Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2021, RV/1100159/2017

Beiträge eines Grenzgängers zu einer inländischen Krankenversicherung als Werbungskosten

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0032. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1100194/2022 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom

hinsichtlich Einkommensteuer 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In seiner Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, die Umrechnung seines Einkommens sei mit dem Umrechnungskurs aus 2015 anstelle dessen aus 2014 vorgenommen worden. Bei richtiger Berechnung ergäben sich Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug in Höhe von € 15.294,03.

In der Folge erging eine abändernde Beschwerdevorentscheidung, in der ausgeführt wurde: Versicherungsbeiträge könnten nur dann als Werbungskosten Berücksichtigung finden, wenn der Arbeitnehmer selber zur Zahlung verpflichtet sei. Ersatzleistungen eines Ehegatten an den zahlungsverpflichteten anderen Ehegatten seien nicht abzugsfähig. Die von der Partnerin des Beschwerdeführers geleisteten Beiträge an die ***1*** Versicherung könnten daher nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der Umrechnung unterlägen auch die als Werbungskosten in Abzug zu bringenden, in Schweizer Franken entrichteten Kosten, dem Umrechnungskurs für 2014. Darüber hinaus seien das Pendlerpauschale sowie der Pendler-Euro anzupassen gewesen, zumal die schnellste Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur 17,3 km betrage.

Der Beschwerdeführer brachte einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein, in dem er erläuterte: A) Die Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug ergäben mit einem Kurs von 0,810967 umgerechnet € 15.294,03 und nicht € 15.463,40.

B) Weiters werde beantragt, sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag in Höhe von € 4.324,79 zu berücksichtigen. Die ***1*** Versicherung biete bei einem Partnerkonto bei Lebensgefährten einen Preisnachlass an. Da für ***2***, die Partnerin des Beschwerdeführers, bereits ein Vertrag existiert hatte, sei die Grenzgänger- Krankenversicherung des Beschwerdeführers ihrem Vertrag angeschlossen worden, ohne dass der ursprüngliche Name abgeändert wurde. Dies bedeute aber nicht, dass eine Ersatzleistung der Lebensgefährtin erbracht worden sei. Vielmehr seien die Beiträge zur Krankenversicherung vom Beschwerdeführer selbst bezahlt und somit von ihm getragen worden. Keinesfalls sei insofern eine Zahlungsverpflichtung der Frau ***2*** gegeben gewesen. Es werde daher beantragt, die Krankenversicherungsbeiträge als Werbungskosten in Abzug zu bringen.

Der Anpassung von Pendlerpauschale und Pendler- Euro widersprach der Beschwerdeführer nicht.

In ihrer Stellungnahme zum Vorlagebericht wurde seitens der Abgabenbehörde ausgeführt: Soweit laut Beschwerdevorbringen ein falscher Umrechnungskurs aufgezeigt worden sei, sei dem in der Beschwerdevorentscheidung entsprochen worden. Zugleich sei das Pendlerpauschale in richtiger Höhe berücksichtigt worden.

Zur laut Vorlageantrag thematisierten Differenz bei den Einkünften ohne inländischen Steuerabzug sei auszuführen, dass diese aus der Überschreitung des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 herrühre. Zur Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge werde das bereits in der Beschwerdevorentscheidung Angeführte aufrechterhalten.

Die Richterin des BFG erläuterte dem Beschwerdeführer in der Folge in Schriftform die Berechnung laut seinem Beschwerdepunkt A) zur Überschreitung des Jahressechstels iSd § 67 Abs. 2 EStG 1988:

"CHF 18.859 : 6 = CHF 3.143,16. Ihre sonstigen Bezüge beliefen sich auf CHF 3.352. Rechnet man die Differenz von CHF 208,84, um welche Ihre sonstigen Bezüge das Jahressechstel überschreiten, iSd § 67 Abs. 10 leg. cit. ihrem Bruttobezug hinzu, so ergeben sich umgerechnet die € 15.463,39 laut Beschwerdevorentscheidung."

Hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge zur ***1*** Versicherung ersuchte die Richterin um Nachreichung von Zahlungsbelegen. Der Beschwerdeführer legte Unterlagen vor, aus denen sich Zahlungsströme an seine Lebenspartnerin zur Bestreitung seiner Versicherungsbeiträge ersehen lassen.

Per Schriftsatz zog der Beschwerdeführer gleichzeitig den Beschwerdepunkt A) sowie seinen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Beschwerdesenat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe):

Sachverhalt

  1. Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr Einkünfte aus selbständige Arbeit sowie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Grenzgänger in die Schweiz.

  2. Er verfügte über einen inländischen Krankenversicherungsschutz bei der ***1*** Versicherung.

  3. Als Versicherungsnehmerin scheint ***2***, die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, auf.

  4. Der auf den Beschwerdeführer entfallende Prämienanteil belief sich für das Streitjahr auf € 2.442,78.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:

Als Streitpunkt verbleibt: Kann der Beschwerdeführer den auf ihn entfallenden Prämienanteil an der Krankenversicherung als Werbungskosten in Abzug bringen?

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Zu den Werbungskosten zählen gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG 1988 die Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. g leg. cit. zählen dazu auch Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Grenzgänger sind im Inland ansässige Arbeitnehmer, die im Ausland ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von Ihrem Wohnort dorthin begeben.

Gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Nicht strittig ist die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Beiträge von Grenzgängern in die Schweiz, die an ein privates Versicherungsunternehmen in Österreich als Krankenversicherungsbeiträge entrichtet werden, als Werbungskosten.

Nach Lehre und Rechtsprechung knüpfen steuerliche Tatbestände nicht ausschließlich an formalrechtliche Gestaltungsvarianten an. Das Ertragssteuerrecht ist von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt, d. h., ausschlaggebend ist das tatsächliche Geschehen, nicht allein die zivilrechtliche Gestaltung eines Vertrages. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann sich eine Abweichung von der rechtlichen Gestaltung ergeben.

Die in § 21 Abs. 1 BAO normierte wirtschaftliche Betrachtungsweise ist nicht als einseitig fiskalisch orientiertes Instrument aufzufassen; die Abgabenbehörde ist dazu verhalten, auf das tatsächliche Geschehen abzustellen, gleichgültig, ob der zwingend gebotene Durchgriff fiskalisch günstig oder ungünstig ist, und gleichgültig, ob durch die gewählte, dem Tatsächlichen nicht entsprechende formale Gestaltung Abgabenersparnisse beabsichtigt waren oder nicht (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 21, E 17, mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).

Umgelegt auf den Streitfall ist aus all dem abzuleiten:

Die Gestaltungsvariante, wonach die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in zivilrechtlicher Hinsicht als Versicherungsnehmerin der beide Partner umfassenden Krankenversicherung aufscheint, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Er hat über Ersuchen der Richterin Unterlagen nachgereicht, welche glaubhaft machen, dass er nach dem tatsächlichen Geschehen den auf ihn entfallenden Prämienanteil (siehe oben, Sachverhalt) selbst trägt und kann ihn daher auch unter dem Titel der Werbungskosten in Abzug bringen.

Die im Streitfall geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträge waren somit entsprechend dem Beschwerdevorbringen als Werbungskosten zu berücksichtigen und es war wie im Spruch zu entscheiden (vgl. auch ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende rechtliche Würdigung findet Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Darüber hinaus waren Sachverhaltsfragen zu beurteilen, die abseits des Einzelfalles nicht von Interesse sind.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100159.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at