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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.03.2021, RV/7100547/2013

Teilweise Abstandnahme von der Festsetzung durch das BFG Doppelbesteuerung - Einkünfte aus einer österreichischen KEG und gleichzeitige einjährige Tätigkeit in Tadschikistan

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde (vormals Berufung) des F**** B****, [Adresse], Steuernummer **_***/****, nunmehr vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt, 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 zu Recht:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Gemäß § 206 Abs 1 lit b BAO wird von der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2006 im Umfang von € 376.064,34 Abstand genommen.

Im übrigen Umfang wird die Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2006 als unbegründet abgewiesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger.

Der Beschwerdeführer war seit unbeschränkt haftender Gesellschafter der W**** KEG.
Die W**** KEG ist mittlerweile infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst.

In der notariellen Bestätigung der Echtheit einer am erstellten Musterzeichnungserklärung des Beschwerdeführers als persönlich haftender und selbstständig vertretungsbefugter Gesellschafter der W**** KEG wird die Adresse des Beschwerdeführers mit [Adresse] angegeben. Diese Adresse ist auch entsprechend bei den Personendaten des Beschwerdeführers im Firmenbuch eingetragen.

Mit Datum vom erließ das für die W**** KEG zuständige Finanzamt im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung einen Feststellungsbescheid, in welchem es Einkünfte aus Gewerbebetrieb von € 1.550.000 feststellte. Auf den Beschwerdeführer entfiel dabei ein Anteil von € 775.000.

Eine gegen diesen Feststellungsbescheid gerichtete Berufung wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom als zurückgenommen erklärt, weil einem Mängelbehebungsauftrag innerhalb der verlängerten Mängelbehebungsfrist nicht nachgekommen worden sei. Der Feststellungsbescheid ist somit rechtskräftig.

Verfahrensgang:

Mit Datum vom erließ das Finanzamt den nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheid, in welchem Einkünfte des Beschwerdeführers aus Gewerbebetrieb von € 775.000 besteuert wurden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am über FinanzOnline Berufung. Zur Begründung führte er aus, am sei dem Finanzamt eine berichtigte Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige übermittelt worden. In dieser seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb von € 0 erklärt worden. Gegen den Feststellungsbescheid betreffend die W**** KEG sei Berufung erhoben worden, über welche noch nicht entschieden worden sei.

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer auf, einen Nachweis des ordentlichen Wohnsitzes im Jahr 2006 sowie einen Einkommensnachweis für das Jahr 2006, jeweils in beglaubigter Übersetzung, vorzulegen.
Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer Urkunden vor, aus welchen sich ergibt, dass er im Jahr 2006 in der Republik Tadschikistan als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei und dort ein monatliches Einkommen bezogen habe. Der Beschwerdeführer habe in der Stadt Duschanbe von bis eine näher genannte Wohnung bewohnt.

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer mit einem weiteren Vorhalt vom auf, für das Jahr 2006 seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen belegmäßig nachzuweisen (das Vorhandensein eines Wohnsitzes in Tadschikistan belege nicht, dass sich dort auch der Lebensmittelpunkt befunden habe).

Dieser Vorhalt blieb nach mehreren Fristverlängerungsersuchen letztlich unbeantwortet.

Mit Datum vom erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungvorentscheidung, wobei es zur Begründung ausführte, gemäß § 1 Abs 2 EStG bestehe für das Jahr 2006 unbeschränkte Steuerpflicht, da der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich an der Adresse [Adresse], nie aufgegeben habe (notarielle Bestätigung vom ). Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften habe jemand dort, wo eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Die polizeiliche Meldung habe nur Indizwirkung. Da nach wie vor ein aufrechter Wohnsitz bestehe, unterliege der Beschwerdeführer nach wie vor der unbeschränkten Steuerpflicht.

Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag, in welchem er darauf verweist, er sei im Jahr 2006 in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig gewesen, da der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Ausland gelegen sei. Zwecks Nachweis dieser Umstände habe er eine Meldebestätigung und eine Bestätigung des ausländischen Arbeitgebers vorgelegt. Darüber hinaus erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit des Feststellungsbescheides. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung über die Berufung durch den Berufungssenat.

In einem ergänzenden Schreiben vom wiederholte der Beschwerdeführer ein ursprünglich gegen den Feststellungsbescheid gerichtetes umfangreiches Vorbringen. In diesem Schreiben wird unter Punkt 4. "Besteuerungsrecht" zusammengefasst ausgeführt, da die in Rede stehenden Umsätze im Ausland getätigt worden und die vom Finanzamt behaupteten Karussellgewinne in Großbritannien lukriert worden seien, wäre bei einer ordnungsgemäßen Bescheiderlassung die Frage nach dem österreichischen Besteuerungsrecht zu prüfen gewesen. Es wäre zu prüfen gewesen, ob es eine Betriebsstätte in Großbritannien im Sinne des Art 5 des DBA Großbritannien gegeben habe. Eine Betriebsstätte gelte als gegeben, wenn eine Person für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates tätig sei, welche eine Vollmacht besitze, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen und die Vollmacht in diesem Staat gewöhnlich ausübe (DBA Großbritannien Art 5 Abs 4). In diesem Fall käme das Besteuerungsrecht Großbritannien zu. Unter der Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht, deren Bestehen von der Behörde nicht ordnungsgemäß geprüft worden sei, sei bei der Besteuerung bei Bezug von Einkünften der Staaten, mit denen ein DBA bestehe, folgendermaßen vorzugehen (EStR 2000 Rz 33):
1. Beurteilung des Bestandes der Steuerpflicht nach österreichischem innerstaatlichem Steuerrecht.
2. Prüfung, ob das Besteuerungsrecht durch das DBA eingeschränkt werde.
3. Die weitere Vorgangsweise richte sich bei der Erhebung der Österreich abkommensgemäß zustehenden Steuer nach österreichischem Steuerrecht.
Die W**** KEG stelle eine Personengesellschaft dar, welche M**** Rechtspersönlichkeit kein Steuersubjekt sei. Sie sei daher nicht einkommenssteuerpflichtig (EStR 2000 Rz 5801). Die Gewinne würden im Wege der einheitlichen und gesonderten Feststellung anteilig bei ihren Gesellschaftern erfasst. Bei Personengesellschaften sei zwischen Feststellungsrecht (einheitliche und gesonderte Feststellung gemäß § 188 BAO) und der Steuerpflicht zu unterscheiden. Aus der Literatur nicht klar ersichtlich sei, welchem Staat bei Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern und ausländischen Einkünften
1. das Recht zur einheitlichen und gesonderten Feststellung und
2. das Besteuerungsrecht zukomme.
Es werde jedoch aus der Tatsache, dass der Gesellschaftssitz in Österreich sei, ableitbar sein, dass das Feststellungsrecht Österreich zukomme (§ 27 Abs 1 BAO).
Bei Mitunternehmerschaften erfolge die Zurechnung der Einkünfte zu den einzelnen Gesellschaftern und die Einkommensbesteuerung damit auf Ebene der Gesellschafter (EStR 2000 Rz 5803). Da sich sowohl der beschränkt haftende Gesellschafter M**** B**** als auch der Beschwerdeführer im Jahr 2006 nicht in Österreich aufgehalten hätten, hätte das Finanzamt zu prüfen gehabt, ob die unbeschränkte Steuerpflicht der Gesellschafter gemäß § 1 Abs 2 EStG gegeben gewesen sei. Die beiden Gesellschafter hätten sich in GUS-Staaten aufgehalten, was durch Einreise-/Ausreisenachweise im Reisepass sowie Meldebestätigungen nachweisbar sei. Eine beschränkte Steuerpflicht gemäß § 98 Abs 1 Z 3 EStG, ableitbar aus der inländischen Betriebsstätte, welche als Betriebsstätte der Personengesellschaft auch den ausländischen Gesellschaftern eine Betriebsstätte vermittle, sei durch den Einwand widerlegbar, dass
1. die Gesellschafter Wohnsitz (bei Doppelwohnsitz sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen Anknüpfungspunkt) und gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland gehabt hätten und
2. zur Ausübung der Tätigkeit eine Betriebsstätte in den GUS-Staaten bestanden habe.
Da von § 29 BAO für das Vorliegen einer Betriebstätte eine feste, örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes diene, gefordert werde und als solche gemäß Abs 2 auch eine Zweigniederlassung gelte, sei vom Vorhandensein einer solchen auszugehen, da sich in Moskau ein Büro befunden habe und von dort aus die Geschäftstätigkeit durchgeführt worden sei. Es ergebe sich daher eine Mangelhaftigkeit des Bescheides auch dahingehend, dass sich die Behörde weder mit der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen noch mit dem Bestehen oder Nichtbestehen der Steuerpflicht auseinandergesetzt habe. Es werde daher die erklärungsgemäße Veranlagung beantragt.

Mit Beschluss vom hielt das Bundesfinanzgericht den Verfahrensparteien die in den untenstehenden Feststellungen dargestellte Vermögens- und Rückstandssituation des Beschwerdeführers vor und forderte die Verfahrensparteien auf, sich zu einer möglichen Abstandnahme von der Festsetzung iSd § 206 Abs 1 lit b BAO zu äußern. Das Finanzamt wurde zudem aufgefordert, bekannt zu geben, ob aus seiner Sicht eine Durchsetzung des Abgabenanspruches noch möglich erscheine und gegebenenfalls aus welchem Grund.

Der Beschwerdeführer schilderte in seiner Stellungnahme seine Vermögenssituation und ersuchte um eine Abstandnahme von der Festsetzung.

Das Finanzamt erklärte in seiner Stellungnahme, da beim Beschwerdeführer nur geringe Einkünfte vorlägen und zudem seit Februar 2020 ein Schuldenregulierungsverfahren laufe, scheine die Einbringlichkeit der noch offenen Abgabenschuld kaum noch gegeben zu sein. Eine Durchsetzbarkeit sei angesichts der derzeitigen Sach- und Aktenlage daher als wenig wahrscheinlich anzusehen.

Mit Schreiben vom zog der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat zurück.

Über telefonischen Vorhalt des Gerichtes am erklärte der Vertreter des Beschwerdeführers, ein Nachweis des Bestehens einer Betriebsstätte (in Moskau) werde nicht erfolgen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Neben dem zu Beginn dieses Erkenntnisses unter der Überschrift "Sachverhalt" dargestellten Umständen steht weiters folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr in Tadschikistan nichtselbständig beschäftigt und bewohnte von bis eine Wohnung in der Stadt Duschanbe.

Zudem verfügte der Beschwerdeführer im Streitjahr über eine Wohnung an der Adresse [Adresse].
Der Beschwerdeführer war weiters in den Jahren vor und nach dem Streitjahr in Österreich wohnhaft.

Die W**** KEG verfügte im Streitjahr über keine Betriebstätte im Ausland (weder in Moskau noch in Großbritannien noch in Tadschikistan).

Über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts vom das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Zahlungsplan wurde nicht angenommen. Im Herbst 2012 wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben und ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet.
Im November 2019 wurde das Abschöpfungsverfahren beendet. Dem Schuldner (Beschwerdeführer) wurde die Restschuldbefreiung nicht erteilt. Ein dagegen erhobener Rekurs des Beschwerdeführers wurde im Dezember 2019 abgewiesen.

Im Februar 2020 wurde ein neuerliches Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Laut Zahlungsplanvorschlag sollten die Insolvenzgläubiger eine Quote von 0,0% erhalten.
Der Zahlungsplan wurde nicht angenommen (Mai 2020), der Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens wurde abgewiesen (Juni 2020). Im Herbst 2020 () wurde das Abschöpfungsverfahren rechtskräftig () eingeleitet.

Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Einkommensteuer 2006 beläuft sich auf € 379.085,00.

Der offene Rückstand aus Einkommensteuer für das Streitjahr 2006 beläuft sich auf € 376.064,34.

Der fällige und vollstreckbare Gesamtrückstand des Beschwerdeführers beträgt laut Rückstandsaufgliederung im AIS DB2 € 480.314,59.

Das steuerpflichtige Einkommen des Beschwerdeführers betrug laut Lohnzettel im Jahr 2017 € 4.399,86, im Jahr 2018 € 7.185,87, im Jahr 2019 € 4.365,24 und im Jahr 2020 € 5.910,11.

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Beschäftigung und die Wohnung des Beschwerdeführers in Tadschikistan gründen sich auf die von ihm vorgelegten Urkunden.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in den Jahren vor und nach dem Streitjahr in Österreich über eine Wohnung verfügte, gründet sich auf das ZMR.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr in Österreich über eine Wohnung verfügte, gründet sich auf die Angaben zur Person des Beschwerdeführers im Notariatsakt vom .

Die Feststellung, dass die W**** KEG über keine Betriebsstätte im Ausland verfügte, gründet sich auf folgende Umstände:
Das Vorhandensein einer Betriebsstätte in Moskau wurde im Rechtsmittelverfahren vom Beschwerdeführer ohne Nachweise behauptet. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers erklärt, ein Nachweis werde nicht erfolgen.
Das Vorhandensein einer Betriebsstätte in Großbritannien wurde weder substantiiert behautet noch nachgewiesen sondern lediglich als bloße Möglichkeit in den Raum gestellt.
Das Vorhandensein einer Betriebsstätte in Tadschikistan wurde nicht behauptet.

Die Feststellungen über die Einkommens- und Vermögenssituation des Beschwerdeführers sowie die Höhe des offenen Rückstandes gründen sich auf die Aktenlage und sind unstrittig.

Im Übrigen sind die Feststellungen unstrittig.

Rechtlich folgt daraus:

Besteuerungsrecht:

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers stammen aus seiner Beteiligung an der W**** KEG.

Im Beschwerdeverfahren ist strittig, ob Österreich an diesen Einkünften das Besteuerungsrecht zusteht.

Aus österreichischer Sicht kommt Personengesellschaften (wie der W**** KEG) keine persönliche Abkommensberechtigung zu. Abkommensberechtigt sind vielmehr ausschließlich die (natürlichen oder juristischen) Personen, die als Gesellschafter fungieren. Betriebsstätten von Personengesellschaften gelten als anteilige Betriebsstätten der abkommensberechtigten Gesellschafter (Bendlinger in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar Art 7 Rz 240 mwN).

Bei Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist nicht auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen.
Zeiträume bis zu zwei Jahren sind aus österreichischer Sicht zu wenig, um daraus alleine für den Lebensmittelpunkt einer Person einen brauchbaren Rückschluss abzuleiten, da sonst in Anwendungsfällen der zumeist auf zwei Jahre angelegten "Gastlehrerbefreiungen" durch das Abkommen stets eine "Doppelnichtbesteuerung" verursacht würde, was als sinnwidrige Abkommensauslegung gewertet werden müsste. Bei Zeiträumen über 5 Jahren spricht die Vermutung für die Verlagerung des Lebensmittelpunktes, wenn die Ehefrau und die haushaltszugehörigen Kinder mitziehen. Für Zeiträume zwischen zwei und fünf Jahren ist die Frage nach der Richtlinienregelung an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu klären. Hierbei wird eine von der ausländischen Steuerverwaltung ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung als gewichtiges Indiz für die Verlagerung des Lebensmittelpunktes zu werten sein (Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Ansässigkeit [Art 4 OECD], Rz 11 f mwN).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies:

Der Beschwerdeführer verfügte im Streitjahr in Österreich und in Tadschikistan über eine Wohnung. Er war lediglich ein Jahr lang (im Streitjahr) in Tadschikistan tätig. Diese einjährige Tätigkeit war nicht ausreichend, eine Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Tadschikistan zu begründen. Der Beschwerdeführer war daher im Streitjahr iSd Art 1 Z 3 lit a des im Streitjahr noch anzuwendenden DBA UdSSR in Österreich ansässig.

Für die Ermittlung des Besteuerungsrechtes an den im Rahmen der W**** KEG erzielten Einkünften aus Gewerbebetrieb kommt Art 5 DBA UdSSR zur Anwendung.

Danach dürfen Einkünfte, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person im anderen Vertragsstaat aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt werden, in dem anderen Vertragsstaat nur besteuert werden, wenn sie durch die Tätigkeit einer in diesem anderen Vertragsstaat gelegenen Repräsentanz erzielt werden und nur in dem Ausmaß, in dem die Einkünfte dieser Repräsentanz zugerechnet werden können.

Eine Repräsentanz ist gemäß Art 4 Z 1 DBA UdSSR eine in einem Vertragsstaat gelegene feste Betriebsstätte, in der eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ganz oder teilweise eine Geschäftstätigkeit ausübt.

Eine Betriebsstätte der W**** KEG in Tadschikistan bestand nach den Feststellungen nicht.

Die aus der W**** KEG erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind daher in Österreich zu versteuern.

Die W**** KEG verfügte nach den Feststellungen weder über keine Betriebsstätte in Moskau noch über eine Betriebsstätte in Großbritannien. Auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher nicht weiter einzugehen.

Die im Streitjahr erzielten Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit in Tadschikistan sind gemäß Art 11 Z 1 DBA UdSSR in Tadschikistan zu besteuern.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als nicht berechtigt.

Abstandnahme von der Festsetzung:

Nach den Feststellungen ist der Beschwerdeführer vermögenslos und verfügt über kein nennenswertes Einkommen.

Gemäß § 206 Abs 1 lit b BAO kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird.

Auf § 206 Abs 1 lit b BAO gestützte Abstandnahmen von der Abgabenfestsetzung können auch in Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte erfolgen (Ritz, BAO6 § 206 Rz 2 mwN).

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die zwangsweise Einbringung von Abgabenforderungen beim Beschwerdeführer derzeit und wahrscheinlich auch in Hinkunft nicht möglich ist (Nichterteilung der Restschuldbefreiung im November 2019 nach siebenjähriger Dauer des Abschöpfungsverfahrens; Zahlungsplanvorschlag mit einer Quote von 0,0% im Februar 2020, Abschöpfungsverfahren seit Herbst 2020). Im Streitfall ist daher mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird.

Die Maßnahmen nach § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw der Verwaltungsgerichte (Ritz, BAO6 § 206 Tz 1).

Nach § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung.
Angesichts der fehlenden Einbringungsmöglichkeiten ist es dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung entsprechend geboten, mit der Abstandnahme der Festsetzung vorzugehen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung steht dem nicht entgegen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Der angefochtene Bescheid wird daher gemäß § 279 BAO abgeändert. Gemäß § 206 Abs 1 lit b BAO wird im Umfang von € 376.064,34 von der Festsetzung der Einkommensteuer Abstand genommen, im übrigen Umfang wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 4 Z 1 DBA UdSSR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Sowjetunion (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 411/1982
Art. 5 DBA UdSSR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Sowjetunion (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 411/1982
Art. 1 Z 3 lit. a DBA UdSSR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Sowjetunion (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 411/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100547.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at