Zurückweisung einer Beschwerde, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt wurde
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0094. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss zur Zahl RV/7400169/2021 erledigt.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Festsetzung eines Säumniszuschlages, GZ. MA 6/ARL - ***Zahl***/18 E, beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang
Dem Beschwerdeführer wurde der Bescheid vom betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Festsetzung eines Säumniszuschlages, GZ. MA 6/ARL - ***Zahl***/18 E, zuhanden seines steuerlichen Vertreters zugestellt, der dagegen im Namen des Beschwerdeführers Beschwerde einbrachte.
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich niemals im Original übermittelt. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine Zustellbevollmächtigung.
Aus diesem Grund wurde die Beschwerdevorentscheidung - nachdem sie zunächst auch zuhanden des steuerlichen Vertreters zugestellt worden war - an den Beschwerdeführer persönlich adressiert.
Im wiederum vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wies der Vertreter ein weiteres Mal darauf hin, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfüge.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerdeführer bekannt, dass sein steuerlicher Vertreter auch zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe, und dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid niemals im Original zugekommen sei.
2. Beweiswürdigung
Der dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und der schriftlichen Auskunft des Beschwerdeführers.
Im Hinblick darauf, dass der steuerliche Vertreter in seinen Schriftstücken stets darlegt, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfügt, ist es auch glaubwürdig, dass er auch anlässlich der Zustellung des bekämpften Bescheides nicht zustellungsbevollmächtigt war.
Da der steuerliche Vertreter im Namen des von ihm vertretenen Beschwerdeführers Beschwerde gegen diesen Bescheid einbrachte, erscheint es auch nachvollziehbar, dass er diesen zwar über den Bescheid informierte und mit ihm die Vorgangsweise besprach, ihm aber den Bescheid nicht im Original aushändigte, sondern in seinem Akt beließ.
3. Rechtliche Würdigung
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - durch Zustellung.
Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Zustellungen nachdem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen.
Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). In diesem Fall hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustG).
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Zustellmängel sind Rechtswidrigkeiten beim Zustellvorgang oder auf der Zustellverfügung. Solche Mängel liegen unter anderem bei Verletzungen des ZustG vor (vgl. Ritz, BAO6, § 7 ZustG Tz 3).
§ 7 ZustG ist anwendbar, wenn die Zustellverfügung an eine Person X zuhanden einer anderen Person Y lautet, Y zugestellt wurde und der nicht zustellungsbevollmächtigte Y das Schriftstück an X weiterleitet, weil es nach der Zustellverfügung auch für X bestimmt ist (vgl. Ritz, aaO Tz 4 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Ein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 7 ZustG setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht (vgl. Ritz, aaO Tz 7, und die dort angeführte Literatur und Judikatur).
Die als Bescheid intendierte Erledigung ist von der belangten Behörde an den Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters adressiert worden, der jedoch über keine Zustellungsvollmacht verfügt. Diese Erledigung war auch für den Beschwerdeführer und nicht nur für seinen steuerlichen Vertreter bestimmt. Wäre sie dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen und hätte dieser nicht bloß Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt, dann wäre der Zustellmangel gemäß § 7 ZustG damit auch saniert worden (vgl. ; sowie ).
Da der steuerliche Vertreter aber den an ihn - trotz Fehlens einer Zustellungsvollmacht - gerichteten Bescheid nicht im Original an den Beschwerdeführer übermittelte, konnte der Zustellmangel auch nicht gemäß § 7 ZustG geheilt werden (vgl. vgl. Ritz, aaO, § 7 ZustG Tz 4 mwN, z.B. ).
Die als Bescheid intendierte Erledigung betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Festsetzung eines Säumniszuschlages wurde daher dem Beschwerdeführer nicht rechtswirksam zugestellt, und konnte daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Beschwerdeführer entfalten.
Mit Beschwerde anfechtbar sind aber nur rechtswirksam ergangene Bescheide. Eine gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 260 Tz 8).
Da die gegenständliche Bescheidbeschwerde sich gegen einen mangels rechtswirksamer Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid richtet und daher nicht zulässig ist, war sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen einen nicht rechtswirksam ergangenen Bescheid bereits aus dem Gesetz ergibt, und die Rechtsunwirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt wurde, war mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400045.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at