Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2021, RV/7100002/2021

Ökologische Ausgleichsflächen, keine Befreiung gem. § 2 Z 9 lit. a GrStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1-Adr******Bf1***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs GmbH, Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einheitswert des land- u. forstwirtschaftl. Betriebes , EWZ ***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Einheitswertbescheid vom wurde zum betreffend die Beschwerdeführerin für den Grundbesitz GB ***, auf Grund der §§ 20 und 20c BewG 1955 iVm § 186 BAO der Einheitswert mit 700,- Euro festgestellt sowie der Grundsteuermessbetrag entsprechend festgestellt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Bewertung auf Grund der Erklärung und der Aktenlage auf Basis der Kundmachung des Bundesministers für Finanzen vom (GZ: BMF-010202/0100-VI/3/2014) erfolgt sei.

Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Flächen ausschließlich um solche handele, die eine Verkehrsanlage darstellen würden oder aber im weiteren Sinne dem Bestand der *** dienen würden und somit dem Befreiungstatbestand des § 2 Z 9 Grundsteuergesetz unterfallen würden. Die betreffende Verkehrsanlage sei seit in Betrieb.

Es sei mittlerweile etablierter Standard, dass neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Grundstücken zusätzlich sogenannte ökologische Ausgleichsflächen zu schaffen seien, die als Bestandteil der Schnellstraßenanlage zu werten seien und keinerlei landwirtschaftlicher Nutzung (mehr) zugeführt würden. Für diese sei, wie aus dem Grundsteuergesetz sinngemäß zu entnehmen sei, keine Grundsteuer zu entrichten.

Die Beschwerdeführerin beantrage daher den Bescheid abzuändern und Einheits- wie Grundsteuermessbetrag mit 0,00 Euro festzusetzen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Befreiung von der Grundsteuer gemäß § 2 Z. 9 lit. a GrStG nur für die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Brücken, künstlichen Wasserläufe, Häfen und Schienenwege, einschließlich der Seitengräben, Böschungen, Schutzstreifen, Schneedämme und der zwischen den Gleisen oder der Fahrbahnen liegenden Geländestreifen zustehe. Ausgleichsflächen, die aufgrund behördlicher Auflagen angelegt werden müssten und die nicht unmittelbar den oben genannten Verkehrszwecken dienen würden, würden nicht unter diese Bestimmung fallen und könnten daher nicht von der Grundsteuer befreit werden. Die Grundsteuerpflicht bestehe auch unabhängig davon, ob die Ausgleichsflächen als Grundvermögen oder als landwirtschaftliches Vermögen (landwirtschaftlicher Betrieb) bewertet würden.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Zur Begründung führte diese aus, dass bei Bauvorhaben der Beschwerdeführerin auch in erheblichem Umfang Ausgleichs- bzw. Begleitflächen zu erwerben seien. Diese seien für den Bau und Betrieb der Straße zwingend erforderlich, wobei freilich einzuräumen sei, dass der Ausnahmetatbestand des § 2 Z 9 lit. a GrStG diese Grundstücke nicht ausdrücklich benenne.

Aus Sicht der Beschwerdeführerin sei - ergänzend - festzuhalten, dass die konkrete Bestimmung seit Jahrzehnten inhaltlich bzw. textlich unverändert belassen worden sei, wiewohl sich in dieser Zeit Bau und Betrieb von Bundesstraßen maßgeblich geändert habe. Zu eben diesen maßgeblichen Änderungen würden die diversen Ausgleichs- und Begleitflächen zählen, deren Erwerb und dem jeweiligen Zweck entsprechende Umgestaltung nunmehr zur Erlangung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens als zwingend erforderlich gesehen werden müsse. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Gesetzesbestimmung über die Befreiungstatbestände seien diese Begleitmaßnahmen weithin unbekannt gewesen, und hätten vom Gesetzgeber folglich auch nicht berücksichtigt werden können.

Insofern verfange auch das Argument nicht, die Flächen würden bloß "mittelbar" dem öffentlichen Verkehr dienen. In gleicher Weise, wie es erforderlich sei, Straßenkörper, Böschungen, Fahrbahn, Entwässerungsanlagen usw. (als rein "technische" Merkmale einer Straßenanlage) herzustellen, sei es für den rechtskonformen Bau und Betrieb zwingend erforderlich, die - aus den vor der Realisierung der Straße abzuführenden Bewilligungsverfahren heraus für notwendig erachteten - bescheidmäßig vorgeschriebenen Begleitmaßnahmen umzusetzen und Flächen hierfür zu sichern. Man könne folglich mit Recht von "ökologischen Merkmalen" einer Straße sprechen, die gegeben sein müssten, um diese nach gegenwärtig geltenden rechtlichen Maßstaben überhaupt für den Verkehr freigeben und betreiben zu können. Diese seien daher materiell den Verkehrsflächen gleichzuhalten.

Bei den gegenständlichen Flächen handele es sich jedenfalls um solche, die jedweder landwirtschaftlichen Produktion entzogen seien und die ihren Zwecken entsprechend auch sonst keine Verwertung oder Nutzung erfahren würden.

Mit Erkenntnis vom , RV/7103481/2018, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin brachte dagegen Revision ein.

Mit Erkenntnis vom , Ro 2020/16/0043 und 0044-4 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und wies die Revision mit Beschluss zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft GB *** im Ausmaß von insgesamt 0,5377 ha. Diese Liegenschaft dient als ökologische Ausgleichsfläche für eine öffentliche Straße.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt (Auszug Grundbuch) und sind insoweit unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem in dieser Rechtssache ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2020/16/0043 Folgendes festgehalten:

"Gemäß § 2 Z 9 lit. a GrStG ist für die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Brücken, künstlichen Wasserläufe, Häfen und Schienenwege, einschließlich der Seitengräben, Böschungen, Schutzstreifen, Schneedämme und der zwischen den Gleisen oder Fahrbahnen liegenden Geländestreifen keine Grundsteuer zu entrichten.

§ 2 Z 9 lit. a GrStG zählt damit die einzelnen, dem öffentlichen Verkehr dienenden, von der Grundsteuer befreiten Flächen explizit auf. Auch die Revisionswerberin zieht nicht in Betracht, dass "ökologische Ausgleichsflächen" unter einen dieser Begriffe subsumiert werden könnten.

In der expliziten Aufzählung einzelner Arten von Flächen unterscheidet sich der Tatbestand des § 2 Z 9 lit. a GrStG von jenem der lit. b leg. cit, der den dem Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs dienenden sowie den für den Flugsicherungsdienst benutzen Grundbesitz befreit und damit auf einen funktionellen Bezug zwischen einer Fläche und einem Betrieb oder einer Einrichtung abstellt.

Das von der Revision beabsichtigte Ergebnis der Befreiung "ökologischer Ausgleichsflächen" nach § 2 Z 9 lit. a GrStG käme daher allenfalls im Wege einer analogen Anwendung eines einzelnen Tatbestandselementes des Befreiungstatbestandes auf solche Flächen in Betracht, was jedoch das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzte.

Eine solche planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers des § 2 Z 9 lit. a GrEStG ist jedoch nicht erkennbar, zumal anhand der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes eine ökonomische Nutzung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, wie sie die Revision ausschließt, nicht ausgeschlossen werden kann."

Gemäß den Feststellungen handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft um eine ökologische Ausgleichsfläche und keine dem öffentlichen Verkehr unmittelbar dienende Straße oder Fläche, die unter die Befreiungsbestimmung von § 2 Z 9 lit. a GrStG 1955 fällt. Mit o.a. Erkenntnis vom , Ro 2020/16/0043 und 004-4 hat der VwGH festgehalten, dass ökologische Ausgleichsflächen nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 2 Z 9 lit. a GrStG fallen.

Hinsichtlich des im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgebrachten Vorbringens, dass die Befreiungsbestimmung des § 2 Z 1 lit. a GrStG anwendbar sei, ist festzuhalten, dass diese gem. § 4 Abs. 1 GrStG die unmittelbare Verwendung des Grundbesitzes für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch voraussetzt. Dies liegt jedoch gerade nicht vor, da der Besitz bzw. die Verwendung der Liegenschaft als "ökologische Ausgleichsfläche" - wenn überhaupt - dann nur mittelbar als Verwendung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch angesehen werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtsfrage, ob ökologische Ausgleichsflächen unter die Befreiungsbestimmungen des § 2 Z. 9 lit. a GrStG fallen, mit Erkenntnis vom , Ro 2020/16/0043 und 0044-4 hinreichend geklärt. Darüber hinaus lagen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100002.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at