Eigenantrag auf erhöhte Familienbeihilfe; Abweichen von unschlüssigem Gutachten des Sozialministeriumservice
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***SW***, ***38***, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** vom zu VNR ***1***, mit dem ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (Eigenantrag) für den Zeitraum ab Juni 2014 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom teilte ***SW***, Rechtsanwalt in ***2***, dem Finanzamt mit, dass er mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***2*** vom zum einstweiligen gerichtlichen Erwachsenenvertreter für die Beschwerdeführerin bestellt worden sei. Diese leide vermutlich seit ihrer Geburt an einer psychischen Erkrankung, die nunmehr die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters notwendig gemacht habe, da die Betroffene mit ihrem Leben einfach nicht zurechtkomme. Er übermittle daher beiliegend die ausgefüllten Formulare und beantrage die Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag. Er übermittle auch die ihm zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen, die von einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung im Sinne des Borderline-Syndroms ausgingen. Nur der Vollständigkeit halber verweise er darauf, dass nach den Informationen der Pflegemutter der Beschwerdeführerin diese grundsätzlich über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Versicherungskauffrau verfüge. Dieser Umstand dürfte aber lediglich dem Faktum geschuldet sein, dass die Pflegeeltern der Betroffenen eine Versicherungsagentur (Versicherungsbüro ***3***) betrieben haben und der Pflegevater von Frau ***3*** nach wie vor als Versicherungsmakler tätig sei und hier die Pflegetochter (Beschwerdeführerin) angemeldet gewesen sei. Eine faktische Arbeitsleistung habe die Beschwerdeführerin allerdings in Wirklichkeit nicht erbracht, da sie durchgehend auf Grund der Erkrankung nicht einsetzbar gewesen sei. Dies zeige sich auch nunmehr nach der Beendigung des Dienstverhältnisses zum Pflegevater und der bereits lange dauernden Arbeitslosigkeit.
Im beigelegten Formblatt Beih100 wurden nur die persönlichen Daten der Beschwerdeführerin angegeben. Im Formblatt Beih3 wurde als Erkrankung eine Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Borderlinesyndroms eingetragen. Der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung wurde "ab 04/1992" (somit ab Geburt der Beschwerdeführerin) und "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung" beantragt.
Dem Antrag wurde ferner ein psychologisches Gutachten der Dr. Mag. ***4*** vom angeschlossen. Zusammenfassend kommt die Gutachterin darin zum Schluss, "dass die Leistungsuntersuchung ein insgesamt durchschnittliches Intelligenzprofil abbildet, wobei die Werte zu den förderungsunabhängigen Intelligenzanteilen über den Werten zu den forderungsabhängigen liegen. Das heißt, dass Förderung entweder unzureichend stattfand oder nur mangelhaft angenommen werden konnte. Die intellektuelle Verarbeitungsgeschwindigkeit ist knapp durchschnittlich ausgeprägt, deren Werte liegen ebenfalls unter den prämorbiden Intelligenzanteilen. Es ergibt sich ein Hinweis auf eine psychogen bedingte Leistungseinbuße. Hintergrund ist eine ausgeprägte Adoleszenzkrise mit erhöhter Impulsivität, erhöhtem Misstrauen im zwischenmenschlichen Bereich und erhöhter Ängstlichkeit. Psychostrukturell stellen sich Borderline-Mechanismen dar. Diagnostisch werden die Kriterien für eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung erfüllt, wobei diese Diagnose aufgrund des jugendlichen Alters der Probandin verfrüht ist. Es lässt sich eine emotionale Störung des Kindesalters beschreiben (F 93.8)".
Ferner wurde dem Antrag ein weiteres psychologisches Gutachten der Dr. Mag. ***4*** vom angeschlossen. In der Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse wird festgehalten: "Die Persönlichkeitsuntersuchung bildet einen deutlich ausgeprägten Leidensdruck der Probandin ab, der die Bereiche Depressivität, Impulsivität, körperliche Beschwerden und misstrauische Einstellung betrifft. Diagnostisch lassen sich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline-Niveau (F 60.3) und eine Anpassungsstörung beschreiben (F 43.2; die Unterteilung erfolgt von neurotischem über hohes/mittleres/niedriges Borderline-Niveau zum psychotischen Niveau, bei ansteigendem psychischem Krankheitswert). Die Anpassungsstörung lässt sich vor dem Hintergrund eines postadoleszenten Themas verstehen. Es lassen sich auch Anteile eines gut integrierten psychischen Apparates ableiten. Es ergibt sich eine Empfehlung für die Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung."
Weiters liegt ein fachärztlicher Befund der Dr. ***5***, Fachärztin für Psychiatrie, vom vor. In diesem wird festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin bei dieser Ärztin in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung befindet. Es besteht eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, verbunden mit rezidivierenden depressiven Episoden. Die Patientin ist stimmungsstabilisierend auf ein Depot (Ability Maintena) eingestellt und erhält eine antidepressive orale Medikation mit Duloxetin. Unter dieser Medikation ist die depressive Symptomatik weitgehend abgeklungen, auch die Impulskontrolle ist weitestgehend gewährleistet. Regelmäßige fachärztliche Kontrollen sind vorgesehen.
Schließlich wurde der Beschluss des Bezirksgerichtes ***2*** vom über die Bestellung des ***SW*** als einstweiliger Erwachsenenvertreters für die Beschwerdeführerin vorgelegt. Das Verfahren sei über Anregung der Beschwerdeführerin eingeleitet worden. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung bräuchte sie Unterstützung in finanziellen Angelegenheiten. Sie sei beim ***41*** angemeldet, eine Erwachsenenvertretung würde ihre Chance auf eine betreute Wohnung verbessern. Aus dem Clearingbericht des NÖ Landesvereines für ***40*** gehe hervor, dass das Verfahren fortgesetzt und ein Genehmigungsvorbehalt angeordnet werden solle. Bei der Beschwerdeführerin könnte eine psychische Krankheit im Sinne des § 271 ABGB bestehen und sie infolgedessen außerstande sein, alle ihre Angelegenheiten selbst in ausreichendem Maße besorgen zu können. Im Verfahren habe sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin gerne Sachen im Internet bestellt, sie dann aber auch mit ihrem Einkommen nicht das Auskommen findet. Ihr Wohl erfordere es daher, dass für die Dauer des Verfahrens ein einstweiliger Erwachsenenvertreter für sie bestellt und ein Genehmigungsvorbehalt angeordnet wird, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass sie gegebenenfalls weitere Rechtsgeschäfte abschließt und ihr dadurch eine ernstliche und erhebliche Gefahr (Eingehen von Schulden) droht.
Aufgrund des Beihilfenantrages veranlasste das Finanzamt eine Untersuchung der Beschwerdeführerin durch das Bundessozialamt (Sozialministeriumservice). Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde nach der am in Begleitung der Pflegemutter von Dr. ***6***, Ärztin für Allgemeinmedizin, durchgeführten Untersuchung festgestellt:
Anamnese:
Frau ***3*** kommt zur Erstuntersuchung. Sie kam im Alter von 8 Monaten gemeinsam mit ihrem älteren Bruder (damals 2 1/4 Jahre alt) zu Pflegeeltern. Es entwickelte sich ein sehr enges Verhältnis zu den Pflegeeltern. 2004 kam es zur Scheidung der Pflegeeltern.
Es kam bereits vor der Scheidung der Pflegeeltern zu phasenweise unkontrolliertem Verhalten. Frau ***3*** wurde vom Verein ***39*** betreut. Diese Zeit war sehr schwierig für sie. Sie wollte immer zum Vater. Wenn dies nicht ging, war sie sehr impulsiv und schrie sehr laut. Frau ***3*** besuchte die VS, dann die HS in der 3. Leistungsgruppe. Sie erhielt zusätzliche Betreuung im Unterricht. Es gelang ihr, den HS-Abschluss zu erlangen. Die Lehrstellensuche verlief nicht erfolgreich. Der Vater nahm sie als Lehrling in seiner Firma auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau. Die Berufsschulblöcke waren mit großen Schwierigkeiten verbunden, sie konnte diese jedoch positiv abschließen. Nach dem Lehrabschluss 2010 war geplant, dass sie auswärts Berufserfahrung erlangen sollte. Sie war jedoch sehr überfordert und gab diese Arbeit auf. 2012 wurde sie dann in der Poststelle des Vaters angestellt. Es gab innerfamiliäre große Probleme (mit der Stiefmutter), die 04/2017 zur Kündigung führten. Sie probierte bei Fa. ***7*** zu arbeiten, sie konnte jedoch die Probezeit nicht abschließen. Sie wurde beim AMS gemeldet und nahm an verschiedenen Kursen teil. Derzeit nimmt sie bei BBRZ an einem Arbeitstraining teil. Dies läuft jedoch nicht gut. Es wurden bei ihr die Diagnosen emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp und depressive Episode gestellt. Sie erhält medikamentöse Therapie und nimmt monatliche Gesprächstherapie in Anspruch. Sie wird vom PSD betreut, es ist ein stationärer Aufenthalt geplant. Sie führt zeitweise selbstverletzende Handlungen durch; sie dämpft Zigaretten auf der Haut aus.
Derzeitige Beschwerden:
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, Depressive Episode
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Abilify, Duloxetin, Seroquel, Gesprächstherapie
Sozialanamnese:
BBRZ, Arbeitstraining derzeit
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
- Dr. ***8*** (FÄ für Psychiatrie), : Fachärztlicher Befund, befindet sich h.o. in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung. Diagnose: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, depressive Episode; unter Medikation ist die depressive Symptomatik weitgehend abgeklungen, auch die Impulskontrolle ist weitestgehend gewährleistet
- Dr. ***8*** (FÄ für Psychiatrie), : Fachärztlicher Befund: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, mittelgradige depressive Episode
- Allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, : Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline Niveau; Dauerzustand
- Dr. ***9*** (Klin. Psychologin); psychodiagnostische Untersuchung, , Diagnose: Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline Niveau
- Dr. ***9*** (Klin. Psychologin); psychodiagnostische Untersuchung, : emotionale Störung des Kindesalters
- Landesschulrat f. NÖ, schulpsychologisches Gutachten, : Überprüfung der Entwicklungsverzögerung: bei normaler Begabung leichte Beeinträchtigung ihrer Leseleistung, deutl. Beeinträchtigung Rechtschreibleistung. Lese-Rechtschreib-Schwäche, Teilleistungsschwäche akustischer Aufmerksamkeit und Verarbeitungsfähigkeit. Teilleistungstraining empfohlen, soziale Schwierigkeiten, soziales Kompetenztraining empfohlen
- Verein ***43***, Ausbildungsvertrag, Versicherungskauffrau, Lehrzeit 3 Jahre, Dauer: -
-WKO, Lehrbrief, : Lehrverhältnis ordnungsgemäß beendet, Lehrabschlussprüfung Versicherungskauffrau am bestanden
- ***10***, chance plus, : Clearing Bericht: Schwächen im rechnerischen Bereich und im Bereich des Wortschatzes, Teilleistungsschwäche
- Dr. ***11*** (FA f. Psychiatrie u. Neurologie), Diagnose: Überlastungssyndrom, Anpassungsstörung
- Dr. ***12*** (FÄ f. Neurologie u. Psychiatrie), Befundbericht, Diagnose, : Belastungsreaktion
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: unauffällig
Ernährungszustand: massiv übergewichtig, Größe: 165,00 cm Gewicht: 111,00 kg
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: Kontaktlinsenträgerin, Hören nicht eingeschränkt, Zähne in Ordnung, intern unauffälliger Befund, Gelenke frei beweglich,
Gesamtmobilität-Gangbild: unauffällig
Psycho(patho)logischer Status:
kooperativ, freundlich, auskunftsbereit, Stimmung belastet, allseits gut orientiert; Freundeskreis sehr wechselnd, kann zeitweise nicht hinausgehen, ist sehr bemüht, dass sie ihren Zustand verbessert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden; Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, Depressive EpisodeWahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition, da zwar abgeschlossene Lehrausbildung, jedoch derzeit Aufnahme zu einem Arbeitstraining über BBRZ, laufende medikamentöse Therapie und regelmäßige Gesprächstherapie | 50 |
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern.
GdB liegt vor seit: 02/2012
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: aufgrund des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom (Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline Niveau) kann ein rückwirkender GdB 50% ab diesem Zeitpunkt bestätigt werden.
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten konnte eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht werden
Dauerzustand
Aufgrund dieses Sachverständigengutachtens wies das Finanzamt den am eingelangten Antrag vom mit Bescheid vom für den Zeitraum ab Juni 2014 ab. In der Begründung wurde lediglich ausgeführt: "Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin verwies der Erwachsenenvertreter neuerlich auf den Bestellungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***2*** vom . Der Grund der notwendig gewordenen Bestellung sei im Wesentlichen darin gelegen, dass die Betroffene aufgrund der schon in der Kindheit diagnostizierten Borderline-Erkrankung sich selbst nicht erhalten könne, keine Ausbildungs- sowie Kursmöglichkeiten des AMS vollständig gewesen wären und überhaupt keine Aussicht bestanden hätte, dass hier die Beschwerdeführerin ein selbstständiges Leben führen werde können. In der Vergangenheit habe sie ihr Leben lediglich durch die Unterstützung ihrer Pflegemutter ***13*** geschafft. Die Betroffene lebe nach wie vor bei ***13***, wobei es in den letzten Monaten verstärkt auch zu persönlichen Konflikten zwischen der Betroffenen und ihrer Pflegemutter gekommen sei. Aufgrund eines im Erwachsenenvertreterverfahren eingeholten Gutachtens des Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie Dr. ***14*** leide die Beschwerdeführerin seit ihrer Jugendzeit an einer Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline. Ein Verfahren wegen Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführer bei der PVA sei anhängig. Während des laufenden Beihilfenverfahrens habe sich die Beschwerdeführerin ursprünglich seit einigen Wochen wieder in einem Berufsbildungsprogramm des AMS befunden. Trotz intensiver medizinischer Betreuung und Zuspruch sowohl der Pflegemutter als auch des gerichtlichen Erwachsenenvertreters habe sie diesen Kurs wiederum abgebrochen. Seitens der Kursleitung werde in der beiliegenden Stellungnahme auf die problematische Situation hingewiesen und eine Langzeittherapie in Form einer stationären Aufnahme beispielsweise im Landesklinikum ***15*** empfohlen. Die Beschwerdeführerin selbst sei trotz diesbezüglicher Ermutigungen und Aufforderungen sowohl durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter als auch die Pflegemutter nicht dazu zu bewegen, sich einer derartigen stationären Behandlung zu unterziehen. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales- und Behindertenwesen ergäbe, sei dieses Gutachten von einer Allgemeinmedizinerin erstellt worden. Von der Beschwerdeführerin sei schon im Rahmen des Antragsvorbringens ganz konkret darauf hingewiesen worden, dass sie seit ihrer Jugend an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp mit depressiven Episoden leide. Zur tatsächlichen fachgerechten Beurteilung der Auswirkungen einer derartigen Persönlichkeitsstörung und dem damit verbundenen Grad der Behinderung wäre es aber notwendig gewesen, das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie beizuziehen. Es soll der in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen nicht die Qualifikation abgesprochen werden, jedoch sei diese keine auf dem Gebiet der Neurologie und Psychiatrie ausgebildete Fachärztin und daher nicht qualifiziert, hier ein aussagekräftiges Gutachten zu machen. Es werde daher beantragt, dem Beschwerdeverfahren einen Amtssachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie beizuziehen und diesen damit zu beauftragen, Befund und Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die ohnehin unstrittige Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline zu erstatten. Ein solches Fachgutachten werde zu Tage bringen, dass der Gesamtgrad der Behinderung noch wesentlich höher anzusetzen sei. Weiteres sei auch die Zeitangabe des Vorliegens der Behinderung seit Februar 2012 auf Basis des Gutachtens wenig nachvollziehbar. Die Gutachterin zitiere selbst bereits Krankheitsnachweise der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2003, 2007 und 2011. All diese medizinischen Unterlagen seien ein ganz klarer Hinweis darauf, dass die gegenständliche Persönlichkeitsstörung schon im Jugendalter vorgelegen sei (Beweis: Gutachten Dr. ***11*** vom ). Unrichtig sei auch die aus dem Gutachten gezogene Schlussfolgerung der Sachverständigen, wonach aus den biografischen Daten eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit ersichtlich sei und deshalb die Beschwerdeführerin voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Bereits im Antrag sei darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerdeführerin schon im Kindes- und Jugendalter ganz massive Probleme mit ihrer Persönlichkeit gehabt habe und die Krankheitssymptome vom Typ Borderline bereits damals vorgelegen wären. Darauf wiesen auch die von der Gutachterin selbst zitierten Unterlagen, nämlich das schulpsychologische Gutachten des Landesschulrats für Niederösterreich aus dem Jahr 2003, die psychodiagnostische Untersuchung der Dr. ***4*** aus dem Jahr 2007 sowie deren weitere psychodiagnostische Untersuchung samt Diagnose Persönlichkeitsstörung auf hohen "Borderline Niveau " aus dem Jahr 2011 hin. Dies zeige, dass der Krankheitszustand schon seit Kindes- bzw. Jugendalter bestehe und progredient sei (Beweis: Einvernahme der Pflegemutter ***PM***). Die von der Gutachterin angenommene "mehrjährige Selbsterhaltungsfähigkeit" liege de facto nicht vor. Die Pflegeeltern der Beschwerdeführerin, ***PV*** und ***13*** hätten (als sie noch verheiratet waren) ein Versicherungsbüro in ***16*** geführt. Die Pflegeeltern hätten die Beschwerdeführerin, als sie die Schule irgendwie geschafft hatte, als Lehrling im Betrieb angemeldet und ihr die Ausbildung zur Versicherungskauffrau ermöglicht. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin damals eine vom Land NÖ geforderte Unterstützung und Lernhilfe in der Berufsschule gehabt. Wie aber auch in der Anamnese dargestellt, sei die Beschwerdeführerin im Betrieb praktisch nicht einsetzbar und aufgrund ihrer Persönlichkeit nicht in der Lage gewesen, eine geregelte Arbeitsleistung zu erbringen. Unter Zuhilfenahme sämtlicher Ressourcen und persönlichen Anstrengungen sei es dann den Pflegeeltern zusammen mit der Betreuungseinrichtung gelungen, für die Beschwerdeführerin zumindest den Lehrabschluss zu bekommen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass eine solche Ausbildung einem Fremdvergleich in einem anderen Versicherungsbüro niemals standhalten würde. Der Beschwerdeführerin wäre es niemals möglich gewesen, in einem anderen Versicherungsbüro die Lehre positiv zu absolvieren. Dies sei allein "der Verdienst" der Pflegeeltern der Beschwerdeführerin gewesen, welche ihr diese Ausbildung ermöglichten, obwohl sie davon niemals etwas haben werde. Mit diesem Vorbringen und diesen Beweisergebnissen habe sich das Finanzamt in keiner Weise auseinandergesetzt und sei hier den unsubstantiierten Ausführungen der Sachverständigen unkritisch gefolgt. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass auch nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH eine zeitweise Selbsterhaltungsfähigkeit es nicht ausschließe, dass die Betroffene dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Gerade die nunmehrige Beschwerdeführerin sei ja geradezu ein "Vorzeigeobjekt" für derartige Umstände. Die teilweise vorgelegene Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin habe lediglich auf dem Papier bestanden und sei formell gewesen; im Endeffekt habe sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung in ihrem bisherigen Leben bis zum heutigen Tag keiner geregelten Arbeit nachgehen können. Im Hinblick auf diese Arbeitssituation der Beschwerdeführerin werde auch die Einholung eines berufskundigen Sachverständigengutachtens beantragt. Weiteres werde die nunmehrige Stellungnahme des BBRZ vorgelegt, welche ziemlich zur selben Zeit ergangen sei, als die Untersuchung der Sachverständigen stattgefunden habe. Abgesehen davon, dass der erste Absatz über die berufliche Laufbahn der Beschwerdeführerin nicht richtig sei, zeigten die restlichen Ausführungen ein klares Bild. Die Beschwerdeführerin habe darauf wieder einmal ohne Rücksprache mit der Pflegemutter oder dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter den Kurs beim BBRZ abgebrochen und somit das Arbeitstraining beendet. In der psychologischen Stellungnahme werde dringend empfohlen, dass sich die Beschwerdeführerin einer stationären Langzeittherapie unterzieht. Dies zeige, dass die Beschwerdeführerin entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht imstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe vorliegen würden.
Der Beschwerde war als Beilage eine Ablichtung des darin erwähnten Gutachtens des Dr. ***14***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom zur Frage angeschlossen, ob bei der Beschwerdeführerin eine psychische Krankheit oder eine vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit vorliegt, die dazu führt, dass sie einzelne oder bestimmte Arten von Angelegenheiten nicht mehr ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Darin wird unter anderem festgehalten:
Exploration der Betroffenen:
Die Betroffene sucht mich zum vereinbarten Termin in meiner Ordination auf.
Sie zeigt sich bezüglich Grund und Zweck der Untersuchung informiert und wird von mir diesbezüglich noch einmal eingehend informiert.
Sie selbst gibt an, dass sie der Meinung sei, dass es gut sei, wenn Herr Mag. ***SW*** ihr weiterhin als Erwachsenenvertreter zur Verfügung stehe.
Sie führt dazu aus, dass sie Schulden in der Höhe von 1.000 Euro gehabt habe und dass sie mit Internetbestellungen Schwierigkeiten gehabt habe. Es sei so gewesen, dass sie einfach zu impulsiven Käufen im Internet neige. Im Nachhinein erkenne sie dann, dass verschiedene Bestellungen überhaupt nicht notwendig gewesen wären. Sie habe sich dann in der Vergangenheit zu wenig um Mahnschreiben gekümmert, habe diese einfach liegen lassen, sodass dies dann zu ihren Problemen beigetragen habe.
Von der Betroffenen ist an biographischen Daten zu erheben, dass sie im Alter von drei Monaten zu Pflegeeltern gekommen sei. Sie habe Volksschule, Hauptschule sowie Polytechnischen Lehrgang absolviert. Dann habe sie im Familienunternehmen ihres Pflegevaters den Beruf als Versicherungskauffrau ausgelernt. Es sei jedoch im Weiteren so gewesen, dass sie verstärkt in Streit mit den Pflegeeltern gekommen sei, weshalb sie schließlich im Unternehmen des Pflegevaters nicht mehr weiter beschäftigt werden konnte.
Zuletzt habe sie jetzt einen Kurs beim AMS besucht. Es sei jedoch auch dort festgestellt worden, dass sie einfach nicht ausreichend belastbar sei, um einer Arbeit am freien Arbeitsmarkt nachgehen zu können.
Die Betroffene kann angeben, dass bei ihr die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gestellt wurde. Sie beschreibt diesbezüglich eine verstärkte Impulsivität und die Tendenz alles nur "schnell, schnell" zu machen. Sie neige dann zu verstärkter Aggressivität und sei in ihren Emotionen und Wünschen stark schwankend.
Es lässt sich von der Betroffenen erheben, dass sie aufgrund dieser Störung bei der Fachärztin für Psychiatrie Frau Dr. ***8*** in Behandlung stehe. Sie sei gegenwärtig auf das Antidepressivum Duloxetin 60mg sowie auf die Depot-Injektion Abilify 400mg Maintena eingestellt. Sie habe zuvor Abilify als Tabletten eingenommen, jedoch sei sie nach eigenen Angaben mit der Tabletteneinnahme "schlampig" gewesen.
Mit der Betroffenen kann besprochen werden, dass sie weiterhin Unterstützung bei finanziellen Angelegenheiten, bei Abschluss von Verträgen sowie bei Angelegenheiten mit Ämter, Behörden und Gerichten wünsche.
Sie kann konkret angeben, dass sie befürchte ohne entsprechender Unterstützung sonst in diesen Bereichen wieder in Schwierigkeiten zu geraten.
Aus dem Akt:
Entsprechend dem vorliegenden Akt wurde das Erwachsenenschutzverfahren auf Wunsch der Betroffenen selbst eingeleitet.
Dem beiliegenden Befund der Fachärztin für Psychiatrie Dr. ***5*** vom ist an Diagnose: "Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, mittelgradig depressive Episode" zu entnehmen.
Festgehalten wird, dass die Betroffene zuletzt drei Monate gearbeitet habe, jedoch nach der Probezeit gekündigt wurde.
Entsprechend dem Clearingbericht vom wird eine Fortsetzung des Verfahrens empfohlen. Für die ständige gerichtliche Erwachsenenvertretung werden die Einkommens- und Vermögensverwaltung, die Verbindlichkeiten, die Vertretung vor Ämter, Behörden und Sozialversicherungsträger und die Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern angeführt.
Psychischer Status:
Die Betroffene ist bei klarem Bewusstsein. Allseits gut orientiert. Gut kontakt- und rapportfähig. Ausreichend affizierbar. Stimmungsmäßig indifferent.
Gedankenductus formal und inhaltlich geordnet, mit ausreichenden mnestischen und kognitiven Fähigkeiten.
Es finden sich keine Hinweise auf akute Halluzinationen oder fixierte Wahnideen. Kein Hinweis auf eine derzeit bestehende akut suizidale Einengung.
Gutachten:
Grundlegend besteht bei Frau ***Bf1***, im Zusammenblick mit der Gesamtanamnese, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vom emotional instabilen Typ.
Auf Grund dieser Störung ist die Betroffene in ihrer gesamten Belastungsfähigkeit erheblich herabgesetzt, was sich auch in ihrem gesamten beruflichen Werdegang wiederspiegelt, wobei die Betroffene zuletzt nicht in der Lage war, mit den Anforderungen eines AMS-Kurses zurechtzukommen.
Die Betroffene selbst schildert eine Symptomatik mit erhöhter Impulsivität und verringernder Fähigkeit zum planend vorausschauenden Handeln.
Aus psychiatrischer Sicht stellt die bei der Betroffenen bestehende Borderline-Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ eine einer psychischen Krankheit vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit dar.
Es besteht hierdurch die Gefahr, dass die Betroffene im finanziellen Bereich durch impulsive Ausgaben und beim Umgang mit Ämtern, Behörden und Gerichten durch ihre verringerte Belastbarkeit und nicht einhalten von Terminen weitreichende Entscheidungen zu ihrem Nachteil trifft.
Sie bedarf daher aus psychiatrischer Sicht der Bestellung eines Vertreters für finanzielle Angelegenheiten, für den Abschluss von Verträgen, welche nicht durch sofortige Erfüllung erlöschen sowie für die Vertretung vor Ämter, Behörden und Gerichten.
Weiters war der Beschwerde eine Information der BBRZ Reha Gesellschaft mbH vom über den Prozessverlauf Arbeitstraining angeschlossen. Demzufolge hätte sich der Förderzeitraum vom bis erstreckt, wurde das Arbeitstraining jedoch am beendet. In dieser Information wurde ausgeführt:
Frau ***3*** trat mit ins Arbeitstraining in ***17*** ein. Sie absolvierte nach ihrer Pflichtschulzeit die Lehre zur Versicherungskauffrau und schloss diese im Jahre 2010 positiv ab. Ca. 7 Jahre arbeitete Frau ***3*** als Versicherungskauffrau im familiären Betrieb mit. Sie gab an, ihre letzte Tätigkeit sei im Lager bei der Fa. ***7*** gewesen, diese wurde jedoch nach kurzer Zeit aufgrund von Überforderung beendet. Seit Februar 2107 sei Frau ***3*** arbeitssuchend gemeldet.
Bei Frau ***3*** wurde eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (vom Borderlinetyp) verbunden mit einer rezidivierenden depressiven Episode diagnostiziert. Frau ***3*** ist medikamentös durch eine Depotspritze versorgt, die sie (weitgehend) regelmäßig von ihrer betreuenden FÄ für Psychiatrie bekommt.
Die Kundin präsentiert sich als introvertiert, arbeitet eher für sich allein. Ihren Kurskolleginnen gegenüber verhielt sie sich dennoch respektvoll und kollegial.
Von Beginn an hat Frau ***3*** mehrmals wöchentlich Termine (Arzt, Gericht, Erwachsenenvertreter, Polizei). Die zeitlichen Rahmenbedingungen einzuhalten fiel Frau ***3*** sehr schwer, sie schaffte nur selten einen ganzen Kurstag. Auch ärztliche Bestätigungen oder Bekanntgabe eines Krankenstandes oder Abwesenheiten kamen verzögert. Diesbezüglich wurde eine Arbeitsvereinbarung mit Punkten wie - unerlaubtes Fernbleiben von Unterrichten ohne konkrete Gründe, fehlende Bestätigung, Fernbleiben wegen privaten Angelegenheiten, fehlende Mitarbeiten im Unterricht, kein Erarbeiten von beruflichen Perspektiven usw. - formuliert.
Die Kundin gibt an sich immer wieder in Geldnot zu befinden, sie kauft über ihre finanziellen Verhältnisse ein. Seit kurzem verfügt Frau ***3*** über einen Erwachsenenvertreter für (so wie sie es formulierte) "finanzielle Angelegenheiten". Diesbezüglich nahm die Kundin regelmäßig Termine beim hausinternen Sozialdienst in Anspruch. Ebenso wurde die Anbindung an den externen Sozialdienst der ***30*** (Fr. ***18***, die Frau ***3*** schon langjährig begleitet) wiederaufgenommen.
Im gesamten Angebotsverlauf zeigt sich Frau ***3*** gedanklich orientierungslos, unkonzentriert und verlangsamt. Generell verfügt die Kundin über ein gutes, durchschnittliches kognitives Niveau, dennoch wirkt sie über den Tag hinweg gedanklich verwirrt und abwesend. Ihre Gedanken kreisen ständig ums wirtschaftliche Überleben, sie erledigt ihre privaten Angelegenheiten weiterhin im Unterricht und kann sich den Unterrichtsaufgaben und ihrer Berufsorientierung nur mangelhaft stellen. Ihre Beteiligungsintensität bei den internen Praktika war sehr gering.
Ein Anliegen der Kundin ist selbstständiges Wohnen, diesbezüglich wurde der "Verein ***41***" hinzugezogen - die Kundin ist vorgemerkt. Ein Wohn-/Tagesstruktur-Angebot im Raum NÖ "Aufwind" in ***19*** wäre für die Kundin mit psychischen Einschränkungen als begleitete Wohnform und Tagesstruktur passend. Solch eine externe Wohneinrichtung kann die Kundin aufgrund ihrer Hauskatzen nicht annehmen, hier sind Haustiere nicht erlaubt. Ihr Erwachsenenvertreter befürworte (It. Frau ***3***) die jetzige Wohnform, da Frau ***3*** sich hier die Miete erspart.
Auf erneutes Anraten einer Psychotherapie nimmt Frau ***3*** jetzt regelmäßig 1-mal monatlich einen Termin wahr - eine engmaschigere Gesprächstherapie auf einen mindestens 14-tägigen Rhythmus ist aufgrund ihrer momentanen Problemlage dringend zu befürworten.
Sie legte - trotz mehrmaligen Hinweisen - fast täglich weiterhin Arzt- und Behördentermine in die Kurszeit. Die durch das BBRZ vorgegebene Tagesstruktur würde ihr zwar guttun, dennoch war es ihr fast unmöglich einen Kurstag durch zu halten. Frau ***3*** sieht ein, dass eine engmaschigere, passendere Betreuung und Unterstützung für sie unumgänglich sein wird. Der stationäre psychotherapeutische Aufenthalt im Landesklinikum ***15*** scheint im Moment für die Kundin das Beste zu sein. Die Kundin nahm wieder regelmäßig(er) Termine beim Sozialdienst der ***30*** (Fr. ***18***) wahr. Fr. ***18*** weiß um die Dringlichkeit einer stationären psychiatrischen Behandlung, hat versichert, dass sie gemeinsam mit Fr. ***3*** einen Erstgesprächstermin vereinbaren werde und werde sie zum Vorstellungsgespräch im Landesklinikum ***15*** begleiten.
Frau ***3*** gibt an, dass es ihr sehr wichtig sei im Anschluss an die stationäre Psychotherapie die dortige Tagesklinik in Anspruch zu nehmen. Sie möchte eine längerfristige Möglichkeit, um ihre psychische Erkrankung intensiv bearbeiten zu können.
Als längerfristige Perspektive könnte die Arbeitstherapie der ***20*** eine Möglichkeit darstellen. Frau ***3*** weiß über die weitere Vorgehensweise Bescheid, eine Kontaktaufnahme zur ***21*** fand aufgrund der nichtvorhersehbaren Aufenthaltsdauer im Landesklinikum ***15*** noch nicht statt.
Auch im Abschlussgespräch am 22.08. versicherte Frau ***3*** erneut, dass sie die stationäre Therapie antreten möchte, und sich gemeinsam mit Frau ***18*** um die notwendigen Schritte kümmern wird. Ein Verbleib im Arbeitstraining erscheint aufgrund der massiven psychischen Erkrankung der Kundin nicht zielführend, weshalb der Vorschlag des engmaschigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Settings erarbeitet wurde.
Frau ***3*** wurde darüber informiert, sich am ersten Tag nach dem Kursende bei ihrer zuständigen RGS des AMS zu melden, und ihren Erwachsenenvertreter über das Kursende und auch über einen persönlichen Termin beim AMS zu informieren.
Vorschlag: LKT mit - Engmaschiges psychiatrisch-fachärztliches und psychotherapeutisches Setting in Form der stationären Langzeittherapie am LK ***15***
Daraufhin veranlasste das Finanzamt eine neuerliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durch das Sozialministeriumservice. Bei diesem führte am Dr. ***32***, Fachärztin für Psychiatrie, eine neuerliche Untersuchung der Beschwerdeführerin, die in Begleitung ihres Erwachsenenvertreters erschienen war, durch. Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde festgestellt:
Anamnese:
Kommt neuerlich zur FLAG-Untersuchung wegen einer Beschwerde gegen den Bescheid. VGA 08/2019: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung GdB 50v.H. seit 02/2012, Dauerzustand; GdB seit 02/2012
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten konnte eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht werden
BBRZ Abbruch 08/19 es wurde eine stationäre Psychotherapie und anschließend Tagesklinik empfohlen, ebenso wurde eine Kontaktaufnahme mit der ***21*** empfohlen. Beides wird von der AS verweigert, der Erwachsenenvertreter berichtet, dass sie alles ablehnt.
Psychiaterin Dr. ***8***: Kontrolle 1x/Monat;
Psychotherapie Frau ***22***: alle 21 Tage
Erwachsenenvertreter seit 04/19: Behörden, Ämter, Wohnsitz, finanzielle Belange
***30*** Sozialarbeiterin: alle 14 Tage
Bisher keine spielsuchtspezifische Therapie.
Derzeitige Beschwerden:
"Ich hab schon mal 3000 Euro in einer Nacht verspielt. Ich war eher ein Papakind, mit 12a war die Scheidung. Das hat mir den Rest gegeben. Ich bin durch Dornen gegangen oder hab mich aufgekratzt als Kind, wenn es geblutet hat, hat es für mich gepasst. Ich hab in der Jugend normal getrunken, Alkohol trink ich nicht. Ich habe Wutausbrüche und zwanghaftes ängstliches Verhalten, wo ich nicht mehr weiß was ich tu. Da passieren mir solche Sachen wie Diebstahl. Derzeit habe ich 3 Strafverfahren, ich hab einen Parfüm beim DM gestohlen. Ich hab kurzzeitig Angstzustände. Bei der Poststelle war es eine Katastrophe, es hat dort meine Mama, mein Papa und die jetzige Frau vom Papa gearbeitet, die Stimmung war schlecht. Es hat dann nicht mehr hingehaut, ich hab keine Mails gelesen. Jetzt hab ich mich halbwegs eingekriegt, ich bin überall gesperrt, ich schicke manchmal Leute rein um für mich zu spielen. Im ***42*** im Cafe redet mich wenigstens keiner an."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Abilify Maintena 400mg i.m. alle 28 Tage
Duroxetin 60mg 1-0-0
Psychotherapie
Sozialanamnese:
4a VS, 4a HS 3.Leistungsgruppe, mit Hauptschulabschluss, 1a Poly: Abschluss Lehre als Versicherungskauffrau in der Firma des Vaters, LAP 05/2010, dann AMS, mehrere Arbeitsversuche gestartet, wurde jedoch meist nach Probemonat abgebrochen, war z.B. bei der ***23***; circa 2012-04/2017: 30 Wochenstunden bei der Poststelle des Vaters gearbeitet, dann AMS gemeldet; 2017 Arbeitsversuch Firma ***7*** für 3 Monate, dann AMS; Rehageldantrag wurde gestellt, war schon bei der Untersuchung; BBRZ Arbeitstraining 04-08/2019: Sie absolvierte nach ihrer Pflichtschulzeit die Lehre zur Versicherungskauffrau und schloss diese im Jahre 2010 positiv ab. Circa 7 Jahre arbeitet Frau ***3*** als Versicherungskauffrau im familiären Betrieb, lebt in einer kleinen Wohnung im Haus der Pflegemutter, ledig, keine Kinder, kleiner Freundeskreis, Hobby: spielen, Admiral
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Bringt keine aktuellen antragsrelevanten Befunde seit VGA
Gutachten Dr. ***11*** : Grundlegend besteht bei Frau ***Bf1***, im Zusammenblick mit der Gesamtanamnese, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vom emotional instabilen Typ. Auf Grund dieser Störung ist die Betroffene in ihrer gesamten Belastungsfähigkeit erheblich herabgesetzt, was sich auch in ihrem gesamten beruflichen Werdegang wiederspiegelt, wobei die Betroffene zuletzt nicht in der Lage war, mit den Anforderungen eines AMS-Kurses zurechtzukommen. Die Betroffene selbst schildert eine Symptomatik mit erhöhter Impulsivität und verringernder Fähigkeit zum planend vorausschauenden Handeln.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: adipös; Größe: 165,00 cm Gewicht: 95,00 kg Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Rechtshänderin; Zn TE; Pulmo: Vesikuläres Atmen, keine Rasselgeräusche, 20 Zig/d; Cor: rein, rhythmisch, Haut: o.B.; Gesamtmobilität-Gangbild: Gang und Stand sicher
Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinslage klar, allseits orientiert, Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration unauffällig, Ductus kohärent, Tempo habituell, weder formale noch inhaltliche Denkstörungen, keine psychotische Symptomatik fassbar, Stimmungslage euthym, Affekt adäquat, Antrieb habituell, in beiden Skalenbereichen affizierbar, Schlaf gut, keine akute Suizidalität, kein Freud- und Interessensverlust
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden; Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Emotional instabile PersönlichkeitsstörungUnterer Rahmensatz berücksichtigt Impulsdurchbrüche und eine verminderte Belastbarkeit. Weiters besteht ein pathologisches Spielverhalten. Erwachsenenvertretung notwendig. Guter Kontakt zur Pflegemutter, kleiner Freundeskreis vorhanden. | 50 |
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der GdB des VGA wird bei gleichbleibender Symptomatik belassen.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
GdB liegt vor seit: 02/2012
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: laut VGA
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Wie im VGA beschrieben wurde eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht.
Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Nachuntersuchung indiziert, wenn die AS die empfohlenen Therapiemaßnahmen in Anspruch nehmen würde, könnte eine Stabilisierung erreicht werden.
Aufgrund dieses Gutachtens wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass zur Feststellung des Grades der Behinderung bzw. der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin zwei Sachverständigengutachten beim Sozialministeriumservice eingeholt worden wären. Im ersten Gutachten vom werde eine Behinderung im Ausmaß von 50% ab festgestellt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit werde nicht bescheinigt. Das zweite Gutachten vom komme zum gleichen Ergebnis wie das Vorgutachten. Die Beschwerdeführerin habe über ihr 21. Lebensjahr hinaus eine berufliche Tätigkeit ausgeübt und damit eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit über das 21. Lebensjahr hinaus erreicht.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem kein weiteres Vorbringen erstattet wurde.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.
Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde ***PV*** (Pflegevater der Beschwerdeführerin und unbeschränkt haftender Gesellschafter der Fa. ***31***, bei der die Beschwerdeführerin im Zeitraum bis beschäftigt war) gemäß §§ 169, 173 Abs. 1 und 269 BAO schriftlich als Zeuge einvernommen. Dieser gab zur Sache in seiner Stellungnahme vom an:
"Gemeinsam mit ihrem zweijährigen Halbbruder ***24*** habe ich gemeinsam mit meiner damaligen Gattin ***Bf*** im Alter von 8 Monaten als Pflegekind aufgenommen. Sie erlebte eine unbeschwerte Kindheit, trotz einiger Verhaltensauffälligkeiten und grober Lernschwächen, gelang ihr mit entsprechender Unterstützung 2007 ein positiver Schulabschluss.
Unter der Scheidung und meinem Auszug 2005 hat ***Bf*** sehr gelitten und ihre psychischen Probleme sind danach stärker geworden. Trotz intensiver AMS - Unterstützung mit diversen Förderkursen war es nicht gelungen einen Ausbildungsplatz zu finden.
Schließlich ergab sich über den Verein "***43***" die Möglichkeit eine Lehre zu beginnen, wenn sich ein passender Ausbildungsplatz findet. So haben wir einen Praxisplatz eingerichtet. Mit kräftiger Unterstützung des Vereins "***43***" (bis hin Lehrabschlussprüfung) hat ***Bf*** zur allerseitigen Überraschung die Ausbildung positiv abgeschlossen. Durch diesen Erfolg war sie so motiviert und schien so gefestigt, dass sie auf eigenen Beinen stehen wollend, sich bei der ***25*** Versicherung beworben hat. Dort wurde sie aber nach einigen Monaten, noch während der Einschulungsphase gekündigt. Kurz danach habe ich mich bei ihren damaligen Vorgesetzten (***26***) nach den Entlassungsgründen erkundigt. Die Antwort war ernüchternd und unvergesslich zugleich: "Was, die ***Bf*** ist mit dir verwandt? Das war ja die reinste Katastrophe, so etwas haben wir noch nie gehabt". So ist sie z.B.: während eines Kundentermins aufgesprungen und hat gefragt, wie lange das denn noch dauern würde, sie möchte jetzt nach Hause fahren.
Als 2012 die Postfiliale ***27*** geschlossen wurde haben wir die Postpartnerschaft übernommen. Dabei war eine wesentliche Überlegung damit für ***Bf*** einen geschützten Arbeitsplatz zu schaffen, da sie am freien Markt keine Chance hat. Die Postpartnertätigkeit soll ja neben der normalen Arbeit erledigt werden können. ***Bf*** war ausschließlich für die Post zuständig und wurde von bewährten Mitarbeiterinnen beaufsichtigt und unterstützt. Wegen ihrer mittlerweile amtlich attestierten Behinderung war eine Arbeitsplatzförderung zugesprochen worden, womit der Arbeitsplatz abgesichert war. Das zeitweise unmögliche Verhalten von ***Bf*** machte vielen Postkunden, aber auch ihren Mitarbeiterinnen zu schaffen. Es gab massive Beschwerden über die unfreundliche "Postdame" die man beim Handyspielen stört, wenn man ein Paket abholen will. Mit Hinweis auf unser Sozialmodell ließen sich einige beruhigen, andere kamen aber nicht mehr zu uns. Daran litt schließlich auch schon der Ruf unseres Maklerbüros. Als dann auch noch ein mehrere tausend € schwerer finanzieller Fehlbetrag auftauchte, musste das Modell beendet werden. Um eine fristlose Entlassung zu vermeiden einigte man sich auf eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses. Die Postpartnerschaft haben wir dann gekündigt.
Nach der Beschäftigung in unserem Büro ist mir nur eine kurze Tätigkeit im ***28*** erinnerlich, die aber noch innerhalb der Probezeit endete. Ich erinnere mich auch an einige kurze "Gastspiele" von ***Bf*** bei geschützten Einrichtungen (***30*** bzw. ***29***) die allesamt fatal endeten. Zeitlich kann ich das nicht mehr genau zuordnen, aber das lässt sich bei den Stellen sicher nachprüfen. Der Eindruck, dass ***Bf*** nicht arbeits- und selbsterhaltungsfähig ist, verstärkt sich zusehends. ***Bf*** würde meiner Meinung nach eine intensive Betreuung benötigen, die ihr weder meine Ex-Gattin noch ich zukommen lassen kann. Mittlerweile scheint auch der Psychosoziale Dienst mit ihr überfordert zu sein."
Vom Zeugen wurde der Ausbildungsvertrag vom , der vom Verein ***43*** Arbeit Gesellschaft mit der Beschwerdeführerin abgeschlossen worden war, beigelegt. Demnach erfolgte die Ausbildung im Rahmen einer besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtung gemäß § 30 Abs. 1 BAG idF BGBl. I Nr. 67/1997 im Lehrberuf Versicherungskauffrau. Ferner wurde die Ausbildungsvereinbarung zwischen dem Verein ***43*** Arbeit Gesellschaft und dem Unternehmen des Pflegevaters als Partnerbetrieb in Ablichtung übermittelt.
Daraufhin forderte das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom über das Finanzamt die neuerliche Erstellung eines Gutachtens durch das Sozialministeriumservice an. Begründet wurde dies wie folgt:
Im gegenständlichen Fall ist allein die Frage zu klären, ob die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und ob diese Unfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres (***33***) eingetreten ist.
In den vorliegenden ärztlichen Gutachten des Sozialministeriumservice vom und wurden diese Fragen verneint und wie folgt begründet: "aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten konnte eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht werden".
Diese Feststellung erscheint dem Bundesfinanzgericht aus den nachstehend angeführten Gründen nicht schlüssig, weshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einholung eines neuerlichen Gutachtens mit ergänzender Begründung zur Frage der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin erforderlich ist (z.B. Ro 2017/16/0009).
Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte. "Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich mittel- oder langfristig auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten ( RV/7105948/2019). Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass von einer beruflichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne, wenn eine Person lediglich aus karitativen Überlegungen oder zu therapeutischen Zwecken ohne Erwartung einer Gegenleistung wie ein Dienstnehmer behandelt wird ( 2002/15/0167 mit Hinweis auf 96/14/0159 und 95/14/0125).
Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2007 die Schulausbildung abgeschlossen. Die Versuche, anschließend eine Lehrstelle zu finden, scheiterten. Nach den Angaben des als Zeuge einvernommenen Pflegevaters war es trotz intensiver AMS-Unterstützung mit diversen Förderkursen nicht gelungen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Schließlich habe sich über den Verein "***43***" die Möglichkeit ergeben, eine Lehre zu beginnen, wenn ein passender Ausbildungsplatz gefunden werde. Aus diesem Grund wurde im Unternehmen des Pflegevaters (Fa. ***31***) ein Praxisplatz eingerichtet, sodass die Beschwerdeführerin dort ihre Lehrausbildung zur Versicherungskauffrau absolvieren konnte.
Die anschließenden Versuche, den erlernten Lehrberuf auszuüben, scheiterten. Tatsächlich wurde dieser Beruf auch in weiterer Folge nie ausgeübt. Die Feststellung in der Anamnese des Gutachtens vom , dass die Beschwerdeführerin nach Abschluss der Lehre "ca. 7 Jahre als Versicherungskauffrau im familiären Betrieb" gearbeitet habe, entspricht nicht den Tatsachen.
Im Jahr 2012 wurde die Postfiliale ***27*** geschlossen und die Postpartnerschaft vom Unternehmen des Pflegevaters übernommen. In dieser Poststelle wurde nach den Angaben des Pflegevaters für seine Pflegetochter (die Beschwerdeführerin) ein "geschützter Arbeitsplatz" geschaffen, da sie am freien Arbeitsmarkt "keine Chance" gehabt hätte. Bei dieser Tätigkeit sei sie von bewährten Mitarbeiterinnen beaufsichtigt und unterstützt worden. Wegen der "mittlerweile amtlich attestierten Behinderung" sei eine Arbeitsplatzförderung zugesprochen worden, womit dieser abgesichert gewesen sei. Das zeitweise "unmögliche Verhalten" seiner Pflegetochter habe nicht nur vielen Postkunden, sondern auch den Mitarbeiterinnen zu schaffen gemacht. Es habe massive Beschwerden über die unfreundliche "Postdame" gegeben, "die man beim Handyspielen stört, wenn man ein Paket abholen will". Mit Hinweis auf das Sozialmodell hätten sich einige beruhigen lassen, andere Kunden wären aber nicht mehr gekommen. Darunter hätte schließlich auch schon der Ruf seines Maklerbüros gelitten. Als dann auch noch ein mehrere tausend Euro schwerer finanzieller Fehlbetrag aufgetaucht sei, habe das Modell beendet werden müssen. Um eine fristlose Entlassung zu vermeiden, habe man sich auf eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses geeinigt. Die Postpartnerschaft sei dann gekündigt worden. Eine anschließende kurze Tätigkeit seiner Pflegetochter im Lager der Fa. ***7*** in ***16*** sei noch innerhalb der Probezeit beendet worden. Weitere kurze "Gastspiele" seiner Pflegetochter bei geschützten Einrichtungen (***30*** bzw. ***29***) hätten allesamt fatal geendet.
Bei dieser Sachlage ist es für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin angesichts der in beiden Gutachten festgestellten Persönlichkeitsstörung jemals fähig gewesen wäre, am freien Arbeitsmarkt einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, die sie in der Lage versetzen würde, sich ihren Lebensunterhalt auf Dauer selbst zu verdienen. In den vorliegenden Gutachten stützt sich das Sozialministeriumservice bei der Frage der Erwerbsfähigkeit allein darauf, dass die Beschwerdeführerin mehrere Jahre im Unternehmen des Pflegevaters beschäftigt gewesen sei. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass mit dieser Beschäftigung in der Poststelle nach den Angaben des Pflegevaters (Dienstgebers) nur ein "geschützter Arbeitsplatz" für die Beschwerdeführerin geschaffen werden sollte, da diese am freien Markt nicht vermittelbar sei. Diese Tätigkeit im Unternehmen ihres Pflegevaters war daher in erster Linie von karitativen Erwägungen getragen. Die Unvermittelbarkeit am freien Arbeitsmarkt wird auch in den Anamnesen der vorliegenden Gutachten und im darin zitierten Gutachten des Dr. ***11*** vom dokumentiert.
Für die Annahme, die Beschwerdeführerin wäre grundsätzlich mittel- oder langfristig auf dem regulären Arbeitsmarkt vermittelbar und so imstande, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten, fehlen somit nachvollziehbare Feststellungen in den vorliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice.
Im neuen Sachverständigengutachten vom wurde nach der in Anwesenheit des Erwachsenenvertreters bereits am durchgeführten Untersuchung festgestellt:
Anamnese:
Fragestellung: Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit. Psychische Beeinträchtigung (Borderline-Störung)?
Derzeitige Beschwerden:
Subjektive Beschwerden: herabgesetzte Belastbarkeit, hohes Schlafbedürfnis bei geringer Motivation; Stimmungsschwankungen und Impulsivität durch psychiatrische Medikation gebessert.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Erwachsenenvertreter, 14-tägig Wohn-Assistenz/***30***, psychiatrisch-fachärztliche Kontrollen mit Depot-Medikation monatlich (Dr.***8***: Abilify, Duloxetin, Quetialan bei Bedarf), Psychotherapie alle 3 Wochen.
Sozialanamnese:
Daten zur Person: Schulbesuch: VS und HS (3. LG); glaublich in der VS Legasthenie-Training, jedoch niemals SPF (bzw. ASO-Beurteilung);
Berufstätigkeit: Lehre zur Versicherungskauffrau im Betrieb der Eltern (integrativ mit Unterstützung von Verein ***43*** und 0-handicap); anschließend mehrjährige Anstellung im Betrieb der Eltern, zuletzt einige Jahre in einer eigens als "geschützter Arbeitsplatz" geschaffenen Postpartner-Stelle; Diverse Arbeitsversuche (jeweils einige Monate) bei Versicherungsanstalten (***25***, ***44*** sowie als Lager-Arbeiterin bei ***7*** und mehrere Arbeitstrainings bei der Emmaus-Gemeinschaft.
Private Lebensumstände: lebt in eigener Wohnung im Haus der (Pflege-) Mutter; Soziale Integration: subjektiv ausreichend; Körperliche Beschwerden: keine; psychiatrische Medikation: Abilify (monatliche Depot-Spritze), Duloxetin 90 mg täglich, bei Bedarf Quetialan.
Verhalten in der Untersuchungssituation: ausreichend orientiert und auskunftsfähig, jedoch tlw. konfus, kooperativ
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Psychologischer Befund Dr. ***35*** aus 03/2007 (sowie 2011): Durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit (IQ im PSB: 102), emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typ) F 60.3; Anpassungsstörung F 43.2.
VGA Dr. ***34*** aus 08/2019: Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Pos. 030402, GdB 50 % ab 02/2012; SelbtserhaltungsUNfähigkeit: NEIN ("aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten konnte eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht werden."
VGA Dr. ***36*** aus 12/2019: Pos. 030502, GdB 50%, "Wie im VGA beschrieben wurde eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht."
Aus dem Beschluss des BFG/Begründung: " .. Frage zu klären, ob die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauern außerstande ist …Unfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres ***33*** eingetreten ist… Einholung eines neuen Gutachtens mit ergänzender Begründung … Lehrausbildung zur Versicherungskauffrau absolvieren konnte… Die anschließenden Versuche, den erlernten Beruf auszuüben, scheiterten… Die Feststellung in der Anamnese des GA vom , dass die B. nach Abschluss der Lehre ca. 7 Jahre als Versicherungskauffrau im familiären Betrieb gearbeitet habe, entspricht nicht den Tatsachen; …"geschützter Arbeitsplatz geschaffen… Poststelle… Arbeitsplatzförderung zugesprochen worden… am freien Arbeitsmarkt nicht vermittelbar…".
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: unauffällig; Ernährungszustand: übergewichtig
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: psychol.seits nicht relevant
Gesamtmobilität - Gangbild: psychol.seits nicht relevant
Psycho(patho)logischer Status:
Untersuchungs-Verfahren: Klinisch-psychologische Exploration/Standard Progressive Matrices (SPM)/Subtests aus IST/Diagnost. Interview mit Begleitperson/ Interpretation relevanter Dokumente
Untersuchungsergebnisse und Interpretation:
Im SPM werden bei gegebenem Aufgabenverständnis, weitgehend angemessenem Arbeitstempo sowie guter Anstrengungsbereitschaft 45 Aufgaben richtig gelöst; das Ergebnis entspricht einem IQ von 89.
Im Versuch mit dem IST-Subtest RA (praktisch-rechnerische Aufgaben) wird ein SW von 82 entsprechend IQ 73 erreicht (Hinweise auf Rechenschwäche).
Im Versuch mit dem IST-Subtest SE (verbale Aufgaben) erfolgt Lesen korrekt mit gegebenem Sinnverständnis, es wird ein SW von 88 (entsprechend IQ 82) erreicht.
In der Exploration berichtet die Pb. an subjektiven Beschwerden herabgesetzte Belastbarkeit und derzeit hohes Schlafbedürfnis bei geringer Motivation; Stimmungsschwankungen und Impulsivität seien durch die psychiatrische Medikation gebessert, das früher angebebene pathologische Spielverhalten sei durch Einsatz des Sachwalters beendet worden.
Zur Alltagsbewältigung besteht neben der Unterstützung durch die Eltern und den Erwachsenenvertreter eine 14-tägige Wohn-Assistenz durch die ***30*** (Fr. ***18***). Psychiatrisch-fachärztliche Kontrollen mit Depot-Medikation (Dr. ***8***) finden ca. monatlich statt, ferner Psychotherapie (Fr. ***22***) alle 3 Wochen. Die Pb. gibt an, dass diese Unterstützungsmaßnahmen jeweils seit mehreren Jahren etabliert sind und die Bereiche (Facharzt, Psychotherapie) davor bereits von anderer Stelle abgedeckt wurden.
(Psychiatrische Behandlung in Kindheit/Jugend durch Dr. ***12*** (Emotionale Störung des Kindes-und Jugendalters, F 93.8); die Familie wurde seit Errichtung der Pflegestelle durchgehend durch das Jugendamt unterstützt.
Zuletzt war der Besuch eines AMS-Kurses aus psychischen Gründen nicht möglich; derzeit ist Teilnahme an einer psychiatrischen Tagesklinik (KH ***15*** oder ***37***) für einige Monate geplant.
Zusammenfassendes Gutachten:
Bei intellektuellen Leistungen, welche im nonverbalen, bildungsunabhängigen Testverfahren einem IQ von knapp 90 entsprechen und in bildungsabhängigen Subtests im verbalen Bereich bei IQ um 82 und im rechnerischen Bereich bei IQ um 73 liegen, besteht klinisch-psychologischerseits bei prämorbid durchschnittlicher intellektueller Begabung eine leichtgradige psychisch bedingte Leistungseinschränkung sowie eine Rechenschwäche.
Im psychischen Bereich besteht eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typ) mit rezidivierenden depressiven und impulsiven Phasen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typ) mit depressiven Phasen und leichtgradiger Leistungseinschränkung. Unterer Rahmensatz, da durch gut-durchschnittliche Begabung und Unterstützungs-maßnahmen tlw. Stabilisierung möglich ist. | 50 |
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Im Vergleich zum VGA Dr. ***36*** aus 12/2019 (GdB 50%) wird keine Änderung im GdB vorgenommen, es wird jedoch zu Pos 030402 (wie VGA Dr. ***34*** aus 08/2019) zurückgekehrt.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
GdB liegt vor seit: 02/2012
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Siehe VGA Dr. ***34*** aus 08/2019.
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Klinisch-psychologischerseits besteht ein hochgradiger Unterstützungsbedarf zur Alltagsbewältigung, wie anhand der massiven Unterstützungsmaßnahmen, welche nachweislich in den letzten Jahren sowie glaubhaft bereits seit der Kindheit bestehen, ersichtlich ist. Im Bemühen um berufliche Integration wurde im elterlichen Betrieb eine Lehrstelle eingerichtet und durch unterstützende Vereine eine integrative Lehre absolviert, im Anschluss wurde ein geschützter Arbeitsplatz errichtet (Feststellungsbescheid, Lohnkostenzuschuss) und bei glaubhaftem Entgegenkommen des Arbeitgebers (Pflegevater) dort eine mehrjährige Berufstätigkeit absolviert, welche von diversen (gescheiterten) Versuchen der Unabhängigkeit und Selbständigkeit im Sinne von Arbeitsversuchen bei anderen Arbeitgebern sowie Arbeitstrainings bei der Emmaus-Gemeinschaft unterbrochen wurde. Mit dem Erwachsenenvertreter wurde besprochen, dass bis 09/2020 Nachweise nachgereicht werden können, welche die Unfähigkeit der A., auf einem anderen als dem eigens eingerichteten Arbeitsplatz im Sinne einer Selbsterhaltungsfähigkeit zu arbeiten, belegen sollen. Nachgereicht wurden jedoch lediglich ein Schulpsychologischer Befund (1. HS-Klasse: Lese-Rechtschreibschwäche) und ein Clearing-Bericht aus 2007 ("Pubertätskrise eines Pflegekindes") sowie ein Schreiben der Pflegemutter. Somit konnten die vereinbarten Belege nicht beigebracht werden. Vom klinisch-psychologischen Standpunkt ist somit nicht erwiesen, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit behinderungsbedingt noch nicht erreicht wurde, da die Antragstellerin mehrere Jahre auf einem eigens errichteten geschützten Arbeitsplatz in einem Ausmaß von 40 WS beschäftigt war (Lohnkostenzuschuss als Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahme) und Pensionsansprüche erworben hat.
Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Besserung ist psychologischerseits bei Fortsetzung und Ausweitung der Unterstützungsmaßnahmen (psychiatrische Tagesklinik geplant) noch nicht gänzlich ausgeschlossen."
In einer Stellungnahme vom führte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin zu diesem neuen Gutachten aus:
"1. Das nunmehr vorliegende Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen geht - soweit für den gerichtlichen Erwachsenenvertreter nachvollziehbar - davon aus, dass der festgestellte Grad der Behinderung von 50% seit Februar 2012 und somit vor Vollendung des 21. Lebensjahres der Beschwerdeführerin vorliegt. Darüber hinaus kommt die Gutachterin zur Auffassung, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Gleichzeitig geht das Gutachten aber davon aus, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Aus Sicht des gerichtlichen Erwachsenenvertreters wird eine Erklärung dafür nicht abgegeben, zumal - wie zuvor dargestellt - sogar nach Ansicht der Gutachterin die Behinderung seit Februar 2012 vorliegt.
2. Wenig verständlich ist auch der letzte Absatz des Gutachtens, wenn davon die Rede ist, dass vom klinisch-psychologischen Standpunkt nicht erwiesen sei, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit behinderungsbedingt noch nicht erreicht worden sei, da die Beschwerdeführerin mehrere Jahre auf einem eigens errichteten geschützten Arbeitsplatz in einem Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt gewesen sei. Diese Ausführungen stehen nach Auffassung der Beschwerdeführerin in Widerspruch damit, dass die Gutachterin selbst davon ausgeht, dass der Grad der Behinderung bereits seit Februar 2012 vorliegt und eben keine Selbsterhaltungsfähigkeit jedenfalls ab diesem Zeitraum bestehe.
3. Darüber hinaus ergibt sich aus dem bis dato abgeführten Beweisverfahren, wie auch schon im Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom dargestellt, wie sich auch nunmehr nach Auffassung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters durch die kurze schriftliche Stellungnahme der Pflegemutter ***13*** bestätigt und auch aus den mit Schreiben des gerichtlichen Erwachsenenvertreters vom übermittelten Unterlagen ganz eindeutig, dass eben im Sinne der Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes im genannten Beschluss lediglich ein "geschützter Arbeitsplatz" durch die Pflegeeltern geschaffen wurde und diesem nicht mehr als karitative Überlegungen zu Grunde lagen und wohl auch therapeutische Maßnahmen darstellten. Die Pflegeeltern unternahmen alles menschenmögliche, um ihrer Tochter eine Ausbildung zu ermöglichen und diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren. All diese Bemühungen und Versuche schlugen aber schließlich fehl. Aus dem Beweisergebnis ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung am freien Arbeitsmarkt niemals in der Lage war, hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
4. Wenig nachvollziehbar ist auch die bereits dargelegte Annahme im Gutachten, wonach die gesundheitliche Beeinträchtigung und die daraus resultierende Behinderung seit Februar 2012 vorliegt. Dies wird im Gutachten selbst auch gar nicht begründet. Es liegen eine Vielzahl an Beweisergebnissen vor, aus denen sich geradezu evidentermaßen ergibt, dass die Behinderung der Beschwerdeführerin wesentlich früher eingetreten ist. Mag dies in der Schulzeit noch als Lernschwäche, als verzögerte Reife oder ähnliches angesehen worden sei, so spricht schon Dr. ***4***, Fachärztin für klinische Psychologie in ihrer Begutachtung vom von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline-Niveau und einer Anpassungsstörung.
5. Aufrecht hält die Beschwerdeführerin daher auch ihren Antrag auf Einvernahme der Pflegemutter ***13***, da diese die Entwicklung und die gesundheitliche Beeinträchtigung und die Probleme der Beschwerdeführerin als Pflegemutter wohl am besten darstellen kann. Weiters wird auch beantragt, dass der Pflegschaftsakt des BG ***2*** beigeschafft wird. Der gerichtliche Erwachsenenvertreter und auch ***Bf1*** selbst sind ausdrücklich mit der Beischaffung dieses Aktes einverstanden. Aus diesem Akt ergeben sich - zumindest nach Darstellung von ***13*** - auch eine Vielzahl von Hilfestellungen, die von der BH ***2*** als Jugendwohlfahrtsträger hier den Pflegeeltern und ***Bf1*** zur Verfügung gestellt wurden."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Für die Beschwerdeführerin ist ein Erwachsenenvertreter bestellt, der für diese den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung eingebracht hat (vorgelegte Teile des Verwaltungsaktes).
Die am x.1992 geborene Beschwerdeführerin hat vier Jahre die Volksschule, vier Jahre die Hauptschule und ein Jahr die polytechnische Schule besucht (Sozialanamnese im Gutachten vom ).
Die Suche einer Lehrstelle (am freien Lehrstellenmarkt) verlief nicht erfolgreich (Anamnese im Gutachten vom ). In der Zeit vom bis wurde im Betrieb der Pflegeeltern, die ein Versicherungsmaklerbüro betrieben haben, mit Unterstützung des Vereins ***43*** Arbeit Gesellschaft und des NÖ Landesvereins 0>Handicap eine integrative Lehre zur Versicherungskauffrau absolviert und die Lehrabschlussprüfung am erfolgreich abgelegt (Anmerkungen in der Beihilfendatenbank; Sozialanamnese im Gutachten vom ; Zeugenaussage sowie vorgelegte Unterlagen des Pflegevaters).
Mehrere Arbeitsversuche am regulären Arbeitsmarkt scheiterten (Anamnesen im Gutachten vom und vom ). So hatte sich die Beschwerdeführerin um einen Arbeitsplatz bei der ***23*** Versicherung beworben, wurde dort aber noch während der Einschulungsphase gekündigt (Zeugenaussage des Pflegevaters; Anmanese im Gutachten vom ). Laut den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Lohnzetteldaten dauerte das Beschäftigungsverhältnis nur vom bis .
Laut Lohnzetteldaten wurde die Beschwerdeführerin ab dem in der vom Unternehmen ihres Pflegevaters betriebenen Poststelle ***27*** beschäftigt. Dabei handelte es sich um einen für die Beschwerdeführerin geschaffenen "geschützten Arbeitsplatz", zu dessen Erhaltung ein Lohnkostenzuschuss gewährt wurde (Sozialanamnese und Anmerkungen zur Erwerbsfähigkeit im Gutachten vom ; vgl. auch Sozialanamnesen in den Vorgutachen; Zeugenaussage des Pflegevaters).
Am ***33*** vollendete die Beschwerdeführerin das 21. Lebensjahr.
Laut Lohnzetteldaten und aktenkundigem Versicherungsdatenauszug endete die Beschäftigung auf dem geschützten Arbeitsplatz in der Poststelle des Pflegevaters am . Laut den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Lohnzetteln hatte es sich bei dieser Tätigkeit - entgegen den Ausführungen im Gutachten vom - um keine Vollzeitbeschäftigung (40 Wochenstunden) gehandelt, sondern lediglich um eine Teilzeitbeschäftigung.
Anschließend von der Beschwerdeführerin unternommene Versuche, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, scheiterten (Sozialanamnese und Anmerkungen zur Erwerbsfähigkeit im Gutachten vom ; Zeugenaussage des Pflegevaters). Ein Arbeitsversuch in einem Lager der Fa. ***7*** dauerte nur vom bis (Lohnzetteldaten, Versicherungdatenauszug; Zeugenaussage des Pflegevaters).
Zur festgestellten Erkrankung der Beschwerdeführerin (emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die oben zitierten Befunde und Gutachten verwiesen. Der Eintritt der Erkrankung wurde rückwirkend ab Februar 2012 festgestellt. Diese Feststellung fußt offenkundig auf dem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom , welches im Gutachten vom zitiert wird, und in dem eine Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline-Niveau diagnostiziert wurde. Soweit ersichtlich handelt es sich beim Gutachten vom um das erste ärztliche Gutachten, in dem die Erkrankung der Beschwerdeführerin festgestellt worden war. Eine gleichlautende Diagnose war zwar bereits im psychologischen Gutachten der Dr. ***35*** vom gestellt worden; dabei handelte es sich allerdings um kein ärztliches Gutachten.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den oben jeweils zitierten Aktenteilen und Beweismitteln. Der wesentliche Inhalt der Zeugenaussage des Pflegevaters wurde den Verfahrensparteien im Beschluss vom zur Kenntnis gebracht.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Rechtslage
Das FLAG 1967 normiert in seinen §§ 6 und 8 auszugsweise (soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung):
Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
…
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, …
Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist (§ 6 Abs. 4 FLAG).
Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).
Gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt sich der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
Die Familienbeihilfe erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um den dort angeführten Betrag (Erhöhungsbetrag).
Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967).
Erwägungen
Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, wann die im Sachverständigengutachten vom festgestellte voraussichtlich dauernde Unfähigkeit der Beschwerdeführerin, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, eingetreten ist.
Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG hat der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde grundsätzlich an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (z.B. mwN; ; ). Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in einer Reihe von Erkenntnissen die Auffassung vertreten, dass die der Entscheidung nach § 8 Abs. 6 FLAG zu Grunde zu legenden Gutachten den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen haben, sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen dürfen, und dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens die Beweiskraft vorliegender Gutachten zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen haben ( mit Hinweis auf ; ).
Das Verwaltungsgericht ist aber nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall seiner Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen. Nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , kann von solchen Gutachten nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" auch abgegangen werden (z.B. ).
In der Entscheidung , hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Judikatur, wonach eine mehrjährige berufliche Tätigkeit des Kindes die für den Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, widerlege, im Rahmen der durch das Bundesgesetz, BGBl. I 2002/105, geschaffenen neuen Rechtslage (ab ) keinen Anwendungsbereich mehr habe. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von der durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 700/07).
Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass sowohl eine Gutachtensergänzung als auch ein neues Gutachten lediglich Beweismittel darstellen würden, deren Richtigkeit und Schlüssigkeit von der antragstellenden Partei bekämpft werden könne. Auch die Berufungsbehörde sei nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall ihrer Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 700/07, könne von solchen Gutachten nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung auch abgegangen werden (im gleichen Sinne auch ).
Das Bundesfinanzgericht ist daher nicht in jedem Fall an die Gutachten des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice) gebunden, sondern kann von diesen nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung auch abgehen.
§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG stellt darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt ().
Wie bereits im Beschluss vom ausgeführt, ist Selbsterhaltungsfähigkeit nur gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte. "Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich mittel- oder langfristig auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten. Eine bloße Beschäftigungsmöglichkeit in einer "geschützten Behindertenwerkstätte" führt nicht zu einer Selbsterhaltungsfähigkeit, da sich das Kind in diesem Fall den Unterhalt nicht selbst verschafft, sondern durch staatlich oder karitativ finanzierte Einrichtungen alimentiert wird ().
In den ersten beiden Gutachten ging das Sozialministeriumservice davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine mehrjährige durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht hätte. Dazu wurde im zweiten Gutachten unzutreffender weise festgestellt, dass sie nach positivem Abschluss der Lehre ca. sieben Jahre lang als Versicherungskauffrau im familiären Betrieb gearbeitet habe. Im Beschluss vom wurde das Sozialministeriumservice darauf hingewiesen, dass diese Feststellung nicht den Tatsachen entsprechen würde. Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin den erlernten Beruf - von gescheiterten Arbeitsversuchen abgesehen - nie ausgeübt. Die Beschwerdeführerin war zwar mehrere Jahre auf dem geschützten Arbeitsplatz in der Poststelle im Unternehmen ihres Pflegevaters tätig. Dabei handelte es sich aber um keine Tätigkeit, die mit einer regulären Erwerbstätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt vergleichbar wäre. Sowohl die gescheiterten Arbeitsversuche auf dem ersten Arbeitsmarkt, als auch die Aufnahme der Tätigkeit auf dem geschützten Arbeitsplatz erfolgten bereits vor dem ***33***, an dem die Beschwerdeführerin ihr 21. Lebensjahr vollendete.
Im dritten Gutachten wird ausgeführt, es sei vom klinisch-psychologischen Standpunkt nicht erwiesen, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit behinderungsbedingt vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht erreicht worden sei, "da die Antragstellerin mehrere Jahre auf einem eigens eingerichteten geschützten Arbeitsplatz beschäftigt gewesen" sei. Aus der Beschäftigung auf einem solchen geschützten Arbeitsplatz, der vom Pflegevater mit Unterstützung der genannten Vereine eingerichtet wurde, kann aber gerade nicht abgeleitet werden, dass damals eine Selbsterhaltungsfähigkeit vorgelegen wäre und die Beschwerdeführerin mittel- oder langfristig auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar gewesen wäre.
Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Beschwerdeführerin oder ihres Vertreters, im Untersuchungsverfahren vor dem Sozialministeriumservice nicht näher definierte "Nachweise" vorzulegen, welche die Erwerbsunfähigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt belegen sollen. Hat das Gutachten des Sozialministeriumsservice die Frage zu beantworten, ob eine Person wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, muss das Gutachten daher erstens feststellen, ob die Person auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und zweitens, ob die für diese Erwerbsunfähigkeit kausale körperliche oder geistige Behinderung vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten eingetreten ist. Diese Feststellung darf sich aber nicht in einer bloßen Behauptung erschöpfen, sondern muss sich mit den vorliegenden Beweismitteln so auseinandersetzen, dass dies für den Antragsteller, die belangte Behörde und das Gericht auch nachvollziehbar ist. Insbesondere muss eine gutachterliche Auseinandersetzung mit den aktenkundigen Befunden aus medizinischer Sicht erfolgen und ist vom Sozialministeriumsservice in einer Zusammenschau aller Beweismittel zu begründen, warum eine vom Sozialministeriumsservice diagnostizierte, einer selbständigen Unterhaltsverschaffung entgegenstehende Behinderung vor oder nach dem im Gesetz genannten Zeitpunkt eingetreten ist (vgl. ). Es zählt daher zur Kernaufgabe der Ärzte des Sozialministeriumservice, aus vorgelegten ärztlichen Befunden und der erhobenen Anamnese aufgrund des medizinischen Fachwissens die Schlussfolgerung zu treffen, zu welchem Zeitpunkt die festgestellte Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltsdurch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).
Zur Begründung der im dritten Gutachten festgestellten voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde ausgeführt, dass "klinisch-psychologischerseits ein hochgradiger Unterstützungsbedarf zur Alltagsbewältigung bestehe, wie anhand der massiven Unterstützungsmaßnahmen, welche nachweislich in den letzten Jahren sowie glaubhaft bereits seit der Kindheit bestehen, ersichtlich ist". Ferner wurde auf die Tätigkeit auf dem geschützten Arbeitsplatz und die gescheiterten Arbeitsversuche bei anderen Arbeitgebern verwiesen. Nicht anders stellte sich die Situation aber im Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres dar: bereits zu diesem Zeitpunkt hatte die Beschwerdeführerin gescheiterte Arbeitsversuche auf dem regulären Arbeitsmarkt hinter sich und war sie auf dem geschützten Arbeitsplatz tätig. Es ist daher unschlüssig im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn bei unverändertem Sachverhalt derzeit die Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, verneint wird, und gleichzeitig für den Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres diese Fähigkeit bejaht wird.
Abschließend wird im Gutachten zur Feststellung, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht erreicht worden sei, ausgeführt: "Vom klinisch-psychologischen Standpunkt ist somit nicht erwiesen, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit behinderungsbedingt noch nicht erreicht wurde, da die Antragstellerin mehrere Jahre auf einem eigens errichteten geschützten Arbeitsplatz … beschäftigt war."
Zum einen wird daher der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nur auf dem geschützten Arbeitsplatz längerfristig einsetzbar war, als Begründung für die Feststellung der bestehenden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, herangezogen. Zum anderen wird gerade diese längerfristige Tätigkeit auf dem geschützten Arbeitsplatz als Begründung dafür verwendet, dass die genannte Unfähigkeit im Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres am ***33*** noch nicht vorgelegen sein soll; unschlüssiger kann eine Begründung wohl kaum mehr sein.
Insgesamt gesehen schließt sich daher das Bundesfinanzgericht der Feststellung des Sozialministeriumservice an, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sieht es jedoch als ausreichend erweisen an, dass diese "Selbsterhaltungsunfähigkeit" auch bereits am ***33*** (Vollendung des 21. Lebensjahres) vorlag, da bereits zu diesem Zeitpunkt Arbeitsversuche auf dem regulären Arbeitsmarkt gescheitert waren und ein längerfristiger Einsatz der Beschwerdefüherin nur auf dem von ihrem Pflegevater in seinem Unternehmen eingerichteten geschützten Arbeitsplatz möglich war.
Der Beschwerdeführerin steht erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2014 (gemäß § 10 Abs. 3 FLAG fünf Jahr rückwirkend ab Antragstellung) zu. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben, da das FLAG keine bescheidmäßige Zuerkennung der Familienbeihilfe kennt (Lenneis/Wanke, FLAG, § 12 Tz 5), sondern bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Anspruchsberechtigte eine Mitteilung des Finanzamtes im Sinne des § 12 FLAG erhält (vgl. auch Lenneis/Wanke, FLAG § 13 Tz 224). Das Finanzamt hat daher nach Aufhebung eines Abweisungsbescheides gemäß § 13 FLAG die Familienbeihilfe auszuzahlen (Wanke/Unger, BFGG, § 25 Anm 4; vgl. auch § 282 BAO, der die Abgabenbehörde verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen; ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Prüfung der Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice im konkreten Fall kommt keine über den Einzelfall hinausgehende und damit keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu. Dass das Bundesfinanzgericht nicht in jedem Fall an die Gutachten des Bundessozialamtes (Sozialministeriumservice) gebunden ist, sondern von diesen nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung auch abgehen kann, entspricht der oben dargestellten Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100611.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at