Ist der Geschäftsführer einer GmbH persönlich als Abgabenschuldner gem. § 22 Z 5 bzw. Z 6 MinStG heranzuziehen?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Adr.Bf1***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Zollamtes Wien vom , Zln. ***136*** und ***137***, betreffend Mineralölsteuer und Säumniszuschläge zu Recht erkannt:
Die beiden o.a. angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom , Zl. ***137***, setzte das Zollamt Wien, dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf1***, damals wohnhaft in ***Adr.1***, gemäß § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 BAO die gem. § 21 Abs. 1 Z 5 Mineralölsteuergesetz (MinStG) von Jänner bis Dezember 2009 entstandene Mineralölsteuer in der Höhe von € 40.768 fest.
Gleichzeitig kam es mit diesem Sammelbescheid im Grunde des § 217 Abs. 1 und 2 BAO zur Festsetzung eines Säumniszuschlages in der Höhe von € 815,36.
Mit Bescheid vom , Zl. ***136***, setzte das Zollamt Wien, dem Bf. gemäß § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 BAO die gem. § 21 Abs. 1 Z 5 und 6 MinStG von Jänner bis Dezember 2009 entstandene Mineralölsteuer in der Höhe von € 2.949.571,43 fest.
Gleichzeitig kam es mit diesem Sammelbescheid im Grunde des § 217 Abs. 1 und 2 BAO zur Festsetzung eines Säumniszuschlages in der Höhe von € 58.991,43.
Gegen diese beiden Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Das Zollamt Wien wies die Beschwerde gegen den o.a. Abgabenbescheid mit der Subzahl 136 mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***1***, als unbegründet ab.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***2***, wies das Zollamt Wien die Beschwerde gegen den o.a. Abgabenbescheid mit der Subzahl 137 als unbegründet ab.
Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Mit den beiden angefochtenen Bescheiden wird dem Bf. im Wesentlichen zur Last gelegt, er habe im Jahr 2009 als Geschäftsführer der ***GmbH1*** 2.382.380,95 Liter steuerfreies Grundöl angekauft. Einen Teil davon habe er durch Vermischen von 25 % dieses Grundöls mit 75 % Dieselkraftstoff (bezogen von österreichischen Mineralölhändlern) zur Herstellung von Mineralöl verwendet. 416.000 Liter von der angeführten Menge habe er an andere Unternehmen als Heizstoff weiterverkauft und sei dadurch zum Steuerschuldner geworden.
Beweiswürdigung
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in den vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt. Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.
Das Bundesfinanzgericht erachtet den entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt darüber hinaus auch auf Grund des bereits in Rechtskraft erwachsenen Finanzstrafverfahrens, das u.a. unter Bedachtnahme auf die Aussagen des Bf. selbst zustande gekommen ist, als erwiesen.
Schließlich flossen auch die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom in die Beweiswürdigung mit ein. Gründe für die Aufnahme weiterer Beweise ergaben sich weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen der Parteien des Verfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)
Rechtslage:
Gem. § 21 Abs. 1 Z 5 MinStG entsteht die Steuerschuld dadurch, dass ein Kraftstoff oder ein Heizstoff im Steuergebiet erstmals zur Verwendung als Treibstoff oder zum Verheizen abgegeben wird; durch eine Verwendung nach dieser Abgabe und in jenen Fällen, in denen der Kraftstoff oder Heizstoff in einem Steuerlager zur Herstellung von Mineralöl einem solchen beigemischt wird, entsteht keine Steuerschuld;
Gem. § 21 Abs. 1 Z 6 MinStG entsteht die Steuerschuld dadurch, dass ein Kraftstoff oder ein Heizstoff, für den noch keine Steuerschuld entstanden ist, im Steuergebiet als Treibstoff oder zum Verheizen verwendet wird, es sei denn, diese Verwendung ist steuerfrei.
Wird Mineralöl ohne Bewilligung gewerblich hergestellt, entsteht die Steuerschuld gem. § 21 Abs. 3 MinStG mit der Herstellung des Mineralöls.
Gem. § 22 MinStG ist Steuerschuldner:
1. in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 1 der Inhaber des Steuerlagers;
2. in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 2 und 3 der Inhaber des Freischeins, wenn er vor Entstehung der Steuerschuld die Verfügungsmacht am Mineralöl erlangt hat, sonst der Lieferer;
3. in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 4 und 6 sowie des Abs. 2 der Verwender, der Lieferer oder derjenige, der das steuerfrei bezogene Mineralöl oder die steuerfrei bezogenen Kraftstoffe oder Heizstoffe zu einem nicht begünstigten Zweck abgibt oder verwendet;
4. in den Fällen des § 21 Abs. 1 Z 5, wenn der Kraftstoff oder der Heizstoff im Rahmen eines Betriebes abgegeben wird, dessen Geschäftsleitung sich im Steuergebiet befindet, der Inhaber dieses Betriebes; ist dies nicht der Fall, der Verwender;
5. in den Fällen des § 21 Abs. 3 der Hersteller;
6. in den Fällen des § 21 Abs. 8 der Zollschuldner.
Erwägungen:
Zu Bescheid Zl. ***136***:
Mit diesem Bescheid wird dem Bf. im Wesentlichen vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer der ***GmbH1*** u.a. 2.382.380,95 Liter Grundöl angekauft. Verkäuferin sei die ***GmbH2*** gewesen, die das Erzeugnis zuvor von der in Deutschland ansässigen ***GmbH3*** erworben habe.
Durch Vermischen von 25 % dieses Grundöls mit 75 % Dieselkraftstoff (bezogen von österreichischen Mineralölhändlern) habe er anschließend Mineralöl hergestellt.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat den Bf. mit Urteil vom , ***xxx*** für schuldig erkannt, er habe im Zuständigkeitsbereich des Zollamtes Wien sowie des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher Geschäftsführer von im Urteil genannten drei verschiedenen Gesellschaften fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Mineralölsteuer (von insgesamt Euro 11.585.809,76) bewirkt, indem er ohne Bewilligung als Herstellungsbetrieb unversteuertes Grundöl mit Dieselkraftstoff vermischte und entgegen § 23 Abs. 6 Mineralölsteuergesetz die hergestellten Mengen Mineralöl nicht jeweils binnen einer Woche bei den zuständigen Zollämtern anmeldete und die darauf entfallende Mineralölsteuer nicht entrichtete.
Dieses Strafurteil enthält u.a. auch eine tabellarische Aufstellung mit den vom Bf. hergestellten Mengen an Mineralöl. Der betreffenden Tabelle ist zu entnehmen, dass der Bf. im Zeitraum Jänner bis Dezember 2009 1.966.380,95 Liter Grundöl für die Herstellung von 7.865.523,80 Liter mineralölsteuerpflichtiges Produkt verwendet hat und dass dafür eine Mineralölsteuer in der Höhe von € 2.949.571,43 entstanden ist.
Dieses Urteil ist unstrittig in Rechtskraft erwachsen.
Dazu ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (beispielsweise ). Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (; ; u.a.). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist ().
Dem erwähnten Strafurteil ist unmissverständlich zu entnehmen, dass der Bf. die Herstellung nicht als Privatperson, sondern als Geschäftsführer der im Urteil genannten Unternehmen vorgenommen hat.
Zu Bescheid Zl. ***137***:
Mit diesem Bescheid wird dem Bf. im Wesentlichen vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer der ***GmbH1*** u.a. 2.382.380,95 Liter Grundöl angekauft. Verkäuferin sei die ***GmbH2*** gewesen, die das Erzeugnis zuvor von der in Deutschland ansässigen ***GmbH3*** erworben habe.
Von der eben erwähnten Menge an Grundöl habe er im Jahr 2009 416.000 Liter an andere Unternehmen als Heizstoff weiterverkauft und sei dadurch zum Steuerschuldner geworden.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung am im Beschwerdeverfahren GZ. RV/72000022/2018 gab der Bf. glaubwürdig bekannt, dass das in Rede stehende Grundöl im Jahr 2009 von der Trans-Pacific angekauft und von dieser an die ***GmbH4*** weiterverkauft worden sei. Letztere habe schließlich die Endabnehmer beliefert.
Aus den o.a. Feststellungen ergibt sich, dass der vorliegende Beschwerdefall hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts und der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen jenem gleicht, der dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/72000022/2018, zugrunde lag. Für die weitere Begründung wird daher auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Aus den dort genannten Gründen waren auch die beiden hier angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Zu Bescheid Zl. ***136***, ist festzustellen, dass die ***GmbH1*** das verfahrensgegenständliche Mineralöl hergestellt hat. Dieses Unternehmen und nicht etwa der Bf. wurde daher als Hersteller gem. § 21 Abs. 3 MinStG zum Steuerschuldner gem. § 22 Z 5 MinStG.
Zu Bescheid Zl. ***137***, ist festzustellen, dass die ***GmbH1*** nach der Aktenlage die o.a. Menge von 416.000 Liter unversteuertes Grundöl an die Firma ***GmbH4*** (deren Geschäftsführer ebenfalls der Bf. war) weiterverkauft hat. Das letztgenannte Unternehmen hat diese Erzeugnisse schließlich an die Endverbraucher zum Verheizen abgegeben und ist daher gem. § 22 Z 4 MinStG zum Steuerschuldner geworden. Für eine Heranziehung des Bf. als Abgabenschuldner bestand somit auch hier kein Raum.
Hinsichtlich der mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Säumniszuschlägen wird ebenfalls auf das zitierte Erkenntnis des verwiesen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision war aus den im o.a. Erkenntnis des genannten Gründen als nicht zulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 22 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7200027.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at