Massagekosten hatte: Ein Blick auf die im Internet veröffentlichten Preislisten für Massagen im Betrieb der Bf., die zwar nicht den Beschwerdezeitraum 2012 - 2015, sondern das Jahr 2016 bzw. das Jahr 2021 zeigen, gibt Aufschluss darüber, dass die Bf. wesentlich mehr von den Massagekunden vereinnahmt hat, als sie Frau ***1*** bezahlt hat: In den Streitjahren 2012 - 2015 wurde die Ganzkörpermassage laut Beweiswürdigung um mindestens 50 Euro angeboten, während das an Frau ***1*** laut Werkvertrag zustehende Entgelt 33,50 Euro je Ganzkörpermassage betrug. Die Bf. vereinnahmte so nicht nur das Leistungsentgelt von Frau ***1***, sondern auch ihren eigenen Gewinnaufschlag.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit die Einnahmen und Ausgaben maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten (vgl. ; ; ).

Frau ***1*** stand für ihre Tätigkeit laut Werkvertrag ein fixes Honorar für die unterschiedlich lange dauernden Massagen zu. Die sich aus der unterschiedlichen Anzahl der durchgeführten Massagen allenfalls ergebenden Einnahmenschwankungen sprechen nicht gegen ein Dienstverhältnis (vgl. ). Auch ausgabenseitig traf Frau ***1*** kein Risiko: Die Massageräumlichkeiten, Liegen, Handtücher etc. wurden ihr ebenso zur Verfügung gestellt wie die Möglichkeit einer Terminvereinbarung direkt im Hotel oder das Inkasso. Mit Ausnahme der Massageöle hatte sei keine Ausgaben zu tragen. Der Preis für die Öle war betragsmäßig völlig untergeordnet und die Art und Menge der verwendeten Öle bestimmte sich anhand der durchgeführten Massage. Es war also nicht möglich, den wirtschaftlichen Erfolg durch die beigestellten Öle weitgehend zu gestalten.
Auch dieses fehlende ein- und ausgabenseitigen Unternehmerrisiko ist als Merkmal der Dienstnehmereigenschaft anzusehen.

Schließlich dürfte es sich bei der Verwendung der eigenen Massageliege von Frau ***1*** um Ausnahmefälle handeln, da sie diese laut eigenen Angaben der Bf. nur ausnahmsweise, nämlich in jenen Fällen verwendete, bei denen zwei Massagen gleichzeitig erfolgten. Überdies hat die Bf. den Wellnessbereich ausgebaut und das Massageangebot erweitert, was die Notwendigkeit einer eigenen Massageliege faktisch einschränken dürfte. Der eigenen Massageliege kommt damit nicht das Gewicht eines wesentlichen Betriebsmittels zu, da sie bereits nach eigenen Angaben der Bf. nur fallweise eingesetzt wurde.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse war Frau ***1*** auch in den Streitjahren als Dienstnehmerin beschäftigt. Die tatsächlichen Veränderungen in den Arbeitsabläufen und Vereinbarungen sind nicht geeignet, die bereits für die Vorjahre durch das getroffene Beurteilung als unrichtig erscheinen zu lassen.

3.3. Verfassungsrechtliche Bedenken

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bf. werden vom BFG nicht geteilt: Es liegt gerade kein Verstoß gegen das Willkürverbot oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor, wenn das Finanzamt bei seiner Rechtsansicht bleibt (in den Vorjahren hat das Finanzamt festgestellt, dass ein Dienstverhältnis vorliegt und diese Ansicht auch für den Streitzeitraum vertreten).
Ebenso ist ein Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG) der das Recht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) nicht zu erkennen, da Steuern ihrer Natur nach in diese Rechte eingreifen. Schließlich kann das Recht zum Abschluss privatrechtlicher Vertrage (Art 11.- ZPzEMRK) nicht durch die im Steuerrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise verletzt werden.

Soweit eine Verletzung des Art 6 EMRK im Hinblick auf die Verfahrensdauer behauptet wird, ist festzuhalten, dass die Verfahrensdauer im Hinblick auf die erfolgte Aussetzung der Einhebung der Bf einerseits nicht zum Nachteil gereicht hat und sie andererseits von dem ihr zur Verfügung stehenden Säumnisrechtsschutz keinen Gebrauch gemacht hat (in diesem Sinne der Ablehnungsbeschluss des ).

3.4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung auf einen Einzelsachverhalt anzuwenden. Es liegt damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100789.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at