Auslegung der Wortfolge "aller erzielbaren Einsätze" in § 58 Abs.1 GSpG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ilmer und Partner Steuerberatungsgesellschaft mbH, Bruggfeldstraße 15, 6500 Landeck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Glückspielabgabe für September 2019 (Festsetzung gemäß § 201 BAO) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Pfarrgemeinde, die zur (Rest-)Finanzierung der Renovierung der Pfarrkirche im Jahr 2019 eine Lotterie durchgeführt hat.
Diese Lotterie wurde von der Bezirkshauptmannschaft ***X*** mit Bescheid vom , GZ ***Y***, genehmigt. Im Bescheid ist das Spielkapital, das Produkt aus Anzahl (700) und Stückpreis (100,- Euro) der Lose, mit 70.000,- Euro angegeben.
In den folgenden Wochen wurden von Mitgliedern der Pfarrgemeinde im Rahmen von Veranstaltungen die Lose zum Verkauf angeboten. Von den 700 aufgelegten Losen konnten (nur) 217 Lose zu je 100,- Euro verkauft werden (vgl. Überprüfung durch Notar Dr. ***Z*** vom ).
2. Die Glückspielabgabe wurde von der Beschwerdeführerin, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 21.700,- Euro, mit 1.085,- Euro (5 % der Bemessungsgrundlage) berechnet und an das Finanzamt mit dem Formular "GSp 50", eingegangen am , gemeldet. Vom Finanzamt wurde die Abgabe erklärungsgemäß verbucht.
3. Am wurde vom Finanzamt die Glückspielabgabe gemäß § 201 BAO (erstmalig) mit Bescheid festgesetzt, weil sich die Selbstberechnung der Beschwerdeführerin als nicht richtig erwiesen hatte. Dabei wurde das Spielkapital in Höhe von 70.000,- Euro laut dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft ***X*** als Bemessungsgrundlage herangezogen und eine Glückspielabgabe in Höhe von 3.500,- Euro (5 % der Bemessungsgrundlage) festgesetzt.
4. Dagegen richtete sich die Beschwerde vom , in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass es sich beim Begriff "aller erzielbaren Umsätze" in § 58 Abs. 1 GSpG um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handle, der als Bemessungsgrundlage nicht geeignet sei.
Zudem entstehe die Steuerschuld gemäß § 59 Abs. 1 GSpG erst im Zeitpunkt des Zustandekommens des Spielvertrages. Es könne nicht sein, dass bereits durch das Drucken von 700 Losen und Verkauf eines Loses um 100,- Euro eine Steuerlast von 3.500,- entstehe. Die Steuerbelastung mache im gegenständlichen Fall gerundet 42 % aus.
Die Beschwerdeführerin sei gemeinnützig tätig, Fiskalzweck (Erzielung von Abgabenerträgen) und Verhaltenslenkungszweck (Bekämpfung der Spielleidenschaft) würden in den Hintergrund treten.
5. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass mit der Novelle des Glückspielgesetzes 2008, BGBl. I. 73/2010, die Gebühr gemäß § 33 TP 17 GebG in die Glückspielabgabe transformiert worden sei. Dabei habe der Gesetzgeber die im GebG verwendete Formulierung "Gesamtwert aller nach dem Spielplan bedungenen Einsätze" klarstellend in "aller erzielbaren Einsätze" abgeändert. Dies verdeutliche, dass alle aufgelegten Lose zur Bemessungsgrundlage zählen würden.
6. Im Vorlageantrag vom wurde das Vorbringen der Beschwerde wiederholt.
7. Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtslage
Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Glückspielgesetzes lauten:
Ermäßigte Glücksspielabgabe
§ 58. (1) Verlosungen von Vermögensgegenständen gegen Entgelt, die keine Ausspielungen sind und sich an die Öffentlichkeit wenden, und Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§ 32 bis 35 unterliegen einer Glücksspielabgabe von 12 vH aller erzielbaren Einsätze.
(2) Die Glücksspielabgabe nach Abs. 1 ermäßigt sich für Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§32 bis 35 auf 5 vH, wenn das gesamte Reinerträgnis der Veranstaltung ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet wird. Die widmungsgemäße Verwendung des Reinerträgnisses ist dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel über dessen Aufforderung nachzuweisen.
[…]
Entstehung und Entrichtung der Abgabenschuld
§ 59. (1) Die Abgabenschuld entsteht in den Fällen der §§ 57 und 58:
1. in Fällen des § 58 im Zeitpunkt des Zustandekommens des Spielvertrages in Fällen des § 58 Abs. 3 mit Ende des Kalenderjahres der Veröffentlichung des Gewinnspiels;
(2) Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 sind
[…]
2. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 58 der Vertragspartner des Spielteilnehmers sowie die Veranstalter, die die in § 58 genannten Ausspielungen anbieten oder organisieren.
(3) Die Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 haben diese jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten.
[…]
Gemäß § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 BAO kann die Abgabenbehörde innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages von Amts wegen eine Abgabe mit Abgabenbescheid erstmalig festsetzen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Erwägungen
1. Bei der von der Beschwerdeführerin durchgeführten Lotterie handelte es sich um eine Lotterie ohne Erwerbszweck gemäß den §§ 32 bis 35 GSpG, der gesamte Reinertrag wurde für kirchliche Zwecke (teilweise Finanzierung der Renovierung der Pfarrkirche) verwendet. Diesbezüglich besteht Einigkeit zwischen den Streitparteien.
2. Die Selbstberechnung der Glückspielabgabe wurde von der Beschwerdeführerin am der Abgabenbehörde bekannt gegeben, die Festsetzung von Amts wegen erfolgte mit Bescheid vom , also innerhalb eines Jahres.
Nach Ansicht des Finanzamtes war die Festsetzung der Abgabe von Amts wegen deshalb notwendig, weil die Beschwerdeführerin bei der Selbstberechnung von einer falschen Bemessungsgrundlage ausgegangen war.
3. Von der Beschwerdeführerin wurde die Wortfolge "aller erzielbaren Einsätze" in § 58 Abs. 1 GSpG dahingehend interpretiert, dass nur die tatsächlich verkauften Lose bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Glückspielabgabe umfasst sein sollten.
Demgegenüber vertrat die Abgabenbehörde der Ansicht, dass alle aufgelegten Lose Teil der Bemessungsgrundlage für die Glückspielabgabe sind.
4. Die Wortfolge "aller erzielbaren Einsätze" erscheint für das Bundesfinanzgericht - im Gegensatz zur Beschwerdeführerin - keinesfalls unklar oder durch andere Interpretationsmethoden auslegungsbedürftig. Hätte der Gesetzgeber die Regelung wie von der Beschwerdeführerin angedacht treffen wollen, hätte er ohne Zweifel die Wortfolge "aller erzielten Einsätze" verwendet.
5. In einem vergleichbaren Fall hat der angerufene VfGH die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 1231/2019, abgelehnt und diese an den VwGH abgetreten. Der VwGH hat in seiner Entscheidung () u.a. Folgendes ausgeführt (Rz 36 f):
"Vorausgeschickt werden kann, dass die von der Revision angestrebte Gleichsetzung des Begriffs "erzielbar" mit (tatsächlich) "erzielt" im allgemeinen Sprachgebrauch keine Deckung findet.
Der Revision ist zuzugestehen, dass "erzielbar" auch im Sinne einer Prognose der Nachfrage gedeutet werden kann. Tatsächlich sieht das GSpG eine solche Prognose vor, wenn § 40 GSpG bestimmt, dass die Anzahl der Lose und deren Stückpreis den Absatzmöglichkeiten anzupassen sind. Damit soll im Sinne des Spielerschutzes ein krasses Überangebot an Losen verhindert werden. Durch die Anzahl und dem Stückpreis der Lose wird aber auch das Ausmaß des dem Lotterieveranstalter zugestandenen Eingriffes in das Glücksspielmonopol des Bundes bestimmt, welcher Gegenstand des Bewilligungsverfahrens ist. Dies spricht für die vom BFG vertretene Ansicht, dass bei der Abgabenbemessung auf die Summe der beantragten bzw. bewilligten Lose und das damit verbundene Entgelt (das Spielkapital) und nicht - wie von der Revision gewünscht - auf die tatsächlich erzielten Einsätze abzustellen ist.
Dazu kommt, dass in § 58 Abs. 1 GSpG von "allen erzielbaren" Einsätzen die Rede ist. Demnach soll die Bemessungsgrundlage aus den maximal möglichen Einsatzleistungen bestehen. Die maximal möglichen Einsatzleistungen sind aber durch die beantragten, bewilligten und in der Folge aufgelegten Lose begrenzt. Damit sind jedenfalls auch solche Lose in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, die zwar vom Veranstalter der Lotterie aufgelegt, aber tatsächlich nicht verkauft worden sind […]."
Zum Entstehen der Steuerschuld gemäß § 59 Abs. 1 GSpG führte der VwGH aus (Rz 48 f):
"Da die gesamte Lotterie Gegenstand der Glücksspielabgabe ist und als Bemessungsgrundlage das gesamte Spielkapital heranzuziehen ist, kann die Abgabenschuld auch nur einmal entstehen. Enthalten die Spiel- oder Teilnahmebedingungen der konkreten Lotterie etwa eine Bestimmung, wonach der einzelne Spielvertrag nur unter der aufschiebenden Bedingung, dass alle Lose verkauft werden, Wirksamkeit entfaltet, so wird erst der Eintritt dieser Bedingung auch das Entstehen der Gebührenschuld bewirken. Enthalten die Spiel- oder Teilnahmebedingungen keinen solchen Passus, entsteht bereits mit dem Zustandekommen des ersten Spielvertrages die Abgabenpflicht.
Für dieses Ergebnis spricht der Wortlaut des § 59 Abs. 1 Z 1 GSpG, welcher sich nicht auf den Plural "Spielverträge", sondern auf "das Zustandekommen des Spielvertrages" bezieht.
[…]
Der Lotterieveranstalter hat in solchen Fällen nach dem Zustandekommen des ersten Spielvertrages die Abgabe auf Basis der gesamten Bemessungsgrundlage (Spielkapital) zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats abzuführen (§ 59 Abs. 3 erster Satz GSpG)."
6. Mit den Ausführungen des VwGH im zitierten Erkenntnis ist die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage gelöst und das Schicksal der Beschwerde entschieden. Diese war als unbegründet abzuweisen.
7. Es sei der Beschwerdeführerin zugestanden, dass die Abgabenbelastung im Beschwerdefall erheblich war. Allerdings war es Sache der Beschwerdeführerin im Vorfeld der Lotterie Überlegungen anzustellen, ob diese Anzahl der Lose zum geplanten Preis verkauft werden kann.
Die Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um eine Lotterie für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gehandelt hat, erfolgte durch Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 5 %. Eine weitere Begünstigung, weil - wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde anmerkt - "Fiskalzweck" oder "Verhaltenslenkungszweck" in den Hintergrund trete, ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die zu lösende Rechtsfrage ist mit dem Erkenntnis des VwGH, Ra 2019/17/0109, umfassend geklärt. Die Revision ist nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Glücksspiel |
betroffene Normen | § 59 Abs. 1 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 § 33 TP 17 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 §§ 32 bis 35 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 § 59 Abs. 3 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 58 Abs. 1 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100694.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at