Zurückweisung eines Vorlageantrages mangels rechtswirksamer Zustellung der Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Habsburgergasse 3/20, 1010 Wien, Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages von der Immobilienertragsteuer 12/2016 beschlossen:
Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e Bundesabgabenordnung (BAO) iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde nicht rechtswirksam zugestellt und gehört daher nicht dem Rechtsbestand an.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin (Bf.) ***Bf1*** wurde am mit der Erfassungsnummer ***1*** eine IMMOESt-Anmeldung für den Zeitraum 12/2016 in Höhe von € 16.800,00 gemeldet.
Die belangte Behörde setzte daraufhin mit dem hier angefochtenen Bescheid vom gegenüber der Bf. einen ersten Säumniszuschlag mit dem Betrag von 336 Euro und der Begründung fest, dass die für den Zeitraum 12/2016 gemeldete Abgabenschuldigkeit (Immobilienertragsteuer) nicht bis entrichtet wurde.
Der Bescheid wurde an die Bf. direkt adressiert und zugestellt.
Mit Schriftsatz vom erhob die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter gegen den Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages Bescheidbeschwerde (als Berufung bezeichnet) und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , direkt adressiert und zugestellt an die Bf., wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, wobei im Spruch dieser Entscheidung ***CD*** als Vertreterin genannt wurde.
Die jeweiligen Ausführungen werden mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben.
Mit Eingabe vom stellte die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter einen Vorlageantrag mit dem Ersuchen auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht mit folgendem - auszugsweise gegenständlich relevanten - Inhalt:
"Zur Beschwerdevorentscheidung Abgabenkontonummer" ***2*** des Finanzamtes Wien 1/23 (FA AS02) vom , zugestellt - trotz ausgewiesenem Vertreter - rechtswidriger Weise direkt der Abgabenpflichtigen am , stellt deren ausgewiesener Vertreter - unter nochmalige ausdrückliche Berufung auf die erteilte Vollmacht - den
ANTRAG
auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht nach Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
BEGRÜNDUNG
1) In dieser Sache fällt vorerst schon einmal auf, dass die Berufung unter
ausdrücklichem Hinweis auf die erteilte Vollmacht durch RA Dr. ***AB***
eingebracht wurde und daher durch diesen und nicht durch Frau ***CD*** erfolgte. Dennoch wurde die Beschwerdevorentscheidung weder dem
tatsächlichen ausgewiesenen Vertreter noch der der in der
Beschwerdevorentscheidung als angeblich vertretungsbefugten genannten
Rechtsanwältin zugestellt, sondern der Abgabenpflichtigen selbst, was offensichtlich
rechtswidrig ist.
2) …
3) …
4) …
Die Abgabenpflichtige stellt daher unter Wiederholung der eingangs bereits
gestellten - Anträge folgende
A N T R Ä G E
1) die Zustellung sämtlicher weiteren Entscheidungen ausschließlich zu Handen des
ausgewiesenen Vertreters zu bewirken,
2) auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung; und
3) der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos
aufzuheben…"
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist ein nicht zulässiger Vorlageantrag zurückzuweisen.
Nach § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.
Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen.
Nach § 98 BAO sind, soweit in der Bundesabgabenordnung nicht anderes bestimmt ist, Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), vorzunehmen.
Die Anwendbarkeit des ZustG im Abgabenverfahren ergibt sich auch aus dessen § 1 Abs. 1.
Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können - soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist Abs. 3 leg. cit.
§ 8 Abs. 1 letzter Satz Rechtsanwaltsordnung (RAO) lautet: "Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis."
Bei diesen Parteienvertretern reicht es somit, wenn sie sich schriftlich oder mündlich (nicht telefonisch) auf eine ihnen erteilte Bevollmächtigung berufen (Ritz, BAO 6 , § 83 Rz 10).
Dazu genügt nach Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch, Seite 247, regelmäßig der Vermerk "Vollmacht erteilt" () oder Ähnliches bzw die Wortfolge "Namens und auftrags meiner Mandantschaft" () oder Ähnliches in einer Eingabe an die Abgabenbehörde.
Ausreichend ist nach Ritz, BAO 6 , § 83 Rz 10, auf einer Eingabe zB der Vermerk "Vollmacht erteilt" (), "Vollmacht ausgewiesen", die Worte "Namens und auftrags meiner Mandantschaft" ().
Eine gemäß § 8 Abs. 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht erfasst auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustG (VwGH B , 94/14/0104).
Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung (§ 9 ZustG) hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen zuzustellen; wird statt dessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam (Hinweis E VS , 2091/55, VwSlg 4557 A/1958, Anm 9 zu § 9 ZustG bei Walter-Mayer, Zustellrecht 1983). Laut der als Beschwerde zu wertenden Berufung vom hat der Vertreter RA Dr. ***AB*** ausdrücklich auf seine Vollmacht durch den Vermerk "Vollmacht erteilt" hingewiesen. Ab diesem Zeitpunkt wären sämtliche Schriftstücke an den Parteienvertreter zuzustellen gewesen (vgl. Ritz, BAO 6, § 9 ZustG, Tz 23ff und die dort zitierte Judikatur).
Die in Abgabenvorschriften geregelten Säumniszuschläge werden gemäß § 217 BAO durch Erlassung von Festsetzungsbescheiden geltend gemacht. Die im 6. Abschnitt der Bundesabgabenordnung betreffend die Einhebung der Abgaben geregelte Erlassung eines Bescheides über die Festsetzung eines Säumniszuschlages fällt zu den Erledigungen im Einhebungsverfahren (,92/130288, glA Stoll, BAO,1066).
Gemäß § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO können im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.
Bei Vorliegen einer Zustellbevollmächtigung ist die unmittelbare Zustellung eines Bescheides (hier Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde gegen die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages 2017 gemäß § 217 BAO) an den Vollmachtgeber nur dann zulässig, wenn dies zweckmäßig im Sinne des § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist, somit insbesondere der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dient. Dabei obliegt es dem Finanzamt, derartige Zweckmäßigkeitsgründe aufzuzeigen (vgl. GZ. RV/1261-L/09).
Der angefochtene Bescheid enthält keine Ausführungen dahingehend, weshalb die direkte Zustellung im Ermessen als zweckmäßig angesehen wurde.
Das Bundesfinanzgericht kann auch anhand der Aktenlage nicht erkennen, dass die unmittelbare Zustellung der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde gegen die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens diente. Jedenfalls ging der Zweck des Vollmachtverhältnisses, der im fachlichen Beistand zu sehen ist, mit der Direktzustellung verloren.
Demzufolge wäre die Beschwerdevorentscheidung an den Vertreter zuzustellen gewesen.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt.
Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa ; sowie im Ergebnis bereits ). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. ; nochmals ). Auch der Vertreter weist im Vorlageantrag wiederholt auf die Rechtswidrigkeit des Zustellvorgangs hin.
Der Beschwerdevorentscheidung ist demgemäß noch nicht zugestellt und sohin nicht erlassen.
Mangels rechtswirksamer Zustellung der mit datierten Beschwerdevorentscheidung ist der gegenständliche Vorlageantrag vom gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.
Im Hinblick auf die eindeutige Sach- und Rechtslage konnte gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO iVm § 274 Abs. 5 BAO von der Durchführung der in der Beschwerde vom beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt; die Rechtsfolge der Zurückweisung des Vorlageantrages als unzulässig ergibt sich vielmehr aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen und aus der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 83 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 98 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 103 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104496.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at