Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2021, RV/7104711/2014

Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften - erforderliche Höhe des Mietzinses

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0082. Mit Erkenntnis v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache Bf., ***Bf1-Adr***, vertreten durch XY, Steuerberater, Adr2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer 2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Feststellungen der Betriebsprüfung und angefochtener Bescheid:

Aufgrund einer bei der Bf. (idF.: Bf.) durchgeführten Außenprüfung (Prüfungszeiträume 2010 bis 2012, Nachschauzeitraum 1/2013 bis 4/2014) wurde unter "Tz 1.Vermietung Sport- und Freizeitanlage ***1***" festgestellt (Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ):

In den Jahren 2002-2006 habe die Bf. eine neue Sport- und Freizeitanlage errichtet und ab Dezember 2006 an den Sportverein-XY vermietet. Dabei habe die Bf. gemäß § 6 Abs. 3 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert und auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG (unechte Steuerbefreiung für Kleinunternehmer) verzichtet.

Im Mietvertrag vom (Beilage 1 zur Niederschrift über die Schlussbesprechung) war vereinbart:

Punkt I: Vermietet wird die neu errichtete Sport- u. Freizeitanlage im Ausmaß von 3,3202 ha. samt Klubgebäude (Nutzfläche: 350 m²)

Punkt II: Der Mietvertrag wird auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen, und verlängert sich auf unbestimmte Zeit.

Punkt III:

Der Mietzins beträgt € 13.550,00 jährlich zuzüglich 20% USt, somit brutto € 16.260,00.

Die Miete wird erstmals nach Fertigstellung am fällig.

Für die Errichtung der Sportanlage haben die Mitglieder der Sportunion Iaut Aufzeichnungen insgesamt 10.000 Arbeitsstunden an Eigenleistungen erbracht, die einem Gesamtwert von € 150.000,00 entsprechen. Diese Eigenleistungen werden auf die Mieten ab dem Jahre 2006 bis 2017 angerechnet und mit der jährlichen Miete gegenverrechnet.

Die jährliche Miete errechnet sich daher wie folgt:

Punkt IV:

Die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben (KanaI, Abwasser, Wasser, Müll, etc.) gehen zu Lasten der Vermieterin und sind in der Berechnung der Miete lt. Pkt. Ill berücksichtigt.

Alle übrigen Betriebskosten (Strom-, Telefonkosten, etc.) gehen zu Lasten des Mieters.

Der vereinbarten Miete lag folgende Berechnung zugrunde (Beilage 2 zur Niederschrift über die Schlussbesprechung):

Die BP ermittelte davon abweichend die Anschaffungs-/Errichtungskosten sowie die Eigenleistungen wie folgt:

Anschaffungs-/Errichtungskosten:

Eigenleistungen:

Von den Mitgliedern des Sportvereines seien in den Jahren 2003 bis 2006 durch handschriftliche Aufzeichnungen belegte Eigenleistungen in nachstehender Höhe erbracht worden, wobei die erbrachten Arbeitsstunden mit einem Stundensatz von € 15,00 bewertet worden seien:

Diese Leistungen seien nie der Umsatzsteuer unterzogen worden, obwohl sie im Zeitpunkt des Zuflusses (Zeitpunkt der Leistungserbringung = 2003 bis 2006) als Mietvorauszahlungen iSd. § 19 Abs. 1 UStG zur Gänze der Umsatzsteuer zu unterziehen gewesen wären. Das Recht, die Umsatzsteuer von 20% auf die Eigenleistungen in den Jahren 2003 bis 2006 festzusetzen, sei jedoch zwischenzeitig verjährt.

Vereinnahmte Miet-/Betriebskostenentgelte:

Laufende Betriebskosten:

Von den laufenden Betriebskosten (Wasser, Kanal, Müll, etc.) habe die Bf. Vorsteuern in folgender Höhe geltend gemacht:

Die BP stellte unter Zugrundelegung der Rz 265 der UStR nachstehende steuerliche Würdigung an:

Bis seien die Voraussetzungen für die steuerpflichtige Vermietung gegeben gewesen (Bestands-/Mietvertrag, Entgeltlichkeit, Deckung der Betriebskosten liege vor).

Gemäß RZ 265 UStR (gemeint: idF vom ) setze jedoch ab die Anerkennung als Bestandsverhältnis grundsätzlich neben der Deckung der laufenden oder zeitlich anteiligen Betriebskosten (§§ 21 - 24 MRG) ein Entgelt für den Gebrauch des Grundstückes in Form einer jährlichen Afa-Komponente iHv 1,5% der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten voraus.

Vor dem begründete Mietverhältnisse würden weiterhin anerkannt, wenn sie ab an die neuen Bestimmungen angepasst werden und das erhöhte Mietentgelt ab entrichtet wird. Die Frist für die rückwirkende Änderung der Mietverträge zum sei bis ausgedehnt worden.

Im Beschwerdefall müsse daher ab die vereinbarte Miete abzüglich der anzurechnenden Eigenleistungen zumindest € 37.768,14 betragen, damit von einer Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 ausgegangen werden kann. Dieser Betrag wurde von der BP wie folgt ermittelt:

Anzurechnende Eigenleistungen:

2003-2006: € 207.382,39/ 12 Jahre 17.281,87

(Mietentgelt abzüglich Eigenleistungen = 20.486,27)

Das bestehende Mietverhältnis sei jedoch nicht bis an die neuen Bestimmungen angepasst worden. Tatsächlich seien vom Sportverein ab Mietentgelte nur in nachstehender Höhe entrichtet worden:

Das ab dem erforderliche Mietentgelt finde somit, selbst wenn man die erbrachten Eigenleistungen davon anteilig in Abzug bringt, keine Deckung in dem tatsächlich vom Sportverein entrichteten Mietentgelt.

Auf Grund der oa. Ausführungen seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer steuerpflichtigen Vermietung der Sport-und Freizeitanlage an den Sportverein gemäß RZ 265 UStR nicht gegeben. Das vorliegende Mietverhältnis sei daher ab nicht anzuerkennen.

Steuerliche Auswirkungen betreffend Umsatzsteuer 2011:

a. Verminderung der steuerpflichtigen Umsätze zu 20% (KZ 000 und KZ 022):

Da Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer an den Mieter nicht ausgestellt wurden, erfolgte seitens der BP keine Vorschreibung der Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 12 UStG. Die steuerpflichtigen Umsätze zu 20% wurden um € 3.477,56 vermindert.

b. Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG (KZ 063):

Die aus den Errichtungskosten geltend gemachten Vorsteuern betrugen:

Da in den Jahren 2006 bis 2010 (5 Jahre) nach den Feststellungen der BP eine steuerpflichtige Vermietung gegeben war, wurden im Jahr 2011 nur 5/10tel der oa. geltend gemachten Vorsteuerbeträge, das sind € 147.877,05 rückgeholt.

c. Nicht abzugsfähige Vorsteuern von laufenden Betriebskosten (KZ 060):

Die aus den laufenden Betriebskosten geltend gemachten Vorsteuern von € 82,07 wurden aberkannt.

Das Finanzamt veranlagte nach Wiederaufnahme des Verfahrens die Bf. mit Bescheid vom unter Zugrundelegung der von der BP getroffenen Feststellungen zur Umsatzsteuer 2011.

II. Beschwerde:

Mit Schreiben vom erhob die Bf. gegen den oa. Bescheid Beschwerde und beantragte, keine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.

Im Mietvertrag sei zwar vereinbart worden, dass die Eigenleistungen auf die Miete ab dem Jahre 2006 bis zum Jahre 2017 anzurechnen sind.

Jedoch könnten bei einer Erhöhung der Miete die Eigenleistungen auch bis zur jeweiligen Miete gegenverrechnet werden. Dann würde eine zwar gänzliche Gegenverrechnung schon vor dem Jahre 2017 eintreten, jedoch sei diesbezüglich kein vertraglicher Widerspruch zum Mietvertrag erkennbar.

Folgt man diesen Gedanken, so liege auch nach der "gesetzlichen Änderung" ab dem Jahr 2011 ein gültiger Mietvertrag vor und es ergebe sich kein Anlass, eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen. Verrechnet man nämlich man sämtliche Eigenleistungen mit der Miete ab dem , dann finde das bisher vereinnahmte Mietentgelt in den gesetzlichen Bestimmungen laut Rz. 265 UStRL Deckung und es liege nachwievor ein gültiges Mietverhältnis vor:

Bei dieser Berechnung sei erst ab dem Jahre 2015 eine Bezahlung der Miete durch den Sportverein zu tätigen.

Eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10 UStG aus den Errichtungskosten sei daher im Jahr 2011 nicht vorzunehmen.

Weiters wurde in der Beschwerde beantragt, die Beschwerde "an das Bundesfinanzgericht vorzulegen". Die Beschwerde wurde daher vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die betragsmäßige Höhe des vereinbarten Mietzinses dem Tatbestand der "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlichrechtliche Körperschaften iSd. § 2 Abs. 3 UStG 1994 entspricht.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets

- Wasserwerke,

- Schlachthöfe,

- Anstalten zur Müllbeseitigung und

- zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen sowie

- die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlichrechtliche Körperschaften.

Die Verwaltungspraxis (RZ 265 UStR) ging zunächst davon aus, dass, ob eine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 letzter Satz vorliegt, danach zu beurteilen sei, ob ein Bestandvertrag nach § 1090 ABGAB gegeben ist. Eine Anerkennung als Bestandverhältnis setze daher grundsätzlich zumindest die Deckung der (laufenden) Betriebskosten voraus.

Für Miet- und Pachtverhältnisse, die ab begründet werden, wurde im USt-Wartungserlass 2007 vom sodann eine Vermietung von Grundstücken nur dann angenommen, wenn der Mietzins zumindest die laufenden Betriebskosten und zusätzlich eine Afa-Komponente in Höhe von 1,5% der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abdeckt.

"Altverträge", die vor dem abgeschlossen wurden, waren laut RZ 265 UStR idF vom ab an die bestehenden Richtlinien anzupassen. Diese Frist wurde in der Folge auf verlängert.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind jedoch für den Tatbestand der "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften" im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 die zivilrechtlichen Kriterien maßgebend. Eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen bloßen Ersatz der Betriebskosten reicht demnach nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag zu begründen (; , 2012/15/0145; , 2003/13/0086).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies:

Der im Mietvertrag vom vereinbarte Mietzins von netto € 13.550,00 deckt betragsmäßig sowohl die laufenden Betriebskosten des Vermieters, welche von der Bf. mit netto € 2.600,00 geschätzt wurden, als auch eine "Afa-Komponente" von € 10.950,00 (1,5 % der mit € 1.160.000,00 geschätzten Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich Eigenleistungen und Förderungen) ab.

Die BP legte hingegen ihrer Ermittlung des für die Annahme eines zivilrechtlichen Mietvertrages erforderlichen Mietzinses eine Afa-Komponente von brutto € 28.170,95 zugrunde (Anschaffungs- und Herstellungskosten inkl. Grund und Boden, da entgeltlich erworben, kein Abzug der erhaltenen Eigenleistungen und Förderungen => € 1,878.063,12 x 1,5 %). Die von der Betriebsprüfung angenommenen Betriebskosten von brutto € 3.302,50 sind in etwa deckungsgleich mit den von der Bf. angesetzten Betriebskosten (€ 2.600,000 netto = € 3.210,00 brutto).

Ungeachtet des Umstandes, dass die BP aufgrund ihrer Berechnungen für die Annahme eines zivilrechtlichen Mietvertrages mit brutto € 37.768,14 einen wesentlich höheren jährlichen Mietzins als die Bf. (brutto € 16.260,00) ermittelte, ist erkennbar, dass auch der von der Bf. ermittelte Mietzins nicht nur die (ca. in gleicher Höhe wie von der BP) angesetzten Betriebskosten von netto ca. € 2.600,00 abdeckte, sondern aufgrund der zusätzlichen Berücksichtigung einer Afa-Komponente von netto € 10.950,00 diese Betriebskosten um das Vierfache, also erheblich, übertraf.

Unter Zugrundelegung der oa. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist somit erkennbar, dass im vorliegenden Mietvertrag kein bloßer Anerkennungszins und auch keine bloße Abdeckung der Betriebskosten des Vermieters durch den Mieter vereinbart wurde.

Ein zivilrechtlicher Mietvertrag liegt somit, wie auch die BP - allerdings nur für Veranlagungszeiträume bis 2010 - einräumte, aufgrund der Höhe der vereinbarten Miete jedenfalls vor, sodass auch der Tatbestand der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlichrechtliche Körperschaften als fiktiver Betrieb gewerblicher Art gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1994 erfüllt ist.

Der Beschwerde war somit teilweise stattzugeben und die Bemessungsgrundlagen betreffend Umsatzsteuer waren wie folgt abzuändern:

Der Gesamtbetrag der Umsätze und die steuerpflichtigen Umsätze zu 20 % waren um € 3.477,56 zu erhöhen.

Die Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG iHv. € 147.877,05 war rückgängig zu machen.

Vorsteuern aus laufenden Betriebskosten iHv. € 82,07 waren zu berücksichtigen.

Der angefochtene Bescheid war somit wie im beiliegenden Berechnungsblatt dargestellt, abzuändern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil das Erkenntnis zur Frage des Vorliegens einer Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlichrechtliche Körperschaften gemäß § 2 Abs. 3 fünfter Teilstrich UStG 1994 weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104711.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at