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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.04.2021, RV/7103184/2020

Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienleistungen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Gardegasse 2 Tür Top 5, 1070 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Kinder Kind 1, geb.***2***2003, für den Zeitraum März 2010 bis Feb. 2020 und Kind 2, geb. xXx2001, für den Zeitraum von März 2010 bis Juni 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) und ihr Gatte, beide gebürtig in Rumänien, seit 1998 in Wien mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet, und die beiden in Österreich geborenen Kinder, bei den Eltern gemeldet, sind österreichische Staatsbürger.

Die Familie war mit ihrem Hauptwohnsitz bis xXx.2009 in Wien **** gemeldet.
Seit 2008 ist die Familie in Rumänien wohnhaft.

An die Beschwerdeführerin (Bf.) ***Bf1***, Wien ****, (vorangegangener Hauptwohnsitz) erging am folgende Mitteilung:

Am erging (automatisiert) ein Schreiben vom Finanzamt zur Überprüfung des FB-Anspruches an die zuletzt mitgeteilte österreichische Adresse.

Da diese Mitteilung nicht retourniert wurde erging eine Erinnerung auf Überprüfung des FB-Anspruches ebenfalls wieder an diese Adresse in Österreich, auf welche abermals keine Reaktion erfolgte.

Auf Grund der automatisch erstellten Liste der offenen Anspruchsüberprüfungen vom erging am ein Ergänzungsersuchen an die ermittelte rumänische Adresse.

Die Bf. wurde mit Schreiben vom vom Finanzamt ersucht, die nachstehend angeführten Nachweise nachzureichen und die an sie gerichteten Fragen zu beantworten:

"Tätigkeitsnachweis (zB Schulzeugnis, Lehrvertrag, usw von beiden Kindern.

Bestätigung der Behörde im Wohnstaat des Kindes, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht

ab Jänner 2009 bis laufend aus Rumänien

Nachweis, dass kein bzw. für welchen Zeitraum Anspruch auf eine der österr.

Familienbeihilfe gleichzusetzenden ausländische Beihilfe bestand/besteht

ab Jänner 2009 bis laufend aus Rumänien

Dienstgeberbestätigung (Beschäftigungszeiten)

von ihnen und ihrem Gatten ab Jänner 2009 bis laufend

Sollten die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt werden, wird die Familienbeihilfe rückgefordert"

Die Bf. legte die Bescheinigungen ihrer Kinder betreffend den Schulbesuch in Rumänien, die Bescheinigungen des rumänischen Einwanderungsbüros, dass die Bf. und ihre Familie seit 2008 in Rumänien wohnhaft sind, eine Bescheinigung, dass der Gatte der Bf. seit dem keine Familienleistungen in Rumänien bezogen hat, weiters Arbeitsbescheinigungen, dass die Bf. und ihr Gatte in Rumänien von - beschäftigt waren.

Am erließ das Finanzamt den Bescheid über Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Kinder für Kind 1, geb. ***2***2003 für März 2010 - Feb 2020 und Kind 2, geb. xXx2001, von März 2010 bis Juni 2019 von gesamt € 47.103,00.

Die Bf. wurde verpflichtet gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückzuzahlen.

Begründend wurde ausgeführt, da die ganze Familie seit nicht mehr in Österreich lebe, sei die Familienbeihilfe ab März 2010 zurückzufordern.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten würden.

Gegen den Rückforderungsbescheid brachte der rechtliche Vertreter Beschwerde ein, führte aus, auf die Beschwerdevorentscheidung zu verzichten und begründet die Beschwerde wie folgt:

"1. Zutreffend ist, dass sich die beiden Kinder K2 und K1

mit ihren Eltern bereits seit Jänner 2009 nicht mehr in Österreich aufhalten, sondern

an der eingangs angegebenen Familienadresse (***3*** Rumänien).

Zu ergänzen ist, dass dieser Umstand dem Finanzamt bereits seit Jahren vollständig

bekannt ist.

Wiederholt hat die Beschwerdeführerin dem Finanzamt auftragsgemäß Unterlagen

über den schulischen Werdegang der beiden Kinder vorgelegt. Diese wurden dem

Finanzamt jeweils mit der Post übermittelt und befinden sich im Behördenakt.

Die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und die beiden Kinder verfügen alle über die

Österreichische Staatsbürgerschaft.

Schließlich konnte in Rumänien selbst keine den österreichischen Sozialleistungen

vergleichbare Beihilfe bezogen werden.

Für die am xXx2001 geborene K2 wurden Beihilfen bis Juni 2019

bezogen, damit (nur!) bis Vollendung des 18. Lebensjahres - obwohl die Tochter danach

noch in Ausbildung stand.

2. Gemäß § 2 Abs 1 FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die

im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Gemäß § 2 Abs 8 FLAG "haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe,

wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person

hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat zu dem sie die engeren persönlichen

und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

Anspruch auf die Familienbeihilfe für ein berechtigtes Kind hat die Person, zu deren

Haushalt das Kind gehört.

Haushaltsangehörigkeit eines Kindes wird gemäß § 2 Abs 5 FLAG angenommen,

"wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Dabei gilt ein Kind bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen

gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört."

Schließlich wird in § 4 Abs 7 FLAG wiederholt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe

für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Ident ist obige Rechtslage auch zum Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 3 EStG).

Die Haushaltszugehörigkeit mit der Beschwerdeführerin in Rumänien ist vorliegend

unstrittig.

Allein mit diesem - unbestrittenen Auslandsaufenthalt der beiden Kinder hat die Finanzbehörde 1. Instanz den vermeintlichen Rückzahlungsanspruch begründet.

Dabei übersieht das Finanzamt rechtsirrig, dass der Kindesaufenthalt in Rumänien

einem Aufenthalt in Österreich absolut gleichzuhalten ist:

§ 53 Abs 1 FLAG lautet nämlich:

"Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen

Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen

ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei

ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des europäischen Wirtschaftsraums

nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem

ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."

Damit sind die Ansprüche auf Familienbeihilfe letztlich nur bei Aufenthalt in sogenannten

Drittstaaten ausgeschlossen, also Staaten außerhalb der EU - welcher

Rumänien bekanntlich zugehört (vgl u.v.a.,

ständige und regelmäßige Rechtsprechung).

Die Berufung einzig auf den Auslandsaufenthalt in Rumänien schlägt daher gänzlich

fehl.

Gleiches gilt - wenn im Bescheid 1. Instanz auch nicht erwähnt - hinsichtlich des

Kinderabsetzbeitrages (KG).

3. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin (und ihr Ehemann) grundsätzlich

auf eine Vergleichbare Sozialleistung in Rumänien zu verweisen wären, wird ausgeführt,

dass die beiden Kindeseltern keinen Antrag darauf gestellt haben, weil dieser

von vornherein aussichtslos gewesen wäre!

Währung in Rumänien ist der rumänische Leu (RON), wobei 1 RON € 0,21 entspricht

Bei der rumänischen Familienbeihilfe darf das monatliche Durchschnittseinkommen

je Elternteil 530 RON nicht übersteigen = bloß € 111,30!!

Die Kindeseltern beziehen beide ihr Gehalt maßgeblich aus Deutschland, dieses

Gehalt beträgt ein Mehrfaches des oben genannten Grenzwertes von € 111,30!

Der Gehaltsbezug aus Deutschland besteht bei beiden Eltern bereits seit dem Jahr

2010. Aus diesen Gründen können die Eltern keineswegs auf eine rumänische Familienbeihilfe verwiesen werden, es bleibt beim Anspruch auf die österreichische Leistung.

Daher ist nur der Vollständigkeit wegen zu erwähnen, dass selbst bei Bezugsberechtigung

in Rumänien Anspruch auf eine österreichische Ausgleichszulage bestehen

würde, da die rumänische Familienbeihilfe für zwei Kinder maximal 204 RON beträgt

= bloß € 42,84.

Die österreichische Familienbeihilfe für zwei Kinder betrug ab im Jahr 2010 regelmäßig

um € 400,00 das bei einer Reduktion auf in Rumänien lebende Anspruchsberechtigte

auf € 204,10.

Beweis: Bericht des Rechnungshofes mit Entwicklung der Familienbeihilfe ab

2000, Beilaqe./A;

Auszug aus der Website des BMFJ zur österreichischen Familienbeihilfe

für Kinder, die sich ständig Rumänien aufhalten, Beilage./B:

https://ec.europa.eu/social;

aktuelle Gehaltsnachweise der beiden Kindeseltern, Beilage./C:

vorzulegende Gehaltsnachweise ab 2010.

4. Das Finanzamt hat mit Mitteilung ebenfalls vom die Familienbeihilfe

jeweils für die Zeiträume Juni 2003 bis Februar 2010 bestätigt und am selben Tag

den angefochtenen Bescheid erlassen, womit Rückzahlung ab März 2010 eingefordert

wurde.

Eindeutig ist das Finanzamt also davon ausgegangen, eine Rückzahlung wäre für

einen Zeitraum von zehn Jahren zulässig.

Auch diese Rechtsansicht wird als unrichtig bestritten und geltend gemacht, dass -

wenn überhaupt!! - eine Rückforderung nur hinsichtlich eines Zeitraumes vom fünf

Jahren zulässig ist.

Gemäß § 26 Abs 1 FLAG hat die entsprechenden Beträge zu rückzuzahlen, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat.

Gleiches gilt gemäß § 33 Abs 3 EStG für den Kinderabsetzbetrag (KG).

Gemäß § 207 Abs 4 BAO verjährt das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder

die Rückzahlung zu Unrecht bezogenen Beihilfen zu fordern idR in fünf Jahren; zehn

Jahre nur, soweit eine Abgabe hinterzogen ist.

In den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in

dem die rückzufordernden Beihilfen etc. geleistet wurden.

Vorliegend beträgt die Verjährungsfrist zwingend fünf Jahre, weil die Beschwerdeführerin

keine Abgabe "hinterzogen" hat.

Abgabenhinterziehung ist ein Vorsatzdelikt, dessen sich schuldig macht, wer vorsätzlich

unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-, oder Wahrheitspflicht

eine Abgabenkürzung bewirkt (§ 33 Abs 1 FinStrG).

Der Täter muss also wissen oder es ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden

(bedingter Vorsatz), dass ihm eine staatliche Zahlung nicht zusteht und mit

entsprechendem Bewusstsein Anzeige-, Offenlegungs-, oder Wahrheitspflichten verletzten

- vorliegend etwa, dass die Beschwerdeführerin den Auslandsaufenthalt der

Kinder verschwiegen oder darüber falsche Angaben gemacht hätte.

Davon kann keine Rede sein!!

Wie bereits eingangs in dieser Beschwerde erwähnt, hat die Beschwerdeführerin auftragsgemäß diesen Auslandsaufenthalt der Finanzbehörde offengelegt, insbesondere

Unterlagen zum Schulbesuch etc. in Rumänien vorgelegt.

Von der Verletzung irgendeiner Anzeigepflicht kann daher keine Rede sein.

Wenn die Beschwerdeführerin der Auffassung war, dass allein aufgrund der österreichischen

Staatsbürgerschaft der Kinder der Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe

besteht, so ist darin noch lange kein Vorsatz zu erblicken, durch falsche

Angaben oder die Verheimlichung tatsächlicher Umstände Abgaben zu erschleichen.

Das Gesetz wollte hinsichtlich der Verjährung einen bewussten Unterschied machen

und ausschließlich in den Fällen vorsätzlicher Täuschung der Behörden die Verjährungsfrist

auf zehn Jahre verdoppeln.

Da vorliegend keine Abgabenhinterziehung vorliegt, beträgt die Verjährungsfrist -

falls überhaupt ein Rückforderungsanspruch bestehen sollte! - fünf Jahre.

Mit Bescheid aus März 2020 hätten daher Beihilfen jedenfalls nur ab dem Jahr 2015

zurückgefordert werden dürfen.

Die Beschwerdeführerin stellt daher die

Anträge,

• ihrer Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos

zu beheben, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und

Entscheidung an das Finanzamt rückzuverweisen;

• in eventu den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass die Beihilfen

nur rückwirkend auf fünf Jahre zurückgefordert werden."

Mit dem Ergänzungsschreiben vom ersuchte das Finanzamt um Nachweis und um detaillierte Information, wann dem Finanzamt Unterlagen zum Auslandsaufenthalt der Familie und zum Schulbesuch der Kinder in Rumänien vorgelegt worden seien.

Auf dieses Ergänzungsersuchen des Finanzamtes führte der Vertreter aus, dass er mehrere Bescheinigungen zu dem Thema "Schulbesuch und Aufenthalt" übermittle.

Diese Bescheinigungen seien nach Aussagen seiner Mandantin bereits dem Finanzamt

vorgelegt worden.

Gleichzeitig erkläre er schon seine Verwunderung über die Anfrage.

Was einem Gericht und einer Behörde vorgelegt wurde, ist schon dem jeweiligen Akt

zu entnehmen. Außerdem verweise er darauf, dass er ausdrücklich auf eine Berufungsvorentscheidung verzichtet habe, damit sei der Akt schon längst dem Bundesfinanzgericht vorzulegen gewesen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor, führte aus, dass keine Nachweise über die angeblichen Meldungen gem. § 25 FLAG 1967 erbracht worden seien und nahm wie folgt Stellung:

"Es wird um Abweisung der Beschwerde ersucht, da im Rückforderungszeitraum in Österreich weder ein Wohnsitz der Familie vorlag, noch von den Eltern eine berufliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Aus diesen Gründen bestand auch kein Anspruch gemäß EU-Recht. Die österreichische Staatbürgerschaft allein berechtigt nicht zum Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.

Zum Einwand der Verjährung:

Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch darauf erlischt, binnen einen Monats zu melden. Dem Finanzamt wurde erst im Zuge der Anspruchsüberprüfung bekannt, dass sich die Familie seit Jänner 2009 nicht mehr in Österreich aufhält. Der Umstand, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Rumänien verlagert hat, hätte dem Finanzamt zeitnah gemeldet werden müssen.

Die Bundesabgabenordnung (BAO) ist auch in Angelegenheiten von zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art anzuwenden - somit auch für die Familienbeihilfe.

Gemäß § 207 Abs 4 BAO verjährt das Recht, die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern in fünf Jahren. Gemäß § 207 Abs 2 beträgt die Verjährungsfrist bei Hinterziehung jedoch zehn Jahre.

Die Beschwerdeführerin hat nach Ansicht des ho. Finanzamtes die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967 verletzt, da sie den Aufenthalt in Rumänien dem Finanzamt nicht mitgeteilt hat und hat damit in Kauf genommen, dass sie die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge unrechtmäßig bezieht. Zeitnahe Ermittlungen waren der Finanzbehörde dadurch nicht möglich. Die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist für die Rückforderung ist daher nach Ansicht der ho. Finanzbehörde rechtmäßig (siehe ; )."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhaltsfeststellungen

Laut der eingangs angeführten Mitteilung vom über den Bezug der Familienbeihilfe wurde nach Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe der Bf. ab Juni 2001 Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder Kind 1 bis Juni 2021 und Kind 2 bis Juni 2019 gewährt und auf das angegebene Konto bei der CA-BV überwiesen.

In dieser Mitteilung wurde die Bf. ersucht, Tatsachen, die bewirken können, dass der Anspruch auf die Beihilfen erlischt (z.B. Beendigung der Berufsausbildung oder eigene Einkünfte des Kindes), sowie Änderungen der in ihrem Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse (z.B. Vermeidung von Rückforderungen) umgehend dem Finanzamt mitzuteilen.

Laut dem Zentralen Melderegister hatten die Bf., ihr Gatte und die Kinder bis ihren Hauptwohnsitz in Wien.
Das Geburtsland der Bf. und ihres Gatten ist Rumänien, die Kinder sind in Österreich geboren.
Die Bf., ihr Gatte und die Kinder sind österreichische Staatsbürger.

Laut (übersetzte) Bescheinigungen des rumänischen Innenministeriums sind die Bf., ihr Gatte und die Kinder seit 2008 in Rumänien wohnhaft.

Laut (übersetzte) Bescheinigungen des Nationalkolleg "***4***" besuchten die Kinder in Rumänien die Schule.

Laut den (übersetzten) Arbeitsbescheinigungen waren die Bf. und ihr Gatte in Rumänien seit 03/2008 beschäftigt.

Laut dem Ergänzungsschreiben vom ersuchte Finanzamt, um Nachweis und um detaillierte Information, wann dem Finanzamt bereits Unterlagen zum Auslandsaufenthalt der Familie und zum Schulbesuch der Kinder in Rumänien vorgelegt worden seien.
Nachweise, dass die Übersiedlung nach Rumänien dem Finanzamt zeitnah bekanntgegeben wurden, wurden jedoch nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung

Unbestritten ist, dass sich die Bf., der Gatte und die Kinder seit 2008 ständig in Rumänien aufhalten.
Laut Zentralmelderegisterauszug ist die Familie seit Jänner 2009 in Österreich nicht mehr gemeldet.
Die Bf. hat ihren ständigen Aufenthalt in Rumänien erst auf Grund des Auskunftsersuchens vom im Zuge der Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches am dem Finanzamt bekanntgegeben.

1. Rückforderung


Rechtliche Würdigung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe,

wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person

hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat zu dem sie die engeren persönlichen

und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Nach § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Nach § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monates, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 zuständigen Finanzamt zu erfolgen.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Wurden Kinderabsetzbeträge nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ist der ständige Aufenthalt unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 BAO zu beurteilen ist (sh. hierzu auch Nowotny in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 5 Rz 9). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt verlangt daher grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Eine natürliche Person kann nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben....
(sh. ).

Im gegenständlichen Fall sind die Bf., ihr Gatte und die Kinder bereits im Jahr 2008 nach Rumänien übersiedelt und hatten und haben in Rumänien - unstrittig - ihren ständigen Aufenthalt.

Nach den vorstehend angeführten innerstaatlichen Bestimmungen steht der Bf. für ihre Kinder für den Zeitraum ab 2008 - ständiger Aufenthalt in Rumänien - keine Familienbeihilfe zu.

Ab diesem Zeitpunkt hat die Bf. keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Zu den Ausführungen des rechtlichen Vertreters, dass die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und die beiden Kinder alle über die Österreichische Staatsbürgerschaft verfügen und schließlich in Rumänien selbst keine den österreichischen Sozialleistungen vergleichbare Beihilfen bezogen werden konnten, ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 53 FLAG Abs. 1 FLAG 1967 sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über die den europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftlichen Beziehungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Im gegenständliche Fall sind nicht mehrere Mitgliedstaaten berührt, die Bf., ihr Gatte und ihre Kinder leben im gemeinsamen Haushalt in Rumänien.
Im Rückforderungszeitraum lag in Österreich weder ein Wohnsitz der Familie vor, noch übte die Bf. noch ihr Gatte eine berufliche Tätigkeit in Österreich aus.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen im strittigen Zeitraum befand sich in Rumänien.

Ein zwischenstaatlicher bzw. ein grenzüberschreitender Sachverhalt für Familienleistungen ist daher nicht gegeben. (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in dr ab gültigen Fassung)

Aus diesen Gründen bestand auch kein Anspruch gemäß EU-Recht.

Die österreichische Staatsangehörigkeit allein berechtigt nicht zum Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.

2. Verjährung:

Rechtliche Würdigung

§ 207 BAO lautet: "(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

(3) Das Recht zur Verhängung von Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie zur Anforderung von Kostenersätzen im Abgabenverfahren verjährt in einem Jahr.

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

(5) Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes fällt."

Nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 4 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden.

§ 209 Abs. 1 BAO lautet: "Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen."

Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).

Da innerhalb der Verjährungsfrist des § 207 Abs. 4 BAO vom Finanzamt keine Amtshandlungen unternommen worden sind, die sich gezielt auf einen bestimmten Rückforderungszeitraum gerichtet haben, wäre der Rückforderungsanspruch nur dann nicht verjährt, wenn die Abgabe hinterzogen worden wäre.

Zu den Ausführungen des rechtlichen Vertreters,dass der Umstand, dass die Bf., ihr Gatte und ihre Kinder seit 2009 ihren ständigen Aufenthalt in Rumänien gehabt haben, dem Finanzamt bereits seit Jahren vollständig bekannt gewesen sei, da die Bf. wiederholt dem Finanzamt auftragsgemäß Unterlagen über den schulischen Werdegang der beiden Kinder vorgelegt habe und diese dem Finanzamt jeweils mit der Post übermittelt worden seien und sich in diesem befinden würden, wird entgegengehalten, dass auf Grund der von der Bf. vorgelegten Unterlagen die Bf. dies (den ständigen Aufenthalt in Rumänien) erst im Zuge des Auskunftsersuchens dem Finanzamt bekannt gegeben habe.

Nachweise über frühere Meldungen wurden laut dem Vorlagebericht von der Bf. keine erbracht und nunmehr nur behauptet, allerdings wurde kein Nachweise erbracht.

Bereits im Mitteilungsschreiben vom , in dem die Gewährung der Familienbeihilfe für die beiden Kinder bis 2019 bzw. 2021 mittgeteilt wurde, wird ausgeführt, dass Tatsachen, die bewirken können, dass der Anspruch auf Beihilfen erlöschen würde, sowie Änderungen der in ihrem Antrag angeführten Daten dem Finanzamt mitzuteilen sind.

Mit diesem Hinweis wird der Bezieher der FB aufmerksam gemacht, dass Änderungen der Verhältnisse, die nach Gewährung der FB eingetreten sind und die bewirken, dass der Anspruch auf die gewährte FB erlischt und damit kein bezug der FB mehrgegeben ist, umgehend dem Wohnsitzfinanzamt bekannt zugeben sind.

Besteht auf Grund der Änderungen der Verhältnisse (Änderung der Sachlage) kein Anspruch mehr auf Gewährung der FB und wird diese trotzdem weiter bezogen, weil
- der Bezieher der FB es unterlässt, eingetretene Änderungen der Verhältnisse rechtzeitig dem Wohnsitzfinanzamt mitzuteilen, obwohl er sich bei der Antragstellung verpflichtet hat, diese innerhalb eines Monates bekanntzugeben, oder
- das Finanzamt feststellt - sei es durch eine von ihm vorgenommene Überprüfung oder auf andere Weise -, dass der Anspruch nicht mehr besteht, aber trotzdem die FB weiterhin bezogen wurde,
werden die zu Unrecht bezogene FB und der KAB vom Bezieher der FB vom Wohnsitzfinanzamt zurückgefordert (s § 26) (Lenneis, in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 12 Rz 6-7).

Zu den Ausführungen des rechtlichen Vertreters, dass keine Hinterziehung vorliegen würde, daher nur 5 Jahre rückgefordert werden könne, wird entgegengehalten:

Gemäß § 25 FLAG 1967, wie bereits vorstehend ausgeführt, sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, innerhalb eines Monats ab dem Tag des Bekanntwerdens zu melden. (siehe Mitteilung über Bezug von Familienbeihilfe vom )

Der Umstand, dass die Bf., ihr Gatte und ihre zwei Kinder seit 2009 aus Österreich nach Rumänien übersiedelt sind, und seit diesem Zeitpunkt in Rumänien ihren ständigen Aufenthalt gehabt haben und in Rumänien beruflich tätig waren, wurde erst durch das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes im Jahr 2020 dem Finanzamt bekannt gegeben.

Die Bf. hätte diese geänderten Tatsachen jedoch bereits unmittelbar nachdem die Familie nach Rumänien übersiedelt ist im Jahr 2008 gemäß § 25 FLAG 1967 dem Finanzamt mitteilen müssen.

Ein den Vorsatz ausschließender entschuldbarer Irrtum liegt somit nicht vor, sondern die Bf. hat ihre Meldepflicht verletzt und damit in Kauf genommen, dass sie die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge unrechtmäßig beziehen würde.

Die Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist für die Rückforderung war daher rechtmäßig (siehe auch BFG vom 3.11.2106, RV/7100224/2016 und vom , RV/3247-W/2012).

Somit ist der Rückforderungsanspruch für diejenigen Monate, die mehr als 10 Jahre vor dem Beginn des Monats, in dem der angefochtene Bescheid erlassen wurde, liegen, bereits (absolut) verjährt, im gegenständlichen Fall bis Februar 2010.

Aus diesem Grund war der Rückforderungszeitraum ab März 2010 bis Juni 2019 betreffend die Kind 2 und ab März 2010 bis Feb. 2020 für Kind 1 einzuschränken.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen waren, folgt das Gericht einer existierenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 25 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 207 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103184.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at