Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2021, RV/7103647/2019

Firmenwertabschreibung für Gruppenmitglieder im EU-Ausland

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103647/2019-RS1
Nach § 26c Z 47 KStG 1988 sind offene Fünfzehntel für Beteiligungen, die vor dem angeschafft wurden, nur dann weiter zu berücksichtigen, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte. Der Wortlaut der Bestimmung stellt auf die abstrakte Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung ab. Dass, wie die Erläuterungen ausführen, nur dann „eine Beeinflussung des Kaufpreises überhaupt abstrakt möglich“ sein soll, wenn der Käufer „(zweifelsfrei) mit einer Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung rechnet“, ergibt sich aus diesem Wortlaut nicht. Es erscheint für das Verwaltungsgericht auch angesichts des in den Erläuterungen angeführten verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes, weder erforderlich noch zweckmäßig, das hochgradig unbestimmte Abstellen auf eine potentielle Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung im Interpretationswege eng auszulegen, insbesondere dann, wenn wie dargestellt, eine solche Auslegung zu unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen Primärrecht führen würde.
RV/7103647/2019-RS2
§ 26c Z 47 KStG 1988 bestimmt nicht, in welchem Ausmaß eine (mögliche) Kaufpreisbeeinflussung erforderlich ist. Selbst geringste Beträge müssen also ausreichen. Letztlich kann sich auch der Umstand, dass keine Firmenwertabschreibung möglich zu sein scheint, auf den Kaufpreis auswirken.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht, durch den Richter***Ri***, in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***27***, ***28***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***30*** (nunmehr: ***29***) jeweils vom betreffend Wiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015, Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015, Wiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 sowie Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 und die Beschwerde vom gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017 vom zur Steuernummer ***7*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

I. erkenntzu Recht:

a. Die BescheidebetreffendWiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015 und Wiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016,jeweils vom , werdengemäß § 279 BAO aufgehoben.

b. Der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017 vom wird gemäß § 279 BAO insofern abgeändert, als das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 mit ***18*** Euro festgesetzt wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

II. fasst den Beschluss:

Die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015 und den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016, jeweils vom wird gemäß § 278 Abs. 1 lit. b iVm § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die belangte Behörde erließ am gegenüber der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) einen Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015 und setzte das Einkommen im Jahr 2015 gemäß § 9 Abs. 6 KStG 1988 mit ***22*** Euro fest. Mit Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 vom setzte die belangte Behörde das Einkommen der Bf. im Jahr 2016 mit ***23*** Euro fest.

Mit Bescheiden vom erfolgte bei der Bf. eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die genannten Feststellungsbescheide Gruppenträger 2015 bzw. 2016 gemäß § 303 Abs. 1 BAO. Die Begründung beider Bescheide lautet:

"Anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben sind die im Anschluss angeführten Beweismittel und Tatsachen neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen.

Neu hervorgekommen sind die Belege zu den berücksichtigten Ausgaben. Im Zuge Außenprüfung wurde erstmals Einsicht in die Verträge und die dazugehörigen Unterlagen betreffend Kauf A-GmbH genommen sowie Kenntnis über die Höhe des Kaufpreises und über die Überlegungen zum Kaufpreis erlangt.

Die rechtzeitige Kenntnis der neu hervorgekommenen Beweismittel und Tatsachen hätten zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt.

Neu hervorgekommene Beweismittel und Tatsachen, die eine Wiederaufnahme desVerfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen, siehe Tz 2,3,4,5,6,7,8des Prüfberichts."

Am gleichen Tag wurden auch neue Sachbescheide (Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015 bzw. 2016) unter Hinweis auf die Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung erlassen.

Strittig ist jeweils die Geltendmachung einer Firmenwertabschreibung für das genannte ausländische Gruppenmitglied nach § 9 Abs. 7 KStG 1988 iVm der Übergangsbestimmung des § 26c Z 47 KStG 1988.

Die Bf. stellte mit Schreiben vom einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist für die Bescheide vom . Mit Schriftsatz vom erhob sie Beschwerde gegen die genannten Bescheide. Darin brachte sie vor, dass hinsichtlich der Wiederaufnahme keine neuen Tatsachen, sondern lediglich eine abweichende rechtliche Beurteilung (Kaufpreisbeeinflussung der Firmenwertabschreibung) vorliege. Die Sachbescheide seien rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen die in Art. 49 AEUV normierte Niederlassungsfreiheit vorliege und die Bf. diskriminiert werde.

Die Bf. stellte einen Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs. 2 lit. a BAO und Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 lit. a BAO.

Am erließ die belangte Behörde einen Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017, der von den erklärten Beträgen unter Verweis auf die Feststellungen der Betriebsprüfung abwich.

Mit Schreiben vom erhob die Bf. Beschwerde gegen diesen Bescheid, und stellt wiederum Anträge auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und mündliche Verhandlung.

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde die streitgegenständlichen Bescheidbeschwerden dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

In einer Stellungnahme an das Verwaltungsgericht vom wiederholte die belangte Behörde im Wesentlichen ihre Rechtsansicht und verwies auf die Verwaltungspraxis (Randzahl 1110c der Körperschaftsteuerrichtlinien 2013), wonach lediglich die Fünfzehntel aus der Anschaffung im Jahr 2013 abziehbar seien.

Am wurde die beantrage mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchgeführt. Im Rahmen dieser Verhandlung stellten die Parteien übereinstimmend fest, dass eine Berücksichtigung der Anschaffung des Jahres 2013 zu gewähren und dies entgegen der Stellungnahme der belangten Behörde vom tatsächlich noch nicht erfolgt sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Dezember 2008 erwarb die Bf. mehr als 90% der in ***Ausland*** ansässigen A-GmbH (ab 2016 umfirmiert: A-GmbH) von konzernfremden natürlichen Personen um ***9*** Euro. Eine Option zur Steuerwirksamkeit im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988 wurde nicht ausgeübt. Im Jahr 2009 wurden weitere Anteile% der A-GmbH von konzernfremden natürlichen Personen um ***10*** Euro erworben.

Zum Jahreswechsel X/Y fand eine Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH statt. An der ebenfalls in ***Ausland*** ansässigen B-GmbH hielt die Bf. 100% der Anteile. Nach der Verschmelzung hielt die Bf. einen Anteil von mehr als 90% an der B-GmbH. Die B-GmbH wurde 2010 auf C-GmbH, umfirmiert.

In den Jahren 2008 und 2009 wurde eine Entscheidung gegen die Gruppenaufnahme (bzw. keine Entscheidung zur Gruppenaufnahme) getroffen.

Nach einem weiteren Zukauf eines Anteils von ***15***% an der C-GmbH von der konzernfremden X-GmbH im Jahr 2013 wurde die nun zu nahezu 100% gehaltene C-GmbH (2016 umfirmiert in: A-GmbH) im Jahr 2015 in die Gruppe der Bf., welche Gruppenträger ist, einbezogen.

Für die Jahre 2015 und 2016 wurde im Rahmen der Körperschaftsteuererklärungen 2015 und 2016 eine Firmenwertabschreibung in Höhe von je ***17*** Euro geltend gemacht. Dieser Betrag setzt sich aus einer Abrechnung eines Fünfzehntels (***19*** Euro) auf Basis des Firmenwerts aus 2008, einer Hinzurechnung eines Fünfzehntels (***20*** Euro) auf Basis des zusätzlich erworbenen (negativen Firmenwerts) im Jahr 2009 und der Abrechnung eines Fünfzehntels (***21*** Euro) auf Basis des zusätzlich erworbenen Firmenwerts im Jahr 2013 zusammen.

Der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung konnte sich beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt, mit Ausnahme der potentiellen Kaufpreisbeeinflussung, entspricht den Ausführungen im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung (ON 9), der wiederum auf diverse, im elektronischen Arbeitsbogen der Betriebsprüfung verfügbare Dokumente verweist.

Der Sachverhalt ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig und wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt. Das Verwaltungsgericht folgt diesen glaubwürdigen Aussagen, zumal im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem widersprechenden Anhaltpunkte zutage getreten sind.

Hinsichtlich der betragsmäßigen Höhe der strittigen Firmenwertabschreibungen folgt das Verwaltungsgericht den glaubwürdigen Angaben der Bf. (siehe insbesondere Beilage ./A des Aktes), gegen deren rechnerische Richtigkeit seitens der belangten Behörde keine konkreten Einwendungen erhoben und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch sonst keine Bedenken geweckt worden sind. Diese Berechnungen enthalten auch anteilige stille Reserven und eine gleichmäßige Verteilung des ermittelten Firmenwertes auf 15 Jahre.

Zum einzig strittigen Umstand, ob sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist festzuhalten, dass das ***29*** gemäß § 323b Abs. 1 BAO an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes ***30*** getreten ist.

3.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Stattgabe

Der einzig strittige Punkt im gegenständlichen Verfahren ist die Abschreibung des Firmenwerts für die in den Jahren 2008 und 2009 von der Bf. erworbenen Anteile an der nunmehrigen A-GmbH.

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit der mit Ausnahme der Wortfolge "vor dem " wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 7 KStG 1988 im Erkenntnis vom , 2015/15/0001 eingehend auseinandergesetzt hat. Die vom Verwaltungsgerichtshof hiezu getroffenen Aussagen sind daher auf den gegenständlichen Streitfall übertragbar: "Aus dem C-66/14, Finanzamt Linz, geht hervor, dass Art. 49 AEUV der Regelung des § 9 Abs. 7 KStG 1988 insoweit entgegensteht, als es diese Regelung einer Muttergesellschaft erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft, die Mitglied einer solchen Gruppe wird, eine Firmenwertabschreibung der Beteiligung vorzunehmen, ihr dies beim Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft aber versagt.

Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0064).

Belastend ist im vorliegenden Fall die Regelung in § 9 Abs. 7 KStG 1988, wonach die Firmenwertabschreibung in Fällen bloß beschränkter Steuerpflicht der Beteiligungskörperschaft generell nicht zusteht. Demnach wird - um einen unionrechtskonformen Zustand herbeizuführen - die Formulierung "unbeschränkt steuerpflichtigen" - soweit die Niederlassungsfreiheit reicht - in § 9 Abs. 7 KStG 1988 verdrängt, sodass diese Norm die Firmenwertabschreibung sowohl im Inlandsfall (unbeschränkt steuerpflichtige Beteiligungskörperschaft) als auch im - im vorliegenden Fall gegebenen - EU-Auslandsfall (beschränkt steuerpflichtige Beteiligungskörperschaft) zulässt."

Folglich ist die Formulierung "unbeschränkt steuerpflichtigen" - soweit die Niederlassungsfreiheit reicht - auch in § 9 Abs. 7 KStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2014 verdrängt, sodass diese Norm die Firmenwertabschreibung auch im EU-Auslandsfall zulässt.

Zwischen den Parteien ist unstrittig und wurde dies im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auch bestätigt, dass die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 KStG 1988 seitens der Bf. erfüllt sind: Die streitgegenständliche Beteiligung wurde in den Jahren 2008, 2009 und 2013, sohin vor dem erworben. Die Ankäufe der Beteiligungen stammten jeweils von konzernfremden Verkäufern. Zur Berechnung und gleichmäßigen Verteilung des Firmenwerts wird auf den festgestellten Sachverhalt und die Beweiswürdigung verwiesen.

Nach der Übergangsbestimmung des § 26c Z 27 KStG 1988 tritt die auf den Streitfall anzuwendende Fassung des § 9 Abs. 7 KStG 1988 mit in Kraft. Offene Fünfzehntel für Beteiligungen, die vor dem angeschafft wurden, sind nur dann weiter zu berücksichtigen, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte und die Einbeziehung dieser Körperschaft in eine Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr dieser Körperschaft erfolgt, das im Kalenderjahr 2015 endet.

Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde die D-GmbH im Jahr 2015 in die Gruppe einbezogen. Damit ist die Frist zur Einbeziehung in die Unternehmensgruppe gemäß § 26c Z 27 KStG 1988 (von den Parteien auch unbestritten) gewahrt.

Zu untersuchen bleibt demnach, ob sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte bzw. ob dieses Kriterium im konkreten Fall überhaupt anzuwenden ist.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2014 (24 der Beilagen XXV. GP, 12) führen zu den §§ 9 Abs. 7 und § 26c Z 27 KStG 1988 aus: "Die Firmenwertabschreibung soll für Beteiligungen, die nach dem angeschafft werden, nicht mehr zustehen. Für vor dem angeschaffte Beteiligungen sollen aus Gründen des Vertrauensschutzes noch offene Fünfzehntel aus der Firmenwertabschreibung auch künftig geltend gemacht werden können, sofern die Einbeziehung dieser Körperschaft in die Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr dieser Körperschaft erfolgt, das im Kalenderjahr 2015 endet. Nachdem der VfGH in mehreren Erkenntnissen (ua G 114/93, G 172/99, B 945/11) unter anderem ausgesprochen hat, dass ein Vertrauensschutztatbestand dann vorliegt, wenn man davon ausgehen kann, dass sich der steuerliche Vorteil im Kaufpreis auswirken konnte, wird in § 26c vorgesehen, dass für Beteiligungen, bei denen der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung den Kaufpreis beeinflussen konnte, die noch offenen Fünfzehntel weiterhin berücksichtigt werden müssen. Der Kaufpreis konnte durch den steuerlichen Vorteil der Firmenwertabschreibung dann beeinflusst werden, wenn der Erwerber bei Erwerb der Beteiligung zweifelsfrei davon ausgehen konnte, dass für diese Beteiligung eine Firmenwertabschreibung zusteht. Nur dann wird eine Beeinflussung des Kaufpreises überhaupt abstrakt möglich und damit ein Vertrauenstatbestand geschaffen sein, weil der Erwerber nur in jenen Fällen den steuerlichen Vorteil in seine Kaufpreiskalkulation einbeziehen wird, wenn er (zweifelsfrei) mit einer Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung rechnet. Beim Erwerb von inländischen Beteiligungen, die innerhalb weniger Jahre nach dem Erwerb in eine Gruppe einbezogen wurden, wird dies jedenfalls der Fall sein."

Nach diesen Erläuterungen konnte der Kaufpreis durch den steuerlichen Vorteil der Firmenwertabschreibung nur dann beeinflusst werden, wenn der Erwerber bei Erwerb der Beteiligung zweifelsfrei davon ausgehen konnte, dass für diese Beteiligung eine Firmenwertabschreibung zusteht. Wird § 26c Z 47 KStG 1988 in dieser Art gelesen, ist eine Firmenwertabschreibung im Zusammenhang mit Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften faktisch ausgeschlossen, weil § 9 Abs. 7 KStG 1988 die Firmenwertabschreibung seinem Wortlaut nach bis heute unverändert auf betriebsführende unbeschränkt steuerpflichtige Beteiligungskörperschaften einschränkt.

Dass die Formulierung "unbeschränkt steuerpflichtigen" - soweit die Niederlassungsfreiheit reicht - in § 9 Abs. 7 KStG 1988 verdrängt wird, sodass diese Norm die Firmenwertabschreibung sowohl im Inlandsfall (unbeschränkt steuerpflichtige Beteiligungskörperschaft) als auch im EU-Auslandsfall (beschränkt steuerpflichtige Beteiligungskörperschaft) zulässt, ergibt sich zweifelsfrei erst aus dem am im RIS veröffentlichten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2015/15/0001. Somit könnte erst ab diesem Zeitpunkt "(zweifelsfrei) mit einer Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung" gerechnet werden. Da § 9 Abs. 7 KStG 1988 nur für Beteiligungen, die vor dem , also vor Ergehen des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, angeschafft wurden, eine Firmenwertabschreibung zulässt, bliebe für den EU-Auslandsfall kein Platz mehr.

Ein solches Ergebnis erscheint nach der überwiegenden Literatur (siehe in diesem Sinne z.B. Amberger/Petutschnig, ÖStZ 2014, 77; Wurm, SWK 2014, 393; Hristov/Zeitlinger, taxlex 2014, 111; Mechtler/Pinetz, ; Urtz/Stanek in Bergmann/Bieber, Körperschaftsteuergesetz Update-Kommentar, § 9 Rz 75, HuberHuber/Rindler/Widinski/Zinnöcker (Hrsg.) in Gruppenbesteuerung², § 9, Rz 10; Pinetz/Stefaner in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG² § 9, Rz 117e) unionsrechtlich bedenklich (aA Lachmayer, RdW 2014, 230). Das Verwaltungsgericht teilt diese unionsrechtlichen Bedenken.

Nach § 26c Z 47 KStG 1988 sind offene Fünfzehntel für Beteiligungen, die vor dem angeschafft wurden, nur dann weiter zu berücksichtigen, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte. Der Wortlaut der Bestimmung stellt auf die abstrakte Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung ab. Dass, wie die Erläuterungen ausführen, nur dann "eine Beeinflussung des Kaufpreises überhaupt abstrakt möglich" sein soll, wenn der Käufer "(zweifelsfrei) mit einer Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung rechnet", ergibt sich aus diesem Wortlaut nicht. Es erscheint für das Verwaltungsgericht auch im Hinblick auf den in den Erläuterungen angeführten verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes, weder erforderlich noch zweckmäßig, das hochgradig unbestimmte Abstellen auf eine potentielle Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung im Interpretationswege eng auszulegen, insbesondere dann, wenn wie dargestellt, eine solche Auslegung zu unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen Primärrecht führen würde.

§ 26c Z 47 KStG 1988 bestimmt nicht, in welchem Ausmaß eine mögliche Kaufpreisbeeinflussung erforderlich ist. Selbst geringste Beträge müssen also ausreichen. Letztlich kann sich auch der Umstand, dass keine Firmenwertabschreibung zulässig zu sein scheint, auf den Kaufpreis auswirken.

Festzustellen ist, dass gegen den Ausschluss der Firmenwertabschreibung für Beteiligungen im EU-Ausland bereits Jahre vor den hier strittigen Beteiligungserbwerben (beginnend im Jahr 2008) unionsrechtliche Bedenken vorgebracht worden sind (Stefaner/Weninger, ; Hofstätter/Plansky, RWZ 2004, 359; Tumpel/Tissot in Quantschnigg u.a., Gruppenbesteuerung, Wien 2005, Gruppenbesteuerung und gemeinschaftsrechtliche Implikationen, 474ff; Hofstätter in Lang/Schuch/Staringer/ Stefaner, Grundfragen der Gruppenbesteuerung, Wien 2007, 273ff). Diese Bedenken wurden später vom Finanzamt Linz bestätigt, der einen Verstoß gegen Primärrecht festgestellt hat.

Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. ).

Schon angesichts dieser Verdrängungswirkung, die keinen Akt des Gesetzgebers erfordert, kann angenommen werden, dass sich die, wenn auch noch vage, jedenfalls aber gegeben erscheinende Möglichkeit einer Firmenwertabschreibung bereits auf Beteiligungserwerbe im EU-Ausland ab dem Jahr 2004 zumindest geringfügig ausgewirkt haben kann. § 26c Z 47 KStG 1988 verlangt auch nur die bloße Möglichkeit einer Auswirkung ("auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte") und nicht deren tatsächlichen Eintritt.

Noch viel mehr ist diese potentielle Kaufpreisbeeinflussung für Beteiligungserwerbe anzunehmen, die, wie im gegenständlichen Fall, im Jahr 2008 und später erfolgten. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2015/15/0001 spricht über die Gruppenfeststellungsbescheide der dortigen Bf. für die Jahre 2006 bis 2010 ab. Daraus ist erkennbar, dass es tatsächlich bereits entsprechende Streitfälle vor dem hier verfahrensgegenständlichen Jahr 2008 gegeben hat. Die Möglichkeit einer, wenn auch unter Umständen minimalen Kaufpreisbeeinflussung muss folglich vorhanden sein. Dass die Bf. aus kaufmännischer Vorsicht mit der Einbeziehung der gegenständlichen Beteiligungen in die Unternehmensgruppe bis nach Ergehen des Finanzamt Linz zugewartet hat, ist für die Geltendmachung der Firmenwertabschreibung nicht schädlich, zumal weder dem § 9 Abs. 7 noch dem § 26c Z 47 KStG 1988 diesbezügliche Ausschlussfristen zu entnehmen sind.

Dass die Bf. selbst ausführt, dass sich die Firmenwertabschreibung auf den Kaufpreis nicht auswirken konnte, liegt daran, dass die Bf. die Bestimmung nach den oben dargestellten Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2014 ausgelegt hat. Nach dem, diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Verständnis des § 26c Z 47 KStG 1988, ist im gegebenen Sachverhalt hingegen davon auszugehen, dass eine potentielle Kaufpreisbeeinflussung im Zusammenhang mit der Firmenwertabschreibung für die strittigen Beteiligungserwerbe der Jahr 2008, 2009 und 2013 vorliegt. Eine weitergehende Untersuchung eines Verstoßes gegen primärrechtliche Vorgaben erübrigt sich damit.

Der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017 war daher spruchgemäß abzuändern und die Firmenwertabschreibung zuzulassen.

Gemäß § 303 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn und die Kenntnis dort näher bestimmter Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nicht schon das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes, sondern erst der Zusammenhang mit einem anders lautenden Bescheid rechtfertigt die Wiederaufnahme. Schon im Wiederaufnahmeverfahren ist daher die materiellrechtliche Frage der möglichen Auswirkung auf den Sachbescheid zu berücksichtigen (siehe ).

Da sich der jeweilige Spruch der durch bei bekämpften Wiederaufnahmebescheide aufgehobenen Feststellungsbescheide Gruppenträger 2015 vom bzw. Gruppenträger 2016 vom als richtig erwiesen hat, muss die zwischen den Parteien strittige Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt, nicht beantwortet werden.

Mangels Herbeiführens eines im Spruch anders lautenden Bescheides war der Beschwerde gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2015 und Wiederaufnahme Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 statt zu geben. Diese Bescheide waren folglich ersatzlos aufzuheben.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.2. Revisionszulässigkeit

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 26c Z 47 KStG 1988 fehlt. Die Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

3.2.1. Gegenstandsloserklärung

Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden Bescheid entsprochen, so ist eine gegen die Sachentscheidung gerichtete Bescheidbeschwerde gemäß § 261 Abs. 2 BAO mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

Da der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich der Feststellungsbescheide Gruppenträger 2015 und 2016 stattzugeben war, ist die Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide Gruppenträger 2015 bzw. Gruppenträger 2016 mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

3.2.2. Revisionszulässigkeit

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Gegenstandsloserklärung folgt unmittelbar aus dem Wortlaut der zitierten Normen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt damit nicht vor und ist eine Revision gegen diesen Beschluss an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 7 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 26c Z 47 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
Zitiert/besprochen in
Mayr in
Knotzer/Pinetz in ecolex 2021/500
Herdin-Winter in
Wisiak in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103647.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at