Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2021, RV/7100762/2020

Mantelkauf: wirtschaftliche Änderungen durch wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/13/0007. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Vorsitzenden Dr. Hans Blasina sowie die weiteren Senatsmitglieder Dr. Sebastian Pfeiffer, LL.M., Dr. Franz Kandlhofer sowie Gregor Ableidinger in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Grant Thornton IBD Austria GmbH & Co KG Steuerberatungsgesellschaft, Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße 1/Top 13, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017 und Körperschaftsteuer Gruppe 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde von der belangten Behörde der Mantelkauftatbestand als erfüllt angesehen. Strittig ist das Vorliegen wirtschaftlicher Änderungen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Allgemeines

Die beschwerdeführende Gesellschaft ***Bf*** (in der Folge Bf.) wurde als ***1*** GmbH am von Prim. Univ.-Prof. Dr. ***2*** gegründet. Prof. ***2*** hielt sämtliche Geschäftsanteile dieser GmbH.

Mit gingen 99% der Anteile auf Univ.-Prof. Dr. ***3*** über. Am wurden 1% der Anteile auf Dr. ***4*** übertragen.

Am wurden 29,7% der Anteile von Prof. Dr. ***3*** auf Dr. ***5*** übertragen.

Der Unternehmensgegenstand vor dem Verkauf der Geschäftsanteile bestand größtenteils aus vermögensverwaltenden Tätigkeiten:

"Der Gegenstand des Unternehmens ist:

  1. Die Vermietung von Wirtschaftsgütern

  2. Die Beratung (Consulting) von Unternehmen in Bezug auf Betriebsführung, Investitionen, Marketing und Organisation

  3. Die Beteiligung an Unternehmen jeder Art ausgenommen Bankgeschäfte iSd Kreditwesengesetzes.

  4. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die der Erreichung des Geschäftszweckes dient".

Der tatsächliche Geschäftsgegenstand vor Veräußerung der Anteile wurde dadurch erfüllt, dass Räumlichkeiten und medizinische Geräte an die folgenden zwei Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden:

  1. ***6*** GmbH

  2. ***7*** OG

Diese beiden Unternehmen führten die medizinischen Leistungen operativ durch.

Nach Veräußerung der Geschäftsanteile wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefasst. Als Unternehmensgegenstand gilt: "

  1. Die Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen der Berufsbefugnis einer Gruppenpraxis für Radiologie, einschließlich Hilfstätigkeiten und mit der Berufsbefugnis der Gruppenpraxis im direkten Zusammenhang stehende Tätigkeiten von Angehörigen anderer Gesundheitsberufe.

  2. Die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens

  3. Die Tätigkeit der Gruppenpraxis ist auf die vorgenannten Zwecke beschränkt

  4. Die Berufsbefugnis der Gesellschaft ergibt sich gemäß § 52a Absatz 3 Ziffer 4 ÄrzteG aus der Berufsberechtigung der an der Gruppenpraxis als Gesellschafter beteiligten Ärzte. Berufssitz der Gruppenpraxis ist ***Bf-Adr***".

Die Bf. führt im Lichte des neuen Unternehmensgegenstandes ab 2014 die medizinischen Leistungen nunmehr selbst durch: Die ***7*** OG wurde in die Bf. eingebracht; mit der ***6*** GmbH (seit 100%ige Tochter der Bf.) besteht eine Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988.

Elemente des Mantelkaufs

Organisatorische Änderungen

Bis zum fungierte als Geschäftsführer der Bf. Dr. ***2***. Ab wurde Dr. ***3*** zum Geschäftsführer bestellt.

Gesellschaftliche Änderungen

Mit wurden 99% der Geschäftsanteile der Bf. von Dr. ***2*** an Dr. ***3*** veräußert. Am wurde 1% der Geschäftsanteile der Bf. von Dr. ***2*** an Dr. ***4*** veräußert.

Wirtschaftliche Änderungen

Der tatsächliche Unternehmensgegenstand der Bf. war vor 2014 eine vermögensverwaltende Tätigkeit, die in der Zurverfügungstellung (Überlassung) von Räumlichkeiten und medizinischer Ausrüstung bestand. Ab 2014 wird die Bf. selbst operativ im medizinischen Bereich tätig. Damit einhergehend wurden Mitarbeiter eingestellt, die - aufgrund der Vermögensverwaltung - zuvor nicht notwendig waren.

Vor der Neustrukturierung lukrierte die Bf. jährliche Gesamteinnahmen von rund 220.000 Euro. Diesen Einnahmen standen hohe Ausgaben (Abschreibungen auf Sacheinlagen, sonstige betriebliche Aufwendungen, etc.) entgegen, weshalb bei der Bf. Verlustvorträge in Höhe von 848.666,19 Euro vorhanden sind. Ab dem Jahr 2014 betrugen die jährlichen Einnahmen rund 1,5 Mio Euro. Diese Einnahmen sind hauptsächlich auf den Röntgenbetrieb zurückzuführen. Der Vermietungsumsatz ging auf rund 40.000 € pro Jahr zurück. Damit verminderte sich der Vermietungsanteil vom Gesamtumsatz von 100% auf 2,7%. Flächenmäßig bezogen verringerte sich die Vermietung von 100% auf 20%.

Eine vermögensverwaltende Tätigkeit wurde auf eine operative Tätigkeit umgestellt.

Zeitlicher Aspekt

Die organisatorischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Änderungen erfolgten innerhalb weniger Wochen. Auch ein planmäßiger Zusammenhang ist zwischen den einzelnen Änderungen zu erkennen.

Beweiswürdigung

Allgemeines

Die Gründung der Bf. als ***Bf_vormals*** ergibt sich aus der aktenkundigen Gründungsurkunde vom . Aus dieser Urkunde ergibt sich auch, dass Dr. ***2*** sämtliche Anteile dieser Kapitalgesellschaft übernahm.

Dass mit 99% der Anteile der Bf. von Dr. ***2*** auf Dr. ***3*** übergingen, ergibt sich aus dem aktenkundigen Abtretungsvertrag vom .

Dass mit 1% der Anteile der Bf. von Dr. ***2*** auf Dr. ***4*** übergingen, ergibt sich aus dem aktenkundigen Abtretungsvertrag vom .

Der Unternehmensgegenstand vor Veräußerung der Anteile ergibt sich aus der aktenkundigen Gründungsurkunde der ***1*** GmbH, Seite 3 vom .

Dass die Bf. selbst die Räumlichkeiten und Maschinen an die beiden Gesellschaften ***6*** GmbH und ***7*** OG vermietete, ergibt sich aus den Feststellungen der Betriebsprüfung (aktendkundiger Betriebsprüfungsbericht, Seite 3) sowie aus der Beschwerde der Bf. (Beschwerde, Seite 2). Aus diesen Dokumenten ergibt sich ebenfalls, dass diese beiden Gesellschaften selbst die medizinischen Leistungen operativ erbrachten.

Der Unternehmensgegenstand nach Veräußerung der Anteile ergibt sich aus dem aktenkundigen geänderten Gesellschaftsvertrag vom , der im Rahmen einer außerordentlichen Generalversammlung der ***1*** GmbH beschlossen wurde.

Dass nach Eingliederung der ***7*** OG und nach Veräußerung der Anteile nunmehr die Bf. selbst die medizinischen Leistungen erbringt, ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht, Seite 7) sowie aus der Beschwerde der Bf. (Beschwerde der Bf., Seite 2).

Zum Mantelkauf

Dass bis zum Dr. ***2*** als Geschäftsführer fungierte und ab Dr. ***3*** zum Geschäftsführer bestellt wurde, ist aktenkundig und ergibt sich aus einem Auszug des Firmenbuches der Bf.

Aus diesem Auszug ergibt sich ebenfalls, dass die Geschäftsanteile von Dr. ***2*** an Dr. ***3*** und Dr. ***4*** veräußert wurden.

Dass sich der tatsächliche Geschäftsgegenstand der Bf. von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit auf eine operative Tätigkeit änderte, ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht, Seite 7) sowie aus der Beschwerde der Bf. (vgl. Beschwerde, Seite 2).

Dass Mitarbeiter eingestellt wurden, um die operativen Tätigkeiten tatsächlich auszuführen, ergibt sich aus dem Personalaufwand, welcher der Gewinn- und Verlustrechnung der Bf. zum zu entnehmen ist, sowie aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht, Seite 8 ).

Die Verminderung des Anteils von der Vermietung am Gesamtumsatz ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht, Seite 7). Die Verminderung des flächenmäßigen Anteils an der Vermietung ergibt sich aus den Ausführungen der Bf. im Rahmen der Beschwerde (vgl. Beschwerde, Seite 4) und wird im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom ).

Die Einnahmen und Ausgaben der Bf. vor Veräußerung der Anteile ergeben sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung zum . Die Verlustvorträge wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt (vgl. die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom ). Die Gewinne nach Veräußerung der Anteile ergeben sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung der Bf. zum , sowie aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht, Seite 7 f.).

Dass die Änderungen in kurzen zeitlichen Abständen erfolgten ergibt sich dem aktenkundigen Auszug aus des Firmenbuches der Bf., sowie aus den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen der Betriebsprüfung (vgl. Betriebsprüfungsbericht Seite 6 ff.).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Allgemeines

§ 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 normiert:

"(4) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:

[...]

2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

[...]

c) Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden."

Der Zweck einer gesonderten Mantelkaufregelung in § 8 Abs 4 Z 2 lit c KStG 1988 besteht darin, rechtsgeschäftliche Verlustverwertungen außerhalb wirtschaftlich begründbarer Fälle zu unterbinden (vgl ErlRV 622 BlgNR 17. GP, 18; vgl. auch Ressler/Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer/Rust (Hrsg) KStG2 (2016) § 8 Rn 242).

Der gesetzliche Mantelkauftatbestand bringt die Rechtsfolge des Untergangs des Verlustvortragsrechts mit einer gesamthaften wesentlichen Änderung der Strukturen der Körperschaft innerhalb eines überschaubar kurzen Zeitraums in Verbindung. Voraussetzung für die Versagung des Verlustabzugs ist, dass es zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens eines Verlusts und dem Zeitpunkt des Verlustabzugs zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft gekommen ist. Die wirtschaftliche Identität geht verloren, wenn wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur mit wesentlichen Änderungen der Gesellschafterstruktur einhergehen (vgl. , Rn 9 mwN). Treten die Änderungen nicht in einem Jahr ein, so wird nur bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Etappen der Änderung von einem Mantelkauf auszugehen sein (vgl ).

Änderungen der organisatorischen Struktur

Unter "organisatorischer Struktur" iSd Vorschrift wird eine Änderung der Leitung und Verwaltung der Körperschaft in Form ihrer gesetzlichen Vertreter verstanden (vgl. Ressler/Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer/Rust (Hrsg) KStG2 (2016) § 8 Rn 247; Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), Körperschaftsteuergesetz (2011) § 8 Rz 545).

Fest steht im vorliegenden Fall, dass die Geschäftsführung der Bf. vollständig getauscht wurde. Das Tatbestandsmerkmal der Änderung der organisatorischen Struktur ist damit erfüllt. Diese Tatsache ist zwischen den Parteien unstrittig (vgl. die ergänzende Beschwerdebegründung der Bf. vom sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom ).

Änderungen der Gesellschafterstruktur

Eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur bei Wechsel von 100% des stimmberechtigten Kapital ist als erfüllt anzusehen (vgl. im Detail Renner/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer (KStG 1988) (32. Lfg 2019) 5. Sonderausgaben und Mantelkauf Rz 1455 ff). Diese Tatsache ist zwischen den Parteien ebenso unstrittig (vgl. wiederum die ergänzende Beschwerdebegründung der Bf. vom sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom ).

Änderungen der wirtschaftlichen Struktur

Zwischen den Parteien ist vor allem strittig, ob eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur eingetreten ist.

Das Tatbestandselement der Änderung der wirtschaftlichen Struktur betrifft die wirtschaftliche Tätigkeit einer Körperschaft (vgl. Renner/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer (KStG 1988) (32. Lfg 2019) 5. Sonderausgaben und Mantelkauf Rz 1440). Für eine Änderung der wirtschaftlichen Einheit ist entweder eine hinreichend große Erhöhung des Vermögensoder eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandesoder eine kombinierte Änderung beider Parameter erforderlich (vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), Körperschaftsteuergesetz (2011) Einlagen, Entnahmen und Einkommensverwendung Rz 548; vgl. auch ). Kommt es zum gänzlichen Wechsel des Unternehmensgegenstandes, liegt selbst dann eine wirtschaftliche Strukturänderung vor, wenn das Vermögen der neu geschaffenen wirtschaftlichen Einheit im Wesentlichen aus jenem der alten wirtschaftlichen Einheit besteht. Der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand ist grundsätzlich unbeachtlich; vielmehr kommt es auf den tatsächlichen Unternehmensgegenstand an (vgl. Ressler/Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer/Rust (Hrsg) KStG2 (2016) § 8 Rn 254).

Im vorliegenden Fall argumentiert die belangte Behörde, dass ein fast gänzlicher Wechsel des Unternehmensgegenstandes stattgefunden habe: Die Bf. war zuerst im Bereich der Vermögensverwaltung tätig, in dem Räumlichkeiten und medizinische Maschinen an andere Unternehmen vermietet wurden. Nunmehr erbringt die Bf. die medizinischen Leistungen iSv diagnostischen Bildgebungsverfahren selbst. Dementgegen argumentiert die Bf., dass wirtschaftlich die Vermietungstätigkeit der Räumlichkeiten und Maschinen durch das eigene Betreiben der Ordination ersetzt wurde. Damit würden die Betriebsanlagen unverändert in gleicher Weise verwendet. Insgesamt sei die wirtschaftliche Aktivität der Bf. weitergeführt worden und die Identität des Steuerpflichtigen sei weiterhin gegeben. Die identitätsstiftenden Elemente der Bf. seien die Räumlichkeiten und die Betriebsanlagen. Die belangte Behörde wendet dagegen ein, dass ein Unterschied zwischen der Vermietung und dem eigenständigen Betrieb bestehe. Die wesentliche Betriebsgrundlage bei Diagnosehäusern sei der laufende Ordinationsbetrieb, da sich im vorliegenden Fall auch der Abtretungspreis für die Geschäftsanteile der Bf. ableite.

Die Bf. argumentiert, dass sich die Bilanzstruktur - insbesondere das Sachanlagevermögen - der Bf. durch die vorgenommenen Veränderungen nur mäßig verändert hätte. Dementgegen argumentierte die belangte Behörde, dass die Betriebsgrundlage der Bf. nicht mehr das Sachanlagevermögen, sondern der Ordinationsbetrieb sei.

Die Bf. bringt zudem vor, dass es sich im vorliegenden Fall um die Reaktivierung eines ruhenden Betriebes handle und daher der Tatbestand des Mantelkaufes nicht vorliege. Wie die belangte Behörde jedoch erwidert, waren die Bf. und die operativ tätige Personengesellschaft zwei getrennte Rechtssubjekte. Ein gemeinsamer Betrieb lag nicht vor. Weswegen daher bei der Bf. ein ruhender Betrieb reaktiviert wurde, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht nicht.

Die Bf. verweist zudem darauf, dass eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen sei und den Schluss rechtfertigen müsse, dass die Verlustverwertung das Primärziel der Strukturänderungen war. Beabsichtigten die neuen Gesellschafter hingegen die Aufrechterhaltung der übernommenen wirtschaftlichen Struktur und war dies zum Zeitpunkt der Übernahme der Gesellschaftsanteile auch wirtschaftlich denkmöglich, liegt kein Mantelkauf vor (vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), Körperschaftsteuergesetz (2011) Einlagen, Entnahmen und Einkommensverwendung Rz 572). Für die Bf. waren Haftungsgründe bzw. strukturelle Gründe für die Strukturänderungen. Da aber die übernommene wirtschaftliche Struktur - also die Überlassung von Räumlichkeiten und Maschinen - nicht fortgeführt, sondern durch einen operativen Betrieb ersetzt wurde, ist die Argumentation der Bf. für das Bundesfinanzgericht nicht stichhaltig.

Das Bundesfinanzgericht gelangt zur Ansicht, dass ein Bruch der wirtschaftlichen Identität der Bf. vorliegt, weil sich der Unternehmensgegenstand der Bf. wesentlich geändert hat: Wie die belangte Behörde ausführt, ist die Vermietung von Räumlichkeiten und Maschinen mit dem eigenen operativen Betrieb einer Ordination, selbst unter Verwendung des gleichen Vermögens, nicht vergleichbar. Ebenso sah das Bundesfinanzgericht in einem gleichgelagerten Fall - wenn auch dort in umgekehrter Richtung - das Vorliegen der Änderungen der wirtschaftlichen Struktur als gegeben an (vgl. ). Im dortigen Fall war die Bf. zunächst selbst operativ tätig und überließ nach der Veräußerung der Geschäftsanteile sodann ihr Betriebsvermögen an Dritte. Der dortige Senat argumentierte: "[Es ist] ein erheblicher Unterschied, ob, wie dies bei der Bf früher der Fall war, Lieferungen bzw sonstige Leistungen durch Einsatz von Arbeitskräften - hier mittels Vermittlung von Kaufabschlüssen im Internet - gegenüber einer Vielzahl von Kunden selbst erbracht werden, oder lediglich, wie dies bei der Bf nunmehr der Fall ist, das entsprechende technische Equipment einem (einzigen) Dritten zur Verfügung gestellt wird, der diese Zurverfügungstellung mit einem fixen Honorar, gleich einem Mietentgelt, vergütet. Daran vermag der von der Bf vorgebrachte Umstand, es würde weiterhin dasselbe Betriebsvermögen hiefür eingesetzt, nichts zu ändern, zumal ja nunmehr der effektive Einsatz dieses Betriebsvermögens zur Erzielung von Verkaufsabschlüssen nicht mehr seitens der Bf erfolgt" (vgl. , Absatz 26; zusammengefasst auch bei Marschner/Renner, Körperschaftsteuer-Update Juni 2018 (II): Aktuelles auf einen Blick, SWK 17/2018, 778 (784)).

Dieser Ansicht schließt sich der hier erkennende Senat ebenfalls an: Es ist ein erheblicher Unterschied, ob eine vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und Maschinen ausgeübt wird, oder aber, ob Leistungen der bildgebenden Diagnostik - selbst unter Verwendung der gleichen Maschinen bzw. dem gleichen Sachanlagevermögen - selbst ausgeübt werden. Dass die Bf. nach Veräußerung weiterhin Vermietungstätigkeiten tätigt, vermag dieses Ergebnis nicht zu ändern. Denn die Vermietungstätigkeit wurde von 100% des Umsatzes auf unter 3% des Umsatzes verringert. Auch flächenmäßig wurde die Vermietung von 100% auf 20% reduziert. Damit liegt eine wesentliche Änderung des tatsächlichen Unternehmensgegenstandes vor.

Wenn aber eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes vorliegt, kommt es auf eine hinreichend große Erhöhung des Vermögens nicht mehr an (vgl. nochmals vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), Körperschaftsteuergesetz (2011) Einlagen, Entnahmen und Einkommensverwendung Rz 548). Die diesbezügliche Argumentation der Bf. ist daher zu verwerfen.

Das Tatbestandsmerkmal der Änderung der wirtschaftlichen Struktur ist erfüllt.

Keine Anwendbarkeit von Ausnahmetatbeständen

Geht die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft aufgrund von zum Identitätsverlust führenden Strukturänderungen unter, bleibt der Verlustabzug dennoch erhalten, wenn die Strukturänderungen zum Zweck der Sanierung mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles der betrieblichen Arbeitsplätze vorgenommen werden (§ 8 Abs 4 Z 2 lit c vorletzter Satz; "Escape" - Klausel; vgl Petritz/Ressler, ÖStZ 9/2006/361, 197). Eine Voraussetzung dabei ist, dass bis zur Strukturänderung noch eine betriebliche Struktur vorhanden ist und im Rahmen dieser Struktur noch Arbeitskräfte beschäftigt sind (Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr (Hrsg) KStG (2011) § 8 Tz 590, 594). In der zu sanierenden Körperschaft muss vor dem Beginn der Strukturänderung noch ein wesentlicher Teil der ursprünglichen Arbeitsplätze vorhanden sein.

Im vorliegenden Fall wurden bei der Bf. vor dem Beginn der Strukturänderung keine Arbeitskräfte beschäftigt. Für die Bf. ist jedoch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Einbringung der ***7*** OG und damit einhergehend die Übernahme der dortigen Arbeitnehmer für die Beurteilung der Erhaltung der Arbeitsplätze bei der Bf. zu berücksichtigen.

Da die Einbringung der ***7*** OG im Zusammenhang mit den Strukturänderungen der Bf. erfolgte und damit vor dem Beginn der Strukturänderungen der Bf. keine Arbeitskräfte bei der Bf. vorhanden waren, kann der Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c vorletzter Satz KStG 1988 nicht greifen.

Gesamtwürdigung Mantelkauf

Im vorliegenden Fall sind die Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 kumulativ erfüllt: Sowohl wesentliche Änderungen der organisatorischen Struktur, der Gesellschafterstruktur sowie der wirtschaftlichen Struktur sind eingetreten.

Die bis zum Zeitpunkt der Veräußerung angehäuften Verluste sind daher nicht abzugsfähig.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da - soweit ersichtlich - für das vorliegend strittige Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Änderung in der vorliegenden Konstellation die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist die ordentliche Revision zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100762.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at