Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2021, RV/7105576/2018

Alternative Heilmethoden als ag Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom [OZ 9] wurde die Beschwerdeführerin (Bf) u.a. aufgefordert, "die Krankheitskosten sowie die Steuerberatungskosten mittels Belegen nachzureichen."

Daraufhin legte die Bf [OZ 10] eine tabellarische Aufstellung "Tatsächliche Kosten = Heilmittel + Therapie" vor, die gegliedert ist in "Position 730" im Ausmaß von 4.659,95 Euro und "50 % Invalid Position 476" im Ausmaß von 4.897,74 Euro. Pro Zeile sind ein Datum, der Leistende, die Art der Behandlung oder Ware (ohne nähere Angabe über Mengen) und die Rechnungssumme ersichtlich. Weiters findet sich eine Aufstellung über Kosten für Arztwege, aufgeteilt in Position 476 und 730, gegliedert nach Datum, besuchter Einrichtung, Fahrtzweck und Wegstrecke, wobei 0,42 €/km als Kosten angesetzt wurden. Außerdem legte sie die Rechnung einer deutschen Anwaltskanzlei über einen Rechtsstreit gegen die Sparkasse KölnBonn über 808,13 Euro vor.

Im Bescheid vom [OZ 2] wurden sämtliche Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine), Behandlungen der Estetic lounge, Behandlungen des Elite Studios, Fahrten sowie Aufenthalt in der "Ferienwohnung" und Fahrtkosten zu den nicht anerkannten Behandlungen als Aufwendungen der privaten Lebensführung nicht bei den außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt. Die Anwaltskosten wurden nicht als Steuerberatungskosten anerkannt. Ausgaben für fremdfinanzierte Rentenversicherungsmodelle seien nur als Sonderausgaben zu berücksichtigen.

Die erklärten Beträge wurden - soweit strittig - durch die belangte Behörde wie folgt gekürzt: Negative wiederkehrende Bezüge (§ 29 EStG, KZ 800) in Höhe von -614,91 Euro wurden den Topf-Sonderausgaben (Kennzahl 455) zugerechnet. Steerberatungskosten wurden um 808,13 Euro gekürzt. Krankheitskosten mit Selbstbehalt wurden von 4.659,95 auf 2.296,93 und ohne Selbstbehalt von 4.897,74 auf 1.793,00 Euro gekürzt.

In der Beschwerde vom [OZ 1] bringt die Bf vor, die Ausgaben seien in den letzten 20 Jahren anerkannt worden. Für die fremdfinanzierte Rentenversicherung sei das Anwaltshonorar sehr wohl anzuerkennen, als Beweis diene ein Schreiben der Abteilung IV/7 des in dem ausgeführt wird, dass Zinsen für Fremdkapital, das für den Erwerb eines Rentenstammrechtes aufgenommen wurde, gemäß § 16 Abs 1 Z 1 EStG Werbungskosten darstelle (Verweis auf EStR 2000 Rz 7018) und hinsichtlich des Verlustausgleiches EStR 2000 Rz 151 ff zu beachten seien.

Bei den Nahrungsergänzungsmitteln handle es sich nicht um einfache "Vitamine", sie trügen wesentlich zur Gesunderhaltung bei, wie ein Brief ihres Therapeuten bestätige. Die Ferienwohnung diente als Unterkunft während ihrer Therapie bei ihm und sei günstiger als ein Hotel gewesen. Sie habe außerdem nur die halben Kosten geltend gemacht, weil sie die Therapie, die wie eine Kur zu betrachten sei, gemeinsam mit ihrem Gatten durchgeführt habe. Die Therapien helfen der Bf, ihre Schmerzen in den Griff zu bekommen, ohne sie mit starken Arzneimitteln bekämpfen zu müssen. Die Behandlung in der Estetic Lounge sei keine Schönheitsbehandlung sondern Injektionen zur Stoffwechselumstellung, die zu einer Gewichtsreduktion geführt hätten, die mit Diäten nicht gelungen sei. Fußpflege und Maniküre (Elite Studios, Ungarn) seien notwendige Körperpflege, die sie aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr selbst durchführen könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zusätzlich zur Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt: Ausgaben für fremdfinanzierte Rentenversicherungsmodelle könnten nur im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigt werden. Kurkosten stellten nur außergewöhnliche Belastungen dar, wenn der Kuraufenthalt unmittelbar im Zusammenhang mit einer Krankheit steht und aus medizinischen Gründen lt. ärztlicher Verordnung erforderlich ist.

Im Vorlageantrag vom macht die Bf geltend, die Behandlungs- und Unterbringungskosten sowie die für die Behandlung erforderlichen Produkte seien abzugsfähig, wofür nochmals eine Bestätigung ihres Therapeuten vorgelegt werde. Dieser sei in Deutschland als Heilpraktiker tätig und arbeite mit Ärzten und Krankenhäusern zusammen. Die private Krankenversicherung habe ihr einen Teilbetrag ersetzt. Die selben Kosten seien bei ihr in den letzten 30 Jahren berücksichtigt worden und bei ihrem Gatten auch im Streitjahr. Die Behandlung in der Estetic Lounge sei unter ärztlicher Kontrolle erfolgt. Die fremdfinanzierte Rentenversicherung sei jahrelang bei den Werbungskosten einzusetzen gewesen. Das sei erst später aber nur für Neuverträge geändert worden.

Schließlich hat das Bundesfinanzgericht die Bf nochmals aufgefordert, die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben belegmäßig nachzuweisen und für die Heilbehandlungen, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel die medizinische Indikation nachzuweisen. Dabei wurde erläuternd ausgeführt:

Zu den Krankheitskosten hat die Bf bisher nur tabellarische Aufstellungen vorgelegt. Gemäß § 4 der Verordnung BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430 sind Kosten der Heilbehandlung nachzuweisen. Daher hat die Bf ihre geltend gemachten Ausgaben durch entsprechende Rechnungen (Medikamente) und Honorarnoten (Ärzte, Heilpraktiker) nachzuweisen.

Für Fahrten steht auch nur dann Ersatz zu, wenn die Kosten nachgewiesen sind (Fahrtenbuch, tatsächliche Kfz-Kosten). Das amtliche Kilometergeld kann hilfsweise nur dann herangezogen werden, wenn es den tatsächlichen Kosten entspricht. In der Regel sind diese jedoch niedriger. Für eine plausible Schätzung ist daher - wenn keine Belege für das Kraftfahrzeug vorgelegt werden können - zumindest anzugeben, welches Fahrzeug (genaue Type) verwendet wird, wie alt es ist, wie hoch die jährlich insgesamt gefahrenen Kilometer sind.

Betreffend Heilbehandlung ist die Ansicht der Behörde, eine alternative Behandlungsmethode sei nur nach ärztlicher Verordnung und nur bei Alternativlosigkeit eine außergewöhnliche Belastung, zu eng.

Nach der Lehre wird heute keine Priorität schulmedizinischer Methoden mehr vertreten. Auch Aufwendungen für Maßnahmen der Alternativmedizin sind daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber, dass sie zwangsläufig erwachsen sind, wovon ausgegangen wird, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff).

Sinn der Forderung nach einer Notwendigkeit von Krankheitskosten ist es, diese Kosten von Kosten für die Lebensführung abzugrenzen. Dabei ist eine typisierende Betrachtung anzustellen. Denn natürlich sind auch Krankheitskosten insofern freiwillig, als siedurch eine Entscheidung des Erkrankten erfolgen und aufgrund dessen Entscheidung auch unterbleiben könnten. Es geht daher vielmehr darum, ob eine Behandlung und die dadurch entstehenden Kosten aus Sicht der Allgemeinheit als notwendig erscheint.

Ein solcher Nachweis kann durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden. Eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine "ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes" oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheint in dieser pauschalen Form aber als zu eng. Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob eine Behandlung medizinisch indiziert ist und die damit verbundenen Kosten sich damit von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen. Ob eine solche medizinische Indikation vorliegt, ist im Einzelfall zu untersuchen. (Vgl ).

Auch die Finanzverwaltung erkennt die Behandlung durch einen (im Ausland) anerkannten Heilpraktiker ohne weiteres als außergewöhnliche Belastung an (vgl LStR 2002 Rz 902, ärztliches Attest nur nötig, wenn die behandelnde Person nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften nicht zur Heilbehandlung befugt ist).

Erforderlich ist aber der Nachweis, dass die Behandlung im Zusammenhang mit der Behinderung steht und aus Sicht der Behinderung medizinisch indiziert ist. Eine Bestätigung des Heilpraktikers bloß darüber, dass sich die Bf bei ihm in Behandlung befindet und dass die Wirksamkeit bestimmter Nahrungsergänzungsstoffe durch klinische Studien belegt werden kann, ist unzureichend. Vielmehr muss aus den vorgelegten Unterlagen für das erkennende Gericht zweifelsfrei hervorgehen, dass und in welchem Umfang eine medizinische Indikation für die im Beschwerdejahr durchgeführten Behandlungen im Hinblick auf die anerkannte Behinderung vorliegt. Auch Medikamente und Nahrungsergänzungsstoffe kommen nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn ihrer Einnahme eine Verschreibung durch einen Arzt oder den zugelassenen Heilpraktiker zugrunde liegt. Bloße Empfehlungen reichen dazu nicht aus. Die entsprechenden Verschreibungen sind ebenfalls vorzulegen.

Die Kosten für Nagelpflege können unter den von der Bf geschilderten Umständen, dass sie körperlich nicht mehr in der Lage ist, diese selbst durchzuführen, außergewöhnliche Belastungen sein. Aber auch dafür bedarf es einerseits eines ärztlichen Nachweises für das Gericht über die Art der Behinderung (Attest) und andererseits der Vorlage von Rechnungen, aus denen die durchgeführten Behandlungen hervorgehen.

Soweit die Bf darauf verweist, dass gleichartige Behandlungen in Vorjahren bzw bei ihrem Mann von der Behörde nicht beanstandet wurden, ist festzuhalten, dass aus einer rechtswidrigen Anerkennung von Ausgaben in Vorjahren oder einer rechtswidrigen Anerkennung vergleichbarer Ausgaben bei anderen Steuerpflichtigen kein Anspruch abgeleitet werden kann, ebenfalls rechtswidrig begünstigt behandelt zu werden.

Auf dieses Schreiben hat die Bf neben unsubstantiierten bis unsachlichen Äußerungen zu ihrer Befindlichkeit nur geantwortet, sie habe wiederholt Belege und Bestätigungen eingeschickt und könne aufgrund einer Schulterverletzung derzeit keine weiteren Belege kopieren. Was nicht unter der Position der Behinderung anerkannt werde, müsse den übrigen Sonderausgaben zugeordnet werden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf hat eine fremdfinanzierte Rentenversicherung, die im Jahr 2016 zu einem Werbungskostenüberschuss von 614,91 Euro geführt hat und auch in den Vorjahren jeweils Werbungskostenüberschüsse ergeben hat (vgl im Detail - auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen). Ob die Rechtsanwaltskosten im Ausmaß von 808,13 Euro, die sie unter der Kennzahl 460 Steuerberatungskosten in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht hat, damit ebenfalls zusammenhängen, wurde nicht erörtert.

Aufgrund einer Arthrose der kleinen Fingergelenke mit chronischer Arthritis liegt bei der Bf ein Grad der Behinderung von 50 vH vor. Im Zusammenhang mit dieser Erkrankung sind ihr folgende Krankheitskosten erwachsen:


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Therapiekosten Heilpraktiker
437,97 €
Nächtigungskosten dazu
420,00 €
Kosten für verschriebene Medikamente
262,20 €
Fahrtkosten
545,00 €
Therapiekosten ohne Beleg
248,00 €
Nahrungsergänzungsmittel ohne Verschreibungsbeleg
2.439,37 €

Außerhalb ihrer Behinderung sind der Bf für Heilmittel und Therapie folgende Kosten erwachsen:


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Ärztliche Behandlungen, Rezepte, Impfungen
430,18 €
Brillen und notwendiges Zubehör
918,85 €
Fahrtkosten
297,30 €
Kosmetik und Lymphdrainagen
1.086,90 €
Nahrungsergänzungsmittel, Blutzuckermessgerät
1.629,42 €

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Zwar ist die Bf jeglichen Nachweis ihrer Ausgaben in Form von Rechnungen schuldig geblieben, doch erscheint es aufgrund ihres Alters und attestierten Krankheitsbildes hinreichend glaubwürdig, dass sie die von ihr aufgelisteten Ausgaben tatsächlich getätigt hat, und auch die belangte Behörde hat ohne belegmäßigen Nachweis einen Teil der Ausgaben anerkannt.

Die Fahrtkosten wurden jeweils mit 50 % der von der Bf begehrten Kosten geschätzt, weil die Bf weder ein Fahrtenbuch vorgelegt noch Angaben zum verwendeten Fahrzeug gemacht hat und in Anlehnung an die Literatur Kilometerkosten von 0,21 € bei Verwendung eines durchschnittlichen kleineren Kraftfahrzeuges sachgerecht erscheinen (vgl Blasina, UFSJ 2013, 5).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die deutsche Rentenversicherung wurde mit h.g. Erkenntnis vom , RV/7100065/2017, als Liebhaberei qualifiziert. Gegenüber jenem das Jahr 2014 betreffenden Verfahren sind keine Beweismittel hervorgekommen, die nunmehr eine andere Beurteilung zuließen, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird.

Soweit die Bf den Abzug der Rechtsanwaltskosten begehrt, kann dahingestellt bleiben, ob diese mit den Einkünften aus der Rentenversicherung zusammenhängen und mangels Einkunftsquelle nicht abzugsfähig sind, oder ob sie aus einem privaten Rechtsstreit in Deutschland stammen und mangels Zusammenhanges zu irgendeiner Einkunftsart der Privatsphäre zurechenbar sind und auch nicht unter Steuerberatungskosten iSd § 18 Abs 1 Z 6 EStG subsumierbar sind, weil sie nach der Honorarnote einen Rechtsstreit betreffen, der vor einem Zivilgericht ausgetragen wurde und somit das Honorar nur Anwalts- und keine Steuerberatungskosten sein können. In jedem Fall scheitert ihre steuerliche Absetzbarkeit.

Zu den Kosten, die von der Bf gemäß § 35 Abs 5 iVm § 34 Abs 6 EStG ohne Selbstbehalt begehrt werden, ist zunächst festzuhalten, dass gemäß § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind. Damit trifft den Steuerpflichtigen die Beweislast für die entstandenen Kosten, und zwar dem Grunde wie der Höhe nach. Beweisen bedeutet die Herstellung der Überzeugung, dass sich ein in der Vergangenheit ereigneter Sachverhalt so und nicht anders zugetragen hat. Ohne äußere Eindrücke von Beweismitteln ist ein Beweisverfahren derart undenkbar, dass eine davon losgelöste Gedankenkette, mag sie noch so logisch erscheinen, Spekulation ist und bleiben muss (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 166, 469).

Mit der bloßen Vorlage einer tabellarischen Zusammenstellung ihrer Ausgaben ohne Vorlage der zugrunde liegenden medizinisch indizierten Verschreibungen (Rezepte) und Rechnungen verlässt die Bf nicht die Ebene der bloßen Behauptung und kommt ihrer Nachweispflicht nicht nach. Wenn die Bf behauptet, krankheitsbedingt nicht in der Lage zu sein, Kopien vorzulegen, so ist doch nicht ersichtlich, was sie daran gehindert hätte, die Originalbelege einzureichen.

Nachgewiesen ist lediglich die Tatsache ihrer Behinderung durch den aktenkundigen Bescheid darüber und die im Zusammenhang dazu stehende grundsätzliche Feststellung, dass sie sich bei einem (im Ausland anerkannten und damit steuerlich grundsätzlich anzuerkennenden, vgl die Ausführungen im Vorhalt des BFG) Heilpraktiker in Behandlung findet durch die vorgelegte Bescheinigung.

Weder für Hand- und Fußpflege noch für eine "Therapie easylife Wien" noch für die Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel liegen Bestätigungen eines Arztes oder Heilpraktikers vor, dass die konkret von der Bf erworbenen Mittel verordnet oder medizinisch indiziert wären. Die allgemein gehaltene Bescheinigung des Heilpraktikers über die Wirksamkeit gewisser Präparate, ohne dass daraus eine erforderliche Dosis oder ähnliche grundlegende Merkmale einer Verschreibung ersichtlich sind, reicht nicht aus. Sie können daher schon dem Grunde nach nicht anerkannt werden.

Soweit die Bf ihrer Nachweispflicht der Höhe nach nicht nachkommt, hat die Abgabenbehörde die Ausgaben zu schätzen und dabei alle bedeutenden Umstände zu berücksichtigen (§ 184 BAO). Von den im vorigen Absatz aufgezählten Kosten abgesehen, erscheint es nach der Beweiswürdigung gewiss, dass sie diese auch getätigt hat und steuerlich geltend machen kann. Das betrifft somit die Therapiekosten Heilpraktiker samt Nächtigung, verschriebene Medikamente und Fahrtkosten, in Summe 1.665,17 Euro.

Für die übrigen als außergewöhnliche Belastungen begehrten Ausgaben unter Anwendung des Selbstbehaltes (§ 34 Abs 4 EStG) gilt: Mit einer Gesundheitsmaßnahme in Zusammenhang stehende Aufwendungen stellen nur dann eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG dar, wenn sie zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit (oder sonstigen körperlichen Beeinträchtigung) nachweislich notwendig sind (vgl. ).

Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit ist im Fall alternativmedizinischer Produkte und Behandlungen oder Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln die ärztliche Verordnung erforderlich (vgl zB mit Verweis auf Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, EStG54, (2013), § 34 Anhang II - ABC, Krankheitskosten; vgl zu Lymphdrainagen ohne ärztliche Verordnung ; Anschaffung eines Blutzuckermessgerätes ohne triftige Gründe ).

Vor diesem Hintergrund sind nur jene Kosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt absetzbar, die ärztliche Behandlungen, Brillen und Rezepte samt zugehörige Fahrtkosten betreffen (in Summe 1.646,15 Euro).

Zu den Fahrtkosten ist allgemein festzuhalten, dass nur die tatsächlichen Kosten herangezogen werden dürfen und das amtliche Kilometergeld nur dann eine taugliche Schätzungsgrundlage bietet, wenn es den tatsächlichen Kosten nahekommt. Die Bf hat weder ein Fahrtenbuch geführt, um ihre Fahrten nachzuweisen, noch hat sie auch nur irgend welche Angaben zu den tatsächlichen Kfz-Kosten gemacht. Vor diesem Hintergrund ist eine Schätzung in Höhe der halben beantragten Ausgaben jedenfalls nicht zu ihrem Nachteil.

Abschließend gilt es, zu den Krankheitskosten darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde Krankheitskosten mit Selbstbehalt im Ausmaß von 2.296,93 Euro und ohne Selbstbehalt im Ausmaß von 1.793,00 Euro anerkannt hat. Das Bundesfinanzgericht hat im Beschwerdeverfahren volle Kognitionsbefugnis, kann also den angefochtenen Bescheid in jede Richtung abändern, weil es auch amtswegig selbst den Sachverhalt festzustellen hat (§ 279 Abs 1 BAO). Augenscheinlich führten die Feststellungen des Gerichtes zu einer Verböserung gegenüber dem angefochtenen Bescheid. Eine solche Schlechterstellung wird zwar vom Gesetzgeber ermöglicht, doch ist sie aus Rechtsschutzerwägungen problematisch und angesichts des Alters und Gesundheitszustandes der Bf wohl als unbillig anzusehen. Aufgrund der Geringfügigkeit der Abweichungen und der mit einer Schätzung verbundenen Unschärfen erscheint es auch rechtsrichtig vertretbar, die für die Bf günstigeren Werte des angefochtenen Bescheides bestehen zu lassen und daher den Bescheid nicht abzuändern, sondern bloß die Beschwerde abzuweisen.

Wenn die Bf sich darauf stützt, in den letzten Jahren habe die belangte Behörde ihre Ausgaben akzeptiert und auch die ähnlich gelagerten Ausgaben ihres Mannes im Streitjahr gebilligt, so ist zu erwähnen, dass Vorjahresbescheide keine Bindungswirkung für die Zukunft entfalten und fehlerhafte Bescheide aus anderen Zeiträumen oder von anderen Steuerpflichtigen keinen Anspruch begründen, selbst in gleicher Weise begünstigt zu werden.

Soweit die Bf in ihrer Beschwerde fragt, weshalb ihr 36 Euro Gewerkschaftsbeitrag hinzugerechnet werde, wo sie doch Gewerkschaftsbeitrag zu zahlen habe, ist klarzustellen, dass der Gewerkschaftsbeitrag laut Lohnzettel (36 Euro), der im Rahmen des Lohnsteuerabzuges steuermindernd berücksichtigt worden war, wieder hinzugerechnet wurde, dafür der Beitrag laut Einkommensteuererklärung (226,26 Euro) abgezogen wurde. Somit kommt es zu einer korrekten Einmalberücksichtigung der tatsächlich geleisteten Beträge.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer außergewöhnlichen Belastung besteht umfangreiche Judikatur, in deren Rahmen sich dieses Erkenntnis bewegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105576.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at