Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2021, RV/1100177/2019

Mittelpunkt der Lebensinteressen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuervorauszahlungen 2018 und über die Beschwerde vom gegen Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In der an das Finanzamt gerichteten Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

"Für das Jahr 2017 wurden mir mit Bescheid vom Vorauszahlungen an Einkommensteuer in Höhe von € 2.500,00 vorgeschrieben.

Ich bin Bezieher einer österreichischen Pension (Pensionsversicherungsanstalt) sowie einer türkischen Pension.

Im Jahr 2017 hatte ich sowohl in Österreich als auch in der Türkei einen Wohnsitz. Dementsprechend ist für die Besteuerung maßgebend, in welchem Land ich länger als 183 Tage verweile.

Wie aus den beiliegenden Passkopien ersichtlich ist, war ich im Jahr 2017 für 244 Tage in der Türkei (vom 1.1. - sowie vom 4.5. - ), weswegen Österreich kein Besteuerungsrecht mehr hat.

Ich möchte Sie daher bitten, eine entsprechende Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2017 zu veranlassen, in der die mir vorgeschriebenen Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2017 wieder gutgeschrieben werden, da das Besteuerungsrecht für das Jahr 2017 der Türkei zusteht."

Der Vorhalt des Finanzamtes Feldkirch vom hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Es wird dem Beschwerdeführer nunmehr - ergänzend zum Vorbringen im bisherigen Abgabenverfahren - die Gelegenheit gegeben, seiner Offenlegungspflicht im Sinne des § 119 iVm § 138 BAO als Voraussetzung für die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung (Verlust des Besteuerungsrechts aufgrund einer Verlagerung der Ansässigkeit in die Türkei) nachzukommen.

Einleitend wird auf die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten, welche eine Beweisvorsorgepflicht und Beweisbeschaffungspflicht umfasst, hingewiesen. Eine bloße Glaubhaftmachung genügt daher bei Sachverhalten mit Auslandsbezug - dies umfasst die Verlegung der Ansässigkeit ins Ausland mit oder ohne Beibehaltung eines österreichischen Wohnsitzes - grundsätzlich nicht und die vorgelegten Beweismittel unterliegen der freien Beweiswürdigung der Abgabenbehörde.

Voraussetzung für die Begründung der steuerlichen Ansässigkeit in der Türkei ist gemäß Artikel 4 DBA Türkei

- das Verfügen über eine ständige Wohnstätte in der Türkei,

- bei Verfügen über eine ständige Wohnstätte in beiden Vertragstaaten auch das Vorliegen der engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) zur Türkei (Art. 4 Abs 2).

1) Ständige Wohnstätte / Wohnsitz:

Der Begriff der "ständigen Wohnstätte" ist im DBA Türkei nicht als solcher definiert. Er ist daher gemäß Art. 3 Abs 2 DBA Türkei bei Anwendung des Abkommens durch Österreich nach österreichischem Recht auszulegen, wobei eine Auslegung in Anlehnung an den Begriff des Wohnsitzes in § 26 BAO sachgerecht ist. Es muss sich also einerseits um eine Wohnung handeln, d.h. um Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind und dem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten, andererseits müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass diese Räumlichkeiten auch beibehalten und benutzt werden.

1a) In Österreich:

Sie waren vom bis zum an der Adresse ***Bf1-Adr*** gemeldet.

Nach Ansicht des Finanzamtes besteht kein Zweifel dar, dass diese Liegenschaft als von Ihnen angemietete Wohnung anlässlich von Inlandsaufenthalten für eigene Wohnzwecke benützt wird und somit für Sie einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO darstellt, zumal auch in der Begründung zum Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung vom eingeräumt wird, Sie und Ihre Frau hätten sowohl in Österreich als auch in der Türkei einen Wohnsitz. An dieser Beurteilung ändert auch die Abmeldung des Wohnsitzes im Zentralen Melderegister nichts.

1b) In der Türkei:

Es wird um Vorlage von Beweismitteln betreffend der Innehabung sowie Beibehaltung und Benutzung einer Wohnung in der Türkei, im Wege geeigneter Unterlagen, insbesondere von

Kaufvertrag bzw Mietvertrag, Grundbuchsauszug (ins Deutsche übersetzt)

eventuell Zahlungsbelege betreffend Mieten und Betriebskosten, Kaufbelege anlässlich der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen, Anmeldung von Internet, TV, Telefon ua am türkischen Wohnsitz etc. sowie Kontoauszüge, aus denen die Zahlungen nachvollzogen werden können.

2) Mittelpunkt der Lebensinteressen:

Ergibt sich gemäß Punkt 1), dass neben dem österreichischen Wohnsitz auch ein türkischer Wohnsitz vorliegt, ist für die Frage der steuerlichen Ansässigkeit im Sinne des DBA Türkei die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen erforderlich.

Sie werden um Verständnis gebeten, dass Sachverhaltsermittlungen zur Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen auch die Beantwortung von Fragen und die Erbringung von Nachweisen aus dem persönlichen, privaten Bereich erforderlich machen, da es sich beim Mittelpunkt der Lebensinteressen zwar um ein subjektives Element handelt, welches aber anhand objektiver Kriterien - unter Prüfung der gesamten Umstände - nachvollziehbar sein muss, wobei Erwägungen, die sich aus dem persönlichen Verhalten des Steuerpflichtigen ergeben, selbstverständlich erhöhte Bedeutung haben.

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person befindet sich gem. Art. 4 DBA Türkei in jenem Staat, zu welchem diese die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Als "persönliche und wirtschaftliche Beziehungen" einer Person sind nach Z 15 des OECD-Kommentars zu Art 4 ihre familiären und gesellschaftlichen Beziehungen, ihre berufliche, politische, kulturelle und sonstige Tätigkeit, der Ort der Geschäftstätigkeit, der Ort, von dem aus sie ihr Vermögen verwaltet, und ähnliches zu berücksichtigen. Begründet eine Person, die in einem Staat über eine Wohnstätte verfügt, ohne diese aufzugeben, im anderen Staat eine zweite Wohnstätte, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte dort beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten als Zeichen dafür sprechen, dass diese Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat.

Für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist ein längerer Beobachtungszeitraum (mindestens zwei Jahre) heranzuziehen, da es sich bei der Verlagerung des Lebensmittelpunktes im Gegensatz zur Begründung des ausländischen Wohnsitzes nicht um ein punktuelles Ereignis handelt (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 534). Es ist daher die Entwicklung der Verhältnisse ab dem Zeitpunkt der Wohnsitzbegründung in der Türkei bis jetzt darzulegen.

Für diesen gesamten Zeitraum werden Sie ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

- Wirtschaftliche Beziehungen:

Welche Einkünfte werden in der Türkei, welche außerhalb der Türkei erzielt?

Sie werden um Offenlegung sämtlicher Einkunftsquellen und Nachweise über die entsprechenden Einkünfte ersucht.

Nach der Aktenlage liegen keine Aktivbezüge mehr vor, sondern nunmehr lediglich ein türkischer und ein österreichischer Ruhebezug (Pension der PVA).

Wo befindet sich das persönliche Vermögen (Grundvermögen, bewegliches Vermögen wie PKW, Wertgegenstände, Privatsammlungen, Bankkonten (Guthaben und Kredite) und -depots etc.)? Bitte um Vorlage sämtlicher Nachweise (Bankkonto-Saldobestätigung, Depotauszüge etc.).

- Persönliche Beziehungen:

Welche konkreten persönlichen Beziehungen bestehen zu Österreich und der Türkei und in welchem zeitlichen Umfang werden gepflegt, insbesondere

- kulturelle,

- religiöse,

- politische,

- gesellschaftliche (zB Freundes- und Bekanntenkreis, Mitgliedschaft zu Vereinen),

- familiäre Beziehungen (Zeit, welche mit der Familie - Ehegatten, Kindern, Enkeln, Geschwistern etc. - verbracht wird),

- Beziehung zu Sachen (zB Privatsammlung, sonstiges persönliches Vermögen)

- Ausübung besonderer Hobbys oder anderer Interessen,

Sie werden ersucht, zu diesen Punkten und zu einer anfälligen "Verlagerung" persönlicher Interessen in die Türkei konkrete und überprüfbare (bzw unmittelbar durch Dokumente, zB Beitritts- bzw Austrittsgesuche an Vereine, konkrete Nachweise zu einzelnen Aktivitäten etc. belegte) Angaben zu machen!

2. Wie sieht Ihr gewöhnlicher Tagesablauf während der Aufenthalte in Österreich und in der Türkei aus?

3. Verfügen Sie über eigene Kommunikationsmittel (Festnetzanschluss, Handy, Internet etc.) in der Türkei? Falls ja, ersuchen wir Sie um Vorlage sämtlicher Rechnungen samt Einzelgesprächsnachweisen.

4. Wurden Sie während der Aufenthalte in der Türkei von Ihrer Ehegattin oder von weiteren Familienmitgliedern begleitet? Bitte um Vorlage entsprechender Nachweise.

5. Aus welchen Gründen wird der österreichische Wohnsitz beibehalten und erfolgen weiterhin Aufenthalte in Österreich? Wie wird der österreichische Wohnsitz während Ihrer Aufenthalte in der Türkei verwendet (evtl. Benutzung durch weitere Familienmitglieder - laut zentralem Melderegister ist dort Herr ***2*** gemeldet)?

Sollte die türkische Steuerverwaltung davon ausgehen, dass Sie mittlerweile im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in der Türkei ansässig geworden sind, werden Sie ersucht, eine auf Art 4 DBA Türkei Bezug nehmende Ansässigkeitsbescheinigung, aus welcher sich ergibt, ab welchem Zeitpunkt die Türkei von Ihrer Ansässigkeit in der Türkei ausgeht, vorzulegen. Bitte weisen Sie nach, dass Sie der türkischen Steuerbehörde Ihre persönlichen Verhältnisse (insbesondere der Umstand, dass Sie weiterhin über einen gemeinsamen Wohnsitz mit ihrer Ehegattin in Österreich verfügen) offengelegt haben und dies bei der Beurteilung der Ansässigkeitsverlagerung berücksichtigt wurde.

Da bei einer Ansässigkeitsverlagerung das Besteuerungsrecht an der türkischen und an der österreichischen Pension der Türkei als Ansässigkeitsstaat zukommen würde, werden Sie ersucht, die Besteuerung der Pensionen in der Türkei nachzuweisen und darüber hinaus einen Nachweis zu erbringen, dass die österreichische Lohnsteuer auf die Pension der PVA aufgrund eines von Ihnen gestellten Rückerstattungsantrages rückbezahlt wurde und diese nunmehr nicht mehr besteuert wird.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass gemäß Art 4 Abs 2 lit b DBA Türkei für den Fall, dass nicht bestimmt werden kann, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person befindet, diese in dem Staat als ansässig gilt, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der gewöhnliche Aufenthalt ist aber nicht gleichbedeutend mit einem (auf das Jahr bezogene) überwiegenden Aufenthalt, sondern hat diesen jemand gemäß § 26 Abs 2 BAO dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. In diesem Sinne liegt aufgrund der immer wiederkehrenden Aufenthalte in der Türkei und in Österreich ein gewöhnlicher Aufenthalt in beiden Staaten vor. Hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten, so gilt sie gemäß Art 4 Abs 2 lit c DBA Türkei in dem Staat als ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist. Aufgrund der vorliegenden österreichischen Staatsangehörigkeit wären Sie somit für den Fall, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht bestimmen lässt, jedenfalls weiterhin in Österreich ansässig.

Sie werden um wahrheitsgemäße und umfassende Beantwortung der Fragen ersucht und darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben vom Finanzamt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten überprüft werden können! Auch weisen wir Sie nochmals auf die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten hin, welche eine Beweisvorsorgepflicht und eine Beweisbeschaffungspflicht umfasst!"

Im Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2018 vom und Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurde der Beschwerdeführer als in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig behandelt.

In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

"Das Finanzamt Feldkirch setzte die Ruhegehälter aus der Türkei als steuerpflichtige Einkünfte an. Gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA Türkei sind die Ruhegehälter im Ansässigkeitsstaat zu versteuern.

Eine Person gilt als ansässig in jenem Staat, zu welchem Sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen (Mittelpunkt der Lebensinteressen) hat. Aufgrund des gemeinsamen Wohnsitzes von mir und meiner Frau in ***1*** würde sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich befinden.

Meine Frau und ich haben sowohl in Österreich als auch in der Türkei einen Wohnsitz. Wie bereits im Vorverfahren nachgewiesen wurde, befinden ich und meine Frau uns überwiegend in der Türkei (mehr als 183 Tage), weswegen unser beider Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Türkei gegeben ist. Die türkische Rente ist dementsprechend in Österreich steuerlich nicht zu erfassen."

In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

"Aufgrund des am ergangenen Vorauszahlungsbescheides für die Einkommensteuer 2018 in Höhe von € 1.581,00 habe ich mit nochmals beantragt, die Vorauszahlungen für das Jahr 2018 mit Null festzusetzen.

Die Begründung dafür besteht im Wesentlichen darin, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen von mir und meiner Frau in der Türkei befinden.

Dieser Antrag vom wurde dann mit der Begründung abgewiesen, dass ab dem keine Anpassungen für das laufende Jahr bezüglich der Steuervorauszahlung veranlasst werden dürfen.

Im § 45 (3) EStG, ist jedoch eindeutig geregelt, dass Anträge auf geänderter Festsetzung Vorauszahlungen nur bis zum eingebracht werden können.

Der Antrag war daher rechtzeitig innerhalb der Frist des § 45 (3) EStG, eingebracht und die Begründung im Bescheid vom ist gesetzeswidrig.

Ich lege daher gegen den Bescheid vom über die Festsetzung Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2018 in Höhe von € 1.581,00 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Ich beantrage, im Beschwerdeverfahren die Begründung aus dem Vorauszahlungsantrag vom zu berücksichtigen und die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2018 mit Null festzusetzen."

Am wurde der Vorhalt vom noch einmal versendet.

Die Vorhaltsbeantwortung vom hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Ich nehme im Auftrag unseres Klienten - Herrn ***Bf1*** - Stellung zu Ihrem Ersuchen um Ergänzung betreffend der Beschwerden gegen die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 bzw. den Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2018.

Als erstes möchte ich mich für die verspätete Erledigung der Beantwortung Ihres Ergänzungsersuchens entschuldigen.

Zum Thema Wohnsitz lege ich Ihnen die Meldebestätigung von ***Bf1*** bei. Diese Bestätigung liegt im Original samt Übersetzung bei. Beim gemeldeten Wohnsitz in der Türkei handelt es sich um ein Haus das im Eigentum von ***Bf1*** steht.

Hinsichtlich der Ansässigkeit in der Türkei lege ich die Bestätigung der Generaldirektion des Finanzamtes ***3*** im Original samt Übersetzung bei.

Ebenfalls beiliegend erhalten Sie den Kontoauszug der ***4***bank für das Jahr 2018 sowie die Kopie der Zulassung des PKW VW in der Türkei.

Betreffend der wirtschaftlichen Beziehungen teile ich Ihnen mit, dass Herr ***Bf1*** ausschließlich Pensionsbezüge hat, wobei es sich zum einen um eine türkische Pension bzw. die österreichische Pension handelt.

In der Türkei stehen Herrn ***Bf1*** als eigenes Kommunikationsmittel ein Handy mit Wertkarte zur Verfügung.

In Österreich erfolgen Aufenthalte im Zusammenhang mit dem Besuch seiner eigenen Kinder.

Hinsichtlich der Ansässigkeitsverlagerung in die Türkei habe ich bereits den entsprechenden Nachweis für die Besteuerung in der Türkei mit vorgelegt. Die österreichische Rente wird nun ebenfalls in der Türkei besteuert."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2018 und mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 als unbegründet abgewiesen. In den Begründungen brachte das Finanzamt im Wesentlichen vor:

"Da das Ersuchen um Ergänzung vom mit Antwortschreiben vom in den meisten Punkten nicht beantwortet wurde und die vorgelegten Unterlagen keinen Nachweis der Verlegung der Ansässigkeit in die Türkei darstellen, nimmt das Finanzamt als erwiesen an, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers auch im Jahr 2018 in Österreich befunden hat und die türkische Pension daher gemäß Art 4 iVm Art 18 DBA Türkei in Österreich zu erfassen ist. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 war daher als unbegründet abzuweisen."

Im Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuervorauszahlung 2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

"Meines Erachtens wurde die für die Abgabenerhebung wesentlichen Fragen im Schreiben vom sehr wohl beantwortet. Die Nachweise (Stempel im Reisepass über den Aufenthalt in der Türkei) wurden bereits mehrfach vorgelegt. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen war bereits im Jahr 2018 in der Türkei und dementsprechend ist die türkische Pension in Österreich steuerlich nicht zu erfassen (da Versteuerung in der Türkei)."

Im Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

"Im Zusammenhang mit der unbegründeten Abweisung meiner Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom beantrage ich die Vorlage der Beschwerde an das BFG zur endgültigen Erledigung!"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Einkommensteuer 2017:

Laut der vom Beschwerdeführer vorgelegten türkischen Meldebestätigung ist der Beschwerdeführer erst seit in der Türkei gemeldet. Zudem hat der Beschwerdeführer trotz Vorhalts weder eine Kauf- noch Mietvertrag bzw türkischen Grundbuchsauszug vorgelegt. Ebenfalls hat es der Beschwerdeführer unterlassen, trotz Vorhalts Zahlungsbelege betreffend Mieten, Betriebskosten, Kaufbelege betreffend der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen, Anmeldung von Internet, TV und Telefon am türkischen Wohnsitz vorzulegen. Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, nachzuweisen, dass er bereits im Jahr 2017 über einen Wohnsitz in der Türkei verfügt hat. Aus den vorgelegten Passkopien aus denen hervorgeht, dass sich der Beschwerdeführer an 244 Tagen in der Türkei aufgehalten hat, geht nicht hervor, wo er gewohnt hat. Insbesondere geht nicht hervor, dass er in der Türkei über eine ständige Wohnstätte verfügungsberechtigt war. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 eine Wohnung oder ein Zimmer bei Verwandten in der Türkei lediglich prekaristisch bewohnt hat. Der Beschwerdeführer wird er darauf aufmerksam gemacht, dass eine lediglich prekaristische Nutzung einer Wohnung nicht als Wohnsitz im Sinne des Artikel 4 DBA Türkei gilt. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer über eine Wohnung in der Türkei verfügungsberechtigt gewesen wäre, hätte er sicherlich den Vorhalt beantwortet und entsprechende Belege übermittelt.

Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2017 aber einen Wohnsitz in Österreich. Mangels eines Wohnsitzes in der Türkei im Jahr 2017 liegt daher keine Doppelansässigkeit des Beschwerdeführers vor. Der Beschwerdeführer ist daher gemäß § 1 Abs 2 EStG in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die Anwendung des DBA Türkei scheitert für das Jahr 2017 am Nichtvorhandensein eines Wohnsitzes in der Türkei.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 war daher als unbegründet abzuweisen.

Einkommensteuervorauszahlung 2018:

Für den Zeitraum bis einschließlich gilt das zu Einkommensteuer 2017 gesagte.

Ab ist der Beschwerdeführer in der Türkei gemeldet. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer seit sowohl in Österreich als auch in der Türkei ansässig ist.

Der Beschwerdeführer behauptet zwar Eigentümer des Hauses in der Türkei zu sein. Da er aber trotz Vorhalts keinen türkischen Grundbuchsauszug vorgelegt hat, kann das Bundesfinanzgericht nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer Eigentum der von ihm und seiner Gattin in der Türkei bewohnten Wohnung ist.

Der Beschwerdeführer verfügt sowohl über Bankkonten bei einer türkischen als auch einer österreichischen Bank.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines in der Türkei zugelassenen PKW.

Der Beschwerdeführer hat trotz Vorhalts folgende Fragen nicht beantwortet:

"Persönliche Beziehungen:

Welche konkreten persönlichen Beziehungen bestehen zu Österreich und der Türkei und in welchem zeitlichen Umfang werden gepflegt, insbesondere

- kulturelle,

- religiöse,

- politische,

- gesellschaftliche (zB Freundes- und Bekanntenkreis, Mitgliedschaft zu Vereinen),

- familiäre Beziehungen (Zeit, welche mit der Familie - Ehegatten, Kindern, Enkeln, Geschwistern etc. - verbracht wird),

- Beziehung zu Sachen (zB Privatsammlung, sonstiges persönliches Vermögen)

- Ausübung besonderer Hobbys oder anderer Interessen,

Sie werden ersucht, zu diesen Punkten und zu einer anfälligen "Verlagerung" persönlicher Interessen in die Türkei konkrete und überprüfbare (bzw unmittelbar durch Dokumente, zB Beitritts- bzw Austrittsgesuche an Vereine, konkrete Nachweise zu einzelnen Aktivitäten etc. belegte) Angaben zu machen!

2. Wie sieht Ihr gewöhnlicher Tagesablauf während der Aufenthalte in Österreich und in der Türkei aus?

3. Verfügen Sie über eigene Kommunikationsmittel (Festnetzanschluss, Handy, Internet etc.) in der Türkei? Falls ja, ersuchen wir Sie um Vorlage sämtlicher Rechnungen samt Einzelgesprächsnachweisen.

4. Wurden Sie während der Aufenthalte in der Türkei von Ihrer Ehegattin oder von weiteren Familienmitgliedern begleitet? Bitte um Vorlage entsprechender Nachweise.

5. Aus welchen Gründen wird der österreichische Wohnsitz beibehalten und erfolgen weiterhin Aufenthalte in Österreich? Wie wird der österreichische Wohnsitz während Ihrer Aufenthalte in der Türkei verwendet (evtl. Benutzung durch weitere Familienmitglieder - laut zentralem Melderegister ist dort Herr ***2*** gemeldet)?"

Das Bundesfinanzgericht kann daher nicht feststellen welche persönlichen Beziehungen der Beschwerdeführer zur Türkei hat.

Die Kinder des Beschwerdeführers wohnen in Österreich.

Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Türkei lautet:

"ANSÄSSIGE PERSON

(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, ihres gesetzlichen Hauptsitzes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes:

a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;

d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.

(3) Ist nach Absatz 1 eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln und festzulegen, wie dieses Abkommens auf diese Person anzuwenden ist. In Ermangelung eines solchen Einvernehmens hat die Person keinen Anspruch darauf, im Abkommen vorgesehene Steuervergünstigungen oder -befreiungen geltend zu machen."

Da der Beschwerdeführer seit sowohl in der Türkei als auch in Österreich über eine ständige Wohnstätte verfügt, ist zu klären in welchem Staat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet.

Als Mittelpunkt der Lebensinteressen gilt gemäß Art 4 Abs 2 lit a der Vertragsstaat, zu dem eine Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Maßgebend ist grundsätzlich das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (; , 2010/13/0169) unter zusammenfassender Wertung aller Umstände (). Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (; , Ra 2016/15/0057). Dieser Zeitraum sollte zwei Jahre übersteigen (Loukota/Jirousek, IntStR I/1 Z 4 Rz 12; EAS 1086). Nach der Rsp (vgl ua ; , Ra 2014/15/0059; , Ra 2016/15/0057) ist bei gleichgewichtigen persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat und wirtschaftlichen Beziehungen zum anderen Vertragsstaat im Zweifel den näheren persönlichen Beziehungen und dabei wiederum der Gestaltung des Familienlebens der Vorrang zu geben ().

Für die Prüfung der persönlichen Beziehungen ist auf die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen abzustellen (Art 4 Z 14 OECD-MK), insbesondere im Hinblick auf die gesamte private Lebensführung einer Person (Lehner in V/L 6 Art 4 Rz 192), wozu ihre familiären, gesellschaftlichen, politischen, religiösen, sozialen und kulturellen Beziehungen gehören(BFH , I R 24/89; ), aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements ().

Begründet eine Person in einem Vertragsstaat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (Art 4 Z 15 OECD-MK; zitiert ua von ).

Die bereits oben festgestellten wirtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zu Österreich und zur Türkei sind im Wesentlichen gleichwertig. Es ist daher darauf abzustellen, zu welchem Staat die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Da der Vorhalt des Finanzamtes nicht beantwortet wurde und die Beschwerde deswegen mittels Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen wurde - der Beschwerdeführer wird darauf hingewiesen dass die Beschwerdevorentscheidung auch als Vorhalt gilt - kann vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt werden, welche persönlichen Beziehungen der Beschwerdeführer zur Türkei hat. Allerdings ist dem Bundesfinanzgericht bekannt, dass die Kinder des Beschwerdeführers in der Nähe der ständigen Wohnstätte des Beschwerdeführers in Österreich wohnen. Die wesentlichen persönlichen Beziehungen des Beschwerdeführers bestehen daher zu Österreich.

Aus der Tatsache, dass die türkische Pension in der Türkei versteuert wird, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da aus den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich ist, dass er den türkischen Finanzbehörden bekannt gegeben hat, dass er in Österreich über eine ständige Wohnstätte verfügt.

Gemäß Artikel 4 Abs 2 lit a DBA Türkei gilt eine Person für den Fall dass sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, nur in dem Staat als ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dies ist aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach dem Wegzug aus Österreich in die Türkei seinen Wohnsitz in Österreich behalten hat und dass seine Kinder in Österreich wohnen und er keine Angaben zu seinen persönlichen Beziehungen in der Türkei gemacht hat, weiterhin Österreich. Die Einkünfte des Beschwerdeführers sind daher in Österreich zu versteuern. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Alle im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen sind bereits vom Verwaltungsgerichtshof geklärt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 4 DBA TR (E), Doppelbesteuerungsabkommen Türkei (Einkommensteuern), BGBl. III Nr. 96/2009
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100177.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at