Geschäftsführerhaftung, Aufgabenverteilung, Verschuldensprüfung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war von bis zu ihrer Auflösung Geschäftsführer der im Firmenbuch zu FN1 eingetragenen GmbH_1 (im Folgenden: Primärschuldnerin). Die Primärschuldnerin war als Bauträgerin tätig. Mit Beschluss des Landesgerichts A vom zu GZ wurde über die Primärschuldnerin ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. In der Sanierungsplantagsatzung am bot die Primärschuldnerin ihren Gläubigern hinsichtlich der unbesicherten Forderungen eine Quote in Höhe von 30 %, zahlbar innerhalb von 24 Monaten ab Abnahme des Sanierungsplanes, an.
Am richtete das Finanzamt ein Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer, in dem es diesen von der beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme informierte und zur Stellungnahme zu den Haftungsvoraussetzungen aufforderte. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme. Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9, 80 BAO für folgende aushaftenden, um die im Sanierungsplan angebotene Quote von 30 % gekürzten, Abgaben der Primärschuldnerin in Höhe von EUR 215.117,96 in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
Lohnsteuer | 05/14 | 444,25 |
Dienstgeberbeitrag | 05/14 | 282,60 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 05/14 | 27,01 |
Lohnsteuer | 06/14 | 1.321,50 |
Dienstgeberbeitrag | 06/14 | 506,35 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 06/14 | 48,38 |
Lohnsteuer | 07/14 | 1.152,21 |
Dienstgeberbeitrag | 07/14 | 282,60 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 07/14 | 27,01 |
Lohnsteuer | 08/14 | 1.152,21 |
Dienstgeberbeitrag | 08/14 | 282,60 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 08/14 | 27,01 |
Lohnsteuer | 09/14 | 409,66 |
Dienstgeberbeitrag | 09/14 | 241,49 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 09/14 | 23,07 |
Umsatzsteuer | 09/14 | 22.705,12 |
Körperschaftsteuer | 10-12/14 | 743,40 |
Dienstgeberbeitrag | 10/14 | 200,37 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 10/14 | 19,15 |
Umsatzsteuer | 11/13 | 38.066,49 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 533,65 |
Stundungszinsen | 2014 | 135,81 |
Körperschaftsteuer | 2012 | 40.897,50 |
Anspruchszinsen | 2012 | 355,15 |
Körperschaftsteuer | 04-06/14 | 87,50 |
Körperschaftsteuer | 07-09/14 | 87,50 |
Stundungszinsen | 2014 | 1.290,08 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 37,28 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 43,17 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 36,51 |
Stundungszinsen | 2014 | 508,53 |
Umsatzsteuer | 10/14 | 1.906,09 |
Dienstgeberbeitrag | 11/14 | 346,41 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 11/14 | 33,10 |
Umsatzsteuer | 11/14 | 41.611,67 |
Dienstgeberbeitrag | 12/14 | 82,28 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 12/14 | 7,86 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 454,10 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 817,95 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 38,12 |
Körperschaftsteuer | 01-03/15 | 251,30 |
Umsatzsteuer | 12/14 | 25.700,27 |
Lohnsteuer | 01/15 | 290,26 |
Dienstgeberbeitrag | 01/15 | 82,28 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01/15 | 7,86 |
Säumniszuschlag 1 | 2015 | 832,23 |
Lohnsteuer | 02/15 | 290,26 |
Dienstgeberbeitrag | 02/15 | 82,28 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/15 | 7,86 |
Lohnsteuer | 03/15 | 290,26 |
Dienstgeberbeitrag | 03/15 | 82,28 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 03/15 | 7,86 |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 227,05 |
Säumniszuschlag 1 | 2015 | 514,00 |
Lohnsteuer | 04/15 | 290,26 |
Dienstgeberbeitrag | 04/15 | 82,28 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 04/15 | 7,86 |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 380,67 |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 408,98 |
Umsatzsteuer | 2013 | 18.545,81 |
Dienstgeberbeitrag | 2011 | 2.309,85 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2011 | 220,72 |
Dienstgeberbeitrag | 2012 | 2.309,85 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2012 | 220,72 |
Dienstgeberbeitrag | 2013 | 2.309,85 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2013 | 220,72 |
Dienstgeberbeitrag | 2014 | 1.708,37 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2014 | 163,23 |
Summe | 215.117,96 |
Mit Beschluss des Landesgerichts A vom zu GZ wurde die Bezeichnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert und die Primärschuldnerin aufgelöst.
In seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, jener Liquiditätsengpass, der zum Konkursverfahren geführt habe, sei nicht durch die Geschäftsführung verschuldet worden. Der Primärschuldnerin seien im Zeitraum, in dem sich die aushaftenden Abgabenrückstände ergeben hätten, keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden. Dies sei auf "Verzögerungen der zuständigen Baubehörde im Zusammenhang mit der Erteilung einer endgültigen Bewilligung des Bauvorhabens X und damit einhergehender Sperre der Auszahlung von beim Treuhänder bereits seit längerer Zeit hinterlegter Kaufpreisraten in Höhe von insgesamt EUR 865.843,18 ... zurückzuführen". Er habe nicht gegen abgabenrechtliche Pflichten verstoßen. Er habe auch keine Gläubiger gegenüber dem Finanzamt bevorzugt, "da dem Unternehmen die notwendigen liquiden Mittel, mit Ausnahme von zweckgebundenen, nicht frei verfügbaren Zahlungen im Zusammenhang mit anderen Bauvorhaben sowie eines von der Geschäftsbank in Höhe von EUR 5.244,- monatlich zur Bedienung der allernotwendigsten Centralregien (hauptsächlich gebunden für Gehaltszahlungen) freigegebenen Betrages, nicht zur Verfügung standen...". Mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer Auszüge der Debitorenkonten sowie des Kontos Bank aus der laufenden Buchhaltung vor. Aus dem Konto Bank geht hervor, dass von diesem Konto während des gesamten Jahres 2014 laufend Zahlungen an diverse Gläubiger geflossen sind.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt begründend unter anderem aus, dass die Behauptungslast für die Gleichbehandlung aller Gläubiger den Beschwerdeführer träfe. Die Nichtabfuhr von Lohnabgaben für ausbezahlte Löhne stelle jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Der Masseverwalter der Primärschuldnerin zeigte am an, dass die Masse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen.
Am Erörterungstermin am ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin, dass er Fremdgeschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Er sei nicht Gesellschafter der Primärschuldnerin gewesen. Er sei ausschließlich für den Verkauf von Immobilien zuständig gewesen und habe keine Kontovollmachten gehabt. Es habe eine schriftlich dokumentierte Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem zweiten Geschäftsführer der Primärschuldnerin gegeben. Letzterer sei für alles Finanzielle zuständig gewesen.
Für die Erteilung der Baubewilligung wäre die Primärschuldnerin zuständig gewesen. Das Bauvorhaben "X" sei nach Erteilung der ersten Baubewilligung vom Baupolizist gestoppt worden, neue Auflagen seien erteilt worden.
Er könne keine Angaben zu zweckgebundenen Zahlungen im Zusammenhang mit anderen Bauvorhaben oder zu den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen (Buchhaltungskonten) machen.
Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer die Kopie einer mit datierten Geschäftsführerordnung der Primärschuldnerin vor. In deren Punkt 1. "Aufgaben des Geschäftsführers" findet sich folgender Passus:
"Dem [Beschwerdeführer] obliegen ausschließlich die nachstehend aufgezählten Aufgabenbereiche.
Der Verkaufsleitung für die Liegenschaften und Liegenschaftsanteile der Gesellschaft, welche sich im Anlage- und Umlaufvermögen befinden. Dies umfasst auch die Vermietung und Verpachtung.
Der Erwerb und Handel mit Immobilien: Akquisition, Bewertung, Ein- und Verkauf von bebauten und unbebauten Liegenschaften, Gewerbe- und anderen Immobilien oder Teilen davon. …"
In Punkt 2. "Beschränkungen des Geschäftsführers" ist hinsichtlich des Beschwerdeführers festgehalten: "[Beschwerdeführer]: Geschäftsführung - Verantwortlichkeit für die Bereiche Akquisition, Ein- und Verkauf, Projektentwicklung, Vertrieb und Marketing".
Mit Beschluss vom zu GZ wurde das über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren mangels Vermögens gemäß § 123a IO aufgehoben. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel eine Quote von 0 %.
Die Feststellungen zu Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Firmenbuch, der Insolvenzdatei (www.edikte.justiz.gv.at) und dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die Vertreter einer juristischen Person haben alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln, welche sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 BAO).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vertreters zur Haftung voraus. Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da die Gesellschaft infolge Konkurseröffnung aufgelöst wurde, der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin mittlerweile mangels Vermögens aufgehoben wurde. Die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben ergibt sich aus rechtskräftigen Festsetzungsbescheiden und ist unstrittig, zumal der Beschwerdeführer von seinem Beschwerderecht gemäß § 248 BAO keinen Gebrauch gemacht hat.
Eine weitere Voraussetzung ist eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters, zu dessen Aufgaben es gehört, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Die Abgabenbehörde konnte zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters ausgehen, wenn der Vertreter nicht dartut, dass er ohne eigenes Verschulden gehindert war, dafür zu sorgen, dass die Primärschuldnerin die angefallenen Abgaben entrichtet (Ritz, BAO, 6.A., Rz 22 zu § 9; ).
Wenn Löhne ausgezahlt werden, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht (oder nicht zur Gänze) einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, so begründet dies jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters (). Der Beschwerdeführer gibt selbst an, dass laufende Löhne bezahlt wurden. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer ist daher das Verschulden des Beschwerdeführers an ihrer Nichtentrichtung evident.
Das Beschwerdevorbringen dahin, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben träfe, weil keinerlei liquide Mittel vorhanden gewesen seien, geht ins Leere. Seinem Vorbringen zufolge waren sehr wohl liquide Mittel vorhanden, und zwar Mittel im Zusammenhang mit "anderen Bauvorhaben" sowie ein Betrag von EUR 5.244,- monatlich für "Centralregien". Auch erklärte die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum steuerpflichtige Umsätze.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wird die Haftung des Vertreters dann eingeschränkt, wenn er nachweist, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (zuletzt ). Diesfalls haftet er nur für die Differenz zwischen dem tatsächlich abgeführten und jenem Betrag, der bei gleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre (). In dieser Berechnung sind die gesamte Einnahmensituation () und sämtliche Ausgaben einzubeziehen. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gilt jedoch nicht für Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer (zuletzt ), die Lohnsteuer ist ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Gänze abzuführen (§ 78 Abs. 3 EStG 1988). Der Beschwerdeführer hat trotz mehrfacher Vorhaltung seitens des Finanzamtes im Ergänzungsersuchen, im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung einen Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht einmal ansatzweise erbracht. Die mit der Beschwerde vorgelegten Bankauszüge vermitteln keinen Überblick über die gesamte Liquiditätssituation oder über die Befriedigung der Forderungen von anderen Gläubigern.
Der Beschwerdeführer hat sein Vorbringen, es habe zwischen ihm und dem zweiten Geschäftsführer der Primärschuldnerin eine Aufgabenverteilung dergestalt gegeben, dass der zweite Geschäftsführer die finanziellen Belange der Primärschuldnerin zu verantworten gehabt habe, die Geschäftsführerordnung der Primärschuldnerin vorgelegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verletzt der mit steuerlichen Angelegenheiten nicht Befasste bei Vorliegen von Abgrenzungsabreden dann seine abgabenrechtlichen Pflichten, wenn er trotz Unregelmäßigkeiten bei der Tätigkeit des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Bestellten nichts unternahm, um Abhilfe schaffen, es sei denn, er brächte triftige Gründe vor, die ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gemacht hätten. Eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer kommt nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln ( mwN).
Schon das Vorbringen des Beschwerdeführers belegt, dass er über jene Umstände, welche zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Primärschuldnerin geführt haben, Bescheid wusste. Er macht sogar Angaben zu "bereits Ende des Jahre 2012 am Steuerkonto belasteter Umsatzsteuer" und zur Verfügbarkeit von liquiden Mitteln sowie deren Verwendung. Daher vermag ihn die Tatsache, dass er laut Geschäftsführerordnung der Primärschuldnerin nicht mit deren finanziellen Belangen betraut war, nicht von einem haftungsrelevanten Verschulden zu entlasten.
Aus einem bei den Verwaltungsakten befindlichen Schreiben der Primärschuldnerin an das Landesgericht A vom geht in Bezug auf ein von der Primärschuldnerin betriebenes Bauprojekt unter anderem Folgendes hervor: "Aufgrund von Kundenwünschen und technischen Notwendigkeiten kam es bei der bisherigen Gestehung zu Abweichungen gegenüber den behördlichen Baubescheiden. So wurden neben vernachlässigbaren Änderungen in der Ausführung auch (bei gleichbleibender Kubatur!) einzelne größere Wohneinheiten in mehrere kleinere unterteilt. Durch diese Änderungen entstand nach Stellplatzverordnung der Stadt A ein zusätzlicher Bedarf an Pkw-Abstellplätzen. … Die auf den Treuhandkonten … liegenden Teilkaufpreiszahlungen der Käufer warten aufgrund der noch fehlenden behördlichen Freigabe auf Auszahlung. … Betont wird, dass die Antragsforderung zum überwiegenden Teil aus Restforderungen betreffend Abverkauf X stammt und befinden sich diese auf den entsprechenden Treuhandkonten. Der derzeit am Steuerkonto aushaftende Rückstand ergibt sich also hauptsächlich aus der Umsatzsteuer aus diesen Kundenforderungen, welche zwar in Rechnung gestellt und ordnungsgemäß erklärt wurden, die Liquidität zur Begleichung des Steuerrückstandes jedoch aus der Nichtfreigabe der Treuhandgelder bisher verhindert war. …"
Gerade einem mit den Bereichen Akquisition, Ein- und Verkauf, Projektentwicklung, Vertrieb und Marketing betrauter Geschäftsführer müssen die Konsequenzen einer Bauausführung abweichend von der Baubewilligung, der aus diesem Grund versagten Benützungsbewilligung bzw. des aus diesem Grund verhängten Baustopps und deren Auswirkung auf die Treuhandabwicklung und damit die Liquiditätssituation der Primärschuldnerin bewusst sein.
In einem bei den Verwaltungsakten befindlichen Bericht des Sanierungsverwalters der Primärschuldnerin RA_1 vom an das Landesgericht A weist dieser eingangs darauf hin, dass der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist, und stellt sodann eine enge personelle Verflechtung der Primärschuldnerin und des Beschwerdeführers mit weiteren ebenfalls in der Immobilienbranche tätigen bzw. tätig gewesenen natürlichen und juristischen Personen dar. Die Rechtsvertreterin der Primärschuldnerin, RA_2, weist in einem E-Mail vom an das Finanzamt darauf hin, dass "ein nicht unerheblicher Teil des Rückstandes am Steuerkonto … aus der Verbuchung einer Ausgangsrechnung vom an die mittlerweile in Konkurs befindliche GmbH_2 herrührt. …". Ausweislich des Firmenbuches war der Beschwerdeführer von 2000 bis zu ihrer Auflösung am alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der GmbH_2 (FN2). Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer die abgabenrechtlichen Konsequenzen dieses Vorganges sowohl für die von ihm vertretene Primärschuldnerin als auch für die GmbH_2 kennen musste.
Insgesamt zeigt sich, dass dem in der Geschäftsführerordnung der Primärschuldnerin eingeschränkten Zuständigkeitsbereich des Beschwerdeführers gewichtige Umstände gegenüberstehen, die ihn zu einer Überwachung und Überprüfung der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Primärschuldnerin verhalten hätten müssen. Die Verletzung dieser Überwachungs- und Überprüfungspflichten stellt ein schuldhaftes Handeln des Beschwerdeführers im Sinn der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dar.
Der Beschwerdeführer hat keine Einwände gegen die Richtigkeit der Ermessensübung des Finanzamtes erhoben. Bedenken diesbezüglich ergeben sich auch aus dem Akteninhalt nicht. Bei der Ermessensübung war der Zweck der Haftungsinanspruchnahme als Besicherungsinstitut zu berücksichtigen. Da die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin aufgrund der Anzeige der Masseunzulänglichkeit feststeht, kann nur die Haftungsinanspruchnahme zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs verhelfen. Die Wahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit beim Haftenden tritt bei der Interessenabwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse auf Durchsetzung des Abgabenanspruchs zurück ().
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dieses Erkenntnis folgt in der rechtlichen Würdigung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3101028.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at