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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2021, RV/5101390/2017

Haftung für Lohnsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom zu StNr. ***1***, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***X*** GmbH (FN ***2***) im Ausmaß von 20.792,34 € in Anspruch genommen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Lohnsteuer
11/2015
8.214,61
Lohnsteuer
12/2015
8.186,63
Lohnsteuer
02/2016
367,68
Summe
16.768,92

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die im Firmenbuch zu FN ***2*** protokolliert gewesene ***X*** GmbH (Primärschuldnerin) gegründet, die auf dem Gebiet der Arbeitskräfteüberlassung tätig war. Als jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer waren der Beschwerdeführer und ***3*** bestellt.

Dem aktenkundigen Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom ist zu entnehmen, dass am durch die Betriebsprüfung die schriftliche Anmeldung mit RSa-Brief zur Außenprüfung gemäß § 99 FinStrG betreffend Umsatzsteuern und Lohnabgaben für den Zeitraum Mai bis Dezember 2015 erfolgt ist. Daraufhin sind von der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin die fehlenden Lohnabgaben für November und Dezember 2015 dem Finanzamt per E-Mail bekannt gegeben worden.

Mit Haftungsbescheiden vom , gebucht am , wurde die Primärschuldnerin gemäß § 82 EStG für die Einbehaltung und Abfuhr der am fällig gewesenen Lohnsteuer 11/2015 in Höhe von 10.185,57 € und der am fällig gewesenen Lohnsteuer 12/2015 in Höhe von 10.150,87 € in Anspruch genommen. Zur Entrichtung dieser Nachforderungen stand gemäß § 210 Abs. 4 BAO eine Nachfristfrist bis zu.

Am wurden von der Primärschuldnerin die am fälligen Lohnabgaben für Februar 2016 bekannt gegeben, aber nicht entrichtet.

Am wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss des Landesgerichtes Wels das Konkursverfahren eröffnet. Anlässlich dieser Konkurseröffnung wurde eine Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis durchgeführt. Dabei wurde lediglich festgestellt, dass für Mai 2016 noch Lohnabgaben gemeldet worden wären, obwohl für diesen Zeitraum bis auf den Gehalt des Geschäftsführers keine Bezüge mehr ausbezahlt worden wären. Die gemeldeten Abgaben wären daher laut Lohnkonto gutzuschreiben.

In einem umfangreichen Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass seine Heranziehung zur Haftung für näher aufgegliederte Abgaben der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 86.143,10 € im Raum stehe. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, näher darzustellen, dass er bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel den Abgabengläubiger nicht benachteiligt habe.

In seinen Stellungnahmen vom und legte der Beschwerdeführer die Ursachen für die Insolvenz der Gesellschaft näher dar, die im Wesentlichen auf die "Fälligstellung" der Verbindlichkeiten durch die OÖ Gebietskrankenkasse zurückzuführen gewesen sei. Zu einer Benachteiligung des Abgabengläubigers sei es nicht gekommen, da Beträge aus offenen Fakturen der Kunden ***4*** GmbH, ***5*** GmbH sowie der ***6*** GmbH zur Abdeckung der Rückstände direkt an das Finanzamt überwiesen worden seien. Ferner seien alle Gläubiger - einschließlich des Finanzamtes - gleichmäßig mit Zahlungen aus den restlichen Überweisungen der Kundenfakturen auf das Geschäftskonto der Gesellschaft bedient worden. Durch die Fälligstellung der offenen SV-Beiträge im Mai 2016 hätte am leider der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gestellt werden müssen. Bis Ende April / Anfang Mai 2016 habe keine Insolvenzgefahr bestanden, da es nur zwei Gläubiger (Finanzamt und Gebietskrankenkasse) und mit beiden eine "entsprechende Ratenvereinbarung" zur Rückzahlung der Außenstände gegeben habe. In einer tabellarischen Aufstellung wurden die an näher bezeichnete Gläubiger (einschließlich Finanzamt) in den einzelnen Monaten von Dezember 2015 bis Mai 2016 geleisteten Zahlungen dargestellt. Daraus ist ersichtlich, dass das Finanzamt und die Gebietskrankenkasse die mit Abstand größten Zahlungsempfänger waren.

Zu den in diesen Stellungnahmen erwähnten "Ratenvereinbarungen" wird festgestellt, dass vom Finanzamt mit Bescheid vom ein am eingebrachtes Zahlungserleichterungsansuchen abgewiesen wurde. Der Bescheid erging zu Handen des für die Primärschuldnerin zustellbevollmächtigten Beschwerdeführers. Die Gesellschaft wurde zur Vermeidung von Einbringungsmaßnahmen ersucht, die rückständigen Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 59.355,88 unverzüglich und in Höhe von € 1.571,32 bis zu entrichten.

Mit Bescheid vom , ebenfalls zugestellt zu Handen des Beschwerdeführers, wurde ein weiteres, am eingebrachtes Ansuchen um Bewilligung einer Zahlungserleichterung für die Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten abgewiesen. Zur Vermeidung von Einbringungsmaßnahmen wurde die Gesellschaft ersucht, die rückständigen Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 70.982,30 unverzüglich und in Höhe von € 30.403,08 bis zu entrichten. Bei den bis zu entrichtenden Abgaben in Höhe von 30.403,08 € handelte es sich im Wesentlichen um die Lohnabgaben für November und Dezember 2015.

Mit der vom Beschwerdeführer erwähnten "direkten Überweisung von Kundenfakturen auf das Abgabenkonto" sind offensichtlich die Zahlungen der Kunden der Primärschuldnerin als Drittschuldner gemeint, die aufgrund der vom Finanzamt durchgeführten Forderungspfändungen zu leisten waren. Im Zeitraum bis zur Konkurseröffnung sind eine Reihe solcher Zahlungseingänge der genannten Firmen am Abgabenkonto verbucht worden.

Ferner gingen am Abgabenkonto laufend auch Beträge aus der Überrechnung von Haftungsbeträgen im Sinne des § 82a EStG (Auftraggeberhaftung; AGH-Zahlungen) ein.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für folgende Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
11/2015
10.185,57
Lohnsteuer
12/2015
10.150,87
Lohnsteuer
02/2016
455,90
Summe
20.792,34

In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass in den beiden Schreiben vom und zwar dargestellt worden sei, dass die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter als die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger behandelt wurden. Aus den Bestimmungen des § 78 EStG ergäbe sich jedoch, dass jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtiichen Pflichten im Sinne des § 9 BAO darstellen würde. Es hätte daher nur ein solcher Betrag an Löhnen zur Auszahlung gelangen dürfen, der auch die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt hätte. Da der Beschwerdeführer dies unterlassen habe, sei die Haftung für die nicht ordnungsgemäß abgeführten Lohnsteuern auszusprechen gewesen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Weiters könne auf Grund der Aktenlage nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch beim Haftungspflichtigen uneinbringlich wären.

Dem Haftungsbescheid wurden Ablichtungen der an die Gesellschaft ergangenen Lohnsteuer-Haftungsbescheide sowie des eingangs erwähnten Berichtes über das Ergebnis einer Außenprüfung vom angeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf eine "bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der o.a. Abgaben" bestehende Raten- und Rückzahlungsvereinbarung der der Primärschuldnerin mit dem Finanzamt (Frau ***7***). Es wären AGH-Zahlungen aller Kunden sowie Direktzahlungen der kompletten Rechnungen der Kunden ***5***, ***4*** und ***6*** an das Finanzamt zur Rückzahlung der Abgabenschulden zusätzlich zu den laufenden Direktzahlungen der Gesellschaft geleistet worden. Ebenso habe mit der OÖ Gebietskrankenkasse eine Rückzahlungsvereinbarung bestanden. Beide Gläubiger (Finanzamt und Gebietskrankenkasse) wären, wie mit seinem Schreiben vom nachgewiesen, in gleicher Höhe befriedigt worden. Zur Einhaltung der Rückzahlungsvereinbarungen mit Finanzamt und Gebietskrankenkasse hätten die Arbeitslöhne der überlassenen Mitarbeiter in voller vereinbarter Höhe ausbezahlt werden müssen, da ansonsten - wie in der Arbeitskräfteüberlassung üblich - die Mitarbeiter sofort die Arbeit eingestellt hätten und somit keine Zahlungen der Kunden mehr zur Abdeckung der Abgabenschulden zur Verfügung gestanden wären. Weitere Einnahmequellen zur Rückzahlung der Abgabenschulden habe es bei der Primärschuldnerin nicht gegeben. Durch die beiden Rückzahlungsvereinbarungen hätten die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes der Mitarbeiter ausgereicht (§ 78 EStG, Abs.3) und es hätte daher nicht "von einem niedriger zur Auszahlung gelangenden Betrag gerechnet" werden müssen. Im Zeitraum November 2015 bis Mai 2016 wären aus obiger Vereinbarung gesamt 185.100,96 Euro auf das Finanzamtskonto der Primärschuldnerin einbezahlt worden. Auf die Verbuchung bzw. Überrechnung dieser Zahlungen durch das Finanzamt auf die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben habe er als Geschäftsführer zum überwiegenden Teil keinen Einfluss gehabt. Diese hätten vom Finanzamt auf die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben angerechnet werden können, was allerdings nicht erfolgt ist. Gemäß -0206, bestehe keine Haftung des Geschäftsführers, wenn das Finanzamt die Überrechnung eines Guthabens nicht vorgenommen hat. Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben hätten laut beigelegtem Kontoauszug eine "Fälligkeit per " gehabt, hätten also jederzeit vom Finanzamt durch die oben angeführten Zahlungen verbucht werden können. Die Abgabenbehörde müsse im Haftungsbescheid Feststellungen über die zu erwartende Konkursquote treffen und die Haftung auf den nach Abschluss des Konkursverfahrens verbleibenden uneinbringlichen Teil der Abgabenforderungen beschränken. Treffe sie diese Feststellung nicht, so sei der Bescheid rechtswidrig (). Da die weitere Dauer des Konkursverfahrens seitens der Masseverwalterin zwar noch nicht absehbar sei, aber entsprechende Mittel auf dem Massekonto verfügbar seien, wären diese "abzustimmen" gewesen. Eine allfällige Haftung würde beide Gesellschafter und Geschäftsführer der Primärschuldnerin treffen, da keine Aufteilung der Agenden vereinbart worden sei und laut beigelegtem Firmenbuchauszug beide Geschäftsführer selbständig vertretungsbefugt waren.

Der Beschwerde waren ein Firmenbuchauszug und eine Ablichtung der Buchungen vom bis für Lohnsteuer aus dem FinanzOnline mit folgendem Inhalt angeschlossen:


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Buchungstag
Abg.Art
Zeitraum
Termine
Betrag
Zuätzliche Informationen
L
10/2015
fällig
8.427,75
L
01/2016
fällig
5.594,88
L
11/2015
Frist
fällig
10.185,57
Festsetzung
L
12/2015
Frist
fällig
10.150,87
Festsetzung

Zum Einwand bestehender Raten- und Rückzahlungsvereinbarungen wird neuerlich festgestellt, dass der Primärschuldnerin vom Finanzamt keine Zahlungserleichterungen (Ratenzahlungen oder Stundungen) bewilligt wurden, sondern mit den bereits erwähnten Bescheiden vom und Zahlungserleichterungsansuchen abgewiesen worden waren.

Ferner ist den Eintragungen im Abgabeninformationssystem (B-Verfahren) zu entnehmen, dass vom Finanzamt - wie bereits oben erwähnt - wiederholt und erfolgreich die Forderungen der Primärschuldnerin gegen die Firmen ***4*** GmbH, ***5*** GmbH sowie der ***6*** GmbH gepfändet worden waren. Als Folge der Forderungspfändungen wurden von diesen Drittschuldnern erhebliche Zahlungen auf das Abgabenkonto geleistet (vom Beschwerdeführer so genannte "Direktzahlungen der Kunden"). Aufgrund der durchgeführten Forderungspfändungen sind zwar Kontaktaufnahmen des Beschwerdeführers mit der von ihm erwähnten Mitarbeiterin des Finanzamtes dokumentiert, dass dabei formlose Raten- oder Rückzahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden wären und welchen konkreten Inhalt diese gehabt hätten, konnte jedoch nicht festgestellt werden. So wurde etwa der Beschwerdeführer am telefonisch aufgefordert, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen und darin die Geschäftssituation, Zahlungseingänge und eine positive Fortbestehensprognose sowie einen Zahlungsvorschlag vorzulegen. Dazu sei zwar am per Mail eine Stellungnahme erfolgt, nach Rücksprache mit dem Teamleiter aber entschieden worden, dass Konkursantrag gestellt werde, sollten die laufenden Abgaben nicht termingerecht entrichtet werden.

Aufgrund der eingebrachten Beschwerde nahm das Finanzamt am mit dem Beschwerdeführer telefonisch Kontakt auf. Dabei habe dieser angegeben, dass keine schriftliche Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern der Primärschuldnerin erfolgt wäre. Für die Abwicklung mit dem Finanzamt sei "hauptsächlich er zuständig" gewesen.

Im Einklang damit steht der Umstand, dass der Beschwerdeführer für die Primärschuldnerin Zustellvollmacht besaß und schriftliche Erledigungen des Finanzamtes daher zu seinen Handen zugestellt wurden. Auch trat allein der Beschwerdeführer gegenüber dem Finanzamt (etwa der erwähnten Mitarbeiterin des Teams Abgabensicherung) als Vertreter der Gesellschaft auf.

Schließlich wurde (allein) der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Spruchsenates vom rechtskräftig wegen des Finanzvergehens nach § 49 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt, er habe als abgabenrechtlich Verantwortlicher der Primärschuldnerin vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nämlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Monate August 2015, November 2015 und Dezember 2015 in Höhe von insgesamt € 46.194,53 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt und der zuständigen Abgabebehörde bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht die Höhe der geschuldeten Beiträge bekannt gegeben.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände steht für das Bundesfinanzgericht ausreichend fest, dass dem Beschwerdeführer die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin oblegen ist.

Das Finanzamt nahm am auch mit der Masseverwalterin Kontakt auf. Dabei wurde von dieser mitgeteilt, dass im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin mit einer Quote von maximal 30 % gerechnet werden könne.

Daraufhin schränkte das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom die Haftungsinanspruchnahme um diese zu erwartende Quote von 30 % ein. Die Haftung reduzierte sich damit von bisher 20.792,34 € auf 14.554,64 €. In der umfassenden Begründung stellte das Finanzamt die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung für Lohnsteuer eingehend dar und wies zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung auf das Erkenntnis des Spruchsenates vom hin, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 11 BAO vorliegen würden. Den Einwendungen, dass das Finanzamt die Zahlungen der Primärschuldnerin auf andere Rückstände verbuchen hätte können, wurde entgegengehalten, dass sämtliche Zahlungen der Primärschuldnerin gemäß den Grundsätzen der Bundesabgabenordnung verrechnet worden wären. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Weiters könne auf Grund der Aktenlage nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch bei der Haftungspflichtigen uneinbringlich seien. Aufgrund der Aktenlage - auf die rechtskräftige Verurteilung und auf das Telefonat vom werde verwiesen - sei weiters davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer für die "Abwicklung" mit dem Finanzamt zuständig gewesen sei.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Darin brachte der Beschwerdeführer vor, dass seiner Ansicht nach bei korrekter Verbuchung der von ihm nicht beeinflussbaren "Kundenzahlungen" (Drittschuldnerzahlungen aufgrund der vom Finanzamt verfügten Forderungspfändungen) und AGH-Überweisungen die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 11/2015, 12/2015 sowie 02/2016 bereits beglichen sein müssten und daher nicht mehr aushaften können. Es wären im Zeitraum Dezember 2015 bis Mai 2016 insgesamt 136.183,56 € durch die genannten Zahlungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin überwiesen worden. Davon seien 15.871,47 € zweckgebunden auf die Lohnabgaben März und April 2016 (plus 616,35 € für diverse Abgaben wie SZA und KU) gebucht und der Großteil von 120.312,09 € für offene Abgaben zu verwenden gewesen. Die Lohnsteuer 11/2015 wäre laut Abgabenkonto mit fällig gewesen, die Lohnsteuer 12/2015 mit . Tatsächlich wäre aber z.B. die Umsatzsteuer für 11/2015 (fällig am ) vor den beiden Lohnsteuern aus den "frei verfügbaren" Mitteln im Zeitraum Februar bis Mai 2016 abgedeckt worden. Die Umsatzsteuer 11/2015 habe 22.908,34 € betragen. Mit diesem Betrag wären somit sowohl die Lohnsteuer 11/2015 als auch die Lohnsteuer 12/2015 und der Rest 02/2016 beglichen gewesen. Daher beantrage er, die Haftung für die Lohnsteuer 11/2015 als auch für die Lohnsteuer 12/2015 und den Rest der Lohnsteuer 02/2016 zur Gänze aufzuheben. Des Weiteren sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Lohnsteuern 11/2015 und 12/2015 mit den angeführten Zahlungen nicht "verbucht" (gemeint wohl: abgedeckt) worden wären, die Lohnsteuer 01/2016 dagegen sehr wohl - obwohl später fällig! Gemäß -0206, bestehe keine Haftung des Geschäftsführers, wenn das Finanzamt die Überrechnung eines Guthabens nicht vorgenommen habe. Im Vertrauen auf die korrekte Verbuchung der Zahlungen vom AGH-Konto sowie der "Direktzahlungen" der näher angeführten Kunden seien die Lohnabgaben für März 2016 und April 2016 zweckgebunden in der Höhe von 7.824,13 € bzw. 7.430,99 € direkt auf das Abgabenkonto im April und Mai 2016 überwiesen worden. Diese Zahlungen seien auch auf die entsprechenden Monate gebucht worden und nicht auf die laut Haftungsbescheid offenen Zeiträume. Es sei zu keiner Zeit seine Absicht gewesen, Abgaben - welcher Art auch immer- nicht zu entrichten, sondern im Gegenteil durch die Vereinbarungen mit der Mitarbeiterin im Team Abgabensicherung zu versuchen, die Rückstände - gerade durch die Bezahlung der vollen Nettolöhne an die Mitarbeiter - so rasch als möglich zu begleichen. Er weise daher nach wie vor jede schuldhafte Form der Pflichtverletzung in seiner Funktion als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zurück. Er bitte daher nochmals um Prüfung der offenen Beträge laut seinen Ausführungen und um gänzliche Einstellung der Haftung über 14.554,64 € laut Beschwerdevorentscheidung vom .

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom wurde das Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben. Vom Finanzamt waren Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt 133.577,50 € angemeldet worden, auf die von der Masseverwalterin geleistete Quotenzahlungen in Höhe von 25.847,90 € entfallen, woraus sich eine Konkursquote von 19,350489 % ergibt.

Der für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig gewesene Richter trat mit in den Ruhestand. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes wurde in weiterer Folge die Gerichtsabteilung des erkennenden Richters für die Erledigung unter anderem dieser Beschwerde zuständig.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 78 Abs. 1 EStG 1988).

Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988).

Erwägungen

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

2.1.1. Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin

Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft sind dem Grunde und der Höhe nach unbestritten. Die Lohnabgaben für November und Dezember 2015 wurden dem Finanzamt unmittelbar nach der Ankündigung einer Außenprüfung gemäß § 99 FinStrG von der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin dem Finanzamt per E-Mail bekannt gegeben. Die Haftungsbescheide vom setzten die Lohnabgaben entsprechend dieser Bekanntgabe fest. Die Lohnabgaben für Februar 2016 wurden dem Finanzamt am bekannt gegeben.

Der Beschwerdeführer bringt allerdings vor, dass bei richtiger Verbuchung der Zahlungseingänge die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern bereits abgedeckt sein müssten.

Dem ist zum einen entgegen zu halten, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Haftungspflichtigen und der Abgabenbehörde darüber, ob eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, nicht im Haftungsverfahren, sondern im Verfahren auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO zu klären sind (z.B. und ).

Zum anderen ist für das Bundesfinanzgericht eine fehlerhafte Verbuchung der Gebarung nicht erkennbar. Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern 11/2015 und 12/2015 waren zwar am und fällig. Für ihre Entrichtung stand jedoch gemäß § 210 Abs. 4 BAO eine Nachfrist bis zu, die auch in dem vom Beschwerdeführer gemeinsam mit der Beschwerde vorgelegten Buchungsauszug dokumentiert ist.

Gemäß § 214 Abs. 1 BAO sind in den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit nicht anderes bestimmt ist, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen; an die Stelle des Fälligkeitstages hat der davon abweichende zuletzt maßgebliche gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungstermin zu treten.

Hinsichtlich der Lohnsteuern 11/2015 und 12/2015 waren daher bei der Verbuchung der Gebarung nicht die Fälligkeitstage ( und ) maßgeblich, sondern die Nachfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO ().

2) Stellung als Vertreter

Die Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der primärschuldnerischen Gesellschaft ist unstrittig. Er war von der Gründung der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens handelsrechtlicher Geschäftsführer mit selbstständiger Vertretungsbefugnis. Damit trifft ihn die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 BAO. Als weiterer Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte ***3***.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können bei mehreren Vertretern die Aufgaben verteilt werden. Primär ist jener Vertreter, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist, zur Haftung heranzuziehen. Die mit Abgabenange-legenheiten nicht befassten Personen können im Regelfall nicht zur Haftung herangezogen werden (z.B. ). Der mit den abgabenrechtlichen Agenden nicht befasste Vertreter der Gesellschaft ist nur dann zur Haftung heranzuziehen, wenn er trotz zumutbarer Wahrnehmung von Unzulänglichkeiten im Agendenbereich des zuständigen Vertreters nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen (z.B. ). Es muss daher ein Anlass vorliegen, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln (). Nur wenn er trotz konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des mit den steuerlichen Agenden betrauten Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, haftet auch der andere Geschäftsführer ().

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die oben angeführten Umstände verwiesen, aufgrund derer das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin oblegen ist.

3) Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen

Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Hauptschuldner liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ( und , 99/14/0277). Wie es der Abgabenbehörde nur zumutbar ist, auf ein im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides zur Befriedigung der Gläubiger verwertbares Vermögen zu greifen ( und , 97/15/0191), so ist die Behörde auch nicht verhalten, mit der vollständigen Abwicklung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners zuzuwarten ( und , 99/14/0233), wobei es jedoch auch im Falle der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners konkreter Feststellungen der Abgabenbehörde über die Befriedigungsaussichten beim insolventen Hauptschuldner bedarf ( und , 98/15/0129).

In der gegenständlichen Beschwerde wurde daher zutreffend eingewendet, dass die Abgabenbehörde im Haftungsbescheid keine Feststellungen über die zu erwartende Konkursquote getroffen und diese nicht bei der Bemessung der Haftungsschuld berücksichtigt hatte. Zwischenzeitig wurde das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin beendet und erhielt das Finanzamt eine Konkursquote von 19,350489 %, die von den haftungsgegenständlichen Lohnsteuern aliquot in Abzug zu bringen war (vgl. dazu etwa mit Hinweis auf ; ). Demzufolge verminderten sich die haftungsgegenständlichen Abgaben auf das im Spruch dargestellte Ausmaß wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Quote
Haftung
Lohnsteuer
11/2015
10.185,57
1.970,96
8.214,61
Lohnsteuer
12/2015
10.150,87
1.964,24
8.186,63
Lohnsteuer
02/2016
455,90
88,22
367,68
Summe
16.768,92

Gegenüber der Beschwerdevorentscheidung, in der eine voraussichtliche Konkursquote von "maximal 30 %" berücksichtigt worden war, ergibt sich damit eine (geringfügige) Erhöhung der Haftungsschuld. Dies ist jedoch zulässig, da durch die Stellung des Vorlageantrages die Bescheidbeschwerde gemäß § 264 Abs. 3 BAO wieder als unerledigt gilt und die Beschwerdevorentscheidung durch das gegenständliche Erkenntnis aus dem Rechtsbestand ausscheidet. Unzulässig wäre nur eine erstmalige Inanspruchnahme für Abgabenansprüche, die im Erstbescheid noch nicht enthalten waren, was gegenständlich aber nicht der Fall ist; im Erstbescheid waren die ungekürzten (um keine Konkursquote verminderten) Abgabenforderungen geltend gemacht worden.

4) Schuldhafte Pflichtverletzung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt. Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt (auch) bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen (z.B. mwN).

Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern waren am (Lohnsteuer 11/2015), am (Lohnsteuer 12/2015) und am (Lohnsteuer 2/2016) fällig. Die zu diesen Terminen fälligen Lohnsteuern wurde jedoch weder einbehalten noch an das Finanzamt abgeführt. Die Lohnsteuern 11/2015 und 12/2015 waren zu den Fälligkeitsterminen nicht einmal bekannt gegeben worden, die Lohnsteuer 2/2016 wurden zwar rechtzeitig bekannt gegeben, aber nicht entrichtet. Allein damit liegt bereits eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO vor.

Das Vorbringen in der Beschwerde läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass sich der Beschwerdeführer darauf verlassen hat, dass die Eingänge aus den Forderungspfändungen und die Überrechnungen von Haftungsbeträgen im Sinne des § 82a EStG ausreichen werden, um die fälligen Lohnsteuern abzudecken. Eine fristgerechte Entrichtung zu den Fälligkeitsterminen durch künftig erst eingehende Drittschuldnerzahlungen ist aber schon grundsätzlich ausgeschlossen. Der Umstand, dass die Haftungsbescheide vom zu Nachfristen gemäß § 210 Abs. 4 BAO führten, ändert nichts mehr an der bereits eingetretenen schuldhaften Pflichtverletzung, die in der nicht termingerechten Einbehaltung, Bekanntgabe und Abfuhr der Lohnsteuern zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen besteht. Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage des Vorliegens einer Pflichtverletzung entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden und diese Festsetzungen Nachfristen im Sinne des § 210 Abs. 4 BAO auslösen (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 9 Tz 10 und die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. auch ).

Dazu kommt, dass im haftungsrelevanten Zeitraum der Abgabenrückstand trotz der Drittschuldnerzahlungen angestiegen ist. Zum betrug dieser 68.769,24 €, zum dagegen schon 102.736,81 €. Die Forderungsanmeldungen des Finanzamtes im Konkurs betrugen - wie oben erwähnt - letztlich 133.577,50 €. Bei dieser Sachlage konnte der Beschwerdeführer umso weniger auf eine fristgerechte Abdeckung der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern durch die Drittschuldnerzahlungen vertrauen.

Insgesamt hat damit der Beschwerdeführer ein fehlendes Verschulden im Sinne des § 9 BAO im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 nicht aufgezeigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat aber der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (Ritz, BAO, 6. Auflage, § 9 Tz 22 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

5) Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

Die Haftungsinanspruchnahme setzt auch eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so besteht keine Haftung ().

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen ist. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ( mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049).

Dass es auch ohne die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung zur Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gekommen wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht dargetan.

6) Ermessen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Geltendmachung der Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens sind Ermessensentscheidungen gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 20 Tz 7 mit Hinweis auf ; und ).

Die "Billigkeit" gebietet bei einer Ermessenentscheidung im Regelfall die Berücksichtigung auch der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei (Ritz, BAO, § 20 Tz 7 mit Hinweis auf Stoll, BAO, 208). Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen wären damit im Rahmen der Ermessenübung bei der Geltendmachung der Haftung zu beachten (Ritz, BAO, § 7 Tz 7 mit Judikaturnachweisen und Hinweis auf Stoll, Ermessen, 392). Allerdings vertritt der Verwaltungsgerichtshof demgegenüber in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().

Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zu Recht zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen. Die Geltendmachung der Haftung ist zwar eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO, § 224 Tz 4), diese Einhebungsmaßnahme bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.

Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt (diese wäre allenfalls erst in einem Verfahren gemäß § 237 BAO zu prüfen), sondern in der Heranziehung zur Haftung läge.

In diesem Zusammenhang brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, dass eine allfällige Haftung beide Geschäftsführer der Primärschuldnerin treffen würde, da keine Aufteilung der Agenden vereinbart worden sei und laut Firmenbuchauszug beide Geschäftsführer selbständig vertretungsbefugt waren. Im Zuge der Rückfrage durch das Finanzamt am ergänzte der Beschwerdeführer, dass es auch keine schriftliche Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern gegeben hätte, gestand aber zu, dass für die "Abwicklung mit dem Finanzamt hauptsächlich er zuständig" gewesen sei. Wie bereits festgestellt, steht im Einklang damit auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer für die Primärschuldnerin Zustellvollmacht besaß und schriftliche Erledigungen des Finanzamtes daher zu seinen Handen zugestellt wurden. Auch trat allein der Beschwerdeführer gegenüber dem Finanzamt als Vertreter der Gesellschaft auf. Schließlich wurde bereits darauf hingewiesen, dass allein der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Spruchsenates vom rechtskräftig wegen des Finanzvergehens nach § 49 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt wurde.

Bei dieser Sachlage war davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin oblegen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber primär jener Vertreter, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut war, zur Haftung heranzuziehen (Ritz, BAO, 6. Auflage, § 9 Tz 23 mit Hinweis auf ; und ). Die Heranziehung (allein) des Beschwerdeführers zur Haftung war daher nicht rechtswidrig.

Im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer schließlich vor, es sei zu keiner Zeit seine Absicht gewesen, Abgaben nicht zu entrichten, sondern er sei bestrebt gewesen, die Rückstände so rasch als möglich zu begleichen. Diese Absicht wird nicht in Abrede gestellt, ändert aber nichts an der festgestellten schuldhaften Pflichtverletzung. Abgesehen davon stieg - wie oben dargestellt - der Abgabenrückstand im haftungsrelevanten Zeitraum an. Da die schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich der Lohnsteuern 11/2015 und 12/2015 auch den Tatbestand einer Finanzordnungswidrigkeit erfüllt hat, kam eine Einschränkung der Haftung aus Billigkeitserwägungen nicht in Betracht.

Unter Berücksichtigung aller Umstände war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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