Erstellen von erhöhten Rechnungen (über € 75,00) zwecks Erlangen einer Mehrwertsteuerrückvergütung im Touristenexport
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0032. Mit Erk. vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1300002/2022 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. ***Vertr***, ***Vertr-Adr*** wegen des Finanzvergehens der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 51 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten, eingelangt am , gegen das Erkenntnis des Zollamtes Feldkirch Wolfurt als Finanzstrafbehörde (nunmehr Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde) vom , Strafnummer ***6***, zu Recht erkannt:
Das gegen ***Bf1*** wegen des Verdachts, sie habe am dazu beigetragen, dass ***1*** aus ***4***, Schweiz, das ***5*** Tax Free Formular bei der Zollstelle Lustenau vorlegte, ohne dass die Voraussetzungen für die Ausfuhrlieferung gem. § 7 Abs. 1 Z. 3 UStG ("Touristenexport") erfüllt waren, da der Warenwert der eingekauften Gegenstände die Grenze von € 75,00 nicht überstieg, wodurch sie das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit als Beitragstäterin gem. § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG iVm. § 11 FinStrG durch Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht begangen habe, wird gem. § 136 Abs. 1 iVm. § 82 Abs. 3 lit. d FinStrG eingestellt.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Erkenntnis des Zollamtes Feldkirch Wolfurt als Finanzstrafbehörde (nunmehr Zollamt Österreich) als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer ***6***, wurde ***Bf1*** schuldig erkannt, am dazu beigetragen zu haben, dass ***1*** aus ***4***, Schweiz, das ***5*** Tax Free Formular bei der Zollstelle Lustenau vorlegte, ohne dass die Voraussetzungen für die Ausfuhrlieferung gem. § 7 Abs. 1 Z. 3 UStG2 ("Touristenexport") erfüllt waren, da der Warenwert der eingekauften Gegenstände die Grenze von € 75,00 nicht überstieg.
Dadurch habe sie das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit als Beitragstäterin gem. § 51 Abs. 1 lit. a iVm. § 11 FinStrG durch Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht begangen.
Gemäß § 51 Abs. 2 FinStrG wurde über die Beschuldigte eine Geldstrafe in der Höhe von € 350,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit € 35,00 festgesetzt.
Die Finanzstrafbehörde begründete die Entscheidung damit, die Beschuldigte, Verkäuferin im ***2*** in X, habe der in der Schweiz wohnhaften ***1*** den steuerfreien Kauf von Schuhen ermöglicht, in dem sie im ***5*** Tax Free Formular den Verkaufspreis von Schuhen mit € 75,01 angab obwohl der tatsächliche Preis, den die Kundin bezahlt habe, bei € 75,00 lag.
Am sei Frau ***1*** aus der Schweiz bei der Zollstelle Lustenau des Zollamtes Feldkirch Wolfurt erschienen und habe das ***5*** Formular betreffend Einkäufe in Österreich zur Bestätigung der Ausfuhr aus dem Zollgebiet vorgelegt.
Im Zuge der nachträglichen Überprüfung der ordnungsgemäßen Anwendung der zoll- und abgabenrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Touristenexport (§ 7 Abs. 1 Z. 3 UStG) habe ein Beamter zum wiederholten Male festgestellt, dass bei einer Rechnung der Gesamtbetrag € 75,00 nicht überschritten war, obwohl im ***5*** Tax Free Formular das das Formular erstellende Unternehmen den Rechnungsbetrag mit € 75,01 eingetragen habe.
Die Ermittlungen bei der ***3*** GmbH hätten ergeben, dass entsprechende Sicherungsmechanismen im Formular integriert sind, die bei Nichtvorliegen sämtlicher gesetzlich vorgeschriebener Parameter die Ausstellung derartiger Anträge verhindere.
Aus diesem Grunde gehe das Zollamt Feldkirch Wolfurt als Finanzstrafbehörde davon aus, dass die Beschuldigte der Kundin ***1*** einen Gefallen tun wollte, in dem sie im Rückvergütungsformular als Rechnungsbetrag € 75,01 eingetragen habe, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen (Rechnungsbetrag über € 75,00) nicht vorlagen.
Die Finanzstrafbehörde nahm vorsätzliches Handeln an mit der Begründung, ***Bf1*** sei seit 3,5 Jahren in diesem Geschäft als Verkäuferin tätig und kenne die Bestimmungen betreffend Mehrwertsteuerrückerstattung. Trotz dieses Wissens, dass bei Eingabe eines Betrages von unter € 75,00 kein Mehrwertsteuererstattungsformular gedruckt werden könne, habe sie einen höheren Betrag eingetippt um der Kundin die Möglichkeit zur Erstattung der Umsatzsteuer zu eröffnen.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde der Beschuldigten wird wie folgt ausgeführt:
Die Beschuldigte habe nicht vorsätzlich gehandelt. Es liege ein einmaliges Versehen vor. Nach der Wiedereröffnung des Geschäfts nach der coronabedingten Schließung sei es zu einem Kundenansturm und längeren Wartezeiten an der Kasse gekommen. Auch habe das Kassen- und Softwareprogramm Probleme bereitet. Sie könne daher nicht ausschließen, dass sie sich bei der Eingabe des Rechnungspreises vertippt und anstelle von € 75,00 den Betrag mit € 75,01 eingegeben habe. Es habe sich jedoch um ein einmaliges Versehen gehandelt, das unabsichtlich an einem stressigen Tag passiert sei. Die Wechselgeldabrechnung sei korrekt erfolgt. Feststellung der Behörde, wonach sie der Kundin einen Gefallen erweisen wollte, ergeben sich nicht aus dem Akt.
Es werde daher beantragt, wegen geringer Schuld, dem Umstand, dass sie nichts verheimlicht und der Schaden geringfügig sei, von der Bestrafung der unbescholtenen Beschuldigten abzusehen und lediglich eine Verwarnung auszusprechen.
In einer weiteren Eingabe brachte sie vor, sie habe ohne nachzudenken das Formular auf Wunsch der Kundin erstellt. Es seien zu diesem Zeitpunkt viele Kunden im Geschäft gewesen, so dass weder ihr noch ihrem Kollegen, der das Formular mitunterzeichnet habe, der Tippfehler aufgefallen sei. Die Scannerkasse sei ein älteres Modell und das Computerprogramm, mit dem die Tax Free Formulare erstellt werden, sei fehleranfällig, das Programm müsse oft mehrmals aufgerufen werden bis es funktioniere. Sie arbeite derzeit in Kurzarbeit und verdiene € 1.400,00 netto. Die Umsatzsteuer wurde nicht rückerstattet, sodass kein Schaden entstanden sei. Auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung werde verzichtet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Die in der Schweiz wohnhafte Kundin ***1*** hat im ***2*** 2 Paar Schuhe um € 75,00 gekauft und einen ordnungsgemäßen Kassenbeleg (über € 75,00) mit Ausweis der Umsatzsteuer (iHv. € 12,50) erhalten. Dieser Betrag wurde von ihr auch bezahlt.
Über Ersuchen von ***1*** wurde von der Beschuldigten ein vom Tax Free Dienstleister ***5*** zur Verfügung gestelltes Formular ausgestellt, welches von der Kundin bei der Ausreise dem Zollamt Feldkirch Wolfurt - Zollstelle Lustenau zur Bestätigung, dass die gekaufte Ware ins Drittland verbracht wird, vorgelegt wurde. Die Zollstelle hat dabei zu prüfen, ob die Ware mit der Rechnung übereinstimmt und der Gesamtrechnungsbetrag € 75,00 überschreitet. Obwohl der dem Formular angeheftete Kassenbeleg mit dem im Formular nicht übereinstimmte, sondern unrichtig mit € 75,01 angegeben war, wurde die Ausfuhr bestätigt.
Bei oder nach der Ausreise wendet sich der Kunde an den Tax Free - Dienstleister, welcher die Refundierung der Umsatzsteuer, inklusive der damit verbundenen Überprüfungsschritte für den Touristenexport, vornimmt. Der zu refundierende Umsatzsteuerbetrag wird abzüglich einer Manipulationsgebühr des Dienstleisters an den Drittlandskunden ausgezahlt.
Ob der Umsatzsteuerbetrag an ***1*** ausgezahlt wurde, geht aus dem Akt nicht hervor.
Für den jeweiligen Leistungszeitraum übermittelt der Tax Free Dienstleister an ***2*** eine Aufstellung der für das Unternehmen abgewickelten Refundierungen.
Die Abrechnung des einzelnen Touristenexportes beinhaltet auch einen "Global Refund Cheque", der neben den persönlichen Daten des Kunden den Verkaufsbetrag, den refundierten Betrag, den Zollstempel sowie den ursprünglichen Kassenbeleg enthalten muss.
Diese Abrechnungen bilden in der Folge für ***2*** die Grundlage für die Korrektur der bisher steuerpflichtig behandelten Umsätze zu steuerfreien Ausfuhrlieferungen.
Ob der verfahrensgegenständliche Umsatz seitens der ***2*** korrigiert und als steuerfreie Ausfuhrlieferung behandelt wurde, ergibt sich nicht aus dem vorgelegten Akt.
Gem. § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich der Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer, ohne hiedurch den Tatbestand eines anderen Finanzvergehens zu erfüllen, vorsätzlich eine abgaben- oder monopolrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt.
Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die gem. § 64 Abs. 1 FinStrG von Amts wegen wahrzunehmende sachliche- und örtliche Zuständigkeit für die Durchführung des Finanzstrafverfahrens ist in den §§ 58 bis 62 FinStrG geregelt.
Im § 58 Abs. 1 FinStrG sind diejenigen Abgabenbehörden (Finanz- und Zollämter) taxativ aufgezählt, die als Finanzstrafbehörden erster Instanz zur Durchführung der (erstinstanzlichen) Strafverfahren zuständig sind.
§ 58 Abs. 1 FinStrG lautet:
Zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens sind als Finanzstrafbehörden erster Instanz zuständig:
a) für Finanzvergehen, die bei oder im Zusammenhang mit der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren begangen werden und für Finanzvergehen, durch welche sonst Abgaben- oder Monopolvorschriften, deren Handhabung der Zollverwaltung oder ihren Organen obliegt, verletzt werden, das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde.
Zuwiderhandlungen gegen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten nach den zollrechtlichen Bestimmungen sind nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG von den Zollämtern als Finanzstrafbehörden zu ahnden.
Es besteht somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts der Verdacht, die Beschuldigte habe einen Beitrag zur Verkürzung von Umsatzsteuer (§ 33 FinStrG) oder einer Finanzordnungswidrigkeit für deren Ahndung das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde und nicht das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde zuständig ist, begangen.
Da seitens der Zollstelle Lustenau mitgeteilt wurde, dass es "im Touristenexport regelmäßig vorkomme, dass bei ausgestellten Rechnungen die genau eine Summe von € 75,00 aufweisen, die Endsumme um einen Cent erhöht wird" (Mitteilung vom an die Finanzstrafbehörde), wird die Erstellung einer Kontrollmitteilung an die zuständige Behörde zwecks Überprüfung des Belegwesens der ***3*** GmbH angeraten.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Judikatur und Rechtslage zur sachlichen Zuständigkeit ist eindeutig.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 51 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.1300014.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
XAAAC-26788